Christen leben in der Welt, aber sie sind nicht von der Welt. Genauso ist die Gemeinde in der Welt, aber nicht von der Welt. Sie ist keine menschliche Erfindung und auch kein weltliches Unternehmen, sondern Gottes Werk und Gottes Bau.
Darum muss Gemeinde nach Gottes Grundsätzen gebaut werden. Sie ist eine geistliche Institution.
Dennoch möchte Gott, dass wir uns in konkreten, lokalen Gemeinden versammeln und dort persönliche Gemeinschaft miteinander haben. Er befiehlt, dass wir in der Welt ein erkennbares Zeugnis geben und uns nicht zuletzt auch in unserer Umgebung engagieren. Gott möchte, dass die Diener am Wort von ihrem Dienst leben können, also ein Gehalt bekommen (1Tim 5,18). Er will, dass wir unsere Steuern zahlen und uns nach den Gesetzen des Landes richten, solange sie sich nicht gegen Gottes Gebote für die Gemeinde richten (Lk 20,25; Röm 13,1-7). Jesus sagte seinen Jüngern, dass sie sich zukünftig auf ganz normalem Wege versorgen sollen, wenn es um Verpflegung, Sicherheit und ähnliche Dinge geht (Lk 22,35.36): Gebraucht die natürlichen Dinge, die Gott dafür gegeben hat. Das heißt nicht, dass wir nicht mehr in allem von ihm abhängig wären. Es bedeutet aber, dass wir beauftragt sind, unsere Gemeinden und unseren Missionsdienst äußerlich mit den Mitteln und Möglichkeiten und auch im Rahmen der entsprechenden Gesetze gestalten, sofern diese Dinge nicht Gottes Gesetz widersprechen.
In diesem Artikel soll es um diese äußeren Dinge gehen – konkret um die rechtliche Form und damit verbunden um die Finanzen einer Gemeinde.
Rechtsfähigkeit durch einen Verein
Wenn eine Gemeinde in Deutschland[1] Räume anmieten, einen Pastor bezahlen, also Rechtsgeschäfte jeglicher Art tätigen möchte, braucht sie Rechtsfähigkeit. Die Großkirchen haben in Deutschland – geschichtlich gewachsen – eine besondere Stellung bzw. eine besondere Form: Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Auch einige Freikirchen haben diesen Status (beispielsweise der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden oder der Bund Freier evangelischer Gemeinden).
Doch für alle Religionsgemeinschaften gilt das, was wir unter Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung finden:
Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.
Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.
In der Praxis bedeutet das, dass es sinnvoll ist, als Gemeinde(gründung) einen Verein zu gründen. Ein solcher Verein ist ein auf Dauer angelegter Zusammenschluss von Personen zur Verwirklichung eines gemeinsamen Zwecks. Geregelt sind die Einzelheiten dazu in §§ 21ff. im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, dass eine Person der Gemeinde die finanziellen Angelegenheiten auf den eigenen Namen laufen lässt. Jemand könnte privat Räume anmieten und einen Pastor anstellen. Somit würde aber die rechtliche Haftung einerseits und die finanzielle Vollmacht andererseits auch an dieser einen Person hängen. Diese Person würde dann auch die Spenden der Gemeinde erhalten, müsste sie aber entweder bar verwalten oder versteuern. Zudem gäbe es keine Möglichkeit, über die Gemeinnützigkeit Spendenbescheinigungen auszustellen. Aus all diesen Gründen empfiehlt sich eine Vereinsgründung, um als Gemeinschaft rechtsfähig zu sein.[2]
Der Verein wickelt alle finanziellen Transaktionen und Rechtsgeschäfte ab und tritt als Vertragspartner auf. Das betrifft vor allem folgende Bereiche:
- Arbeitsvertrag mit dem Pastor
- Mietvertrag für Gemeinderäume
- Versicherungen wie Haftpflicht, Hausrat u.a.
- Der Verein haftet bei Verträgen gegenüber Außenstehenden bis auf grobe Pflichtverletzungen. (Etwas anderes gilt im Delikts-, Steuer- und Sozialversicherungs- sowie Insolvenzrecht; dort haftet der Vorstand mit seinem Privatvermögen.)
- Der Verein führt ein eigenes Konto, wodurch eine Trennung von privatem Vermögen erfolgt und dadurch Transparenz geschaffen wird. Der Zugriff auf das Vereinsvermögen kann von den Mitgliedern und dem Vorstand leichter geregelt werden.
