Wortverkündigung aus 2. Korinther 4,5–15: Der Dienst eines Hirten im Neuen Bund

Wortverkündigung aus 2. Korinther 4,5–15: Der Dienst eines Hirten im Neuen Bund

Der Dienst eines Hirten im Neuen Bund

Der heutige Tag ist sicher für den Betreffenden ein besonderer Tag. Aber auch für uns als Gemeinde handelt es sich nicht um ein gewöhnliches Ereignis, zumal es der erste ordentlich eingesetzte Pastor der BERG sein wird.

Eine Ordination ist nicht nur ein besonderes Ereignis, und zwar sowohl für den neuen Pastor als auch für die Gemeinde. Es ist auch ein herausforderndes Ereignis. Nicht zuletzt ist eine Amtseinführung immer auch ein freudiges Ereignis, und zwar sowohl für den einzusetzenden Hirten als auch für uns als Gemeinde.

Aus diesem Anlass bringe ich Ihnen das Wort Gottes aus dem 2.Korintherbrief 4,5–15. Die Wortverkündigung steht unter dem Thema: Der Dienst eines Hirten im Neuen Bund.

Ich gliedere die Wortverkündigung in drei Punkte:

Der Dienst eines Hirten im Neuen Bund

  1. geschieht durch das Predigen von Jesus Christus (2Kor. 4,5.6)
  2. vollzieht sich im eigenen Zerbruch (2Kor. 4,7–11)
  3. unterscheidet sich im Kern nicht vom Dienst jedes anderen Christen (2Kor. 4,12–15).

1. Der Dienst eines Hirten im Neuen Bund geschieht durch das Predigen von Jesus Christus (2Kor. 4,5.6)

Wir sagten es bereits: Für die Gemeinde ist der heutige Tag ein besonderer Tag. Das Besondere dieses Tages liegt nicht in dem Umstand, dass eine Ordination für uns etwas Nicht-Alltägliches ist. Das Besondere dieses Gottesdienstes besteht darin, dass jemand zu einem Diener im Neuen Bund eingesetzt wird. Was das heißt, wird uns in dem gelesenen Abschnitt der Heiligen Schrift mitgeteilt.

Paulus spricht hier von sich selbst. Nun, Paulus war Apostel. Das heißt: Er war von Gott auserwählt und berufen, um einen Dienst für die Gesamtgemeinde weltweit zu erfüllen. Auch hat sein apostolischer Dienst Gültigkeit für alle Zeiten. Es ist das Merkmal eines Apostels, dass er einen konstituierenden Dienst für die Gesamtkirche Jesu Christi hat, also für die Gemeinden an allen Orten und für alle Zeiten (Eph. 2,20). Damit ist auch klar, dass es in diesem grundlegenden Sinn heute keine Apostel mehr geben kann.

Das heißt ferner: Es besteht ein kategorialer Unterschied zwischen einem Apostel und einem heutigen Wortverkündiger. Ein heutiger Pastor hat weder einen grundlegenden Dienst noch einen universalen. Der Dienst eines Pastors ist immer an eine Ortsgemeinde gebunden. Das ist ein gravierender Unterschied zu einem Apostel.

Gleichwohl bestehen zwischen dem Apostelamt einerseits und andererseits dem Dienst eines Hirten einer Ortsgemeinde insofern Übereinstimmungen als beides Ämter sind, die von dem dreieinen Gott eingesetzt sind, eben zum Dienst im Neuen Bund.

Der Apostel Paulus bezeichnet seine Aufgabe innerhalb des Neuen Bundes als einen Dienst der Herrlichkeit. Im dritten Kapitel des 2.Korintherbriefes hatte der Apostel die Überlegenheit des Dienstes im Neuen Bund gegenüber dem Alten Bund hervorgehoben.

Es ist nicht so, dass der Neue Bund ein völlig anderer wäre als der Alte Bund. Tatsächlich bestehen zahlreiche Übereinstimmungen zwischen dem Alten und dem Neuen Bund. Wir können durchaus davon sprechen, dass im Vergleich zum Alten Bund der Neue Bund ein erneuerter Bund ist.

Bitte denken wir daran, dass Jesus den Neuen Bund im Abendmahl während eines Passahmahls einsetzte. Das heißt: Der Neue Bund wuchs aus dem Alten Bund hervor.

Außerdem wurden beide Bündnisse mit Herrlichkeit eingeführt. Darum betont der Schreiber des Hebräerbriefes auch mehrfach, dass der Neue Bund ein besserer, ein vortrefflicherer Bund ist: Komparativ. Aber er ist nicht ein völlig anderer Bund als der Alte Bund. Genau das Gleiche schreibt Paulus in 2.Korinther 3.

