Die bleibende Botschaft des Buches Exodus (2. Mose)

Die bleibende Botschaft des Buches Exodus (2. Mose)

Erzählungen, Lieder und Gesetzestexte wechseln sich im zweiten Buch Mose ab. So entsteht möglicherweise der Eindruck einer losen Textsammlung. Doch dieser Eindruck täuscht. Es ist eine übergreifende Handlung erkennbar, die die verschiedenen Textgattungen miteinander verbindet.

Das Buch erzählt die frühe Geschichte des Volkes Israel. Häufig wird das Thema der Befreiung als Hauptthema genannt, worauf auch der lateinisch-griechische Name des Buches, Exodus, also Auszug, hinweist. Im Mittelpunkt steht der Auszug Israels aus der Sklaverei in Ägypten.

Zwei Herausforderungen

Schon hier steht der Leser vor einer ersten Herausforderung: Mit welcher Perspektive schauen wir auf das Buch? Auch wenn es das Volk Israel ist, das Befreiung erfährt, so wird doch übersehen, wer diese Befreiung vollzieht. Der Leser des Buches kann nicht übersehen, dass das Volk nur durch das machtvolle Eingreifen Gottes und nicht aus eigener Kraft der Gefangenschaft in Ägypten entkommen kann. Statt einer menschenzentrierten Perspektive sollte die Suche nach einem alles zusammenfassenden Thema Gott in den Mittelpunkt stellen. Das Volk Israel ist „nur“ Adressat des Handelns Gottes.

Eine zweite Herausforderung liegt in der Frage, ob das Thema „Befreiung“ dem Inhalt des ganzen Buches gerecht wird. Tatsächlich nimmt der Auszug aus Ägypten einen wichtigen Platz in der Geschichte des Volkes Israel ein. Das zeigt sich daran, dass er im Alten Testament immer wieder erwähnt wird: Die Erinnerung an den Auszug soll Identität stiften (z.B. 1Sam 12,6-8), Hoffnung geben (z.B. Jer 16,14-21) oder die Anbetung Gottes fördern (z.B. Ps 77,14-21). Kurz gesagt, das übrige Alte Testament kann nur im Licht der Bedeutung des Exodus verstanden werden. Aber wird dies auch der Gesamtaussage des Buches selbst gerecht?

Schauen wir uns an, wie das Thema Exodus oder Befreiung das Buch durchzieht.

1. Gott schenkt seine Befreiung

Am Anfang des Buches ist Israel dem Pharao unterworfen. Der ägyptische Herrscher wird als Unterdrücker dargestellt. Er versklavt die Israeliten und lässt sie die Städte Pitom und Ramses bauen (2Mos 1,11). Er empfindet die Vermehrung der Israeliten als Bedrohung und tötet die männlichen Kinder (2Mos 1,15-22). Der Pharao ist mächtig und grausam. Gott befreit sein Volk von diesem Despoten. Die zehn Plagen über Ägypten sind eine Machtdemonstration Gottes über die Götter Ägyptens und über den Pharao selbst (2Mos 7-12). Die letzte Plage ist die Tötung der Erstgeburt. Die Erstgeburt Israels kann nur überleben, wenn sie die Türpfosten und Schwellen mit Blut markiert. Nur dann wird Gott an diesen Häusern „vorübergehen“ und ihre Erstgeburt verschonen (2Mos 12,1-13). Damit wird deutlich, dass Gott zwischen seinem Volk und den Ägyptern unterscheidet (2Mos 11,7) und die Versuche des Pharao, die israelitischen Kinder zu töten, ins Gegenteil verkehrt (2Mos 1,22). Das Passahfest ist die jährliche Erinnerung an dieses Ereignis. Es erinnert an die Rettung des Volkes durch Gott (2Mos 12,17). Dies wird vor allem im Bild des stellvertretenden Opferlammes deutlich.

Auch der Durchzug durch das Rote Meer macht deutlich, wie Gott durch die Befreiung Israels seine eigene Herrlichkeit zum Ausdruck bringen will (2Mos 14,4.18). Das folgende Lied (2Mos 15,1-21) rückt die Erlösung in die richtige Perspektive. Im Mittelpunkt des Liedes steht die Vernichtung Ägyptens durch Gott. Die Sprache und die Bilder der Eroberung forderten das Volk Gottes heraus, eine auf Gott ausgerichtete Sicht seines Handelns beizubehalten. Seine Erlösung war das Ergebnis von Gottes letztem Willen, den Sieg über seine Feinde zu erringen.

