„Lazarus, komm heraus!“

„Lazarus, komm heraus!“

Wortverkündigung zu Johannes 11,43

Einleitung

Unser heutiges Schriftwort und das gesamte 11. Kapitel des Johannesevangeliums gehören sicher zu den bekanntesten Abschnitten der Heiligen Schrift. Das ist nicht überraschend, denn die Wunder, die Jesus während seines irdischen Dienstes tat, ziehen naturgemäß großes Interesse auf sich. Und unter all diesen Wundern nimmt die Auferweckung des Lazarus einen sehr prominenten Platz ein. Warum, so fragen wir, ist das so? Warum bleibt selbst Menschen, die mit Jesus Christus nicht viel im Sinn haben, die aber zumindest schon einmal von ihm gehört haben, vor allem dies in Erinnerung: dass er viele Wunder tat oder getan haben soll? Ist es die menschliche Neugier, die Lust am Ungewöhnlichen, an Sensationen? Möglicherweise. Aber das sollen nicht die Motive sein, die uns beim Hören dieser Wunder und überhaupt aller biblischen Berichte leiten.

Die Frage lautet: Warum tat Jesus überhaupt Wunder? Um die Sensationslust der Menschen zu befriedigen? Eher nicht. Denken wir nur an die großen Scharen, die Jesus wegen seiner Wunderwerke gefolgt waren und die ihn plötzlich verließen, als er ihnen die so genannte harte Rede über das Wesen seines Dienstes verkündete (Joh. 6,60).

Tat Jesus vielleicht Wunder, um den Betroffenen in ihrer persönlichen Not zu helfen? Das kommt der Wahrheit schon näher. Aber selbst dies war nicht der eigentliche Antrieb für seine Wunder. Das Ergebnis der Wunder war in den meisten Fällen tatsächlich, dass Menschen aus einer misslichen Lage, etwa Blindheit oder Lähmung oder Besessenheit oder sogar – wie in unserem Abschnitt – dem Tod, befreit wurden. Das war zweifellos eine großartige Sache. Aber nur für den Moment, nur für eine gewisse Zeit!

Ist es nicht denkbar, dass der Blinde, den Jesus sehend gemacht hatte, im hohen Alter erneut erblindete? Ist es nicht möglich, dass der Gelähmte, der dank Jesus wieder laufen konnte, Jahre später in einen Unfall verwickelt und dadurch erneut bewegungsunfähig wurde? Und ist es nicht unzweifelhaft, dass diejenigen, die aus dem Tod ins irdische Leben zurückgeholt worden waren, sei es der Mann aus Nain oder die Tochter des Jairus oder eben Lazarus, in diese Welt zurückkamen, die unter dem Fluch Gottes steht, dass sie erneut ein Leben in ihrer sündigen Natur führen mussten und dass sie erneut dem Tod entgegensahen? Darum war auch das irdische Wohl von Notleidenden nicht das vorrangige Motiv für Jesus, seine Wunder zu wirken.

Die Wunder, die Jesus wirkte, waren etwas ganz anderes. Sie waren Verkündigung. Sie waren Zeichen und Gleichnisse, die den Menschen damals wie heute eines vor Augen führen sollten, und das formuliert der Apostel Johannes gegen Ende seines Berichtes folgendermaßen: „Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die in diesem Buch nicht geschrieben sind. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.“ (Joh. 20,30–31).

Das ist das Ziel der Zeichen und Wunder Jesu: Sie sollen uns Anlass sein und als Beweis dienen zu glauben, das heißt zu erkennen und gewiss zu sein, dass dieser Jesus der Sohn Gottes ist, der Christus, der Messias, der Gesalbte des Herrn, und dass wir durch diesen Glauben in dem Namen Jesu Christi das ewige Leben haben. Durch seine Wunder verkündete Jesus: „Ich bin der Christus! Ich bin das Leben! Glaubt an mich, so werdet auch ihr leben.“

Nach diesen einleitenden Gedanken wollen wir nun ein besonderes Wunder näher betrachten, nämlich die Auferweckung des Lazarus. Und wir wollen dabei auf drei Themen eingehen:

1. Die Umstände des Wunders

2. Der Ablauf des Wunders

3. Die Reaktion auf das Wunder

 

