Die Schattenseite der Umweltbewegung (Teil 2)

Die Schattenseite der Umweltbewegung (Teil 2)

Die aber an mir sündigen, verletzen ihre Seele; alle, die mich hassen, lieben den Tod.

Sprüche 8,36

Das Dilemma des Umweltschutzes

Im letzten Beitrag wurde der Zusammenhang zwischen Umweltschutz und Religion diskutiert. Die These lautet, dass Umweltschutz in der modernen säkularisierten Gesellschaft ein verborgenes religiöses Bedürfnis darstellt. Klimapolitik kann als eine Art säkularisierte Ersatzreligion betrachtet werden, die von Klimalobbyisten und manipulativen Medien vorangetrieben wird. Um dem entgegenzuwirken, ist es notwendig, die legitime Sorge um die Schöpfung von der religiös motivierten Umwelthysterie zu trennen.

Dies kann durch eine Weltanschauung geschehen, die das Wirken Gottes in der Schöpfung einschließt und vor einer pantheistischen Naturverehrung warnt. Schließlich braucht es eine Beteiligung der Christenheit an der Klimadebatte aus Liebe zu Gott und zum Nächsten.

Zynischer Selbsthass

In diesem zweiten Artikel geht es nun darum, die negative Seite dieser Bewegung zu beleuchten, denn ihre Kritik geht weit über die bloße Infragestellung des Handelns und den Versuch hinaus, dieses Handeln zu korrigieren, um die Natur zu schützen. Eine verborgene Schattenseite der Klimahysterie stellt uns vor ein unüberwindbares Dilemma: Der Mensch selbst soll den Klimawandel verursacht haben, nicht nur durch sein Handeln, sondern auch durch seine bloße zahlenmäßige Überpräsenz. Obwohl es nie so offen gesagt wird, kommen einige einflussreiche Studien zu diesem Schluss. Diese zynische Reduktion des Menschen als Überbevölkerungsphänomen ist die logische Konsequenz eines pantheistischen Menschenbildes, das keine qualitativen Unterschiede zwischen Mensch, Tier und Pflanzenwelt kennt. Ohne das Wissen um einen göttlichen Auftrag, sich die Erde untertan zu machen, werden vermeintliche Überbevölkerung und exzessive Industrialisierung zu den Hauptproblemen des Klimawandels hochstilisiert, die das „natürliche“ Gleichgewicht aller Lebewesen ins Wanken bringen sollen. Die Betonung der Überbevölkerung ist eine Verleugnung des Segens von Kindern, den uns die Bibel an so vielen Stellen deutlich vor Augen führt. Und die Industrialisierung hat bei uns im Westen vielen Menschen aus der Armut geholfen. Es ist tragisch, dass die Nachkommen derer, die erst durch die Industrialisierung zu einem bequemen Leben kamen, sich ihres Status nicht mehr bewusst sind und ihre hart erkämpften Privilegien lautstark gegen einen selbstgerechten Missionsauftrag eintauschen, denn die „Green Economy“ wird alles andere als Wohlstand für die Massen bewirken.

In diesem verneinenden Selbsthass der Umweltsünder liegt die dunkle Seite dieser Bewegung, die auf den ersten Blick ein so edles Ziel verfolgt. Da der Mensch ohne Gott und Offenbarung ziellos lebt und in einem ziellosen evolutionären Entwicklungsprozess gefangen ist, sind viele unserer Zeitgenossen innerlich zerrissen. Diese Scheinmission gibt ihnen nicht den erhofften Lebenssinn. Durch den moralischen Relativismus haben wir uns intellektuell von jeder Sünde gegen Gottes Gebote befreit, aber wir geraten in eine neue Sündenverstrickung. Es ist die Schuld des Menschen gegen die Natur, mit dem entscheidenden Unterschied, dass es bei Mutter Gaia keine Gnade gibt. Schuldgefühle und die Suche nach einem höheren Zweck führen dazu, dass viele Menschen den Umweltschutz als einen Weg der Buße und Wiedergutmachung sehen, ohne jedoch sicher zu sein, dass das Ziel erreicht wird. Die Klimahysterie wird oft von übertriebenen Schuldgefühlen begleitet, die vereinzelt zu extremistischem Verhalten führen können.