Gott rettet Israel aus der Knechtschaft dieses Menschenkönigs.

Aber führt Gott sein Volk aus der Knechtschaft auch in die Freiheit? Ja, er befreit sie aus der Knechtschaft Ägyptens. Aber ihr neuer Zustand ist kein Zustand der Unabhängigkeit. Als das Volk am Berg Sinai ankommt, stellt Gott seinem Volk im Buch des Bundes (2Mos 19-24) die Gesetze des himmlischen Königs vor, denen es gehorchen soll (siehe nächster Abschnitt).

Verschiedene Bauprojekte

Im Zusammenhang mit der Befreiung ist auch die Verwendung des hebräischen Wortes עֲבֹדָה aboda („Arbeit“) bedeutsam. Zu Beginn des Buches wird das Wort verwendet, um die Zwangsarbeit der Israeliten in Ägypten zu beschreiben (2Mos 1,14; 2,23; 5,9.11; 6,6.9). Später wird es aber auch für die von Gott geforderte „Arbeit“ verwendet, insbesondere für den Bau der Stiftshütte (2Mos 27,19; 30,16; 35,24; 36,1.3.5; 39,32.42). So geht das Buch vom erzwungenen Bau der Bauten für den Pharao zum freudigen und gehorsamen Bau der Stiftshütte über. Die neue Freiheit des Volkes Israel besteht also im Dienst für Gott.

Es ist nicht falsch, beim zweiten Buch Mose von einem Übergang von der Knechtschaft zur Freiheit zu sprechen (wenn hier die Befreiung von einem grausamen Unterdrücker gemeint ist). Dennoch ist es angemessener, es als Übergang von einem menschlichen Herrscher zu einem göttlichen Herrscher zu verstehen („Herrschaftswechsel“). Im Buch Exodus nur von Befreiung zu sprechen, würde die Botschaft des Buches verkürzen.

Aber es ist nicht nur die Linie der Befreiung, die das Buch durchzieht. Ein anderes Thema beherrscht das Buch. Ja, das Thema „Befreiung“ steht eigentlich auf dem Fundament eines anderen Themas, nämlich des Bundes.

2. Gott schenkt seinen Bund

Gott befreit sein Volk, um es unter seine Herrschaft zu bringen, aber er tut dies nicht in unterdrückerischer Weise. Im Zentrum des Buches steht der Bundesschluss Gottes mit seinem Volk (2Mos 19-24). Hier ist zu beachten: Die Grundlage dieses Bundes sind nicht die Gebote. Denn bevor die genauen Bestimmungen des Bundes genannt werden, erinnert Gott Israel an die Gnade, die er ihm durch die Befreiung aus der Sklaverei erwiesen hat (2Mos 19,4). Erst danach folgen die Bestimmungen für das Volk. Gottes Gnade und Barmherzigkeit gehen seinen Forderungen voraus und untermauern sie. Dasselbe Muster findet sich auch in 2.Mose 20. Die Zehn Gebote beginnen mit der Feststellung der Gnade Gottes, bevor die Gebote aufgezählt werden. Gott hat nicht gesagt: Ich führe euch aus dem Land Ägypten heraus, wenn ihr nur auf meine Gebote hört. Er sagt: Weil ich euch aus dem Land herausgeführt habe, gelten die Gebote. Der Gehorsam gegenüber dem Gesetz ist also die Antwort des Volkes auf die Gnade Gottes.

Ein erfülltes Versprechen

2.Mose 19-24 ist jedoch nicht der erste Hinweis auf den Bund im Buch. Am Anfang wird erwähnt, dass sich die Nachkommen Jakobs stark vermehrt haben (2Mos 1,6-10). Dies erinnert den Leser an die Verheißung Gottes im Bund mit Abraham: Ich will dich zu einem großen Volk machen (1Mos 15,5). Der Hinweis, dass Israel so stark gewachsen ist, ist ein erster Hinweis auf die Erfüllung dieser Verheißung. Im Bund mit Abraham kündigt Gott bereits an, dass seine Nachkommen Fremde in einem anderen Land sein werden, wo sie unterdrückt werden, dass Gott sie aber nach 400 Jahren erlösen wird (1Mos 15,13-14). Das ist die Situation, in der sich das Volk zu Beginn des Buches befindet. Die Befreiung aus dieser Knechtschaft war also zu erwarten. Und so lesen wir in 2Mos 2,24-25: Und Gott erhörte ihr Wehklagen, und Gott gedachte an seinen Bund mit Abraham, Isaak und Jakob. Und Gott sah auf die Kinder Israel, und Gott nahm sich ihrer an. Die treibende Kraft hinter der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten ist also der Bund mit Abraham. Das Ziel des Exodus ist die Erfüllung der Verheißungen, die Gott Abraham gegeben hat. Ein großer Teil des Buches erzählt dann von einer neuen Bundesbeziehung, die Gott mit seinem Volk eingeht. Dieser durch Mose vermittelte Bund ersetzt nicht den vorhergehenden Bund mit Abraham. Er ist vielmehr eine Erweiterung dieses Bundes mit den Nachkommen Abrahams, die inzwischen zu einem Volk geworden sind. Der Bund mit Israel macht deutlich, was Gott mit seinem Volk vorhat, das er sich durch den Bund mit Abraham erwählt hat.