1. Die Umstände des Wunders

Wie waren die Umstände und Begebenheiten, die diesem Wunder vorangingen? Martha und Maria aus Bethanien hatten Jesus rufen lassen, denn ihr Bruder Lazarus war krank. Die beiden Schwestern begegnen uns schon an anderer Stelle in den Evangelien, nämlich in Lukas 10. Dort wird uns berichtet, wie Jesus von Martha in ihr Haus aufgenommen wurde. Während Martha in der Küche und im Haus wirtschaftete, saß ihre Schwester Maria zu Jesu Füßen und hörte ihm zu. An anderer Stelle lesen wir von Maria, dass sie Jesus mit kostbarem Öl salbte und seine Füße mit ihrem Haar abtrocknete. Von der Person des Lazarus hören wir bis zu diesem Punkt nichts. Wir erfahren aber, dass Jesus ihn offensichtlich gut kannte und dass er ihn wie auch die beiden Schwestern liebte (Vers 3).

Dieser Lazarus nun war krank, schwerkrank, todkrank. Martha und Maria wussten sich keinen anderen Rat, als Jesus zu holen, dass er ihn wieder gesund machte. Sie wussten, dass Jesus die Macht hatte, Kranke zu heilen, sie hatten oft genug davon gehört, sie hatten es vielleicht auch selbst erlebt. Was aber tat Jesus, als dieser Hilferuf ihn erreichte? Wir lesen den verwirrenden Vers 6: „Als er nun hörte, dass jener [das ist Lazarus] krank sei, blieb er noch zwei Tage an dem Ort.“

Ist das nicht seltsam? Geradezu unerhört? Da liegt jemand auf dem Sterbebett, ein sehr guter Freund, einer, den Jesus angeblich liebt! Wäre Jesus der gütige Wunderheiler gewesen, dem es allein um das irdische Wohlergehen der Menschen geht, er hätte doch alles stehen- und liegengelassen und wäre hingeeilt, um zu helfen, zumal einem Freund! Aber das Gegenteil war der Fall: Jesus ignorierte anscheinend den Hilferuf und wartete ab. Er wartete zwei Tage. Dann erst machte er sich auf zu Lazarus. Achten wir darauf, wie er dieses Warten begründete:

Diese Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Verherrlichung Gottes, damit der Sohn Gottes dadurch verherrlicht wird!“ (Vers 4).

Diese Krankheit ist nicht zum Tode. Das heißt, Gottes Absicht hinter dieser Krankheit – denn Gott lenkt alle Dinge – war nicht der Tod des Lazarus als solcher, sondern durch Krankheit und Tod seine eigene Verherrlichung. Und damit sind wir wieder bei dem Zweck der Wunder. Wozu dienen die Wunder? Sie bezeugen, dass Jesus der Christus ist, sie bezeugen seine Herrlichkeit und Macht und sollen uns durch Glauben daran Anteil geben.

Die Ausgangssituation also war, dass Lazarus tot war. Das wurde auch den Jüngern klar, als sie endlich in Bethanien eintrafen. Lazarus lag schon seit vier Tagen im Grab, und die Trauer um ihn war groß. Martha und dann auch Maria eilten zu Jesus. Natürlich freuten sie sich, ihn zu sehen, denn sie liebten und verehrten ihn, aber doch schwang in ihren Worten eine gewisse Bitterkeit mit: „Herr, wenn du hier gewesen wärst, mein Bruder wäre nicht gestorben“ (Verse 21 und 32). Aus dem Mund beider Frauen hören wir die gleichen Worte: Herr, wenn du ihn geheilt hättest, er könnte noch leben!

Wie antwortete Jesus auf diesen leisen Vorwurf? „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben“ (Verse 25.26). Jesus beantwortete hier eigentlich die Frage, was es heißt zu leben! Leben heißt nicht, irgendwie biologisch zu existieren. Leben heißt, bei Gott zu sein! In Gottes Gegenwart, in seiner Gemeinschaft zu sein! Das ist Leben! Außerhalb von Gott ist kein Leben, sondern nur Tod. „An dem Tag, da du [von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen] isst, musst du gewisslich sterben.“ (1Mos. 2,17). Das war das Wort an Adam. Adam aß von dem Baum, und er starb. Gott vertrieb ihn aus dem Garten Eden, aus seiner Gemeinschaft, aus dem Leben: Der Weg zum Baum des Lebens war fortan versperrt. In der Gottesferne zu existieren heißt tot zu sein.

