Beobachtungen im dritten Johannesbrief: Trotz Ärger – in Liebe für die Wahrheit

Beobachtungen im dritten Johannesbrief: Trotz Ärger – in Liebe für die Wahrheit

Warum sollen wir eigentlich Ärger und Schwierigkeiten auf uns nehmen? Wahrscheinlich wurden auch Sie schon Zeuge manchen Streites und mancher Uneinigkeit, auch in christlichen Kreisen oder in Ihrer Gemeinde. Wie oft gab und gibt es Ärger und Schwierigkeiten, und jedes Mal erhob sich dann die Frage: Soll man sich dennoch weiter einbringen, engagieren, aufopfernd helfen, spenden, beten usw.? Lohnt das? Bringt das etwas? Warum soll man dranbleiben, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich mit dem Herzen? Der dritte Brief des Johannes gibt uns hier eine maßgebliche Antwort, die man folgendermaßen zusammenfassen kann: Trotz Ärger – in Liebe für die Wahrheit.

Einführung in den dritten Brief des Johannes

Der Älteste an den geliebten Gajus, den ich in Wahrheit liebe (3. Joh. 1). Verfasser des Briefes ist der inspirierte Apostel Johannes. Er nennt sich selbst der Älteste oder der Alte. Das war sicher mehr als nur seine Amtsbezeichnung. Johannes war unter diesem Titel in den Gemeinden allgemein bekannt. Zu einer Zeit, als die anderen Apostel höchstwahrscheinlich bereits gestorben waren und er der letzte noch lebende Zeuge war, können wir uns diese Bezeichnung gut vorstellen.

Warum schrieb Johannes diesen kurzen Brief an Gajus und an die Gemeinde? Besonders im ersten Johannesbrief wird offensichtlich, dass sich inzwischen gefährliche Irrlehren in die Gemeinden eingeschlichen hatten. Es waren Lehren, die besondere Erkenntnisse propagierten, die sich sehr weise, sehr geistreich präsentierten, aber den Sohn Gottes, der tatsächlich Mensch geworden war, leugneten. Es waren Lehren, die den Kern des Evangeliums angriffen, also den im Fleisch gekommenen Jesus Christus und seinen stellvertretenden Opfertod, ohne den jeder Mensch verloren geht. Es kommt nicht von ungefähr, dass das Wort Wahrheit ein Schlüsselbegriff in den Briefen des Johannes ist. Auch in den gerade einmal 15 Versen seines dritten Briefes kommt dieses Wort viermal vor.

Doch Johannes wird neben seinen Briefen höchstwahrscheinlich auch besondere Missionare in die Gemeinde entsandt haben, Verkündiger und Lehrer, denen er vertraute, die die rechte Lehre bezeugten und diese in den Gemeinden vertraten und verteidigten. Mit Sicherheit gingen diese Missionare auch in die Gemeinden, die bereits massiv von den falschen Lehren zersetzt waren. Und dort waren sie nicht gerne gesehen.

Es gab sogar führende Leute wie Diotrephes, die diese Boten erst gar nicht aufnahmen. Wie dankbar müssen diese Verkündiger gerade dann gewesen sein, als sie auf ihren Missionstouren Gastfreundschaft, Unterstützung und Liebe erfuhren und mit Christen zusammentrafen wie Gajus, mit denen sie auch geistlich eines Sinnes waren.

Von einigen Brüdern, wahrscheinlich eben jenen ausgesandten Missionaren, erfuhr Johannes von den beunruhigenden Ereignissen. Daraufhin schrieb er diesen Brief. Er wollte Gajus unterstützen und ihn ermutigen, in seinem Dienst fortzufahren, und zwar trotz Ärgers und Schwierigkeiten.

Ärger für das Evangelium in Kauf nehmen – Gajus

Johannes war Gajus besonders verbunden. Er nennt ihn mehrmals den

Geliebten oder den Lieben. Man kann vielleicht annahmen, dass Gajus sogar durch Johannes zum Glauben gekommen war, weil ihn der Apostel zu seinen geistlichen Kindern zählt (3Joh. 4). Auf jeden Fall steht er treu zum Apostel und damit zur Wahrheit.

Überraschend ist nun, dass Johannes ihm erst einmal Gesundheit und Wohlergehen wünscht: Mein Lieber, ich wünsche dir in allen Dingen Wohlergehen und Gesundheit, so wie es deiner Seele wohlgeht! (3Joh. 2). Das scheint ein ungewöhnlicher Beginn für einen Brief aus der Heiligen Schrift zu sein. Entspricht dieser Gruß nicht typisch weltlichen Briefen? Hauptsache gesund!? Lesen wir aber den zweiten Teil dieses Verses. Dann stellt dieser Briefanfang für uns alle eine Herausforderung dar. Johannes wünscht Gajus, dass seine leibliche Gesundheit so gut ist oder wird, wie es seine geistliche bereits ist.

