Müssen Christen leiden? Die Antwort darauf lautet kurz: Ja! Diese Antwort ist klar, aber unbefriedigend. Sie gibt keine Hilfe für den Umgang mit den Leiden. Gott lässt uns durch sein Wort zum Teil verstehen, warum wir leiden müssen und warum das so richtig ist. Gott erklärt uns nicht alles, aber entscheidende Dinge. Der zweite Brief an die christliche Gemeinde in Korinth hat als ein wesentliches Thema die Leiden der Christen. Paulus schreibt bereits in der Einleitung über den Sinn der Leiden im Leben von Christen. Lesen Sie bitte in einer guten Übersetzung 2Korinther 1,3–7.
Die Kernfrage: Ist Leid im Dienst für Christus die Ausnahme oder die Regel?
Es ist offensichtlich, dass in diesem Abschnitt ein Wort immer wieder auftaucht: Trost. Es geht um Trost von Gott für Christen. Daneben tauchen zwei andere Wörter immer wieder auf: Drangsal und Leiden. Christen leiden viel, weil sie zu Christus gehören und ihm dienen. Dies gilt es festzuhalten: Paulus spricht nicht allgemein über Leiden, sondern über diejenigen, die aus dem Bekenntnis zu Jesus Christus folgen. Er verweist dabei auf sein eigenes Leben. Er beschreibt in dem Brief wie in keinem anderen die Leiden, die mit seinem Dienst als Apostel für Jesus Christus verbunden gewesen sind. Er tut dies nicht, um zu jammern oder um sich als Held groß herauszustellen. Er tut dies, weil er mit einigen führenden Christen in Korinth unterschiedlicher Meinung darüber ist, wodurch ein Dienst für Christus vor allem gekennzeichnet ist. Ist er dadurch gekennzeichnet, dass Gott einen Christen vor Leiden bewahrt, so dass er weitgehend von Leiden verschont bleibt? Das war die Ansicht einiger Christen in Korinth. Oder ist der Dienst für Christus dadurch gekennzeichnet, dass ein Christ viel Leiden erlebt, aber darin von Gott immer wieder Hilfe und Trost erfährt? Um dann die nächsten Leiden zu erfahren und wieder getröstet zu werden? Dies war die Ansicht von Paulus. So hat er es in seinem Dienst für Christus erfahren.
Aus der Sicht einiger Korinther hat Paulus nur darum so viel gelitten, weil er sich zu dumm angestellt hat. Er habe die Leiden geradezu auf sich gezogen, einfach nur deshalb, weil er zu kauzig und zu trottelig war. Paulus hatte keine attraktive Erscheinung. Anstatt charmant oder smart rüberzukommen befand er sich oft in Todesgefahr und Todesängsten. Das müsste nicht so sein, dachten einige Christen in Korinth und gaben ihm dies auch zu verstehen. Sie standen in Kontakt zu anderen Missionaren, so genannten „Überaposteln“, denen ging es ganz anders. Die trugen vor den Leuten mit ihrer Redegabe und durch ein gepflegtes Auftreten ihren gehobenen Status zur Schau. Warum nicht auch Paulus? Er war doch Angehöriger einer wohlhabenden und angesehenen Familie aus Tarsus! Er war römischer Bürger von Geburt her! Warum spielte das für Paulus in seinem Dienst für Christus kaum eine Rolle? Warum setzte er seinen gesellschaftlichen Stand nicht dafür ein, um sich im Dienst für Christus Leiden zu ersparen?