Weltbevölkerung: Maximale Belastung des Planeten?

Stellt man sich die Weltbevölkerung vor seinem inneren Auge vor, sieht man Millionenstädte oder überfüllte Straßen in Indien und China. Beeinflusst durch die Medien oder den urbanen Lebensstil vieler Menschen im Westen hat man das Gefühl, dass die Welt ihre Kapazität für Menschen erreicht hat – vor allem, wenn sie noch eine gewisse Lebensqualität mit Reisen, Wohnen und Waren aus aller Welt anstreben. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass diese Frage auch in transnationalen Organisationen wie der UNO lebhaft diskutiert wird. Die Zeit des autonomen Bevölkerungswachstums soll zu Ende gehen, und die Weltbevölkerung soll als Bevölkerung gesteuert werden, um Exzesse zu vermeiden. Ob das langfristige Ziel von 500 Millionen Menschen ernsthaft diskutiert wird oder nur eine Verschwörungstheorie ist, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass sich die Weltgemeinschaft mit diesem Thema auseinandersetzt.

Die negative Sicht auf das Bevölkerungswachstum geht in der Neuzeit vor allem auf den britischen Soziologen Thomas Malthus (1789-1834) zurück. Malthus argumentierte, dass die Bevölkerung tendenziell schneller wächst als die Verfügbarkeit von Ressourcen wie Nahrung und Land. Er stellte fest, dass die Bevölkerung exponentiell wächst, während die Produktionskapazität nur linear zunimmt. Malthus schlug vor, dass die Menschen ihre Geburtenrate durch freiwillige Familienplanung oder Enthaltsamkeit regulieren sollten, um Überbevölkerung und ihre negativen Folgen zu vermeiden. Diese Ideologie ist in intellektuellen und politischen Kreisen der grünen Bewegung weit verbreitet. Was Gott uns als Segen gegeben hat, nämlich einen reichen Kindersegen, gilt als Fluch. Die Umweltbewegung hat dieses negative Menschenbild verinnerlicht und es dient als Rechtfertigung dafür, dass im Interesse aller dem Bevölkerungswachstum ein Ende gesetzt werden müsse.

Ein verkürztes Menschenbild

Der Malthusianismus vertritt jedoch ein verkürztes Menschenbild, weil er zwei wichtige Dimensionen außer Acht lässt: den Erfindungsreichtum des Menschen und die Vorsehung Gottes. Der Mensch schafft Infrastruktur, verbessert und erfindet, pflegt und bebaut die Erde, so wie Gott es dem Menschen am Anfang der Welt aufgetragen hat.

Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und macht sie euch untertan; und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht (1Mos 1,28).

Die negativen Folgen einer Ablehnung der Gebote Gottes werden am Beispiel der Ein-Kind-Politik in China deutlich. Diese Politik wird in den nächsten Jahren zu einem überwältigenden demographischen Problem führen, nämlich zu einer Überalterung der Bevölkerung in China. Was ursprünglich zum Wohle der Gemeinschaft gedacht war, wird zur Falle für eine ganze Nation. Diese Ideologie der Bevölkerungsreduktion wird nun auch im Westen durch die Überbetonung des Klimawandels verstärkt. Es wird offen darüber gesprochen, dass es dem Planeten besser ginge, wenn es weniger Menschen gäbe. Letztlich ist dies eine Form von Selbsthass oder kollektivem Selbstmord. Ein Ausdruck dieser Haltung war bereits im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen, als in mehreren Sendungen darüber berichtet wurde, wie junge Menschen bewusst auf Kinder verzichten, um den Planeten zu retten. Es gibt sogar eine internationale Bewegung namens Voluntary Human Extinction Movement, die dieses Ziel einer breiteren Masse entwurzelter Stadtbewohner nahe bringen will. Die entscheidende Frage lautet: Wie viel weniger Menschen sind genug? Wann wird diese Politik zu einer aktiven Unterdrückung der reproduktiven Freiheit führen, sei es durch steuerliche Belastungen oder durch die gesellschaftliche Ächtung von Großfamilien? Wie es in Sprüche 8,36 heißt, führt die Abkehr von der Weisheit zur Liebe des Todes.