Ein Königreich von Priestern

Das Volk Israel wurde nicht nur ausgesondert, um Gott zu dienen, sondern auch, um der Welt dessen Heiligkeit zu zeigen. Als „Königreich von Priestern“ (2Mos 19,5-6) soll Israel zwischen Gott und den Völkern vermitteln (vgl. 5Mos 4,5-8). Dieser Auftrag an das Volk macht deutlich, wie Israel den Aspekt des Abrahambundes erfüllen soll, dass in Abraham alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollen (1Mos 12,3).

Durch den Bund am Sinai erhält das Volk Gottes so detaillierte Anweisungen wie in keinem anderen Bund zuvor. Am Sinai formalisiert Gott seine Beziehung zu Israel durch einen Bund und offenbart dem Volk, wie es als Antwort auf seine gnädige Erlösung leben soll.

Der gebrochene Bund

Doch schon bald zeigt sich, dass Israel diesem Anspruch nicht gerecht wird. Nachdem das Volk Israel durch den Tanz um das Goldene Kalb (2Mos 32) den gerade geschlossenen Bund gebrochen hat, appelliert Mose an die Barmherzigkeit Gottes. Interessanterweise beruft er sich dabei auf den Bund mit Abraham und nicht auf den Sinaibund (2Mos 32,13). All dies zeigt, dass der Bund mit Israel als Fortsetzung des Abrahambundes zu verstehen ist und damit die Linie der Gnade fortsetzt. Die Befreiung ist also in ein größeres Thema eingeordnet, nämlich in das des Bundes.

Aber auch das Thema des Bundes kann einem noch größeren Thema untergeordnet werden, nämlich dem der Gegenwart Gottes. Der Bund ist das Mittel, mit dem Gott das Wesen seiner Beziehung zu Israel erklärt. Und so ist das übergeordnete Thema des Buches die Gegenwart Gottes.

3. Gott schenkt seine Gegenwart

Auch in Bezug auf die Gegenwart Gottes lässt sich im Buch eine Bewegung feststellen. Am Anfang des Buches scheint Gott abwesend zu sein. Die ersten 14 Verse beschreiben die Notlage der Nachkommen Jakobs in der Fremde. Interessanterweise wird Gott erst am Ende des ersten Kapitels im Zusammenhang mit den gottesfürchtigen hebräischen Hebammen erwähnt (2Mos 1,17). Selbst in der dramatischen Geburtsgeschichte des Mose wird Gott nicht erwähnt (2Mos 2,1-10). Natürlich steht hinter diesen menschlichen Ereignissen die Vorsehung Gottes, der seinen Führer Mose heranbildet. Es fällt jedoch auf, dass Gott nicht ausdrücklich erwähnt wird. Bis zur Flucht des Mose nach Midian scheint Gott merkwürdig abwesend zu sein. Die Wende kommt jedoch am Ende des ersten Kapitels. Nach dem Tod des ägyptischen Herrschers, der Mose nach dem Leben trachtete, litten die Israeliten weiter unter der Last der Sklaverei, so dass ihr Schreien zu Gott gelangte (2Mos 2,23). Und Gott hörte ihr Klagen (2Mos 2,24). Die Formulierungen lassen Gott nicht in ihrer Mitte, sondern in der Ferne erscheinen: Ihr Schreien „stieg auf zu Gott“ (2Mos 2,23; ELB) und „Gott sah nach den Söhnen Israels“ (2Mos 2,25; ELB).

