Gemeinde und Gemeindeleitung (Teil 4): Gemeinde und Gemeindegründung

Gemeinde und Gemeindeleitung (Teil 4): Gemeinde und Gemeindegründung

Mose war der von Gott berufene, vorbereitete, autorisierte und gesegnete Leiter des Volkes Israel. Schon 40 Jahre führte er unbeirrt das Volk durch alle Krisen und Herausforderungen hindurch. Das Volk war an ihn gewöhnt. Sie kannten ihn und sie vertrauten ihm. Auf ihn schauten sie, wenn neue Probleme aufkamen oder Streit geschlichtet werden musste. Er hatte ihnen das Wort Gottes verkündet und erklärt. Er war die Führungspersönlichkeit, die das ganze Volk zusammenhielt und zugleich vor Gott für das Volk eintrat.

Wie groß müssen Angst und Bestürzung im Volk gewesen sein, als die Zeit kam, da Mose sterben sollte? Noch dazu kam diese Nachricht genau in dem Augenblick, in dem sie drauf und dran waren, ins verheißene Land einzuziehen! Wie sollten sie die bevorstehenden Kämpfe und die schwierige Verteilung des Landes an alle zwölf Stämme ohne Mose meistern? Einen Mann wie ihn zu ersetzen, erschien ihnen unmöglich!

Doch Gott arbeitete schon lange daran, einen neuen Leiter vorzubereiten: Josua. Wie wir aus Gottes Wort wissen, war er genau der richtige, um diese gewaltigen Aufgaben durch Gottes Gnade sehr gut zu erfüllen (5Mos 3,21-29).

Solch eine Situation gibt es in der Geschichte der Gemeinde immer wieder. Durch Tod, Rückzug oder Wegzug bisheriger Leiter, oder auch durch Gemeindewachstum und -gründung steht die große Frage im Raum, wer diese Aufgaben übernehmen und diese Verantwortung tragen kann.

Die biblische Antwort lautet: Keiner, auch der Begabteste nicht! Und doch gilt: Jeder, auch der Schwächste, den Gott dazu ausersehen, vorbereitet und berufen hat.

Jesus selbst ist der Hirte der Gemeinde. Er muss nie ersetzt werden und behält immer die Kontrolle. Er kümmert sich um jeden Christen und jede Gemeinde. Weil er unser Leiter ist in Ewigkeit, brauchen wir Veränderungen in der menschlichen Führung der Gemeinde nicht zu fürchten, sondern können sie ihm getrost anbefehlen. Von daher sollten wir uns nach den Anweisungen der Bibel richten, wenn es um die Einsetzung und Aufgaben der Gemeindeleiter bzw. Ältesten[1] geht. Auf diese Weise stellen wir uns unter die Leitung Jesu.

Üblicherweise werden zu diesem Thema Texte aus den neutestamentlichen Briefen angeführt, allen voran Titus 1,5-9 und 1Timotheus 3,1-13. Wie schon angeklungen sollen jedoch in diesem Artikel einige Bibelstellen aus dem 5. Buch Mose als Grundlage dienen, in denen es nicht nur um einen Nachfolger für Mose (5Mos 3,21-29), sondern auch um die Einsetzung weiterer fähiger Männer als Leiter (Häupter) für das Volk geht (5Mos 1,9-15).

1. Die Hauptaufgabe der Gemeindeleiter

Gott sagt zu seinem Volk:

Denn der Herr, euer Gott, zieht vor euch her und wird für euch kämpfen, ganz so, wie er es für euch in Ägypten getan hat vor euren Augen, und in der Wüste, wo du gesehen hast, wie der Herr, dein Gott, dich getragen hat, wie ein Mann seinen Sohn trägt, auf dem ganzen Weg, den ihr zurückgelegt habt, bis ihr an diesen Ort gekommen seid.

5Mos 1,30-31

Gott trägt sein Volk. So fasst Gott selbst das zusammen, was er für sein Volk tut: Er kämpft für sie, er versorgt sie, er unterweist, ermahnt, züchtigt, segnet und tröstet sie. Er führt sie in das verheißene Land.