Umkehrung aller Werte

Der Wunsch, die Erde zu bebauen und den Reichtum, den Gott in sie hineingelegt hat, zu nutzen, besteht seit der Erschaffung des Menschen. In der Heilsgeschichte Israels gibt es viele Beispiele und ausdrückliche Aussagen Gottes, wie er sein Volk durch fruchtbares Land segnen will. Dieser Segen setzt aber die Bearbeitung und Bebauung des Landes voraus, denn in der Bearbeitung und Bebauung des Landes findet der Mensch seine eigentliche Bestimmung und Erfüllung. Mit anderen Worten: Es gibt kein Spannungsverhältnis zwischen Kultur (hier im Sinne von menschlicher Arbeit) und Natur, zwischen Menschenwerk und Gottes Schöpfung. Das eine ist vielmehr die Grundlage für das andere und darin findet der Mensch seine Aufgabe. Dieses traditionelle Menschenbild wird nun auf den Kopf gestellt. Nicht die Urbarmachung des Landes ist das Ideal, sondern der unberührte Urwald ist das Ziel. Je weniger der Mensch in die Umwelt eingreift, desto besser. In extremen Ausprägungen der grünen Bewegung gilt die Landwirtschaft bereits als eine Art Erbsünde, die die natürliche Harmonie der noch unschuldigen Jäger und Sammler gestört habe.

Angriff auf die Ebenbildlichkeit

Diese negative Sicht der Rolle des Menschen in Bezug auf seine Aufgabe der Beherrschung ist ein subtiler und versteckter Angriff auf die Person Gottes, dessen Ebenbild der Mensch ist. Weil der Mensch die Taten Gottes nachahmt, findet er Gefallen daran, die Erde zu bebauen und zu gestalten, was in der Tierwelt nicht der Fall ist. Der Mensch überragt in seinem Wesen die übrige Natur, weil er etwas besitzt, was die übrige Schöpfung nicht hat: die Ebenbildlichkeit Gottes. Hier liegt der Kern des Problems und der theologischen Einsicht, die vernachlässigt wird: Die Einzigartigkeit des Menschen gründet in Gott, und ohne diese Verbindung ist der Mensch wie ein Fremdkörper. Wenn diese Dimension des Menschen im nachchristlichen Menschenbild verloren geht und der Mensch zum weiterentwickelten Tier degradiert wird, geht auch der Herrschaftsanspruch des Menschen über die Erde verloren.

Der Abstieg des Menschen von der Gottebenbildlichkeit zum vielleicht höchstentwickelten Tier hat weitreichende Folgen. Die schwerwiegendste ist die Relativierung aller moralischen Werte. Wir verbieten zum Beispiel das Töten und Vergewaltigen anderer Menschen nicht, weil es unnatürlich ist, sondern weil es unmoralisch ist. Mit anderen Worten: In einer materialistischen Weltanschauung gibt es kein absolutes Gut oder Böse, sondern nur subjektive Bewertungen von Verhaltensweisen. Tiere töten andere Tiere, um sich zu ernähren oder um zu spielen. Das ist natürlich. Die Moral hingegen ist in diesem Sinne übernatürlich, weil sie ein richtiges oder falsches Verhalten definiert, unabhängig davon, ob es in der Natur vorkommt oder nicht. Wendet man das materialistische Modell auf die Diskussion um die Bevölkerungskontrolle an, stellt sich die Frage, warum Kindersterblichkeit oder Euthanasie eigentlich Tragödien sind. Schließlich hat die Verehrung der Natur schon immer zu Grausamkeit gegenüber Menschen geführt. Das ist heute nicht anders.