 Warum ist der Neue Bund besser als der Alte? Der Apostel Paulus gibt auf diese Frage eine zweifache Antwort.

Es ist zwar so, dass Gott in beiden Bündnissen seine Herrlichkeit offenbart hat. Aber im Alten Bund zeigte Gott seine Herrlichkeit vorrangig in der Verkündigung seines Gesetzes. Anhand des Gesetzes Gottes konnten die Menschen Gottes Gerechtigkeit und Gottes Heiligkeit erkennen. Auch die Gabe des Gesetzes war Ausdruck von Gottes Gnade. Wenn wir durch die Gebote Gottes Orientierung für unser Leben bekommen, ist das Gnade. Denn ohne Gottes Maßstäbe sind wir Menschen für unseren Lebensweg blind und gehen in die Irre.

Aber die Herrlichkeit des Neuen Bundes ist insofern größer, als uns hier die Gerechtigkeit Gottes nicht mehr im Gesetz offenbart wird, sondern Gott uns seine Gerechtigkeit wesenhaft offenbart hat. Er hat sie nicht mehr schattenhaft durch Tempelriten und Tieropfer gezeigt, sondern er hat sie vollkommen manifestiert in seinem Sohn Jesus Christus. In besonderer Weise hat Gott sie kundgetan in dem Sühnopfertod seines Sohnes am Kreuz von Golgatha und dann in seiner Auferweckung aus den Toten.

Im Vergleich zu dieser Offenbarung kann Paulus sogar sagen: Der Dienst des Alten Bundes war ein verurteilender, verdammender, tötender Buchstabendienst, während der Dienst des Neuen Bundes heil– und lebengebend ist.

Ferner ist der Neue Bund dem Alten Bund insofern überlegen als die Herrlichkeit im Alten Bund immer wieder verschwand. Im Gegensatz dazu bleibt die Herrlichkeit Gottes im Neuen Bund bestehen.

Paulus veranschaulicht dies anhand einer Begebenheit während der Wüstenwanderung, als Mose aus dem aufgerichteten Zelt der Begegnung, also aus der Gegenwart Gottes heraustrat. Dann legte er stets eine Decke auf sein Angesicht.

Moses Gesicht war verhüllt, und zwar deswegen, damit niemand sah, dass die auf seinem Angesicht widerstrahlende Herrlichkeit Gottes immer wieder verschwand.

Im Vergleich dazu sind wir heute in der Gemeinde berufen, die Herrlichkeit Gottes unverhüllt im Angesicht Christi zu erblicken, das heißt, ohne etwas vor unserem Angesicht zu haben, sondern sie direkt im Evangelium von Jesus Christus anzuschauen.

Wenn wir nun die Frage stellen: Wozu ist ein Diener des Neuen Bundes da, dann antwortet Paulus in unserem Abschnitt kurz und bündig. Wir verkündigen Christus Jesus, dass er der Herr ist (2Kor. 4,5). Der Dienst im Neuen Bund besteht im Kern darin, Jesus Christus als Herrn zu predigen.

Wohlgemerkt: als Herrn. Im Griechischen steht hier das Wort Kyrios. Dieser Begriff Kyrios wurde in jener Zeit für den Kaiser in Rom verwendet. Indem Paulus diesen Herrschaftstitel auf Jesus Christus bezieht, bringt er zum Ausdruck: Christen haben einen einzigen Herrn. Sie haben einen einzigen Gott. Darum gilt für einen Christen: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.

Ja, wir sollen dem Kaiser geben, was des Kaisers ist. Aber eben nicht mehr. Und wehe uns, wenn wir Gott, dem Herrn nicht das geben, was ihm gehört.

Der Auftrag eines Dieners im Neuen Bund ist es, Jesus Christus als den Herrn, als den Kyrios zu verkündigen, und zwar in einer Welt, die von diesem Herrn [Kyrios] nichts wissen will, die sich anderen Herren, anderen Kyrioi beugt und ihnen zujubelt.

Dass Menschen in dieser Welt im Geist Jesus Christus als Herrn, als Kyrios erkennen, bezeichnet der Apostel als Schöpfungsakt Gottes. Paulus stellt es neben das Geschehen, als Gott dieses Universum ins Dasein rief: Gott, der dem Licht gebot, aus der Finsternis hervorzuleuchten, er hat es auch in unseren Herzen licht werden lassen [er hat auch in unsere Herzen geleuchtet], damit wir erleuchtet werden mit der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Christi (2Kor. 4,6).