Erstaunlicherweise verwendet Mose dasselbe Wort (tragen) für sich und seinen Dienst und für den Dienst der Ältesten, indem er sagt: Ich aber sprach zu euch in jener Zeit und sagte: Ich kann euch nicht allein tragen; Wie kann ich aber allein eure Bürde, eure Last und eure Streitigkeiten tragen? (5Mos 1,9.12).

Älteste „tragen“ die Gemeinde, wie Gott sein Volk trägt. Alle Glieder einer Gemeinde sind dazu aufgerufen, einander beizustehen. Doch jedes Gemeindeglied trägt in erster Linie seine eigenen Aufgaben, Probleme und Konflikte. Die Leiter aber sind grundsätzlich dazu berufen, diese Dinge mitzutragen. Die Probleme der Gemeindemitglieder werden in einer gewissen Weise nun auch die Probleme der Leiter.

Mose benutzt drei Begriffe: Bürde ist ein eher negativer Begriff. Er bezieht sich auf Probleme. Last ist ein eher positiver Begriff. Er bezieht sich auf die Dienste und Aufgaben in der Leiterschaft. Streitigkeiten ist ein offensichtlich negativer Begriff. Er bezieht sich auf Uneinigkeit in der Gemeinde.

Leiter sind nicht einfach dafür da, zuzusehen, dass der Laden einigermaßen läuft, die Aufgaben verteilt sind und Gottesdienste regelmäßig durchgeführt werden. Sie tragen die Gemeinde durch ihren Dienst.

Doch wie sollte Mose das Volk Israel tragen bzw. leiten? Wie sollte er mit der Autorität eines göttlich bestimmten Leiters handeln? Sicherlich hatte er alle Hände voll damit zu tun, die Streitigkeiten unter dem Volk zu schlichten (vgl. 2Mos 18,13-16 sowie 5Mos 1,9). Doch seine Hauptaufgabe bestand darin, das Wort Gottes zu verkünden (vgl. 5Mos 1,1.5), und diesen Dienst gab er an die geistlichen Leiter des Volkes ausdrücklich weiter (u.a. 5Mos 31,9-12).

Immer wieder gebietet Gott dem Mose, einzelnen Personen (z.B. Josua) oder dem gesamten Volk seine Gebote und Anweisungen weiterzugeben. Es ist eine große Verantwortung und zugleich Vollmacht, das menschliche Sprachrohr Gottes und Vermittler seines autoritativen Wortes zu sein. Hier können wir wieder die Parallele zu den Leitern unserer heutigen Gemeinden ziehen, die Gottes Wort in Klarheit und mit Autorität vor der ganzen Gemeinde verkünden sollen. Ihr Ziel soll nicht sein, den Leuten zu gefallen (vgl. 2Tim 4,2; Apg 20,20.27). Zum Tragen der Bürden, Lasten und auch Streitigkeiten der Gemeinde gehört sicher noch viel mehr, aber die Hauptaufgabe liegt in der Verkündigung des Wortes Gottes, sei es von der Kanzel oder in persönlichen Gesprächen und Hausbesuchen.[2]

Im zweiten und längeren Teil dieses Artikels wollen wir uns nun mit der Berufung der Gemeindeleiter beschäftigen.

2. Die Berufung der Gemeindeleiter

2.1. Gott macht Gemeindeleiter

Es sollen die Männer[3] zu Leitern der Gemeinde berufen werden, die Gott zu diesem Dienst (vor)bereitet hat. Oswald Sanders schreibt: „Geistliche Leiter werden nicht durch Wahl oder Ernennung gemacht, durch Männer oder irgendeine Zusammensetzung von Männern, auch nicht auf Konferenzen oder Synoden. Gott macht sie. … Ämter können durch Bischöfe und Komitees verliehen werden; geistliche Autorität, das Kernstück christlichen Dienstes, aber nicht. Sie fällt oftmals – obschon ungesucht – denen zu, die sich schon früher im Leben durch Geistlichkeit, Disziplin, Fähigkeit und Fleiß ausgezeichnet haben.“[4]