- Der Verein hat die Möglichkeit, seine Gemeinnützigkeit zur „Förderung der Religion“ nachzuweisen. In diesem Fall ist er berechtigt, Spendenquittungen auszustellen und steuerliche Vorteile bezüglich der Einnahmen zu erhalten.
Der Verein wird durch einen gewählten Vorstand in Rechtsgeschäften vertreten. Dieser Vorstand sollte nach Möglichkeit mit der Gemeindeleitung personell identisch sein. Das führt uns zu der Frage, inwieweit Verein und Gemeinde miteinander verbunden sind.
Verbindung zwischen Verein und Gemeinde
Bei der Verbindung zwischen Verein und Gemeinde gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
- Gründung eines Vereins, bei dem die Gemeinde und der Verein identisch sind.
- Vereinsgründung nur für die rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten. Verein ist nicht gleich Gemeinde.
Die erste Option sieht zunächst einmal einfacher aus: Mitgliedschaft in der Gemeinde geht mit Mitgliedschaft im Verein einher. Gemeindeleitung und Vereinsvorstand sind identisch. Dennoch gibt es bei dieser Option ernsthafte Nachteile:
Zum einen sind Vereine demokratisch strukturiert. Entscheidungen werden mit Mehrheit getroffen. Eine Gemeinde ist jedoch biblisch gesehen keine Demokratie. Von daher kommt es bei dieser Variante zu Reibungen zwischen den biblischen Prinzipien von Leitung und dem demokratischen Vereinsrecht. Zum anderen müsste man in diesem Fall auch überprüfen, ob die Gemeindeordnung in allen Punkten mit dem Vereinsrecht in Einklang steht. Da die Gemeinde sich zwar im Rahmen der staatlichen Gesetze bewegt, aber grundsätzlich ihr eigenes Kirchenrecht hat, müsste man die Gemeindeordnung hier gegebenenfalls den staatlichen Vorgaben für Vereine anpassen.
Besser: Gemeinde und Verein sind nicht identisch
Die zweite Variante ist zwar etwas komplexer, ermöglicht es aber, eine eigene – vom Vereinsrecht weitgehend unabhängige – Gemeindeordnung aufzustellen.
In diesem Fall sind Verein und Gemeinde nicht identisch. Diese zweite Variante ist von daher deutlich vorzuziehen. Der Verein ist dabei ausschließlich für die Finanzen und die Rechtsgeschäfte zuständig. Alle anderen Fragen werden gemeindeintern von den Ältesten auf der Basis der Gemeindeordnung geregelt. Auch die Finanzen der Gemeinde (d.h. des Fördervereins) werden vor der Gemeindeversammlung erläutert.
Damit es bei dieser Option jedoch nicht zu einem Gegeneinander von Gemeinde und Verein kommt, sollte die Gemeindeordnung regeln, dass der Vorstand des Vereins schwerpunktmäßig von den Ältesten der Gemeinde gebildet wird.
Vereinsgründung praktisch
Zur Gründung eines Vereins benötigt man mindestens sieben Mitglieder. Über einen Notar wird beim Amtsgericht der neue Verein angemeldet und ins Vereinsregister eingetragen. Eine Gemeinde erfüllt die Bedingungen für Gemeinnützigkeit, weil sie religiöse Zwecke fördert.[3] Dazu gehört die Verkündigung des Evangeliums (insbesondere der Gottesdienst am Sonntag), Unterstützung von Missionaren und auch diakonische oder mildtätige Dienste. Darüber hinaus fallen auch alle anderen Tätigkeiten und Treffen einer Gemeinde darunter wie Bibelstunde, Kinderstunde, Jungschar, Jugendkreis oder Seniorenkreise.
Förderverein mit/ohne Gemeindeverein
Man kann zwischen Förderverein und Gemeindeverein unterscheiden. Entweder gründet man nur einen Förderverein, der den Vereinszweck (z.B. religiöse Zwecke) selbst und direkt ausführt. Es können Gelder gesammelt und vereinszweckgebunden eingesetzt und aufgrund der Gemeinnützigkeit natürlich auch Spendenbescheinigungen ausgestellt werden.