Die Erhöhung des Tieres

Eine Begleiterscheinung der Umweltbewegung ist ein übertriebener Tierschutz, der sich in Form von ideologischem Veganismus und der Forderung nach Tierrechten äußert. Die Heilige Schrift fordert uns auf, uns der Tiere zu erbarmen, die unserer Hilfe bedürfen.

Der Gerechte erbarmt sich seines Viehs, aber das Herz der Gottlosen ist unbarmherzig (Spr 12,10).

Gleichzeitig erklärt die Bibel mit dem Segen für Adam und Eva auch die Herrschaft über die Tiere und erlaubt den Verzehr von Fleisch.

Alles, was sich regt und lebt, soll euch zur Nahrung dienen; wie das grüne Kraut habe ich es euch alles gegeben (1Mos 9,3).

Wenn Christus uns mit Tieren vergleicht, sagt er, dass wir viel mehr wert sind als viele Sperlinge (Mt 10,31). Wenn nun von vielen Seiten gefordert wird, dass Tiere Rechte haben sollen, so bedeutet dies nicht eine Aufwertung der Tiere, sondern lediglich eine Herabsetzung des Menschen. Mit anderen Worten: Es geht im Kern nicht um die „Emanzipation“ der Tiere, sondern um die Infragestellung der Sonderstellung des Menschen. Tieren Rechte zu geben, ergibt auch deshalb keinen Sinn, weil in der Tradition der Rechtsphilosophie die Gewährung von Rechten immer eng mit Pflichten verbunden war. Tiere können keine Pflichten haben, weil sie keine vernunftbegabten Wesen sind. Unsere Pflichten gegenüber Tieren ergeben sich aus unseren Pflichten gegenüber Gott. Hartherzigkeit gegenüber Tieren ist eine moralische Sünde und eine Folge der verdorbenen Natur.

Vernunftbegabt

Selbst im primitivsten Stamm hat der Mensch eine Eigenschaft, die kein Tier besitzt. Gott hat uns mit Vernunft und einem Ziel geschaffen. Diese zielgerichtete Natur des Menschen ermöglicht es uns, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Rechte hängen eng mit Geboten zusammen. Gott hat die Tiere mit Instinkten ausgestattet, die seit dem Sündenfall teilweise gestört sind. Aber Gott hat uns Gebote und Rechte gegeben, weil wir sie verstehen können. Deshalb ist es eine Verdrehung der Kategorien, wenn man jetzt den Tieren Rechte geben will. Letztlich geht es nur darum, die Stellung des Menschen neu zu definieren. Die Umwelt- und die Tierrechtsbewegung sind zwei Seiten desselben Zeitgeistes, dessen tiefster Grund eine theologische Verwirrung ist.

Das neue Menschenbild verändert das Wirtschaftsparadigma

Die Stellung des Menschen gegenüber der Natur zu hinterfragen, bedeutet auch, nach dem höchsten gesellschaftlichen Ziel zu fragen. Jede Gesellschaft, auch eine säkulare, strebt nach einem höchsten Gut und Ziel. In der Neuzeit war dies die politische und wirtschaftliche Macht, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg das Wirtschaftswachstum. Mit der grünen Bewegung gerät dieses Paradigma ins Wanken, da es nicht mehr selbstverständlich ist, dass alles der Gesellschaft oder der Wirtschaft dienen muss. Es wird argumentiert, dass der Mensch angesichts der Klimakatastrophe seine Ziele überdenken müsse.

Das ist ein radikales Umdenken, denn für den säkularisierten Menschen der breiten Mittelschicht im Westen war die ständige Steigerung des Wohlstands das einzige Ziel, das niemand zu hinterfragen brauchte. Mehr Effizienz bringt mehr Wohlstand, und Wohlstand verdrängt Armut. Sozialismus wie Kapitalismus versuchten, der materiellen Armut ein Ende zu bereiten, denn Armut galt als der letzte Feind der Menschheit, so wie früher die Sünde als Geißel der Menschheit galt. Durch irdische Werkgerechtigkeit schuf sich jeder einen Himmel auf Erden, in dem er sich ein gutes Leben verdienen konnte.

