Unzufriedenheit

Unzufriedenheit

Wir alle kennen Menschen, die anscheinend dauerhaft unzufrieden sind. „Dem- oder derjenigen kann man es auch nicht recht machen“, sagt man dann gerne. Vielleicht regen wir uns manchmal über unzufriedene Menschen auf, vielleicht bemitleiden wir sie auch von Zeit zu Zeit.

Dabei ist Unzufriedenheit keine Kleinigkeit. Die Bibel zeigt uns, dass Unzufriedenheit mehr als ein schlecht gelaunter Grundzustand ist. Unzufriedenheit ist in Gottes Augen Rebellion und damit Sünde.

Es gibt Sünden, die uns klar als solche bewusst sind, und es gibt Sünden, die sehr geschickt darin sind, sich zu tarnen. Letztere prägen das Denken und Handeln auch von uns Christen, während wir sie oft noch nicht einmal als Sünde wahrnehmen. Zu dieser Sorte gehört zweifellos die Sünde der Unzufriedenheit.

Was ist die Sünde der Unzufriedenheit?

Unzufriedenheit bedeutet nicht, dass wir von Zeit zu Zeit unzufrieden sind. Wir dürfen, ja manchmal müssen wir sogar unzufrieden sein, so zum Beispiel mit unserem Versagen und unserer Sünde, die immer noch in uns wohnt (Röm. 7,23.24), oder auch mit den Sünden anderer Menschen. Auch mit falscher Lehre dürfen wir uns keineswegs zufriedengeben. Eine große Zahl der Psalmen ist von Menschen verfasst worden, die unzufrieden mit ihrer Situation sind und sich im Gebet an Gott wenden.

Auch wenn wir uns unzweifelhaft mit manchen Dingen und auch Umständen nicht zufriedengeben sollen, handelt es sich bei der Sünde der Unzufriedenheit um etwas Anderes. Sündige Unzufriedenheit ist dauerhaft und grundlegend. Man ist nicht mit der einen oder der anderen Situation unzufrieden, sondern man ist generell unzufrieden: Unzufriedenheit prägt das gesamte Leben, und das ist Sünde.

Warum ist es biblisch begründet, diese Unterscheidung zwischen gerechtfertigter und sündiger Unzufriedenheit zu machen? Die gesamte Bibel, aber vor allem die Psalmen zeigen uns, dass es in Ordnung ist, vor Gott zu klagen. Zwar ruft die Bibel uns dazu auf, gerade auch die negativen Dinge in unserem Leben aus Gottes Hand anzunehmen (Hi. 1,21; 2,10). Aber sie ist auch voller Beispiele, wie Kinder Gottes zu Gott um Hilfe schreien (beispielsweise die Psalmen 22, 69 und 130).

Auf der anderen Seite gibt es das Beispiel der Israeliten in der Wüste. Als sie kein Wasser hatten oder sie Hunger drückte, beschwerten sie sich bei Mose und bei Aaron. Darauf richtete Gott sie hart. Während die Klagen der Psalmdichter Teil von Gottes inspiriertem Wort sind, zogen die Klagen des Volkes Israel in der Wüste Gottes Gericht nach sich (4Mos. 11,33.34; 14,21-38).

Der Grund dafür ist, dass Erstere über ihre Situation unzufrieden waren und damit zu Gott kamen, während das Volk auf der Wüstenwanderung generell unzufrieden war und sich mit seiner Unzufriedenheit nicht an Gott wandte.

Woran erkennt man Unzufriedenheit?

Wenn in diesem Artikel im Folgenden von Unzufriedenheit die Rede ist, dann ist immer diese zweite Art von Unzufriedenheit gemeint. Aber woher weiß man, ob und wann man in diesem Sinn unzufrieden ist?

Um das herauszufinden, kann es hilfreich sein, sich selbst einige Fragen zu stellen. Wenn wir unzufrieden sind, reden wir uns nämlich gerne Dinge ein, die in Wirklichkeit Lügen sind. Einige dieser Lügen, wollen wir uns im Folgenden ansehen. Wenn man sich diese Lügen einredet, offenbart das nicht nur, dass man unzufrieden ist, es zeigt auch, dass der Hauptgrund hinter unserer Unzufriedenheit geistliche Vergesslichkeit ist.