Die konkrete Berufung findet aber im Regelfall durch die schon bestehenden Ältesten gemeinsam mit der Gemeinde statt. Beide Gruppen sind daher aufgerufen, die Männer zu erkennen, vorzuschlagen, zu berufen und zu bestätigen, die sich nach Gottes Maßstäben für den Ältestendienst qualifizieren. Unsere Aufgabe ist es nicht, jene zu berufen, die uns am besten gefallen, zu denen wir ein besonders gutes Verhältnis haben oder dergleichen, sondern die Männer, die Gott für den Dienst befähigt hat.

2.2. Biblische Qualifikation für Gemeindeleiter

Die bekanntesten Stellen zu dieser Frage finden sich bei Titus und Timotheus. Aber die Bibel sagt noch viel mehr dazu. Vor allem gibt sie uns viele gute Beispiele geistlicher Leiter: Mose, David, Paulus, Petrus und natürlich Jesus selbst. Im oben erwähnten Artikel über Esra und Nehemia werden folgende Kennzeichen eines gottesfürchtigen Hirten deutlich:

Er…

  • betet
  • bereitet sich auf seine Aufgaben vor
  • handelt
  • widersteht den Feinden
  • gibt ein glaubwürdiges Zeugnis
  • lehrt die Gemeinde Gottes Wort
  • resigniert nicht
  • und steht ganz bewusst im Dienst des guten Hirten.

Nur Christus kann Herzen verändern durch sein Evangelium. Aber er hat dieses Evangelium seiner Gemeinde anvertraut, damit sie es verkündet. Bis heute beruft er gewöhnliche Menschen dafür in den Verkündigungs- und Hirtendienst. Paulus sagt über diese Hirten (und er schließt sich selbst mit ein): Wir sind schwache/irdene Gefäße. Worauf es ankommt, ist die Füllung: Denn wir verkündigen nicht uns selbst, sondern Christus Jesus, dass er der Herr ist, uns selbst aber als eure Knechte um Jesu willen. Denn Gott, der dem Licht gebot, aus der Finsternis hervorzuleuchten, er hat es auch in unseren Herzen licht werden lassen, damit wir erleuchtet werden mit der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi. Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überragende Kraft von Gott sei und nicht von uns (2Kor 4,5-7).

Ein gottesfürchtiger Hirte ist kein Superchrist. Natürlich strebt er eifrig danach, sich in diesen biblischen Kriterien eines gottesfürchtigen Hirten zu bewähren und zu wachsen. Aber ein gottesfürchtiger Hirte ist sich seiner Schwachheit, Unwürdigkeit und Abhängigkeit von Gott umso mehr bewusst und erwartet darum alles von Gott. Er weiß, dass ihm ohne Christus nichts, aber mit ihm alles möglich ist (vgl. Jos 1,8).

Doch wie werden solche gottesfürchtigen und qualifizierten Brüder nun konkret zu Leitern einer Gemeinde berufen?

2.3. Berufung durch bestehende Leiter

Die bestehenden Leiter kennen die Gemeindeglieder gut, vielleicht sogar am besten (nicht zuletzt durch viele seelsorgerliche Gespräche). Zugleich wissen sie durch ihre Erfahrung im Hirtenamt, worauf es in der Leitung ankommt. Sie kennen die Aufgaben und Dienste, aber eben auch deren Bürde und Last. Sie haben die Verantwortung für die Leitung und somit auch für die Nachfolge der Leitung.

Als Älteste handeln sie im Auftrag Gottes und die Gemeinde darf darauf vertrauen, dass gottesfürchtige Hirten von ihm auch in diesen Entscheidungen geführt werden. So berief Mose Josua als seinen Nachfolger.