Mit anderen Worten: Der Grund dafür, dass Menschen überhaupt Christus als Herrn zu erkennen und anzuerkennen vermögen, obwohl doch Satan, der Gott dieser Welt, die Menschen im Griff hat und sie verblendet, ist Ausdruck des machtvollkommenen Gnadenhandelns Gottes in dieser Welt.

So wie Gott der Schöpfer am Anfang befahl, dass das Licht aus der Finsternis, aus dem Chaos leuchten soll, so geschah es bei jedem, der Jesus Christus glaubt und ihn als Herrn bekennt. Darum ist jeder, der durch Christus mit Gott versöhnt ist, – so schreibt es Paulus gleich im nächsten Kapitel – eine neue Schöpfung Gottes (2Kor. 5,17).

Mit anderen Worten: Im Menschen gibt es keine Qualität, an die Gott irgendwie anknüpfen könnte. Unser Glaube kommt nicht aus uns, sondern er kommt aus dem Hören des Wortes Gottes (Röm. 10,17).

Genau genommen ist es noch nicht einmal so, dass „ein Mensch zum Glauben kommt“, wie man es heute immer wieder hört. Paulus jedenfalls formuliert es genau umgekehrt: Der Mensch „kommt nicht zum Glauben“, sondern der Glaube kommt zum Menschen (Gal. 3,23.25).

Es ist Gott, der in unsere finsteren Herzen sein Leben bringendes Licht leuchten ließ. Niemand von uns kann sich selbst erleuchten. Es ist einzig und allein Gott, der die Finsternis in uns zu vertreiben vermag, und zwar dadurch, dass er durch seinen Heiligen Geist uns Jesus Christus enthüllt, dass er uns enthüllt, in wem allein unser Heil und unsere Rettung ist.

Denn das ist ja Glaube: dass du endlich einmal in und vor dir selbst kapitulierst und wegschaust von dir selbst auf Christus, der allein dein Heil ist, sodass du Christus als deine einzige Lebensquelle erkennst und aus ihr schöpfst. Das heißt, dass du das Heilswerk Christi für dich im Glauben in Anspruch nimmst. Oder formulieren wir es mit den Worten, die Paulus hier verwendet: dass du die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi erkennst.

Da schleicht sich ein kleines verängstigtes Mädchen nachts weinend in das Elternschlafzimmer. Sie schluchzt: Ich habe in meinem dunklen Zimmer Angst. Egal, ob ich die Augen zumache oder ob ich sie auflasse, stets erscheinen mir furchteinflößende Horrorfratzen. Die Eltern versuchen ihr Töchterlein zu beruhigen. Sie sagen: Du brauchst keine Angst zu haben. Wir sind doch da. Darauf erwidert das kleine Mädchen: Ja, aber ich möchte gerne in der Dunkelheit euer Angesicht sehen.

Entsprechendes schreibt Paulus hier: Du bist in dieser finsteren Welt nicht allein. Gott hat sich dir zugewandt. Er hat dir sein Antlitz gezeigt in Jesus Christus. Denn wer ihn sieht, der sieht den Vater.

Natürlich hätte der dreieine Gott Möglichkeiten gehabt, direkt das Angesicht Gottes, also Jesus Christus, den Menschen zu zeigen. Er hätte es tun können, zum Beispiel durch mystische Eingebungen, durch Träume oder durch Visionen. Selbstverständlich hätte Gott unmittelbar in den Herzen der Menschen sein „Licht“ anknipsen können. Aber Gott beschloss, dies nicht so zu tun, sondern Menschen einzusetzen, die seine Knechte sind und das Evangelium den Menschen verkündigen. Er setzt sie ein, und er bevollmächtigt sie zu dieser Aufgabe. Diese Männer sollen in der Kraft des Heiligen Geistes die lebensschaffende Wahrheit des Evangeliums von Jesus Christus zu den Menschen bringen.

Der Apostel fasst diese Wahrheit folgendermaßen in Worte: Wir verkündigen nicht uns selbst, sondern Christus Jesus, dass er der Herr ist. Paulus fügt hinzu: uns selbst aber als eure Knechte um Jesu willen (2Kor. 4,5). Dass Gott zu diesem Dienst im Neuen Bund Männer einsetzt, wird bei ihnen nicht zu Überheblichkeit oder zu Selbstruhm führen. Das Gegenteil ist der Fall: Wir sind nichts anderes als eure Knechte. Und zweifellos ist Knechtsein das Gegenteil von Herrschen.

Und doch wird das Knechtsein eines Dieners am Evangelium heutzutage vielfach falsch verstanden. Vermutlich verstehen es deswegen nicht wenige falsch, weil wir heute nicht mehr wirklich wissen, was ein „Amt“ eigentlich ist.