Das ist es, was wir alle von Natur aus sind: tot. Wir sind Nachfahren Adams, haben seine Natur geerbt und sind darum tot. Unser ganzes so genanntes Leben ist in Wahrheit Tod. Wie Lazarus in seinem Grab faulen wir in diesem Leben vor uns hin. Und der allgemein so genannte Tod, der Augenblick des Absterbens, ist eigentlich nur ein Durchgang von einem Todeszustand in einen anderen, noch entsetzlicheren, nämlich in den ewigen Tod. Wir verdienen es nicht anders. Wir sind in Adam und in eigener Person vor Gott schuldig. Die Strafe für diese Schuld hatte Gott vorab bekanntgegeben, und nun vollstreckt er sie an jedem Einzelnen, denn seine Gerechtigkeit erfordert es so.

Wenn wir also im geistlichen Sinne von „Leben“ sprechen, dann dürfen wir nicht an das Gewimmel auf der Erde denken. Leben heißt, in Gottes Gegenwart zu sein; für uns also, in Christus zu sein. Er ist das Leben. Das musste er Martha und Maria zunächst klarmachen, und das sollte er nun auch sichtbar demonstrieren.

 

2. Der Ablauf des Wunders

Ich hatte zu Beginn davon gesprochen, dass die Auferweckung des Lazarus unter den Wundern, die Jesus wirkte, eine besondere Aufmerksamkeit erfährt, auch heute noch. Vielleicht liegt das auch daran, dass uns dieses Wunder besonders unvorstellbar erscheint. Einen Gelähmten gehen zu lassen, einem Blinden das Sehen zu ermöglichen, das ist in der heutigen Zeit zwar noch nicht alltäglich, aber zumindest kein Ding der Unmöglichkeit mehr. Der medizinisch-technische Fortschritt macht viele Dinge möglich, die vor einigen Generationen unerreichbar schienen. Aber den Tod hat die Menschheit noch nicht besiegt – und dabei spreche ich natürlich nur von dem, was wir landläufig „Tod“ nennen. Wenn es um den Tod geht, ist der Mensch machtlos, am allermeisten natürlich der Tote selbst. Das sollte jedem klar sein, aber doch müssen wir uns dies in Erinnerung rufen, um das Wunder der Auferweckung des Lazarus richtig zu verstehen.

Jesus begibt sich zum Grab. Martha will ihn noch von seinem anscheinend sinnlosen Unterfangen zurückhalten, aber Jesus lässt das Grab öffnen. Er ruft Männer herbei, die den Stein wegrollen, die sozusagen den Weg freimachen für den Herrn. Der Geruch des Todes entströmt dem Grab. Dieser Lazarus ist mausetot. Die Männer stehen hilflos dabei. Sie können nichts tun. Den Stein haben sie weggenommen, aber der Tote bleibt tot.

Doch bevor Jesus nun irgendetwas unternimmt, richtet er den Blick zunächst nach oben und betet. Er bittet den Vater um Vollmacht. Und schon jetzt dankt er dem Vater dafür, dass er ihn erhört hat. Das mag uns verwundern. Aber womit haben wir es denn hier zu tun? Gott der Sohn erbittet etwas von Gott dem Vater! Wird es da jemals Widersprüche geben? Wird der Sohn jemals etwas erbitten, etwas wollen, was der Vater nicht längst auch gewollt hat? Die beiden sind doch eins, haben einen Willen. Darum kann Christus hier gewiss sein, dass sein Gebet erhört worden ist. Aber dennoch betet er, und er sagt auch, warum: „Um der umstehenden Menge willen habe ich es gesagt, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast“ (Vers 42). Denn es stehen doch die Vorwürfe im Raum, Jesus vollbringe seine Wunder im Bund mit Satan (vgl. Mt. 9,34). Hier bezeugt er also vor der ganzen Menge, die sicher schon nähergekommen ist, sich um das Grab drängt und darauf wartet, was jetzt wohl geschehen mag, dass seine Vollmacht von Gott kommt und dass er den Willen seines Vaters ausführt, der auch sein Wille ist.