Im Neuen Testament sehen wir, wie Paulus und seine Mitarbeiter Älteste in den Gemeinden einsetzten: Nachdem sie ihnen aber in jeder Gemeinde Älteste bestimmt hatten, befahlen sie sie unter Gebet und Fasten dem Herrn an, an den sie gläubig geworden waren (Apg 14,23). Paulus sandte später wiederum von ihm berufene Mitarbeiter und Leiter aus, damit sie ihrerseits Älteste berufen oder geeignete Männer zur Verkündigung einsetzen sollten. Er sandte Titus nach Kreta mit folgenden Worten: Ich habe dich zu dem Zweck in Kreta zurückgelassen, damit du das, was noch mangelt, in Ordnung bringst und in jeder Stadt Älteste einsetzt, so wie ich dir die Anweisung gegeben habe (Tit 1,5). Timotheus erhielt einen ähnlichen Auftrag: Und was du von mir gehört hast vor vielen Zeugen, das vertraue treuen Menschen an, die fähig sein werden, auch andere zu lehren (2Tim 2,2).

2.4. Berufung durch die Gemeinde

Aber auch die Gemeinde spielt bei der Berufung eine wichtige Rolle. Grundsätzlich trägt auch die ganze Gemeinde Verantwortung dafür, dass die reine Lehre gepredigt wird, Geschwister ermahnt und getröstet werden oder evangelisiert wird. Paulus spricht bei den meisten Themen und Aufforderungen die ganze Gemeinde in seinen Briefen an, nicht nur die Pastoren oder Ältesten. Jedes Gemeindeglied hat Verantwortung für die ganze Gemeinde, nicht nur die Gemeindeleiter. Ihrer Verantwortung in diesen Dingen soll die Gemeinde nun auch nachkommen, indem sie geeignete und bewährte Männer für den Leitungsdienst vorschlägt.

Wenn die Personen, die sie vorgeschlagen hat, dann offiziell in ihr Amt berufen werden, soll sich die Gemeinde demütig unter ihre Führung stellen: Gehorcht euren Führern und fügt euch ihnen; denn sie wachen über eure Seelen als solche, die einmal Rechenschaft ablegen werden, damit sie das mit Freuden tun und nicht mit Seufzen; denn das wäre nicht gut für euch (Hebr 13,17).

Andererseits muss die Gemeinde sich gegen Irrlehre und grobe Gewohnheitssünden richten, auch oder gerade, wenn ihre Leiter betroffen sind. Paulus forderte beispielsweise die Gemeinde in Galatien auf, unbedingt gegen die vorzugehen, die ein anderes Evangelium verkündeten (Gal 1,6-9).

Mark Dever schreibt dazu in seinem Buch 9 Merkmale einer gesunden Gemeinde: „Wenn sie dasitzen und zuhören, wenn irgendein Müll als das Wort Gottes verkündet wird, dann werden sie dafür zur Verantwortung gezogen werden.“[5] Die Gemeinde als ganze trägt Verantwortung!

Im 5. Buch Mose haben wir gesehen, wie das Volk aufgefordert wurde, geeignete Männer für die Leitung auszuwählen, weil die Leitungsarbeit für Mose einfach zu viel wurde: Nehmt euch weise, verständige und erfahrene Männer aus euren Stämmen, damit ich sie als Häupter über euch setze! (5Mos 1,13). Wir finden im Neuen Testament eine ähnliche Stelle in der Apostelgeschichte. Den Aposteln wurden die Aufgaben bereits nach kurzer Zeit zu viel. Sie wollten, ja mussten sich um die Verkündigung des Evangeliums kümmern und gaben deshalb der Gemeinde den Auftrag, sich nach geeigneten Männern für Hilfsdienste umzusehen: Darum, ihr Brüder, seht euch nach sieben Männern aus eurer Mitte um, die ein gutes Zeugnis haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit sind; die wollen wir für diesen Dienst einsetzen (Apg 6,3).

2.5. Das Zusammenwirken bei der Berufung von bestehenden Leitern und der Gemeinde

In der Bibel finden wir dazu keine ausdrücklichen Angaben, aber folgende Möglichkeiten des Zusammenwirkens bei der Berufung neuer Ältester haben sich in vielen Gemeinden bewährt:

Die Gemeinde wird dazu aufgerufen, geeignete Brüder für die Wahl der Ältesten vorzuschlagen. Aus diesen Brüdern bestimmen die amtierenden Ältesten jene, welche zur Wahl durch die Gemeinde aufgestellt werden.