Ein Amtsträger steht in einer gewissen Weise der Gemeinde gegenüber, ähnlich wie ein Schafhirte Hüter der Schafe ist. Er ist nicht einfach ein „Oberschaf“, sondern er steht insofern der Gemeinde gegenüber, als er ihr Hirte ist und damit Autorität hat.

Diese Autorität zielt nicht darauf, die Gemeinde zu beherrschen. Ein Pastor ist – wir hörten es – ein Knecht der Gemeinde, der Gott gegenüber Verantwortung für die Herde trägt.

Paulus ermahnt einmal die Gemeinde in Korinth, indem er für sie ringt, und zwar als ein Mitarbeiter an ihrer Freude (2Kor. 1,24). Mitarbeiter ihrer Freude, genau das ist ein Diener des Neuen Bundes. Auch wenn er gelegentlich durchgreifen muss, führt er seinen Dienst niemals mit einem Amtsdünkel aus.

Damit komme ich zum zweiten Punkt der Wortverkündigung:

2. Der Dienst eines Hirten im Neuen Bund vollzieht sich im eigenen Zerbruch (2Kor. 4,7–11)

Vermutlich ist der zweite Korintherbrief der persönlichste Brief des Apostels Paulus. Paulus gibt uns hier einen so tiefen Einblick in sein Herz, wie wohl in keinem anderen seiner Schreiben.

Dem Apostel Paulus geht es in diesem Abschnitt nicht eigentlich darum, uns darüber zu informieren, was den Dienst eines Hirten im Neuen Bund inhaltlich ausmacht. Vielmehr schreibt er das, was wir hier lesen, um zu zeigen, was der Dienst eines Hirten im Neuen Bund für das Verhältnis eines Amtsträgers zur Gemeinde heißt. Es geht ihm um die Frage der Beziehung zwischen dem Hirten und der Herde.

Paulus hatte es eben gerade erwähnt: Wir sind eure Knechte um Jesu willen. Das heißt für ihn konkret: Selbstverleugnung. Der Dienst eines Hirten im Neuen Bund heißt: zu sich selbst „Nein“ sagen.

Um zu illustrieren, was das konkret heißt, lässt uns der Apostel im Folgenden ein wenig in sein Inneres blicken. Auf diese Weise erhalten wir eine Ahnung, was es heißt, mit dem Dienst eines Hirten im Neuen Bund beauftragt zu sein.

Paulus zeigt auf, was es im Dienst für Anfechtungen gibt. Bei diesen Anfechtungen besteht vor allem eine Gefahr: Es ist die Versuchung, im Dienst mutlos zu werden, zu resignieren.

Paulus hatte es bereits in diesem Brief mitgeteilt, dass er Jesus Christus mit großem Ernst und in Lauterkeit verkündet, also ohne Tricks, ohne das Evangelium zu verfälschen wie die vielen (2Kor. 2,17). Er predigt das Evangelium mit großer Freimütigkeit (2Kor. 4,1.2).

Aber diese Aussagen macht der Apostel angesichts einer Anfechtung, die wohl immer wieder an ihm genagt hat. Es ist die Anfechtung, zu verzweifeln und seinen Auftrag aufzugeben.

Gibt es denn angesichts eines solchen Herrlichkeitsdienstes Anlässe, mutlos zu werden und zu resignieren? O ja, die gab es, und die gibt es. Gerade im zweiten Korintherbrief kommt Paulus darauf immer wieder zu sprechen.

  • Erstens: Unmittelbar vorher hatte er geschrieben: Da ist Satan, der Gott dieser Welt: Der Teufel trachtet danach, dass viele das ihnen verkündete Evangelium nicht annehmen, dass ihnen das Evangelium verdunkelt bleibt; dass sie verblendet sind (2Kor. 4,3.4).

Mit anderen Worten: Die vom Verkündiger des Evangeliums ausgestreute Saat kommt bei sehr vielen Menschen nicht an. Oder aber: Sie wird gleich wieder aus ihren Herzen gerissen.

  • Zweitens: Abgesehen von vielfach erfahrener Fruchtlosigkeit seines Dienstes gibt es auch ausdrückliche Feinde des Evangeliums. Diese Leute schleichen sich in die Gemeinde, und sie nutzen jede Gelegenheit, den Diener des Neuen Bundes zu diskreditieren.