Paulus ging es nicht um die Leiden an und für sich. Er verkündigte als Apostel das Evangelium von Jesus Christus. Er suchte die Leiden nicht, um dann als Held dazustehen, der tapfer Leiden erträgt. Es ging ihm um den Trost von Gott und um seine Hilfe! Die erfuhr Paulus gerade dann, wenn er für Christus litt. Am Anfang von Vers 4 schreibt er: „Gott tröstet uns in all unserer Drangsal.“ Mit „Drangsal“ meint Paulus äußere und innere Nöte, die sich aus dem Dienst für Christus am Evangelium ergeben. Zu den äußeren Nöten gehören Spott, Verfolgung, Gefängnis, Todesgefahr, Prügel, auf Reisen Hunger, Durst und Kälte. Die inneren Nöte hängen mit den äußeren zusammen. Denn irgendwie musste Paulus als Mensch ja mit diesen Nöten umgehen, die ihn von außen trafen. Innere Nöte sind Angst vor dem Versagen, Angst vor Schmerzen, Angst vor Einsamkeit, die Sorge um die Gemeinden. Menschlich gesehen konnte Paulus mit diesen Nöten gar nicht fertig werden. Er wäre an ihnen verzweifelt, wenn Gott ihm nicht immer wieder geholfen hätte. Dabei hat Paulus von Gott Rettung aus Leiden und Trost in Leiden erfahren. Beides ließ ihn nicht verzweifeln, sondern, im Gegenteil, von Freude erfüllt sein (siehe 2Kor. 6,9.10).
Christliche Vorbilder leiden viel, weil sie Christus dienen. Sie haben in diesen Leiden für Christus Gott bei sich auf ihrer Seite. Die Christus in dieser Welt dienen, leiden, die einen mehr, die anderen weniger. Sie erfahren Leiden um des Glaubens willen, weil Christus, den sie verkündigen, in dieser Welt auch gelitten hat. Er hat gelitten bis zum Tod am Kreuz. Nun steht er denen mit seiner Hilfe und seinem Trost bei, die wegen der Verkündigung des Gekreuzigten leiden müssen.
Freudige Gemeinschaft der Christen im Leiden durch den Trost Gottes
Viel Leiden, noch mehr Trost, so hilft Gott den Christen in ihrer Not. Dies führt dazu, dass die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander gestärkt wird. Paulus schreibt in 2Kor. 1,4.6: „Gott tröstet uns in all unserer Drangsal, damit wir die trösten können, die in allerlei Drangsal sind, nämlich durch den Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet werden. … Sei es also, dass wir Drangsal leiden, so geschieht es darum, dass ihr Trost und Rettung empfangt. Sei es, dass wir getröstet werden, so geschieht es ebenso darum, dass ihr Trost empfangt, welcher euch geduldig die gleichen Leiden ertragen lässt, die auch wir erleiden.“
Paulus geht davon aus, dass alle Christen mehr oder weniger in ihrem Dienst für Christus leiden müssen. Dabei tröstet Gott jeden von ihnen. Er tröstet jeden einzeln und direkt durch sein Wort und seinen Heiligen Geist. Worauf Paulus aber hier das Schwergewicht legt, ist die Gemeinschaft der Christen im Leiden und im Trost. Christen trösten sich gegenseitig. Dabei geben sie keinen Trost weiter, der aus bloßer Mitmenschlichkeit entspringt. Der Trost, den sie weitergeben, kommt von Gott. Durch die Leiden für Christus sind Christen Kanäle für den Trost Gottes, den sie selbst im Leiden erfahren. Durch sie hindurch gelangt der Trost zu Brüdern und Schwestern im Glauben, die ebenfalls im Leiden stehen und den Trost Gottes brauchen. Paulus macht deutlich, dass jeder von uns diesen Trost braucht. Sonst werden wir durch die Leiden verängstigt und verbittert. Der Trost in den Leiden macht uns bereit, auch zukünftige Leiden bereitwillig anzunehmen. Denn durch die Erfahrung wissen wir, dass Gott uns im Leiden für Christus mit seinem Trost heimsucht.
