Offenbarung 19,7.8

Die nachfolgende Andacht wurde vor wenigen Wochen zu Beginn der alljährlichen Sitzung des Vereins für Reformatorische Publizistik gehalten.

„Lasst uns fröhlich sein und jubeln und ihm die Ehre geben! Denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereit gemacht. Und es wurde ihr gegeben, sich in feine Leinwand zu kleiden, rein und glänzend; denn die feine Leinwand ist die Gerechtigkeit der Heiligen.“

Dieser Abschnitt bildet in der Offenbarung den Übergang von einem Teil zum nächsten. Mit ihm kommen die Visionen über das Gericht an Babylon zum Abschluss, und er leitet über in die Vision von der Wiederkunft Christi und dem Gericht über das Tier.

In Offenbarung 19,1 begann ein Lobgesang anlässlich von Gottes Gericht über Babylon. Babylon ist die große Stadt, das weltweite System wirtschaftlicher und religiöser Mächte, das die Menschen dazu verführt, ihre Freude in den Dingen anstatt in Gott zu suchen. In Babylon sind alle Menschen beheimatet, die ihren Reizen erlegen sind. Die Gegengemeinschaft zu Babylon ist die christliche Gemeinde, die Braut von Christus, die Braut des Lammes, das himmlische Jerusalem. Sie erscheint nach dem Gericht über Babylon in verherrlichter Gestalt, in der sie Gottes Glanz widerspiegelt.

In dem Lobgesang wendet sich ab Vers 7 die Aufmerksamkeit vom Gericht über Babylon der Hochzeit des Lammes mit seiner Braut zu. Das Gericht über Babylon war Grund zur Freude. Denn dadurch hatte Gott den Weg dazu unmittelbar geebnet, seine Herrschaft zu vollenden. Die Gemeinde ist es, die sich dieser Herrschaft erfreuen darf. Die Freude, die beide in der Gemeinschaft miteinander haben, wird im Bild einer Hochzeit dargestellt.

Was ist die Zugangsvoraussetzung für die Teilnahme am Hochzeitsmahl als Braut? Die Voraussetzung ist die, dass sich die Braut zur Hochzeit bereitgemacht hat. Dies wird im Bild von den reinen Leinen veranschaulicht. Diese wurden ihr gegeben, und zwar von Gott. Die reinen Leinen stehen für die gerechten Taten der Heiligen. Hier kommen beide Seiten zusammen: Gnade und Glaube. Durch Gottes Gnade antworten die Heiligen im Gehorsam aus Glauben. Die Rede von den gerechten Taten der Heiligen ist von Johannes wahrscheinlich bewusst doppeldeutig gehalten:

Zum einen kann man es als genitivus objectivus verstehen. In diesem Fall sind in dem Ausdruck „gerechte Taten der Heiligen“ die Heiligen das Objekt der Taten: Sie sind durch die gerechten Taten beschenkt, die Christus für sie im Gehorsam gegenüber seinem Vater getan hat.

Zum anderen lässt sich der Ausdruck auch als genitivus subjectivus verstehen. Dann sind in dem Ausdruck „gerechte Taten der Heiligen“ die Heiligen das Subjekt: Sie sind die Ausführenden der gerechten Taten.

Beides gilt hier: Die Heiligen sind Empfänger und Täter gerechter Taten. Sie empfangen im Glauben die Gerechtigkeit, die ihnen Christus durch seinen Gehorsam gegenüber Gott erworben hat. Dadurch sind sie gerechtfertigt. Als Gerechtfertigte sind sie durch Gottes Gnade Täter guter Taten. Hier geht die Bewegung von der Rechtfertigung zur Heiligung.

Es ist aber noch ein weiterer Aspekt zu beachten. Im Zusammenhang von Offenbarung 17–19 geht es ja um das Gericht über Babylon, als dessen Folge die Gemeinde als Braut Christi erscheint. Babylon hat die Gemeinde wegen ihres Zeugnisses über Christus angefeindet. Durch die Feindschaft Babylons gegenüber der Gemeinde hat Gott sie gereinigt. Wahren und falschen Glauben hat er durch die Prüfung getrennt. Nach dem Gericht Gottes über Babylon erscheint die Gemeinde als herrliche Braut Christi. Sie hat sich durch Gottes Gnade inmitten von Babylon im Glauben bewährt. Gott stellt sich im Gericht auf die Seite der Gemeinde und gegen Babylon. Er rechtfertigt die Gemeinde vor der Weltgemeinschaft Babylons als die rechtmäßige Zeugin seiner Wahrheit.

Die reinen Leinen symbolisieren die gerechten Taten der Heiligen. Durch die gerechten Taten, die Christus gegenüber seinem Vater erfüllt hat, sind sie gerechtfertigt. Als Gerechtfertigte leben sie in der Gnade Gottes und in der Heiligung. Sie bewähren sich im Glauben, indem sie der Verführung durch Babylon widerstehen. Am Ende rechtfertigt Gott die Gemeinde vor der Welt als die, die seine Wahrheit bezeugt hat. Kurzum: Die „gerechten Taten der Heiligen“ sind Taten, die die Heiligen tun und die Gott für die Heiligen tut. Wer von Gottes Gnade erfasst worden ist, lebt in einem tätigen Glauben zur Ehre Gottes, von dem her er alles empfängt.

Dies ist zum Verständnis jener Spannung notwendig, die im Zusammenhang mit der Heilsgewissheit besteht. Christen dürfen ihres Heils gewiss sein. Diese Aussage gilt sowohl im Blick auf die allwirksame Gnade Gottes, als auch angesichts der Aufforderung, im Glauben auszuharren. Gott fordert seine Christen dazu auf, am Glauben festzuhalten. Er droht ihnen auch damit, dass sie mit Babylon gerichtet werden, falls sie sich von ihr zum Götzendienst verführen lassen. Der Einfluss Babylons geht von ihren materiellen Reizen aus. Der Wohlstand, das irdische Glück, der Himmel auf Erden, damit verführt Babylon die Menschen. Diejenigen, die so verführt worden sind, hängen ihr Herz an Geld und Besitz anstatt an Gott.

Die Verführungskraft von Babylon ist groß, schier unwiderstehlich. Aber gleichzeitig gibt Gott seiner Gemeinde die Zusage, dass er selbst sie durch seine Macht im Glauben erhält. Prüfungen müssen sein, damit die gerechten Taten der Heiligen umso herrlicher aufleuchten, wenn die Gemeinde als Braut Christi erscheint. Glaube, der sich bewährt hat, ist eine Gabe Gottes. Gott führt die Heiligen auf diese Weise, weil es ihn ehrt, wenn sie bei der Hochzeit des Lammes seine Herrlichkeit widerspiegeln. Der Ruf zum Glauben ist ein Ruf weg vom Egotrip unter die absolute Herrschaft Gottes. Sie ist für die Heiligen der Grund größter Freude.