Der unverhohlene Materialismus der Neuzeit war eine Antwort auf das religiöse Vakuum, das der theologische Liberalismus der Aufklärung hinterlassen hatte. Der Glaube an den Wohlstand wurde zur Ersatzreligion, und die Ökonomen waren die neuen Priester, denn sie hatten den Schlüssel zum irdischen Glück in der Hand. Vor allem in Deutschland diente das Wirtschaftswunder nach der politischen und ideologischen Katastrophe der beiden Kriege als neues sinnstiftendes Gesellschaftsziel. Wolkenkratzer, Kaufhäuser und prunkvolle Bank- und Industriebauten spiegelten dieses Ethos wider. Trotz Wohlstand und Macht ist sich der Mensch im Westen seiner gefallenen Natur bewusst, denn das Streben nach Geld und Macht kann die höheren Ideale so vieler nicht erfüllen. Der aus Gier geborene übertriebene Drang, Natur und Gesellschaft zu beherrschen, ist biblisch falsch, aber noch schlimmer ist die neu entdeckte Verehrung der Natur um ihrer selbst willen.

Rebellion gegen den Fortschritt

Das Wirtschaftswachstum als Teil des Fortschrittsglaubens hatte seinen Ursprung im 19. Jahrhundert. Es ging darum, die Macht und den Wohlstand der Menschen durch technische, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen zu steigern. Kaum hatte die Aufklärung den Siegeszug des aufgeklärten Menschen verkündet, entthronte der Genfer Philosoph Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) bereits im 18. Jahrhundert die Zivilisation des Fortschritts und präsentierte stattdessen das Konzept des edlen Wilden als neues Gegenbild zur Aufklärung. Rousseau kritisierte die Vorstellung der Aufklärung, dass Fortschritt und Zivilisation den Menschen zum Besseren entwickeln würden. Er argumentierte, dass gesellschaftliche Normen und kulturelle Errungenschaften den Menschen von seiner wahren Natur entfremdeten und zu Unglück und moralischem Verfall führten. Anstatt den Fortschritt positiv zu sehen, verherrlichte Rousseau die Ursprünglichkeit und Natürlichkeit des Menschen im Zustand des „edlen Wilden“.

Rousseaus Ideen hatten großen Einfluss auf die Romantik und die Umweltbewegung. Sie betonten die Bedeutung der Natur und die Notwendigkeit, die Auswirkungen der Zivilisation auf die Umwelt zu begrenzen. Der „edle Wilde“ wurde zum Symbol für den verlorenen Garten Eden. Diese Sehnsucht nach dem Ursprünglichen war eine Umdeutung der christlichen Botschaft von der Entfremdung von Gott nach dem Sündenfall. Der Fortschritt war nicht Gottes ursprünglicher Plan für die Menschheit und daher nicht automatisch gut, sondern vielmehr ein Produkt des gefallenen Menschen und in gewisser Weise sogar ein Verfallsphänomen. Die künstliche Gesellschaft der aufgeklärten westlichen Welt konnte die ursprüngliche Schönheit der Schöpfung nicht ersetzen.

Umgedeutete Begriffe

Auffallend ist die Übernahme, Umdeutung und Säkularisierung biblischer bzw. christlicher Begriffe durch die Aufklärung, die Romantik und die moderne Umweltbewegung. Sie alle betonen eine Welt ohne Sünde und Satan, kritisieren die Korruption der Gesellschaft und verkünden eine Botschaft der Umkehr. Der Optimismus der Neuzeit wird als Illusion entlarvt, die nur durch ein radikales Umdenken, ähnlich einer religiösen Bekehrung, überwunden werden kann. Die radikalen Umweltschützer auf den Demonstrationen sind vergleichbar mit evangelikalen Straßenpredigern, die vor dem drohenden Untergang warnen und zur Umkehr aufrufen. Auffällig ist die moralisierende Sprache, in der Bäume „ermordet“ und die Natur „vergewaltigt“ werden. Sie sehen den Klimawandel nicht nur als Problem, sondern als moralische Sünde. Das gibt ihnen das Gefühl, im Recht zu sein, wenn sie als Aktivisten auf die Straße gehen und Gemälde zerstören. Sie sehen sich sogar als säkulare Märtyrer unserer Zeit, wenn sie angefeindet werden.