Eine besondere Gefahr besteht für den einzelnen Christen darin, sich im Leiden von anderen Geschwistern abzuschließen. Wir neigen von Natur aus, das entspricht unserer Sünde, zum Einzelgängertum. Was uns an Leiden betrifft, das wollen wir dann gerne allein mit uns selbst vor Gott bewältigen. Womöglich entspricht dies unserem Idealbild eines gereiften Christen, dass er keine Hilfe von Glaubensgeschwistern nötig hat. Dahinter versteckt sich die Annahme, ein Christ sei umso gereifter, je weniger er die Hilfe anderer Christen brauche. Dies ist Unfug. Wer anderen Geschwistern keinen Anteil an seinen Leiden, Nöten und Ängsten gibt, beraubt sich selbst des Trostes, den Gott ihm durch sie zukommen lassen will. Wenn es jemanden gibt, der die Leiden um Christi willen kennt, dann sind es die Geschwister, und wenn es jemanden gibt, der den Trost Gottes in diesen Leiden erfahren hat, dann sind es ebenfalls die Geschwister. In der Gemeinde erfährt einer den Trost vom andern. So ist es Gottes Wille. Auf diese Weise, nicht nur, aber besonders, tröstet Gott selbst als Vater seine Kinder, die untereinander Brüder und Schwestern sind.
Dies soll nicht heißen, dass Gott die Gläubigen nicht auch unabhängig von den Geschwistern tröstet. Das tut er. Er hört das Gebet jedes einzelnen in seiner Not und kommt ihm direkt zu Hilfe, indem er ihm durch seinen Geist Worte der Heiligen Schrift ins Herz legt. Gott tröstet auf beide Weisen. Und keine soll von uns vernachlässigt werden. Denn den Trost brauchen wir, um in den Leiden nicht zu verzagen. Den Trost brauchen wir, damit wir nicht zukünftigen Leiden um Christi willen bewusst ausweichen. Der Trost Gottes allein macht bereit, diese Leiden bereitwillig anzunehmen. Und ohne diese Leiden wird der besondere Trost nicht empfangen. Denn wer nicht leidet, braucht keinen Trost.
Der Trost von Gott wiegt die Leiden mehr als auf
Paulus schreibt in Vers 5: „Denn die Leiden in dem Dienst für Christus fließen wohl in reichem Maß in unser Leben über. Aber ebenso fließt auch der Trost von Christus in reichem Maß für uns über.“
Der Apostel redet hier zunächst einmal für sich und seine Mitarbeiter. Sie erfahren die Leiden für Christus in reichem Maße. Paulus lädt aber die Christen in Korinth und uns dazu ein, ebenfalls diese Leiden in unserem Leben willkommen zu heißen. Was ist das Kennzeichen dieser Leiden? Diese Leiden kann man sich ersparen, indem man Christus in der Welt nicht bezeugt. Diese Leiden sind also freiwillig. Im Unterschied zu vielen Leiden, die uns automatisch heimsuchen, können wir uns die Leiden um Christi willen vom Leib halten. Wir unterlassen es einfach, Christus vor der Welt zu bekennen. Dann verabschieden wir uns allerdings überhaupt davon, in seinem Dienst zu stehen. Denn das ist der Hauptauftrag, den Christus uns gegeben hat: Ihn vor der Welt zu bekennen. Dies ist unweigerlich mit Leiden verbunden. Der eine erfährt sie so, der andere anders, der eine mehr, der andere etwas weniger. In der Anfechtung stehen wir alle, diesen Leiden bewusst auszuweichen, sie also, wenn es geht, zu minimieren.
Die Frage ist nun aber: Wie viele Leiden erwarten uns, wenn wir die Botschaft vom gekreuzigten Christus offen vor Nichtchristen bekennen? Die Antwort von Paulus ist klar. Im Normalfall viel Leiden, sehr viel Leiden. Viel zu viel Leiden, als dass wir sie aus eigener Kraft ertragen könnten. Paulus sagt von sich und seinen Mitarbeitern: „Die Leiden in dem Dienst für Christus fließen in reichem Maß in unser Leben über.“
Aus der Sicht einiger Korinther hatte sich Paulus viele Leiden selbst aufgehalst. Sie waren der Ansicht, dass Gott in der Regel seine Leute vor Leiden bewahrt. Paulus hielt dagegen, dass er die Leiden nicht gesucht hat. Er hat einfach sein Leben, sein Verhalten darauf ausgerichtet, das Evangelium zu verkünden. Die Leiden kamen automatisch. Er hat gelernt, dass es nicht die Regel ist, dass Gott seine Leute vor Leiden bewahrt. Sondern er führt sie in Leiden hinein und holt sie wieder heraus. Dann führt er sie in die nächsten Leiden hinein und wieder heraus. Und manchmal führt er sie in Leiden hinein und nicht wieder heraus. Aber immer ist Gott denen, die um Christi willen leiden, mit seinem Trost nahe.