Gottes Gegenwart offenbart

Gott kommt aber nicht direkt nach Ägypten, sondern begegnet Mose in der Wüste auf dem Berg Sinai durch einen brennenden Dornbusch (2Mos 3). Er kündigt dem künftigen Befreier Israels seine Gegenwart an, bevor er sie dem Volk in Ägypten selbst verkündet. Mose wird zum Mittler der göttlichen Gegenwart und Macht (in 2.Mose 3,12 verspricht Gott Mose, mit ihm zu sein). Gott offenbart sich dem Volk nicht so, wie er sich Mose am Berg Sinai gezeigt hatte. Er spricht nicht zum Volk, außer durch Mose und Aaron. Er zeigt sich ihnen natürlich durch sein machtvolles Handeln, vor allem durch die Plagen über das ägyptische Volk und durch die Teilung des Meeres. Die Wolkensäule am Tag und die Feuersäule in der Nacht sind Zeichen der Gegenwart Gottes (2Mos 13,20-22). Es wird aber nicht gesagt, dass Gott sie führte, sondern der Engel des Herrn (2Mos 14,19-20). Erst in Kapitel 19 am Sinai offenbart Gott seine Gegenwart der ganzen Gemeinde Israels. Wie bei Mose gibt sich Gott durch Feuer und Rauch zu erkennen (2Mos 19,18).

Die Stiftshütte

Der heutige Leser fragt sich, warum die Stiftshütte in diesem Buch dreizehn Kapitel einnimmt (2Mos 25-31, 35-40). Warum war sie so wichtig? Jedes Detail der Bauanweisungen (Kapitel 25-31) und der Bauausführung (Kapitel 35-40) führt zum Höhepunkt des Buches: Die Herrlichkeit Gottes erfüllt die Stiftshütte (2Mos 40,34). Die Stiftshütte („Wohnstätte“), die dem himmlischen Vorbild nachgebildet ist, ist auch Gottes Heiligtum (2Mos 25,8-9.40). Gott will bei seinem Volk wohnen (2Mos 29,45-46). Dieser Bau war der Garten Eden in einer gefallenen Welt. Dieser Zusammenhang wird durch das 6+1-Muster der Bauanweisungen unterstrichen. Alle sieben Reden (parallel zu den sieben Schöpfungstagen) beginnen mit „Der Herr sprach zu Mose“ (2Mos 25,1; 30,11.17.22.34; 31,1.12). In der sechsten Rede werden zwei Personen zur Überwachung des Bauvorhabens eingesetzt (2Mos 31,1-11) und in der siebten wird Israel aufgefordert, den Sabbat zu halten (2Mos 31,12-17). Der goldene Leuchter symbolisiert den Baum des Lebens (2Mos 25,31-40; vgl. Gen 3,22). Der letzte große Abschnitt des Buches (2Mos 25-40) zeigt, wie Gott seine Gegenwart nun zu einem dauerhaften Bestandteil der Gemeinschaft Israels machen will. Sein Einzug in die Stiftshütte in Gestalt der Herrlichkeitswolke zeigt, wie er seine Gegenwart am Ende realisiert (2Mos 40,34). Während die Stiftshütte insgesamt auf die Gegenwart Gottes hinweist, ist vor allem die Bundeslade das stärkste Symbol für diese Gegenwart.

Eine bedrohte Gegenwart

Allerdings ist die Gegenwart Gottes unter seinem Volk immer wieder bedroht. Das Problem, vor dem die Israeliten stehen, ist nicht das harte Herz des Pharao, sondern ihr eigenes. Würden sie dem Anspruch des Bundes und der Gegenwart eines heiligen Gottes gerecht werden können? Das anfängliche Zögern der Israeliten, Mose zu vertrauen, mag verständlich sein (2Mos 5,21; 6,9). Ihr Unglaube beim Auszug ist schon erstaunlicher (2Mos 14,10-12), wenn man bedenkt, was sie in Ägypten erlebt hatten. In der weiteren Erzählung der Wüstenwanderung wird der Leser noch mehr beunruhigt. Das Volk hält den Sabbat nicht (2Mos 16,27-29) und beklagt sich ständig über seine Lage (2Mos 15,24; 16,2.7-8; 17,3). Der deutlichste Beweis für ihre Untreue ist die Anbetung des Goldenen Kalbes (2Mos 32). Das Volk hatte sich an seine Erlösung erinnert (2Mos 19,4), den Bund mit Gott angenommen (2Mos 19,8), seine Gebote gehört (2Mos 20,1-17) und die verheerenden Auswirkungen seiner Gegenwart unter ihnen gesehen (2Mos 20,18). Sie besiegelten ihre Verpflichtung mit Blut (2Mos 24,3-8) und warteten auf die Weisung zum Bau der Stiftshütte, damit Gott unter ihnen wohnen konnte (2Mos 25-31).