Wenn auch nur eine abgeschwächte Form dieses Wirtschaftspessimismus an die Macht kommt, (wie es mit der Ampelkoalition in Deutschland derzeit der Fall ist), hat das verheerende Folgen für die wirtschaftliche Zukunft des Landes. Ganze Industriezweige werden rücksichtslos in den Ruin getrieben, denn Energie ist das Herzstück jeder Wirtschaft. Das ist keine neue Entwicklung: Der Lebenswille wurde schon früher gebrochen. Mit anderen Worten: Die wirtschaftliche Zukunft der jungen Generation wird sich radikal von der ihrer Eltern unterscheiden. Zusammen mit dem katastrophalen Geburtenrückgang und der exzessiven Einwanderungspolitik wird aus dem einst so starken Land ein Land, über das sich künftige Generationen in den Geschichtsbüchern wundern werden.

Die drei Geißeln des grünen Zeitgeistes

Fasst man all diese negativen Erscheinungen zusammen, so ergibt sich ein Gesamtbild aus drei Elementen. Bildlich gesprochen sind es drei Geißeln, die den modernen Menschen in seiner Selbstgefälligkeit peinigen.

Die erste Geißel ist die Erniedrigung des Menschen. In seinem evolutionären Selbstverständnis verwaltet der Mensch die Erde und ihre Schätze nicht mehr als Stellvertreter Gottes, sondern muss sich in eine Reihe von Lebewesen einordnen, die alle ihre Daseinsberechtigung haben. Dieser Verlust der übernatürlichen Würde hat eine Vielzahl negativer Folgen, die den Menschen innerlich herunterziehen: Selbstzweifel, moralischer Relativismus, Ziellosigkeit etc.

Die zweite Geißel ist das Schuldgefühl des Menschen. Trotz aller Bemühungen der Psychologie und der Philosophie bleibt in jedem Menschen das Bewusstsein, schuldig zu sein und etwas wiedergutmachen zu müssen. Die christliche Lehre bezeichnet dieses Gefühl als Gewissen, das uns anklagt. Die Schuld, die wir eigentlich Gott gegenüber haben, wird nun so umgeleitet, dass sie der Rettung des Klimas dient. Schuldgefühle sind, ähnlich wie Neid, sehr starke Motivatoren, um unsere Mitmenschen zu bestimmten Handlungen zu bewegen. CO2-Zertifikate, freiwillige Kinderlosigkeit, Verzicht auf Fleisch und Urlaub in Übersee sind nur einige Beispiele für menschliches Verhalten, bei dem zwar ideologische Überzeugungen eine Rolle spielen, aber heimliche Schuldgefühle die größte Motivation darstellen. Schuld entsteht, wenn man gegen das moralische Gesetz verstößt, und dazu gehört, undankbar zu sein. Eine gute Gabe Gottes, gleich welcher Art, zu genießen, ohne Gott dafür zu danken, ist Sünde. Es gibt keine Neutralität gegenüber Gott und ein selbstzufriedenes Leben im Westen ist auf Dauer nicht tragbar.

Wenn man Gott nicht dankt, sucht man Ersatz in der Anbetung der Natur. Die Natur aber ist ein unbarmherziger Herrscher und fordert ihren Tribut.