Gottes Gnade vergessen

„Zurzeit ist meine Situation wirklich schlimm. Früher war alles besser.“ Das ist entweder eine Lüge oder zumindest ein sehr verkürzter Blick auf die Vergangenheit. Bei den Israeliten in der Wüste hörte sich das folgendermaßen an: Und die Kinder Israels sprachen zu Mose und Aaron: Wären wir doch durch die Hand des Herrn im Land Ägypten gestorben, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und Brot in Fülle zu essen hatten! Denn ihr habt uns in diese Wüste hinausgeführt, um diese ganze Gemeinde verhungern zu lassen! (2Mos. 16,3).

Wenn man sich einredet, dass früher sowieso alles besser war, dann vergisst man sowohl das Negative in der Vergangenheit als auch die Gnade Gottes. Vielleicht verklärt man mit dieser Aussage nur die Vergangenheit (wie es die Israeliten in der Wüste taten). Möglicherweise war die persönliche Situation vor einiger Zeit tatsächlich besser. Aber auch dann lag das allein an der Gnade Gottes. Dass derselbe Gott, der mich damals gesegnet hat, auch heute mein Leben unter seiner Kontrolle hat, verliert man dann schnell aus dem Blick.

Gottes Größe vergessen

Eine zweite Lebenslüge, die sich unzufriedene Menschen gerne einreden, lautet: „Wenn Gott es schon so weit kommen lässt, dann muss er auch damit leben, dass ich mir jetzt die eine oder andere Sünde herausnehme oder einem seiner Gebote nicht nachkomme.“

Als die Israeliten in der Wüste waren, brachte Gott sie mehrfach in Grenzsituationen. Entweder es mangelte ihnen an Wasser und Nahrung, oder aber sie hatten Wasser, doch das konnte man nicht trinken. Daneben gab er ihnen Gesetze, an die sie sich halten sollten. Gott tat all das, um das Volk zu prüfen (2Mos. 15,25; 16,4). Aber das Volk fiel krachend durch die Prüfungen. Anstatt sich an Gott zu wenden, beschimpften sie Mose und Aaron, und anstatt sich an Gottes Geboten auszurichten, waren sie mehrfach ungehorsam (2Mos. 16,20.27). Angesichts der Sünde wäre es jetzt angebracht gewesen, demütig Buße zu tun. Aber stattdessen entschieden sie sich, den Spieß umzudrehen und ihrerseits Gott zu prüfen: Da nannte Mose den Ort Massa und Meriba, weil die Israeliten dort gehadert und den Herrn geprüft hatten […] (2Mos. 17,7a).

Dieses Verhalten zeigt, dass die Israeliten völlig vergessen hatten, dass sie kleine, vergängliche Geschöpfe waren, die in allem ganz von Gott abhängig sind. Ferner hatten sie vergessen, dass Gott, der nun einmal das Recht hat, sie zu prüfen, unendlich groß, mächtig und souverän ist.

Auch wenn wir uns in Krisen befinden, dürfen wir niemals vergessen, wer wir sind und wie groß Gott im Vergleich zu uns ist. Unsere Situation rechtfertigt niemals unsere Sünde – erst recht nicht die Sünde, sich über Gott zu erheben.

Gottes Gegenwart vergessen

„Gott interessiert sich nicht für mich, denn wenn er sich für mich interessieren würde, würde es mir besser gehen.“ Auch das reden sich unzufriedene Menschen gerne ein. Aber das ist ebenfalls eine Lüge. Das Beispiel des Volkes Israel in der Wüste zeigt, dass Gott den Menschen immer und immer wieder deutlich machte, dass er mitten unter ihnen ist – gerade dann, wenn sie in Grenzsituationen kamen. Er begleitete sie nicht nur in einer Wolken- bzw. Feuersäule, sondern darüber hinaus erschien ihnen sogar die Wolkensäule mit seiner Herrlichkeit (2Mos. 16,10). Niemand im Volk konnte Gottes Gegenwart übersehen. Und doch war Mose am Ende ernüchtert, weil die Israeliten dort gehadert und den Herrn geprüft und gesagt hatten: Ist der Herr unter uns oder nicht?“(2Mos. 17,7). Mit ihrem ganzen Verhalten brachte das Volk zum Ausdruck: Wir glauben nicht, dass Gott da ist.

