Christliche Weltanschauung (Teil 2): Jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam gegen Christus

Christliche Weltanschauung (Teil 2): Jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam gegen Christus

„Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich“ – Der Mythos von Neutralität und Vernunft

In der letzten Ausgabe der Bekennenden Kirche (Nr. 57) befassten wir uns mit der Notwendigkeit einer umfassenden christlichen Welt- und Lebensanschauung. Wir erkannten aus der Heiligen Schrift, dass Christen ausnahmslos alle Lebensbereiche vom Boden des Wortes Gottes aus zu beurteilen haben. Das zeigen biblische Aussagen wie zum Beispiel 2Timotheus 3,16.17; 1Korinther 10,31 und 2Korinther 10,5.
Es ist kein Geheimnis, dass die Notwendigkeit einer umfassenden biblischen Lebensanschauung in den letzten Jahrzehnten in christlicher Predigt und Literatur, namentlich im deutschsprachigen Raum, nicht wirklich gelehrt wurde. Das erscheint mir einer der wesentlichen Gründe dafür zu sein, warum die Gemeinde Jesu Christi innerhalb unserer Kultur immer bedeutungsloser geworden ist: Sie gab kaum Antworten auf Fragen des täglichen Lebens.
Es mag sein, dass manche Leser jetzt protestieren und einwenden, dass die Christen nicht dazu da seien, diese Welt zu verändern, sondern dass ihre Berufung ist, Gott zu dienen und das Evangelium zu verkünden. Sie haben darin insofern Recht, als die Christen in dieser Welt dazu berufen sind, Gott zu dienen und das Evangelium zu verkündigen. Aber die Verkündigung des Evangeliums hat ethische Auswirkungen. Zum Beispiel werden wir im Römerbrief ermahnt, „angesichts der Barmherzigkeit Gottes unsere Leiber als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen: Das ist unser vernünftiger Gottesdienst.“ (Röm. 12,1). Das Evangelium hat Auswirkungen auf unser Leben, und das heißt: auf jeden einzelnen Lebensbereich. Die Erneuerung des Denkens (Röm. 12,2) ist für Christen verpflichtend. Es gehört maßgeblich zur Heiligung, zum christlichen Lebenswandel, der zur Ehre Gottes erfolgen soll.
Im Missionsbefehl (Mt. 28,18-20) gab der auferstandene Herr den Auftrag, Menschen zu Jüngern zu machen, sodass sie alles das halten sollen, was Christus ihnen geboten hat. Zu einer echten Umkehr gehört, dass der Mensch auch in moralischer Hinsicht seinen Bankrott erklärt und von der Selbstvergötzung hin zur Anbetung Gottes findet. Der Christ lebt nicht mehr für sich selbst und auch nicht mehr nach seinen eigenen Maßstäben oder gemäß seiner eigenen Denkweise, sondern er orientiert sich am Maßstab Gottes. Diesen finden wir allein in der Heiligen Schrift. Der Christ ist den dort gegebenen Anweisungen gehorsam, nicht um gerettet zu werden, sondern aus Dankbarkeit für die Errettung, weil er Gott liebt (Joh. 14,15).
Wir sind aufgerufen, das Denken zu erneuern (Röm. 12,2), das heißt unser gesamtes Denken auf Christus auszurichten. Die Basis für die Notwendigkeit dieser Änderung unseres Denkens liegt in der großen Antithese zwischen einerseits dem Willen Gottes und andererseits diesem Weltlauf. Die Heilige Schrift betont immer wieder den Gegensatz zwischen dem, was Gott in seinem Wort sagt, und dem Zeitlauf dieser Welt.
Man ist entweder für Jesus Christus, oder man ist gegen ihn. Es gibt keinen dritten Weg. Niemand ist neutral. In Matthäus 12,30 bringt Jesus Christus diesen Gegensatz zum Ausdruck, indem er sagt: „Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut!“