Die dritte Geißel schließlich ist der Tribut: die Versklavung des Menschen, die auf den beiden ersten aufbaut. Aufgrund des neuen Menschenbildes muss nun neben der freiwilligen Konformität aufgrund von Schuldgefühlen auch Zwang angewendet werden. Das Ziel heißt Klimaneutralität und Nachhaltigkeit. Obwohl Nachhaltigkeit an sich ein gutes Ziel ist und unserem Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung entspricht, wird es hier umdefiniert und als Waffe gegen „Fortschritt“ oder „endloses“ Wirtschaftswachstum eingesetzt. Ein Ausdruck dieses Phänomens ist ESG (Environmental, Social and Governance), die Bewertung von Investitionen hinsichtlich Nachhaltigkeit und sozialer Fragen, die zu einem willkürlichen Steuerungsinstrument wird. Die dritte Geißel ist auch zeitlich die letzte und setzt die beiden ersten voraus. Ohne ein atheistisches Menschenbild ohne göttliche Vergebung kann man die Menschen nicht mit Schuldgefühlen manipulieren, und ohne Schuldgefühle würden sie letztlich nicht auf ihre Freiheiten verzichten. Durch die Digitalisierung aller Facetten unseres Lebens wird ein Kontrollmechanismus aufgebaut, den sich selbst Orwell nicht hätte träumen lassen.

Ein letztes Beispiel ist die 10-Minuten-Stadt, ein städtebauliches Konzept, das darauf abzielt, dass die Menschen innerhalb einer Stadt alle Dinge des täglichen Bedarfs innerhalb von 10 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen können. Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Bildung, Freizeit und öffentliche Einrichtungen sollen in unmittelbarer Nähe zueinander liegen. Vordergründig soll das Konzept der 10-Minuten-Stadt einen nachhaltigen Lebensstil fördern, indem es lange Wege und die Nutzung des Autos reduziert. Langfristig führt es jedoch zu einem Kontrollstaat, denn Freiwilligkeit und Bewegungsfreiheit fallen weg.

Fazit

Wenn man das alles rein menschlich betrachtet, könnte man leicht depressiv werden. In unseren Ländern gibt es viele konservative politische Parteien, in denen Menschen ohne Glauben, aber mit guten Absichten den Niedergang aufhalten und die Klimahysterie eindämmen wollen. Das Problem ist aber, dass dieser Meinungskrieg mit Vernunft nicht zu gewinnen ist. Was kann ein konservativer Politiker gegen die oben genannten Angriffe unserer Wohlstandsgesellschaft sagen? Sicherlich würde er aufgrund seiner Bildung den evolutionären Charakter nicht leugnen. Er könnte sich vielleicht von Schuld freisprechen, aber nicht generell. Er kann auch die Versklavung anprangern, aber er kann sie nicht aufhalten.

Die einzige Hoffnung gegen diese dunklen Seiten unseres Zeitgeistes ist die Heilige Schrift. Sie lehrt von der Würde des Menschen, von der Vergebung der Sünden und von der Hoffnung auf wahre Freiheit. Die Freiheit eines Christenmenschen ist nicht Ausbeutung und Tod, sondern Wohlstand, Freiheit und Hoffnung in der Furcht des Herrn. Statt die Klimadebatte mit Weihwasser zu heiligen, sollte die Kirche – sollten wir alle – ein Zeugnis der Hoffnung und der Freiheit in Christus sein. Die aktuelle Debatte bietet unseren Kirchen eine große Chance, ihre Verantwortung als gesellschaftsgestaltende Kraft neu wahrzunehmen und dem Nächsten zu helfen, indem wir Gott die Ehre geben. Dieser Kampf ist nicht leicht und erfordert das inständige Gebet der wahren Kirche Christi. Im Licht der Heiligen Schrift können wir Salz der Erde sein.

Wie diese alternative Weltsicht aussieht, werden wir im nächsten und abschließenden Teil der Serie sehen. [1]


Didier Erne arbeitet als Berater in der Finanzwelt und hat an der Universität Genf Wirtschaftswissenschaften und an der Faculté Jean-Calvin in Aix-en-Provence reformierte Theologie studiert. Mit seiner Frau Michelle und seinen drei Kindern gehört er der Presbyterianischen Gemeinde Zürich an.


[1] Weiterführende Literatur zu diesem Thema: Robert Whelan, Joseph Kirwan, Paul Haffner: The Cross and the Rain Forest. A Critique of Radical Green Spirituality, Grand Rapids [Eerdmans] 1996. Eugene M. Klaaren: Religious Origins of Modern Science, Grand Rapids [Eerdmans] 1977. Herbert Butterfield: The Origins of Modern Science, New York City [The Free Press] 1965.