Und dann geht alles sehr schnell. Jesus ruft einen kurzen Befehl ins Grab hinein: „Lazarus, komm heraus!“ Und Lazarus kommt heraus. Noch mit den Grabtüchern umwickelt, kommt er heraus, und er ist lebendig. Es ist kein untoter Zombie, der dort herausgewankt kommt, sondern ein lebendiger Mensch, Lazarus selbst, der gestorben war, der vier Tage lang im Grab lag und der jetzt lebt und umhergeht.

Wie war das möglich? Was war geschehen? Was hatte Lazarus dazu gebracht, von den Toten aufzuerstehen und zu leben? Es war das Wort des Herrn. Das machtvolle Wort des Gottes, „der die Toten lebendig macht und dem ruft, was nicht ist, als wäre es da“ (Röm. 4,17). Jesus rief Lazarus, er befahl ihm etwas, ganz so, als hätte er einen Lebendigen vor sich.

Vielleicht stellt jemand die Frage: War Lazarus vielleicht gar nicht „richtig“ tot, sondern nur „ein bisschen“? Vielleicht scheintot? Denn irgendwie musste er doch in der Lage gewesen sein, die Stimme Jesu zu hören!

Ich möchte einmal ein wenig spekulieren und behaupte, Lazarus lag in einer Art Gruft, in der außer ihm noch andere Verstorbene beigesetzt waren. Das war in Felsengräbern durchaus üblich. Lazarus war nicht der einzige Tote im Grab. Als die Männer auf den Befehl Jesu hin den Stein, der das Grab verschlossen hatte, weggeschafft hatten, fiel der Blick nicht nur auf Lazarus in seinen Grabtüchern, sondern auch auf einen oder mehr andere Tote. Und Jesus rief in das Grab hinein, in dem mehrere Tote lagen. „Komm heraus!“ Aber nur Lazarus kam. Warum? Weil Jesus nicht gerufen hatte: „Komm heraus!“, sondern: „Lazarus, komm heraus!

Der Herr hat Lazarus gerufen, nur Lazarus. Er hat ihn beim Namen gerufen. In Jesaja 43,1 lesen wir: „Jakob … ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.“ Der Herr kennt die Seinen (Joh. 10,14; 2Tim. 2,19), er redet nicht zu Fremden, er ruft keine Unbekannten zu sich ins Licht und ins Leben, sondern die, die er schon vor Grundlegung der Welt gekannt und erwählt hat. Darum kann der Apostel Paulus in Römer 8,29.30 den Ratschluss Gottes in dieser wunderbaren Aneinanderreihung wiedergeben: „Denn die er zuvor ersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Ebenbild seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen, die er aber berufen hat, die hat er auch gerechtfertigt, die er aber gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht.“

Wenn wir von allen, die Gott „vorherbestimmt“ hat, eine Namensliste anfertigen würden und dann noch eine von allen, die letztendlich „verherrlicht“ werden, dann wären diese beiden Listen identisch. Es fällt keiner heraus, und es kommt auch keiner hinzu. Gott kennt die Seinen von Ewigkeit her mit Namen und trägt sie ewig hindurch.

Als Jesus also den Lazarus beim Namen rief, öffnete er sozusagen nur den Kommunikationskanal, der schon vor Grundlegung der Welt eingerichtet worden war. Und dieses Wort „Lazarus“ machte den Toten lebendig. Dieses eine Wort, sein Name, von Gott gerufen, machte Lazarus lebendig. So wie Gott am Anfang bei der Erschaffung aller Dinge rief: „Licht„, und es wurde Licht, so rief er hier: „Lazarus„, und Lazarus war da. Und der Befehl „Komm heraus!“ erreichte nun diesen lebendigen, wiedergeborenen Lazarus, und der folgte und kam. Wenn der Herr ruft, kraftvoll und wirksam ruft, dann kann es nur eine Antwort geben: Gehorsam. Eine Situation, dass der Herr Lazarus ruft, und Lazarus kommt nicht heraus, ist undenkbar. Denn was der Herr hier zu Lazarus redete, was er ihm hier befahl, war sein, Gottes, Wille. Und Gottes Wille wird ausgeführt, denn wer könnte dem Willen Gottes widerstehen?