Namentlich in den Kapiteln 10 bis 12 des zweiten Korintherbriefes spricht Paulus über solche Leute. Er bezeichnet sie ironisch als „Super-Apostel“. Sie waren aus Jerusalem angereist, und sie setzten alles daran, die Gemeinde in Korinth vom Evangelium abzubringen. Paulus schildert sie als Leute, die die Gestalt von Aposteln annehmen. Sie treten auf wie Apostel Christi (2Kor. 11,13). Und Paulus muss der Gemeinde bescheinigen: Solche Leute ertragt ihr vortrefflich. Er fügt hinzu: Das ist kein Wunder, denn selbst der Satan präsentiert sich als ein Engel des Lichts (2Kor. 11,14.15).

Angesichts solcher Gegner, die mit viel List zugange sind: Was soll er da ausrichten, er, der hunderte von Kilometern von Korinth entfernt ist? Einem Diener des Neuen Bundes kann da schon angst und bange werden.

  • Drittens: Hinzu kommt, dass in der Gemeinde selbst viele gar nichts mehr mit Paulus zu tun haben wollten. Sie wollten nichts mehr von ihm wissen. Ist spätestens da nicht Entmutigung angesagt?
  • Viertens: Bisher hatte Paulus allein die Situation in Korinth im Blick. Hinzu kamen aber sämtliche Belastungen und Zerreißproben, denen Paulus auf seinen Missionsreisen ausgesetzt war, und die er einmal in 2.Korinther 11,22–33 summarisch aufzählt.

Und dennoch erklärt Paulus: Wir werden nicht mutlos: Dass viel Saat verloren geht, ist kein Grund mit dem Säen aufzuhören; dass ich verleumdet werde, dass viele mit mir nichts mehr zu tun haben wollen, das alles ist kein Grund, meinem Auftrag Lebewohl zu sagen.

Wir hatten in der Einleitung zur Predigt gehört, dass die Einsetzung eines Pastors ein herausforderndes Ereignis ist. Paulus jedenfalls beschreibt seinen Dienst hier in hochdramatischen Worten. Ich lese noch einmal die Verse 8–10: Wir werden überall bedrängt, aber nicht erdrückt; wir kommen in Verlegenheit, aber nicht in Verzweiflung; wir werden verfolgt, aber nicht verlassen; wir werden niedergeworfen, aber wir kommen nicht um; wir tragen allezeit das Sterben des Herrn Jesu am Leib umher, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar wird.

Betrübnis, Leiden, Pein überall!

Möglicherweise liegt in dem, wie Paulus hier seinen Dienst schildert, sogar eine Steigerung: Der Apostel beginnt damit, dass er mitteilt, Wir werden überall [in jeder Hinsicht] bedrängt. Mit anderen Worten: Von allen Seiten prasselt es auf uns ein. Das macht auch innerlich etwas mit uns: Wir kommen in Verlegenheit. Man sieht kaum noch einen Ausweg. Aber es kommt schlimmer: Da sind ganz gezielt Leute hinter uns her: Wir werden verfolgt. Okay, dann laufen wir erst einmal weg. Doch dann tritt die Konstellation ein, dass wir noch nicht einmal mehr weglaufen können: Wir werden niedergeworfen. Mit anderen Worten: Wir liegen am Boden. Man trampelt über uns dahin und tritt auf uns ein. Wir werden gleichsam zertreten, und ein Weglaufen ist nicht mehr drin.

Schrecklich! Grauenhaft!

Aber Paulus fügt hinzu: Ja, wir werden bedrängt, aber wir werden nicht erdrückt. Ja, wir sehen manchmal keinen Ausweg, aber das stürzt uns nicht in Verzweiflung. Ja, da sind Menschen uns ganz dicht auf den Fersen, aber Gott verlässt uns nicht. Ja, da liegen wir platt am Boden, aber trotzdem kommen wir nicht um.

Wenn man Paulus während einer solchen Stress-Zeit die Frage gestellt hätte: Paulus, wie fühlst du dich heute, hätte er möglicherweise für einen Moment innegehalten und dann geantwortet: Es geht immer unten durch, und das ist gut so. Denn der Herr Jesus Christus hält mich. Er hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir.

Die Bilanz, die Paulus zieht, lautet: Wir tragen allezeit das Sterben des Herrn Jesus am Leib umher, damit auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Leib offenbar werde (2Kor. 4,10). Auch die Zerbruchswege, ja gerade die Zerbruchswege, die Gott uns führt, sind insofern Segenswege, als uns dadurch einige Wahrheiten vor Augen geführt werden, die jeder von uns am liebsten ignorieren möchte, nämlich dass Gott seinen Schatz des Evangeliums in zerbrechliche Gefäße gefüllt hat (2Kor. 4,7).