Und darauf legt Paulus das Hauptgewicht. Das ist das, was er den Korinthern vorhält, die ihn kritisieren. Sie, die den Leiden um Christi willen, wenn es irgend geht, ausweichen, sie berauben sich selbst des Trostes, den Gott ihnen im Leiden schenken würde. Sie, die Paulus wegen seiner vielen Leiden bemitleiden oder verachten, sie selbst sind bemitleidenswert. Denn der Trost, den Gott im Leiden schenkt, hebt nicht nur den Kummer gerade mal so eben auf. Der Trost Gottes wiegt den Kummer des Leids mehr als auf. Er bewirkt, dass sich ein Christ im Leiden für Christus an Christus freuen kann. Dies ist ein Geheimnis. Es wird im Glauben an Jesus Christus und im Dienst für ihn erfahren. So hat Gott es für diese Zeit, bis Christus wiederkommt, verfügt. Das Kostbarste in dieser Zeit sind die Freuden im Leiden für Christus. Diese Freude erfüllt uns dadurch, dass Gott uns im Leiden aufsucht und tröstet. In dieser Freude sind wir auf Gott ausgerichtet und von ihm umfangen. Wir freuen uns an ihm und seiner Gemeinschaft. Wir freuen uns darüber, dass das Evangelium Glauben wirkt.
Gott ist ein Vater der Barmherzigkeit und des Mitleidens
Wer im Leiden für Christus Gottes Trost empfängt, erfährt Gott auf besondere Weise so, wie er ist: ein Vater der Barmherzigkeit. Paulus schreibt eingangs: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er ist ein Vater, dessen Erbarmen unerschöpflich ist, und ein Gott allen Trostes.“ (2Kor. 1,3)
Gottes unerschöpfliches Erbarmen und die Fülle seines Trostes lässt er uns in besonderer Weise dadurch erfahren, dass er uns in Leiden hineinführt. Dies ist von gewaltiger Wichtigkeit. Wir sind geneigt zu denken, dass Gott sich von uns entfernt hat, wenn wir um Christi willen leiden müssen. Aber das stimmt nicht. Gott ist uns dann ganz nahe, näher als wir es uns vorstellen können. Ja, es stimmt, dass die Leiden eine Prüfung für unseren Glauben an Christus darstellen. Sie stellen ihn auf die Probe. Es ist aber nicht so, dass Gott uns als neutraler Prüfer gegenübersteht, sich anschaut, wie wir uns bewähren. In den Leiden um Christi willen umgibt er uns als Vater mit seinem Trost. Die eigentliche Prüfung besteht darin, ob wir die Freude an dem Trost in den Leiden höher gewichten als die Leiden selbst. Ist uns die Freude an Gott und seiner Gemeinschaft im Leiden mehr wert als die Freude daran, Leiden zu entkommen?
Hier machen wir uns alle auf vielfache Weise schuldig. Wir weichen den Leiden um Christi willen aus, obwohl damit die Zusage Gottes verbunden ist, darin seinen Trost auf besondere Weise zu erfahren. Was können wir da tun? Nicht viel. Dagegen tun können wir gar nichts. Wir können durch Gottes Gnade lernen, aus Glauben zu leben. In solchem Glauben an Jesus Christus übergeben wir uns vertrauensvoll der Führung Gottes in unserem Leben. Was da an Leiden auf uns zukommt, wissen wir nicht. Sie kommen aber gewiss. Und in ihnen wartet Gott mit seinem Trost auf uns. Das haben wir schon erfahren. Gott lässt es uns immer mehr erfahren. Aus Gnade, damit wir erkennen, dass er um Christi willen unser Vater ist, dessen Erbarmen unerschöpflich ist.