Eine traurige Reaktion

Und wie reagierten sie auf diese Gnade? Mit Ungeduld und Götzendienst (2Mos 32,1-6). In weniger als vierzig Tagen hatten sie den Bund gebrochen. Als Mose mit den beiden Gesetzestafeln vom Gipfel des Berges herabsteigt, wirft er sie zu Boden und zerbricht sie, was bedeutet, dass die Beziehung zwischen Gott und Israel zerbrochen ist. Nach der Rebellion des Volkes stellt sich die Frage, ob Gott bei seinem Volk wohnen oder es überhaupt überleben lassen würde. Wäre Gott nicht auf die Fürbitte des Mose für Israel eingegangen, hätte er es vernichtet (2Mos 32,7-14; vgl. 33,7-34,28). Stattdessen erneuert er gnädig den Bund und erlaubt dem Volk, die Stiftshütte zu bauen (Kap. 34-40). Gott will dauerhaft in seinem Volk leben.

Bisher haben wir die Linien innerhalb des Buches untersucht. Dabei haben wir festgestellt, dass die Frage nach der Gegenwart Gottes das Buch beherrscht. Eingebettet in das Hauptthema ist der Bund Gottes mit seinem Volk, der auf die Befreiung des Volkes folgt. Wie aber lesen wir als Christen dieses Buch?

Exodus für heute?!

Jesus selbst spricht davon, dass die ganze Schrift auf ihn verweist (Lk 24,27). Wie tut sie es im Buch Exodus? Wie nimmt das zweite Buch Mose das Kommen von Jesus vorweg? Das Neue Testament zeigt uns, wie Jesus uns als Christen sowohl seine Befreiung als auch seinen Bund und seine Gegenwart schenkt.

  • Seine Befreiung: Die physische Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten ist ein Bild für die größere Befreiung durch Jesus Christus. Gott hat allen Gläubigen die ewige Erlösung von der Sünde (Hebr 9,26), dem Tod (1Kor 15,55–57) und dem Teufel (Hebr 2,14) verschafft. Am Kreuz entwaffnete Gott in Christus „die Herrschaften und Gewalten“ und stellte „sie öffentlich an den Pranger und triumphierte über sie an demselben“ (Kol 2,15; vgl. Eph 1,21).
  • Sein Bund: Die neutestamentliche Gemeinde schließt sich der Mission des Volkes Israels an, ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation zu sein und erfüllt sie. Petrus verdeutlicht Identität und Verpflichtung der Erlösten: Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk des Eigentums, damit ihr die Tugenden dessen verkündet, der euch aus der Finsternis berufen hat zu seinem wunderbaren Licht — euch, die ihr einst nicht ein Volk wart, jetzt aber Gottes Volk seid, und einst nicht begnadigt wart, jetzt aber begnadigt seid (1Petr 2,9-10).
  • Seine Gegenwart: Die alttestamentliche Stiftshütte mit ihrer Pracht war lediglich ein „Abbild und ein Schatten“ der letzten Realitäten, die in Christus zu finden sind (Hebr 8,5). Jesus ist der höchste Hohepriester, das stellvertretende Opfer (Hebr 9,24–26) und der wahre Tempel, in dem die Menschheit mit Gott kommunizieren kann (Mk 13,1–2; Joh 2,19). Auch die Gemeinde wird als Tempel Gottes beschrieben (1Kor 3,16–17; 2Kor. 6,16). Allerdings wartet das Volk Gottes noch auf die vollständige und endgültige Offenbarung der Gegenwart Gottes im Neuen Jerusalem (Offb 21–22).

Boris Giesbrecht ist Studienleiter der Akademie für Reformatorische Theologie, wo er im Bereich der Biblischen und Praktischen Theologie lehrt. Gemeinsam mit seiner Frau Maria und den drei Kindern gehört er zur Bekennenden Ev.-Ref. Gemeinde in Gießen.


[1] Der Autor hat auf folgende Literatur für die Abfassung des Artikels zurückgegriffen:

John D. Currid (2016): „Exodus“. In: A Biblical-Theological Introduction to the Old Testament: The Gospel Promised. Hrsg.: Miles V. Van Pelt. Wheaton, IL: Crossway.

Kenneth J. Turner (2013): „Exodus“. In: What the Old Testament Authors Really Cared about: A Survey of Jesus’ Bible. Hrsg.: Jason S. DeRouchie. Grand Rapids, MI: Kregel Academic.

Tremper Longman III. (2009): How to read Exodus. Downers Grove, IL: InterVarsity Press.