Seinen jedes Denken überragenden, unvorstellbar reichen Schatz, das Wort der Versöhnung, hat der Herr in schwache, angefochtene, versuchbare Gefäße wie dich und mich deponiert. Paulus spricht hier von tönernen Gefäßen.

Wenn damals ein Metallgefäß kaputtging, wurde es repariert. Denn ein metallenes Gefäß war wertvoll. Man ging zu einem Kesselflicker und ließ den Topf ausbessern. Wenn heute ein Glasgefäß zerbricht, dann entsorgt man es gegenwärtig in einem Glascontainer, damit das Material eingeschmolzen und wiederverwendet werden kann. Aber wenn ein Tonkrug kaputtgeht, dann wirft man ihn weg. Er eignet sich weder zum Reparieren noch zum Recyceln.

Paulus notiert hier: Damit ich niemals vergesse, in was für ein unwürdiges, schwaches Gefäß Gott den Schatz seines Evangeliums gelegt hat, ist es gut, wenn Gott diese Wahrheit mir immer wieder vor Augen führt, um mich daran zu erinnern, wer ich in mir selbst bin. Denn gerade um der Wahrheit Gottes willen muss deutlich werden, woher unsere Kraft kommt: nicht aus uns selbst, sondern aus Christus.

Wenn also Paulus hier von seinen Sterbenswegen spricht, dann nicht deswegen, weil er ein Jammerlappen ist. Schon gar nicht deswegen, weil er sich selbst in den Mittelpunkt manövrieren will und ihm dazu nichts Besseres einfällt, als über seine Schwachheiten zu klagen. Vielmehr schildert er hier einen Lernprozess: Paulus hatte nämlich immer wieder zu begreifen, dass alle Ehre nicht dem Gefäß, sondern dem Schatz zukommt bzw. dem Geber des Schatzes. Jeder Knecht des Neuen Bundes wird dieselbe Lektion wiederholt zu lernen haben.

Ein Knecht steht nicht über seinem Herrn. Was erwartest du eigentlich im Dienst für Jesus? Hast du vergessen, dass Jesus seinen Jüngern sagte: Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen (Joh. 15,18–21)?

Die Zerbruchs- und Demütigungswege sind für einen Diener im Neuen Bund auch deswegen notwendig, weil er dadurch in die Lage versetzt wird, andere zu trösten und zu stärken: Wir, die wir leben, werden allezeit dem Tod preisgegeben [überantwortet] um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu offenbar wird an unserem sterblichen Fleisch (2Kor. 4,11). Anders formuliert: Du bist Jesus deswegen im Leiden nahe, damit auch das Leben Jesu in dir offenbar wird, sodass du Jesus ähnlicher wirst, ihm mehr entsprichst und so als sein Diener brauchbar wirst.

Dabei ist natürlich sofort hinzuzufügen: Niemand von uns hat das durchzumachen, was der Apostel Paulus durchmachte. Denn gerade die Größten im Reich Gottes waren auch immer die am meisten Geschlagenen. Aber trotzdem gibt es Entsprechungen zwischen dem, was Paulus durchmachte, und heutigen Verkündigern des Wortes Gottes: Jeder Pastor, der vor Gott seinen Dienst ernst nimmt, macht immer wieder die Erfahrung, dass er einmal weniger, einmal mehr stirbt, und zwar damit die Gemeinde lebt.

Paulus gewährt der Gemeinde hier dazu einen Blick in sein Inneres, damit auch wir als Gemeinde heute uns durchaus einmal klarmachen dürfen, dass ein rechter Hirte die Lasten anderer Glieder mit sich herumschleppt. Ich habe den Eindruck, dass manchmal noch nicht einmal die Ältesten sich dessen bewusst sind, dass ein Pastor in besonderer Weise durch Spannungen hindurchgehen muss.

Wissen die Gemeindeglieder, was ein Wortverkündiger bei der Vorbereitung einer Predigt und des Gottesdienstes durchmacht? Eine Predigt besteht ja keineswegs darin, irgendetwas zusammenzuschreiben. Vielmehr ist es so: Während der Diener am Wort seine Predigt zu Papier bringt, sieht er stets die Gemeindeglieder vor sich. Dann hat er vor Augen die Nöte, die Lauheiten, die Sünden und die Schwachheiten der Gemeinde. Nicht selten ist das bedrückend.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich sage das hier nicht, damit alle den Pastor bemitleiden. Verkündiger des Evangeliums zu sein, ist eine wunderbare Aufgabe. Aber jeder Hirte, der seinen Auftrag ernst nimmt, kennt auch die Lasten, und diese drücken nicht selten schwer.