 

3. Die Reaktion auf das Wunder

Wie reagierte die umstehende Menge auf dieses Wunder? Die Reaktion war gespalten. Wir lesen: „Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus getan hatte, glaubten an ihn. Etliche aber von ihnen gingen zu den Pharisäern und sagten ihnen, was Jesus getan hatte“ (Verse 45.46).

Viele glaubten an ihn. Sie glaubten nicht nur, was sie soeben gesehen hatten – das taten die anderen auch. Sie glaubten an Jesus. Sie glaubten, dass er der Christus ist. Sie glaubten, dass er die Auferstehung und das Leben ist, dass alles Leben nur in ihm zu finden ist, nicht in ihnen selbst. Sie glaubten, dass der Christus Tote ruft, Tote, die von sich aus nichts hören, nichts denken, nichts wollen, die überhaupt nichts aus sich heraus können. Sie glaubten, dass er diese Berufenen so mit sich vereint, dass sie in ihm leben und er in ihnen. Sie verstanden das, was Jesus ihnen durch dieses Wunder verkündet hatte, und sie bezogen es auf sich. Denn auch das gehört zum Glauben. Glaube heißt nicht nur, etwas sachlich zu verstehen, sondern auch, persönlich darauf zu vertrauen; zu vertrauen, dass nicht nur anderen, sondern auch mir in Christus Vergebung der Sünden und ewiges Leben geschenkt sind – so formuliert es der Heidelberger Katechismus in Antwort 21. Das ist Glaube.

Aber nicht alle, die das Wunder mit angesehen hatten, glaubten. Etliche liefen zu den Pharisäern. Vielleicht waren einige darunter, die den Pharisäern die Botschaft von Christus verkündigen und ihren Glauben an ihn bekennen wollten. Vielleicht. Viele werden jedenfalls hingelaufen sein, um Jesus Christus zu verklagen: Er nennt Gott ‚seinen Vater‘. … Er bezeichnet sich als die Auferstehung und das Leben. … Er verkündet uns, dass wir in uns selbst tot sind und dass wir nur in ihm leben können. … Er verneint unseren freien Willen, er bettelt nicht, dass wir uns doch für ihn entscheiden möchten, sondern er ruft und befiehlt. … Und das schlimmste: Er ruft nicht alle und jeden wirkungsvoll ins Leben, sondern nur die, die sein Vater ihm angeblich gegeben hat, nur die, die er mit Namen kennt. … Vielleicht waren das einige der Beschuldigungen, die die ungläubigen Juden vorbrachten. Tatsache ist, dass das Wunder, das sie gesehen hatten, und das Wort, das ihnen durch das Wunder verkündet worden war, sie verhärtet hatten. Sie wollten nicht verstehen, sie wollten nicht glauben. So wurde ihnen Christus einmal mehr zum Stein des Anstoßes.

Machen wir uns nichts vor! Wir unterscheiden uns in nichts von diesen Anklägern. Wenn alles von uns abhängen würde, von unserem Wollen, unserem Handeln, unseren Entscheidungen, dann lägen wir noch genauso tot da wie Lazarus in seinem Grab. Nein, „Gott ist es, der in [uns] sowohl das Wollen als auch das Vollbringen wirkt nach seinem Wohlgefallen“ (Phil. 2,13). Gott ruft uns beim Namen durch die Buchstaben der Heiligen Schrift, durch die Wortverkündigung, durch die Sakramente. Er schafft in uns den Glauben, der uns, die wir ungehorsam, ungerecht und tot sind, so mit Christus vereint, dass wir Anteil an seinem Gehorsam, seiner Gerechtigkeit, seinem Leben und seiner Herrlichkeit bekommen.

Gott tut das. Aber woher weißt du das? Woran erkennst du, dass er all das tut? Woher weißt du, dass du das ewige Leben hast? Musst du vielleicht in deinem Kopf eine Stimme hören? Musst du nicht erst etwas ganz Außergewöhnliches träumen oder erleben, bevor du gewiss sein kannst, dass Gott es ernst meint, dass er dich wirklich gerufen hat?

Auf diese Fragen gibt es keine Antwort, weil es die falschen Fragen sind. Wir sollen uns nur die Frage stellen, worauf wir unser Vertrauen setzen. Vertraust du auf deine Gefühle und Erlebnisse, oder glaubst du den Worten und Verheißungen Gottes?

„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben.“ Glaubst du das?