Brauchen wir Bekenntnisse? (Teil 1)

Brauchen wir Bekenntnisse? (Teil 1)

Verrücke die uralte Grenze nicht, die deine Väter gemacht haben.

Sprüche 22,28

In unserem Kirchenverband (United Reformed Churches in North America) haben wir drei Bekenntnisse: Das Niederländische Glaubensbekenntnis (1561), den Heidelberger Katechismus (1563) und die Dordrechter Glaubensartikel (1618/19).

Alle Amtsträger (Pastoren, Älteste, Diakone) müssen vor Antritt ihres Amtes schriftlich erklären, dass sie die oben genannten Bekenntnisse in ihrer Gesamtheit akzeptieren, weil sie in der Heiligen Schrift verankert sind. Sie geloben, dass sie es nicht nur unterlassen, Lehren zu verbreiten, die im Konflikt mit diesen drei Bekenntnisschriften stehen, sondern dass sie deren Inhalte auch gegen Angriffe verteidigen.

Sich an Bekenntnisse zu binden, stößt bei manchen Christen auf Unverständnis: Unterwirft man sich damit nicht einem von Menschen verfassten Machwerk? Die unverzügliche Reaktion lautet: „Wir akzeptieren kein Bekenntnis außer die Bibel.“ Natürlich freue ich mich über die in dieser Aussage zum Ausdruck kommende Liebe und Achtung zum Wort Gottes. Hier wird der Rang, der dem Wort Gottes zukommt, anerkannt.

Darin stimmen wir mit ihnen überein. Doch ist es nicht unproblematisch, wenn man aus dieser Haltung ein Entweder–oder macht: entweder die Heilige Schrift oder ein Bekenntnis.

Im Folgenden möchte ich einige Argumente anführen, die zeigen, dass eine Bindung an Bekenntnisschriften nicht so abwegig ist, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag.

Bekenntnisse waren immer Teil der Gemeinde, auch zur Zeit des Neuen Testaments

Es ist bekannt, dass bereits zur Zeit der Apostel Irrlehrer versuchten, die junge Gemeinde mit einem falschen „Evangelium“ zu infiltrieren. So ist zum Beispiel der Galaterbrief eine Warnung an die Gemeinden in Galatien bezüglich der Sekte der Judaisten. Diese Leute suchten ein „Mischevangelium“ aus Gesetz und Gnade zu verbreiten. Eine Folge dieser Verwirrung war die Versammlung in Jerusalem, von der uns im 15. Kapitel der Apostelgeschichte berichtet wird. Diese Zusammenkunft der Apostel und Ältesten verfasste ein Schreiben, das an alle Gemeinden gesandt wurde (Apg. 15,22–29). Faktisch war es ein Bekenntnis zum Evangelium.

Dann traten die Gnostiker auf, die die jungen Gemeinden mit ihren hellenistisch-synkretistischen falschen Lehren in die Irre zu führen suchten.

In den ersten Jahrhunderten wurden die Gemeinden Jesu Christi von einer Irrlehre nach der anderen angegriffen. Sie sahen sich permanent verpflichtet, diese abzuwehren und so die Gläubigen bei der gesunden Lehre zu erhalten. Aus diesem Grund traten von Anfang an Hirten der Gemeinde auf Synoden und Konzilen zusammen, die klarstellten, dass die aufgetretenen Irrlehren abzulehnen seien. Auf diese Weise bestätigten sie immer wieder die gesunde biblische Lehre. Auch diese Beschlüsse waren nichts anderes als Bekenntnisse. Ein sehr bekanntes Beispiel für ein solches Bekenntnis ist das sogenannte Apostolische Glaubensbekenntnis. Dies wird bis zum heutigen Tag von bibeltreuen Gemeinden bekannt.

Alle Gemeinden haben Bekenntnisse

Im Zuge des Abfassens dieses Beitrags habe ich mir die Internetseiten mehrerer Gemeinden in Deutschland und Österreich angeschaut, die erklären, sie würden ein schriftlich fixiertes Glaubensbekenntnis ablehnen. Hier machte ich eine interessante Entdeckung: Alle diese Gemeinden haben auf ihren Internetseiten eine Rubrik, in der ihre Glaubenspositionen mehr oder weniger genau dargelegt sind. Selbst die Aussage, „Wir haben kein anderes Bekenntnis als die Bibel“ ist bereits ein Bekenntnis, da es nicht aus der Heiligen Schrift selbst stammt, sondern eine Aussage über die Bibel macht.

Aber auch wenn eine Gemeinde kein einziges Glaubensbekenntnis niedergeschrieben hätte und Sie würden zum Beispiel eine Freie Baptistengemeinde ohne veröffentlichtes Glaubensbekenntnis besuchen und den Pastor bitten, Ihr Kind zu taufen, würde dieser unverzüglich antworten: „Das tun wir hier nicht.“ Was ich damit sagen will, ist, dass jede Gemeinde ein Glaubensbekenntnis hat, egal, ob dies nun niedergeschrieben ist oder nicht.

Bekenntnisse schaffen Transparenz, Frieden und Stabilität

Dass Bekenntnisse der Heiligen Schrift untergeordnet sind, muss hoffentlich nicht ausdrücklich gesagt werden. Selbstverständlich hat sich jedes Glaubensbekenntnis an der Lehre des Wortes Gottes messen zu lassen. Ein Bekenntnis ist gewissermaßen immer eine Antwort auf die Heilige Schrift. Folglich darf es nicht immun gegenüber Korrekturen sein. Jedoch muss hinzugefügt werden, dass Bekenntnisse, wie die oben angeführten, schon seit Jahrhunderten von reformatorischen Christen als biblisch richtig angesehen werden und es deshalb unwahrscheinlich – aber theoretisch nicht unmöglich – ist, dass hier Fehler gefunden werden.

Wenn eine Gemeinde Bekenntnisse annimmt, dann zeigt dies jedem potentiellen Besucher, was in dieser Gemeinde geglaubt und gelehrt wird und wie die Heilige Schrift hier verstanden wird. Denn das ist ja offenkundig: Wir lesen alle dieselbe Bibel und kommen trotzdem an manchen – hoffentlich nur sekundären oder tertiären – Punkten zu unterschiedlichen Auslegungen. Denken wir an die Thematik der Sakramente oder an den Bereich der Endzeitfragen. Wenn eine Gemeinde ein Bekenntnis hat, dann kann jeder sofort sehen, was in ihr geglaubt und gelehrt wird. Im Fall, dass ein Pastor oder jemand anderes etwas lehrt, das den Bekenntnissen widerspricht, kann er auf das angesprochen werden, dem er einmal zugestimmt hat. Das schafft Klarheit und damit nicht nur Transparenz nach außen, sondern auch Frieden und Stabilität innerhalb der Gemeinde.