Daneben besteht die Möglichkeit, zusätzlich noch einen Gemeindeverein zu gründen, der dann das Förderobjekt des Fördervereins bildet. In diesem Fall müssen beide Vereine gemeinnützig sein. Der Förderverein dient dann der Mittelbeschaffung und Unterstützung des Gemeindevereins. Der Gemeindeverein muss in diesem Fall nicht eingetragen sein. Die gemeinnützigen Satzungszwecke eines Fördervereins und der zu fördernden Körperschaft müssen identisch sein. Der Förderverein kann in geringerem Umfang auch andere Körperschaften unterstützen, doch auch hier müssen die Zwecke identisch sein (z.B. Unterstützung von Missionswerken).
Der Förderverein ist im Grunde der rechtliche Vertreter der Gemeinde nach außen. Wie wir bereits gesehen haben: Der Verein ist dabei jedoch nicht identisch mit der Gemeinde. Die Gemeinde selbst taucht in keinem staatlichen Register auf, gründet sich auf Bekenntnis und Gemeindeordnung und wird von den berufenen Ältesten geleitet.
Inwieweit die Gemeindeglieder auch Vereinsglieder sein müssen, liegt im Ermessen der Gemeinde bzw. der Gemeindeleitung. Für die Identifikation der Gemeindeglieder mit der Struktur der Gemeinde kann eine Mitgliedschaft auch im Verein sinnvoll sein. Außerdem können auf diese Weise die Ausgaben der Gemeinde miteinander besprochen werden und es ist gleichzeitig für ausreichend Transparenz gesorgt.[4]
Regeln und Prüfungen
Jeder Verein muss sich mindestens einmal pro Jahr zur Entlastung des Vorstandes treffen. Bei der Sitzung müssen die üblichen Vereinsregeln beachtet werden. Es muss beispielsweise fristgerecht zur Sitzung eingeladen werden und ein Protokoll der Sitzung erstellt werden. Ein- und Ausgaben müssen ordentlich verbucht werden. Der Verein muss zudem alle 3 Jahre eine Körperschaftsteuererklärung zur Prüfung durch das Finanzamt abgeben. Anschließend wird vom Finanzamt ein Freistellungsbescheid ausgestellt, welcher bis zur nächsten Prüfung gilt. Hinzu kommt alle 5 Jahre die Prüfung der Sozialversicherungsabgaben für die sozialversicherungspflichtigen Angestellten des Vereins. Dabei müssen insbesondere die Gehaltsabrechnungen vorgelegt werden. Beide Prüfungen erfolgen mittlerweile überwiegend digital durch Einsenden der Dokumente per E-Mail.
Die Spendenbescheinigungen werden einmal pro Jahr zum Jahresanfang vom Schatzmeister des Vereins erstellt. Dabei ist der Vordruck des Finanzamts zu verwenden.
Anstellung eines Pastors
Unabhängig davon, ob es einen Gemeindeverein gibt oder nicht, wird der Pastor vom Förderverein angestellt. Er sollte allerdings kein Leitungsamt im Förderverein einnehmen, damit es keine Interessenskonflikte beispielsweise bei Gehaltsfragen gibt.
Auch hier gibt es mehrere Möglichkeiten entsprechend der finanziellen Mittel der Gemeinde. Hat man eine gewisse Größe als Gemeinde erreicht oder wird von einer Muttergemeinde finanziell zu großen Teilen unterstützt, ist es unumgänglich den Pastor als „gewöhnlichen“ Arbeitnehmer anzustellen (bei einem Gehalt ab 1600 Euro). Dabei müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die vollen Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Für kleinere Gemeinde oder Gemeindegründungen bieten sich folgende (Teilzeit-)Alternativen an:
Werkstudent
- Diese Variante ist ab 520 Euro für Studenten[5] sinnvoll, da die Krankversicherung dann nicht extra abgeführt werden muss, sondern über die studentische Krankenversicherung abgewickelt wird.
- Dieses Modell ist nur in Teilzeit möglich (nicht mehr als 20 Stunden/Woche).
- Die Lohnsteuer wird erst ab einer gewissen Gehaltgrenze fällig (derzeit 10.908 Euro netto pro Jahr).
Mini-Job (seit 1.10.2022 liegt die Grenze bei 520 Euro oder weniger)
- Der Arbeitnehmer zahlt keine Sozialversicherung.