Die andere Möglichkeit besteht darin, dass die bestehenden Leiter direkt geeignete Brüder aus der Gemeinde bestimmen und zur Wahl aufstellen. Die Gemeinde kann aus diesen Brüdern die neuen Ältesten wählen.

In kleineren Gemeinden ist es jedoch meistens gar nicht möglich, mehrere Brüder zur Wahl aufzustellen. In diesem Fall kommt die Wahl eher einer Bestätigung gleich. Die Gemeinde und die Ältesten einigen sich durch Gespräche, wer als neuer oder weiterer Ältester in Frage kommt. Diese Brüder werden dann durch die Gemeinde offiziell bestätigt. Dieser Vorgang kann durch eine geheime Wahl oder eine sogenannte stille Bestätigung[6] erfolgen.

Nachdem die neuen (oder auch bisherigen) Leiter offiziell gewählt oder bestätigt wurden, kann die Ordination ins Ältestenamt stattfinden. Bei einer Gemeindegründung sollte dieser ganze Prozess durch eine Muttergemeinde begleitet werden. Die Ältesten der Muttergemeinde übernehmen so lange die Leitung der entstehenden Gemeinde, bis vor Ort Älteste bestimmt sind. Auf das Thema Muttergemeinde werden wir in einem gesonderten Artikel eingehen.

In allen Fällen sollte man natürlich die Brüder vorher fragen, ob sie bereit wären, die Verantwortung der Leitung mitzutragen. Darüber hinaus sollte mit den gewillten Brüdern im Vorfeld der Wahl ein Ältestenkurs durchgeführt werden, in dem die wichtigsten Themen der Leiterschaft durchgegangen (das kann auch durch passende Lektüre geschehen) und gemeinsam besprochen werden.

Am Ende sollten diejenigen Älteste werden,

  1. die sich nach den biblischen Auswahlkriterien als geeignet zeigen und die sich schon in der Gemeinde durch ihren Dienst bewährt haben.
  2. die die Zustimmung von den bereits im Amt stehenden Ältesten haben.
  3. die auch die Zustimmung der Mehrheit der Gemeinde haben
  4. und die von Herzen bereit sind, die Last und Bürde der Leitung der Gemeinde mitzutragen.

Insofern der Kandidat verheiratet ist, sollte unbedingt auch seine Frau ihre Zustimmung geben, da sie diese Last ein gutes Stück wird mittragen müssen. Übrigens soll auch zum Thema Die Frau eines Ältesten noch ein Artikel in dieser Reihe erscheinen.

3. Christus trägt und beruft uns

Warum können sich Gemeindemitglieder unterordnen und ihren Leitern vertrauen, auch wenn die Leiter nicht vollkommen sind, selbst noch viel lernen müssen, Fehler machen, sündigen, falsche Entscheidungen treffen…? Weil sie wissen, dass sie im Dienst Jesu und darum nicht alleinstehen. Weil sie wissen, dass Jesus für ihre Sünden gestorben ist und durch ihre Schwachheit und Unvollkommenheit wirken will. Weil sie wissen, dass Christus, der Herr der Gemeinde, sich rund um die Uhr um seine Gemeinde kümmert.

Warum können Älteste dieses Amt überhaupt auf sich nehmen und es wagen, diese Verantwortung für andere Christen, für unvollkommene, sündige und vollkommen verschiedene Menschen, für Schwierige, Kranke, Überlastete, Nachlässige und viele mehr zu tragen? Weil sie wissen, dass sie Hirten unter Christus, dem Oberhirten, sind. Weil sie wissen, dass Christus an ihrer Seite – ja durch sie – seine Gemeinde bauen will und jeden einzelnen im Glauben erhält und trägt. Weil sie wissen, dass Christus für die Schafe gestorben ist, ihnen seinen Geist gegeben und seine Liebe in ihre Herzen gegossen hat. Weil sie wissen, dass Christus sich durch seine Gemeinde – dieses kleine schwache Häuflein voller Probleme und Nöte – in der Welt verherrlichen will.