Harte Lebensphasen und persönliche Krisen bedeuten nicht, dass Gott abwesend ist. Das Gegenteil ist richtig. In Psalm 23 wechselt David ausgerechnet in dem Vers vom „er“ zum „du“, in dem er von seinen Lebenskrisen schreibt: Und wenn ich auch wanderte durchs Tal der Todesschatten, so fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir; dein Stecken und dein Stab, die trösten mich (Ps. 23,4).

In Hebräer 12 wird uns erklärt, dass dunkle Täler in unserem Leben Erziehungsmaßnahmen Gottes sind. Während wir häufig glauben, dass Leiden in unserem Leben ein Zeichen von Gottes Abneigung und seiner Abwesenheit sind, sagt uns der Schreiber des Hebräerbriefs das exakte Gegenteil: Sie sind ein Beweis seiner Liebe und damit seiner Gegenwart (Hebr. 12,6-8).

Wie bekämpft man die eigene Unzufriedenheit?

Manche Christen neigen eher dazu, unzufrieden zu sein, als andere. Einigen steht ihre Unzufriedenheit ins Gesicht geschrieben. Andere Christen wirken meistens zufrieden. Aber ich wage zu behaupten, dass alle Christen von Zeit zu Zeit mit dieser Sünde zu kämpfen haben. Dabei ist sie kein Kavaliersdelikt, wie man an den Israeliten in der Wüste sieht. Anstatt gegen ihre Unzufriedenheit zu kämpfen, ließen sie die Sünde in ihrem Herzen wachsen.

Während Gott noch gnädig über die erste Welle der Unzufriedenheit hinwegsah (2Mos. 15-17), bestrafte er das Volk beim zweiten Mal unerbittlich hart (4Mos. 11-14). Am Ende musste fast die gesamte Generation, die aus Ägypten ausgezogen war, in der Wüste sterben. Daran wird deutlich, wie sehr Gott die Sünde der Unzufriedenheit verabscheut. Daher ist es außerordentlich wichtig, dass wir den Kampf gegen die Unzufriedenheit in unserem Leben aufnehmen.

Welche Hilfen nennt uns die Bibel, um gegen unsere Unzufriedenheit zu kämpfen?

1. Wende dich mit deinen Problemen, Sorgen und Nöten an Gott!

Eines der Kernprobleme der Israeliten war, dass die Menschen mit ihren Problemen zu Mose und Aaron kamen, anstatt sich an Gott zu wenden (2Mos. 15,24; 16,2; 17,3; 4Mos. 11,2; 14,2). Anders ist das in den Psalmen. Die Dichter der Klagepsalmen wenden sich mit ihrer Klage an Gott: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Ps. 22,2); Hilf mir, o Gott, denn die Wasser gehen mir bis an die Seele! (Ps. 69,2); Aus der Tiefe rufe ich zu dir, o Herr! (Ps. 130,1).

Weil Unzufriedenheit im Kern Vergesslichkeit ist, haben wir Gott in den Krisen unseres Lebens oft überhaupt nicht auf dem Schirm. Deswegen neigen wir dazu, uns bei dem erstbesten Mitmenschen zu beschweren, der sich als Sündenbock anbietet. Damals in der Wüste waren das für die Israeliten Mose und Aaron. Aber andere Menschen können uns – wenn überhaupt – nur sehr bedingt weiterhelfen. Auch können sie niemals die Könige unseres Lebens sein. Deswegen sollten wir uns ein Beispiel an den Psalmdichtern nehmen und uns mit unserer Klage direkt an Gott wenden, dem einzigen, der wirklich helfen kann.

2. Erinnere dich an Gottes Gnade, Größe und Gegenwart!

Gott weiß, wie vergesslich wir sind. Aus diesem Grund gibt es in der Bibel eine ganze Reihe von Geboten, die uns an Gottes Gnade, an seine Größe und seine Gegenwart erinnern: Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!(Ps. 103,2), lautet der generelle Auftrag. Das Volk Israel sollte beispielsweise das Passahfest feiern, um sich an die Rettung aus Ägypten zu erinnern (2Mos. 12,14.24-27). Auch sollten sie einen Krug mit Manna in die Bundeslade stellen, um sich die Versorgung in der Wüste ins Gedächtnis zu rufen (2Mos. 16,32-34).