Im zweiten Korintherbrief 6,14 ermahnt uns Paulus zur umfassenden Trennung von der Welt, wenn er schreibt: „Zieht nicht in einem fremden Joch mit Ungläubigen! Denn was haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit miteinander zu schaffen? Und was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis?“
Hier zeigt der Apostel etwas außerordentlich Wichtiges auf, das leider nicht wenige Christen offensichtlich schon lange vergessen haben: Es besteht ein radikaler Gegensatz zwischen einer nichtchristlichen Weltanschauung, die sich gegenwärtig immer mehr als antichristlich entlarvt, und einer christlichen. Die Botschaft dieses Abschnittes aus dem zweiten Korintherbrief lautet: Es gibt keine Neutralität. Niemand ist neutral, nicht wir und nicht die Welt. Gemäß dem Wort Gottes ist ein Mensch entweder für Jesus Christus, oder er ist gegen ihn. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Ein Mensch sieht die Welt und alles, was darin ist, entweder im Licht der Heiligen Schrift, das heißt so wie Gott sie sieht und in seinem Wort geoffenbart hat. Oder er sieht sie durch die Brille irgendeiner Weltanschauung, die dem Wort Gottes nicht entspricht.
Diese Einsicht hat massive Auswirkungen sowohl auf unser Denken als auch auf unser Leben: Wir werden zu verstehen haben, dass es zwischen Christen und Nichtchristen keine weltanschaulichen oder geistlichen Gemeinsamkeiten gibt. Der Nichtchrist sieht die Welt grundsätzlich anders als der Christ. Denn Grundannahme des Nichtchristen ist, dass der Gott der Bibel nicht der einzig wahre und allmächtige Gott ist, und aus diesem Grund missachtet er die Offenbarung Gottes und „hält die Wahrheit in Ungerechtigkeit auf“ (Röm. 1,18). Im Gegensatz dazu sind Christen vom Wort Gottes bestimmt. Das Wort Gottes ist die einzige Richtschnur ihres Denkens und Lebens.
Zwar könnte man auf die Gemeinsamkeit verweisen, die sowohl der Christ als auch der Nichtchrist hat: Beide leben in derselben Schöpfung Gottes, und beide sind nach dem Bild Gottes erschaffen worden. Aber nicht zuletzt vor diesen Wahrheiten verschließt sich der Nichtchrist und unterdrückt sie.
Viele Christen verstehen diese Antithese nicht oder wollen sie nicht verstehen, zumal sie weitreichende Konsequenzen hat. Denn wenn es keine harmlose Neutralität gibt, dann heißt das konkret, dass sich Christen in dieser Welt auf einem Schlachtfeld befinden. Genau das sagt die Heilige Schrift an vielen Stellen: Wir befinden uns im Krieg.
Dieser Krieg ist natürlich nicht ein physischer, sondern er ist ein weltanschaulicher. Wir müssen lernen, alle Dinge, die uns begegnen, aus dem Blickwinkel des Wortes Gottes zu sehen und zu verstehen. Jeder Lebensbereich muss „gefangen genommen werden zum Gehorsam gegenüber Christus“ (2Kor. 10,5). Um es mit den Worten des amerikanischen Theologen und Philosophen Cornelius Van Til zu sagen: Wir sind aufgerufen, Gottes Gedanken „nach-zu-denken“. Ob es um Familie, berufliche Fragestellungen, Freizeitgestaltung, Politik oder irgendeinen anderen Bereich dieser Welt geht: Immer hat Gottes Wort unser Ausgangspunkt zu sein. Wenn wir die Ansicht vertreten würden, wir könnten irgendeine Lebensfrage mit hausbackener Vernunft oder dem angeblich gesunden Menschenverstand beurteilen, dann missachten wir die Antithese. Wir beschreiten faktisch den geistigen Weg eines Nichtchristen.
Das Gleiche geschieht zum Beispiel, wenn Seelsorge mit unbiblischen, säkular-psychologischen Theorien betrieben wird oder gar von Psychologen, anstatt von christlichen Seelsorgern.1
Wir werden uns in der nächsten Ausgabe näher mit den Elementen einer christlichen Lebens- und Weltanschauung beschäftigen.


1) Siehe dazu im Internet die website: http://biblischeseelsorge.org. Vergleiche auch das in dieser Nummer der Bekennenden Kirche rezensierte Buch von Ed Welch, Scham-los.