Danken wir Gott, dass uns Paulus in seinen Briefen ein wenig in sein Inneres hineinblicken lässt. Denn das lässt uns erkennen, dass auch der Apostel sicher kein „Schönwetterpastor“ war.

Noch ein Beispiel: Da passiert etwas in der Gemeinde, durch das alle tief erschüttert worden sind. Leute verlassen die Gemeinde. Mehr noch: Sie lästern in sozialen Medien über die Gemeinde und suchen sie in Verruf zu bringen. Die Gemeindeglieder sind irritiert und irgendwie paralysiert. Wer soll dann am Sonntag auf die Kanzel gehen und das Wort Gottes verkündigen? Die meisten ziehen es vor, in Deckung zu gehen. Sie beobachten erst einmal die Lage aus der Distanz, schweigend. Doch der Pastor muss ran. Hinzu kommt, dass er noch nicht einmal alles das sagen kann, was er dazu weiß.

Oder es gibt sogar gezielt Verleumdungen gegen den Pastor. Das geht heute über das Telefon sehr schnell, und es vollzieht sich unmerklich, im Hintergrund. Aber dann bekommt er es doch irgendwie mit. Soll er darauf reagieren? Wenn ja, wie? Wenn er nichts sagt, wird das als Schuldeingeständnis aufgefasst. Wenn er etwas sagt, heißt es: Wer sich verteidigt, klagt sich an.

Paulus bezeugt hier eines: Was auch immer mit mir in meinem Dienst geschehen mag: Ich kapituliere nicht. Was auch immer mir Menschen antun werden, ich werde mich nicht in Selbstmitleid verkriechen oder in Schwermut verzagen. Was auch immer mir an geistigen Stürmen ins Gesicht bläst: Ich kann gar nicht aus dem Dienst im Neuen Bund aussteigen. Denn – so schreibt er wenige Verse später: Die Liebe des Christus drängt uns... (2Kor. 5,14).

Damit komme ich zum dritten Punkt:

3. Der Dienst eines Hirten im Neuen Bund unterscheidet sich im Kern nicht vom Dienst jedes anderen Christen (2Kor. 4,12–15)

Paulus sprach eben gerade von einem großen Gegensatz: Tod – Leben: Der Tod wirkt in uns, das Leben in euch. Im Grunde ist dies eine gigantische Diastase!

Aber ist mit einem solchen Gegensatz die Beziehung zwischen einem Amtsträger und der Gemeinde umfassend zum Ausdruck gebracht? Für einen Augenblick hatte Paulus tatsächlich eine breite und tiefe Kluft zwischen dem Hirten (Pastor) und der Gemeinde aufgezeigt: Der Tod wirkt in uns, aber das Leben wirkt in euch… Wenn man nur eine kurze Zeit diesen Satz in sich hineinsinken lässt, es könnte einem schwer ums Herz werden.

Aber Paulus ging es nicht um das Aufreißen einer Kluft. Vielmehr ging es ihm darum, der Gemeinde einmal eine Ahnung davon zu vermitteln, wie sehr das Herz eines Hirten an den ihm anvertrauten Schafen hängt und wie ihm ihretwegen und auch angesichts ihrer Sünden gelegentlich das Herz schwer wird und bricht, und wie er wegen ihnen gedemütigt wird.

Aber noch einmal: Es geht dem Apostel nicht darum, einen Gegensatz zwischen ihm und der Gemeinde in Korinth aufzureißen. Vielmehr geht es ihm darum, aufzuzeigen, was Hirte und Herde miteinander verbindet. Darum fügt der Apostel hinzu: Wir haben alle denselben Geist des Glaubens. Und in diesem selben Geist sind wir alle gemeinsam berufen, das Evangelium weiterzutragen (2Kor. 4,13). Wir haben alle denselben Geist empfangen…

Wir sagten in der Einleitung: Eine Ordination ist auch ein freudiges Ereignis. Ja, das ist es. Es ist ein freudiges Ereignis, für einen jeden von uns, und zwar deswegen, weil dadurch einem jeden von uns skizziert wird, wozu jedes Gemeindeglied ebenfalls berufen ist: Wir haben denselben Geist des Glaubens […] so glauben auch wir, und darum reden wir auch. Jeder von uns ist beauftragt, das Evangelium weiterzusagen.

Darum wäre das denkbar Falscheste angesichts des heutigen Tages, wenn wir uns anschließend nach Hause begeben mit der Einstellung: Jetzt haben wir ja endlich einen Pastor, und er ist dafür da, dass das Evangelium verbreitet wird.