Darin liegt unsere Zuversicht. Gemeindeleiter und -glieder werden von Christus getragen. Er spricht: Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir nach; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie werden in Ewigkeit nicht verlorengehen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alle, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters reißen (Joh 10,27-29).

Ludwig Rühle arbeitet als Pastor der Bekennenden Ev. Gemeinde in Osnabrück und unterrichtet als Lehrbeauftragter Praktische Theologie an der Akademie für Reformatorische Theologie. Er ist verheiratet mit Katharina und Vater von vier Kindern.


[1] Die beiden häufigsten Begriffe im Neuen Testament für das Leitungsamt in der Gemeinde sind presbyteros („Ältester“) und episkopos („Aufseher“). Je nach Kirche/Gemeinde haben die Gemeindeleiter im Deutschen unterschiedliche Bezeichnungen: Älteste, Pastoren, Presbyter, Pfarrer, Leiter, Bischöfe, Kirchenvorstände…

Es gibt eine theologische Debatte darüber, ob die Bibel (z.B. in 1Tim 5,17) grundsätzlich zwischen den Gemeindeleitern unterscheidet, die hauptsächlich mit der Leitung beauftragt sind und denen, die schwerpunktmäßig in der Lehre tätig sind, oder ob es diese Unterscheidung nicht gibt. Es würde jedoch an dieser Stelle zu weit führen, darauf näher einzugehen.

Aber auch Gemeinden, die diese Unterscheidung nicht sehen, unterscheiden von ihrer Ordnung her häufig ehrenamtliche Gemeindeleiter (Älteste, Presbyter…) von hauptamtlichen Gemeindeleitern (Pastoren, Pfarrer…). Aufgrund des Anstellungsverhältnisses und anderer praktischer Fragen, muss es für Letztere besondere Regelungen geben. Grundsätzlich kann man jedoch aus dem Neuen Testament keine Rangfolge der Gemeindeleiter untereinander ableiten. Somit gilt alles in diesem Artikel sowohl für ehrenamtliche als auch für hauptamtliche Älteste bzw. Pastoren.

[2] An dieser Stelle möchte ich zum weiteren Studium einen anderen Artikel zum Thema Gemeindeleiter empfehlen, der anhand des Beispiels von Esra und Nehemia auf weitere Charaktereigenschaften und Aufgaben Gott wohlgefälliger Leiter eingeht: Gemeinden brauchen Hirten, die Gott fürchten (BK 69, 1. Juli 2017).

[3] Aufgrund von 1Tim 3,2 und Tit 1,6, aber auch auf Grundlage von dem, was die gesamte Bibel über Mann und Frau lehrt, sind wir der Überzeugung, dass das Ältesten- bzw. Pastorenamt dazu qualifizierten Männern vorbehalten bleibt. Für eine gute Begründung der biblischen Position, siehe: John Piper und Wayne Grudem (Hg.): Zweimalig einmalig – eine biblische Studie, Friedberg [3L] 2008.

[4] Sanders, Oswald: Geistliche Leiterschaft, Bielefeld [CMV] 2003, S.14.15.

[5] Dever, Mark: 9 Merkmale einer gesunden Gemeinde, Waldems [3L] 2009, S. 31.

[6] Hierzu werden die möglichen neuen Leiter der Gemeinde vorgestellt. Innerhalb einer festgesetzten Frist (3-4 Wochen) haben die Gemeindeglieder daraufhin die Möglichkeit, ihre Fragen und gegebenenfalls auch Vorbehalte in Gesprächen mit den Ältesten vorzubringen. Wenn keine Einwände vorgebracht worden sind, oder diese von den Ältesten entkräftet werden konnten und zugleich die Mehrheit ihr stilles Einvernehmen zum Ausdruck gebracht hat, werden die aufgestellten Brüder offiziell als Leiter bestätigt.