Auch im Neuen Bund hat uns Gott ein Zeichen geschenkt, durch das er uns seine Gnade und seine Gegenwart in Erinnerung bringt: das Abendmahl. Es erinnert uns an Gottes Gnade in der Vergangenheit (1Kor. 11,24.25), verheißt uns in der Gegenwart die Gemeinschaft mit Gott (1Kor. 10,16) und versichert uns für die Zukunft der Treue Gottes (Mt. 26,29).

Abgesehen davon kann es hilfreich sein, sich einmal in Ruhe hinzusetzen und auf einem Zettel alles aufzuschreiben, wo überall Gott im vergangenen Monat mir seine Gnade erweisen hat. Dabei werden wir feststellen, wie viele Geschenke Gottes wir für selbstverständlich nehmen. Gerade in unserer Überflussgesellschaft werden wir wieder lernen müssen, Gott auch für die kleinen, scheinbar selbstverständlichen Dinge dankbar zu sein. Der Hebräerbrief ermutigt uns dazu: Seid zufrieden mit dem, was vorhanden ist; denn er selbst hat gesagt: Ich will dich nicht aufgeben und dich niemals verlassen!“ (Hebr. 13,5b).

3. Suche die Gemeinschaft mit Jesus Christus!

Wenn es eine Person im Neuen Testament gibt, die allen Grund gehabt hätte, unzufrieden zu sein, dann ist das Paulus. Er hatte alles: eine Traumkarriere vor Augen, eine herausragende Ausbildung, hohes Ansehen bei den Juden – bis Gott ihn bekehrte und zum Missionar berief. Sein Leben ging von nun an – menschlich gesprochen – nur noch bergab. Er war heimatlos, wurde angegriffen von Römern, Juden und vermeintlichen christlichen Superaposteln. Mehrmals wäre er beinahe umgekommen oder umgebracht worden. Und doch sagt Paulus über sein Leben: Ich habe gelernt, mit der Lage zufrieden zu sein, in der ich mich befinde. Denn ich verstehe mich auf das Armsein, ich verstehe mich aber auch auf das Reichsein; ich bin mit allem und jedem vertraut, sowohl satt zu sein als auch zu hungern, sowohl Überfluss zu haben als auch Mangel zu leiden (Phil. 4,11.12).

Paulus war ein zufriedener Mann. Das heißt nicht, dass er nicht mit manchem in seinem Leben unzufrieden war. Der sogenannte „Stachel im Fleisch“ (was auch immer das genau war) machte ihm das Leben schwer. Dreimal fragte er, ob Gott ihm dieses Leiden nicht wegnehmen könne (2Kor. 12,8).

Ihm war auch nicht alles egal, sondern er kämpfte gegen Irrlehren, bemühte sich um Menschen oder litt in Gefängnissen. Aber grundsätzlich konnte Paulus über sich selbst sagen: Ich bin ein zufriedener Mann.

Warum war Paulus zufrieden? Er schreibt weiter im Philipperbrief: Ich vermag alles durch den, der mich stark macht, Christus (Phil. 4,13). Dieser Vers wird leider oft missverstanden. Paulus behauptet hier nicht, dass ihm alles gelingt, was er möchte. Vielmehr sagt er uns: Auch wenn ich mit manchen Situationen in meinem Leben unzufrieden bin, kann ich in allen Situationen deswegen zufrieden sein, weil Jesus mir durch seinen Geist eine neue Perspektive auf mein Leben geschenkt hat.

Wenn wir unzufrieden sind, dann sind wir für unsere Mitmenschen schwer erträglich. Gleichzeitig beleidigen wir den Gott, der seinen Sohn für uns dahingegeben hat und der sich jetzt für uns als Hohepriester einsetzt. Durch diesen Sohn gibt Gott uns die Kraft, die Unzufriedenheit zu überwinden. Wenn wir in seinem Wort leben, unsere Sorgen im Gebet vor ihm ablegen und die Gemeinschaft mit seinen Kindern suchen, werden wir Stück für Stück lernen, was es heißt, wirklich zufrieden zu sein.