- Nur der Arbeitgeber zahlt Sozialversicherungen (ca. 152 Euro zusätzlich zum Gehalt von 520 Euro).
Midi-Job (Gehalt in der Gleitzone von 520 Euro bis 2.000 Euro im Monat)
- Innerhalb dieser Grenze zahlt der Arbeitnehmer ebenfalls Sozialversicherungen, allerdings nicht den vollen Betrag und ist dennoch voll versichert.
- Der Arbeitgeber zahlt den vollen Betrag.
- Wie auch beim Mini-Job fällt für den Arbeitnehmer im Regelfall die Lohnsteuer weg.
Aufgrund des Arbeitgeberanteils zu den Sozialversicherungen muss die Gemeinde bzw. der Verein ca. 23% zusätzlich zum Bruttogehalt des Arbeitnehmers aufbringen (bei jeder Beschäftigung, die über den Mini-Job hinausgeht).
Berufsgenossenschaft
Zusätzlich muss man einer Berufsgenossenschaft beitreten. Die Kosten sind abhängig vom Gehalt, das gezahlt wird (ca. 50-100 Euro pro Arbeitnehmer).
Anstellungsvertrag
Für den Anstellungsvertrag gibt es keine Formvorschriften. Musterverträge sind allerdings verfügbar und können individuell angepasst werden. Hier sind natürlich auch die Vorgaben der Gemeindeordnung zu beachten. Eine gute Gemeindeordnung bedenkt beispielsweise die Altersversorgung des Pastors, auch wenn diese über die gesetzliche Rentenversicherung geregelt ist.
Behörden
Mit welchen Ämtern/Behörden muss man Kontakt aufnehmen?
- Lohnsteueranmeldungen beim Finanzamt (monatlich oder jährlich, abhängig davon, wie oft Lohnsteuer gezahlt werden muss)
- Meldungen zur Sozialversicherung (Krankenkasse) über SV.NET
- Anmeldung zur Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung läuft über die Krankenkasse
Natürlich gibt es noch einiges mehr bei einer Gemeindegründung zu beachten, wie z.B. die Gebühren für das Abspielen bzw. Ausdrucken neuerer Lieder, die Erstellung und die Kosten einer Internetseite oder eine Hausratversicherung für die Räumlichkeiten der Gemeinde. Bei all diesen Dingen ist die Unterstützung durch eine schon bestehende Gemeinde bzw. eine Muttergemeinde sehr zu empfehlen.
Ludwig Rühle arbeitet als Pastor der Bekennenden Ev. Gemeinde in Osnabrück und unterrichtet als Lehrbeauftragter Praktische Theologie an der Akademie für Reformatorische Theologie. Er ist verheiratet mit Katharina und Vater von vier Kindern.
[1] Die Bekennende Kirche richtet sich grundsätzlich an Leser im gesamten deutschsprachigen Europa (und darüber hinaus). Wir bitten daher um Verständnis, dass in diesem Artikel die rechtliche Lage ausschließlich für Deutschland dargestellt wird.
[2] Für weitere Informationen, siehe: https://www.ehrenamt24.de/wissen-fuer-vereine/vereinswiki/haftung-im-verein/. Auch wenn die Vereinsgründung aus den genannten Gründen sinnvoll ist, darf man diesen Weg nur so lange gehen, wie der Staat darüber keinen Einfluss auf die Gemeindeordnung nimmt. Zur Zeit ist das in den westlichen Ländern noch nicht problematisch. Sollte sich das jedoch in Zukunft ändern, muss die Gemeinde auf die Unterstützung durch den Verein verzichten, bevor sie inhaltliche Kompromisse eingeht.
[3] Im § 52 (1) der Abgabenordnung stehen die Bedingungen für Gemeinnützigkeit: „Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“ Als Voraussetzung für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit wird unter (2) u.a. „Förderung der Religion“ angegeben.
[4] Es ist aber natürlich auch möglich, die Finanzen des Fördervereins in einer Gemeindeversammlung mit allen Gemeindemitgliedern zu besprechen – auch mit denen, die nicht im Förderverein sind.
[5] Bei einer kleinen Gemeinde oder einer Gemeindegründung besteht die Möglichkeit, einen Theologiestudenten, der beispielsweise bereits seinen Bachelor abgeschlossen hat und derzeit am Master arbeitet, in Teilzeit als Werkstudenten anzustellen.