Das Gegenteil ist der Fall: Weil wir alle denselben Geist haben, so glauben wir alle und darum reden wir auch alle. Aus dieser Perspektive ist eine Ordination immer auch ein Aufruf an jeden von uns, in seinem Lebensumfeld das Evangelium weiterzusagen.

Und weißt du, was diese durch den Geist des Glaubens gemeinsam zu erfüllende Aufgabe auch heißt? Damit ist auch gesagt: Wenn Paulus von den Lasten, der Pein und den Demütigungen eines Wortverkündigers spricht, dann muss er das nicht so machen, wie man einem Blinden zu erklären versucht, was Farbe ist. Vielmehr kann er schreiben: Ihr kennt das doch auch. Vielleicht graduell abgestuft. Aber wenn ihr das Evangelium weitersagt, dann erfahrt ihr doch auch das Sterben Jesu in euch.

Das alles ist doch nicht etwas völlig Fremdes für euch. Es ist der gleiche Geist des Glaubens, in dem wir alle berufen sind. Wir alle haben den Auftrag, den Menschen Christus zu bezeugen.

Darum besteht im Kern zwischen Pastor und Gemeindegliedern kein Gegensatz. Da gibt es keine Kluft, ja noch nicht einmal eine Lücke. Wir alle haben den gleichen Geist des Glaubens, und darum sind wir alle berufen, das Evangelium weiterzusagen.

Ganz gewiss ist nicht jeder dazu berufen, dies von der Kanzel zu tun. Aber aufgrund des gemeinsamen Geistes des Glaubens wird das Ziel von einem jeden von uns sein, das Evangelium weiterzusagen, damit die Gnade durch die Vielen den Dank überfließen lasse zur Ehre Gottes (2Kor. 4,15).

Das Predigen des Evangeliums, das Wachstum der Gemeinde hat zutiefst den Sinn, dass mehr Menschen Gott den Herrn loben und ihm Ehre darbringen. Dass Gott geehrt wird, ist das Ziel jedes Dienstes, und zwar sowohl des Dienstes eines Pastors als auch des Dienstes jedes Gemeindegliedes. Paulus unterstreicht dies, indem er ein Zitat aus Psalm 116,10.11 anführt: Ich habe geglaubt, darum rede ich auch (2Kor. 4,13).

Es war im 19. Jahrhundert. Ein ganzer Kirchenverband stand im Begriff, innerhalb weniger Jahre von einer gesunden konfessionell-reformierten Lehre in eine liberale, „überkonfessionelle“ Einstellung abzugleiten. Ein Bruder, der den Niedergang hautnah miterlebte, schildert in einem Brief, wie er die letzten drei Pastoren in der Gemeinde, zu der er gehörte, erlebt hatte. Ich zitiere: „Unser erster Amtsträger trat als Mann auf, aber er war kein Pastor [Hirte, Seelsorger]. Unser zweiter wirkte als ein Pastor [Hirte, Seelsorger], aber er war kein Mann. Und der, den wir jetzt haben, ist weder ein Mann noch ein Pastor.“

Es ist mein Gebet, dass du erstens deinen Dienst als ein Mann verrichtest, und zwar als ein Mann Gottes, als ein Mann, der das Wort der Wahrheit unerschrocken verkündet, und zwar auch dann, wenn du von dem Eindruck überfallen bist, ganz allein dazustehen.

Es ist mein Gebet, dass du zweitens deinen Dienst als ein Pastor verrichtest, der nicht über die Gemeinde herrscht, sondern der sie mit dem Schatz des Evangeliums versorgt, und zwar sowohl von der Kanzel als auch in Einzelgesprächen, damit die Erkenntnis Christi in der Gemeinde wächst.

Es ist mein Gebet zu Gott, dass du drittens deinen Dienst verrichtest in dieser Gemeinde, die [hoffentlich] niemals vergisst, dass sie nicht vorrangig dazu zusammenkommt, um miteinander eine Zeit der Geselligkeit zu verbringen. Schon gar nicht kommen wir zusammen, um wie einst das Volk Israel während der Wüstenwanderung im Unglauben gegen ihre Leiter zu murren, sondern wir kommen als Gottes Gemeinde zusammen, um gemeinsam das Angesicht Gottes zu suchen, indem jeder von uns nach dem lebendigen Wort Gottes dürstet. Jeder Einzelne von uns möge danach verlangen, durch deinen Dienst zugerüstet zu werden, um sowohl in der Gemeinde dem Bruder und der Schwester in Liebe zu dienen als auch den Menschen draußen das Evangelium zu bringen, die andernfalls dem Verderben und der Verdammnis entgegengehen. Möge so dein Dienst in der Gemeinde zum Lob und zur Ehre des dreieinen Gottes geschehen.

Amen.