Geistliche Gesundheit

In einer Zeit, in der wir sehr viel Wert auf körperliche Gesundheit und weltliches Wohlergehen legen, und gerade deswegen unser geistliches Leben oft zu kurz kommt, in einer Zeit, in der wir unseren Leib mit den feinsten Raffinessen und erlesensten Getränken versorgen und zu optimieren suchen, und geistlich oft unterernährt bleiben, ist ein solcher Gruß oft nur umgekehrt denkbar: „Ich wünsche dir nach diesem köstlichen Sonntagsbraten, dass du dich die ganze Woche ebenso reichlich, bewusst und ausdauernd geistlich ernährst, damit du zubereitet wirst und zu jedem guten Werk völlig ausgerüstet.“

Was geistliche Gesundheit heißt, macht Johannes in den nächsten Versen über Gajus deutlich: Denn ich freute mich sehr, als Brüder kamen und von deiner Wahrhaftigkeit Zeugnis ablegten, wie du in der Wahrheit wandelst. Ich habe keine größere Freude als die, zu hören, dass meine Kinder in der Wahrheit wandeln (3. Joh. 3.4). Gajus war nicht nur jemand, der die rechte Lehre vertrat, sich folglich zur Wahrheit bekannte, sondern der darin wandelte.

Wandel in Wahrheit und Liebe

Die Wahrheit des Evangeliums bestimmte sein Leben. Sie war in seinem Leben Wirklichkeit. Das ist wichtig für uns. Die Wahrheit des Evangeliums in uns macht uns geistlich gesund und fit. Christus erniedrigte sich für uns. Er nahm nicht nur Ärger und Schwierigkeiten auf sich, sondern er gab das größte Opfer, um uns zu helfen: Er starb für unsere Sünden am Kreuz. Er gab aus Liebe sein Leben, und er trug den Zorn Gottes. Diese Botschaft kennzeichnete Gajus‘ innere Haltung und sein tatsächliches Leben.

Warum konnte der Apostel Johannes dies so einfach behaupten? Etwa, weil Gajus einmal ein paar Missionaren Unterkunft gewährt hatte? Ja. Aber wie aus diesem Brief hervorgeht, war damit für Gajus viel mehr verbunden als Gästebetten zu beziehen und für ein paar Leute mehr zu kochen. Zunächst waren diese Missionare für Gajus Unbekannte (3Joh. 5). Sie waren Fremde, und auch er hätte genauso misstrauisch sein können wie Diotrephes. Fremde laden wir nicht so schnell in unser Haus ein, selbst wenn es Christen sind, oder?

Halten Sie sich bitte einmal kurz die Menschen vor Augen, die Sie lieben. Diese Leute, die Sie jetzt vor sich sehen, warum lieben Sie sie? Wahrscheinlich sind es Menschen aus Ihrem Familien und Freundeskreis, die auch Sie lieben, und die mit Ihnen in manchen Dingen übereinstimmen, und die Sie möglicherweise sogar unterstützen. Ist auch jemand dabei, den Sie lieben einfach nur wegen des Evangeliums? Um diese Liebe geht es hier. Bitten Sie den Herrn um diese Liebe für fremde Geschwister, für die neuen Besucher Ihrer Gemeinde, für die, die Ihnen unattraktiv, schwierig, vielleicht sogar lästig erscheinen. Jesus gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebhabt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt (Joh. 13,34.35).

Was die Liebe zu diesen fremden Missionaren umso heller strahlen lässt ist, dass ihre Aufnahme Ärger und Schwierigkeiten für Gajus bedeuteten. Diotrephes versuchte nämlich mit aller Macht die Aufnahme dieser Missionare zu verhindern. Er wollte sogar die Leute, die diese Missionare unterstützten, aus der Gemeinde werfen. Hier musste klare Kante gezeigt werden, und man musste sich auf einiges gefasst machen. Es ging dabei richtig zur Sache.

Oftmals haben Christen Scheu vor Auseinandersetzungen, und sie verhalten sich lieber still, um jegliche Unruhe in der Gemeinde zu vermeiden. Auf diese Weise kann das Evangelium in ganzen Gemeinden aus dem Zentrum gerückt werden, sodass man schleichend Irrlehrern erliegt.

Gajus war nicht von dieser Sorte. Er wandelte in der Wahrheit. Jesus sagt: Ich bin die Wahrheit. Gajus wandelte in Christus, das heißt christusgemäß. Für den Apostel und Ältesten Johannes gibt es keine größere Freude (3. Joh. 4).

Auch wenn ich bei Weitem nicht mit Johannes zu vergleichen bin, so bin auch ich Ältester und Pastor einer Gemeinde, und ich kann bestätigen, dass die größte Freude für mich darin besteht, zu sehen, wie das Evangelium das Leben der Gemeindeglieder bestimmt, wie es die innere Einstellung verändert, Demut, Liebe und Treue bewirkt und schließlich zu Taten führt. Welch eine gewaltige Freude ist es, so etwas erleben zu dürfen!

Der Himmel freut sich über jeden Sünder, der zur Umkehr kommt. Aber ein Leben in der Wahrheit, ein christusgemäßes Leben, ist die Bestätigung und die Frucht dieser Umkehr. Bei allen Schwierigkeiten, Anfechtungen und Problemen ist es keineswegs selbstverständlich, dass jemand, der sich anfänglich für das Evangelium begeistert, wirklich dabei bleibt. Und zwar auch dann, wenn er zunächst gern in die Gemeinde kommt, in ihr bleibt und dient, auch wenn er dann feststellt, dass diese Gemeinde voller Sünder ist.

Ich freue mich über jeden, der neu hinzukommt! Doch mit tiefer Freude erfüllen mich jene, die schon jahrelang treu dabei sind, Mitglieder, die zu Mitarbeitern und Leidensgenossen geworden sind. Und Gott freut sich noch viel mehr darüber!

Liebe Geschwister, die Wahrheit, die Johannes in seinen Briefen so betonte, ist kein Gedankenspiel, sondern sie ist eine umfassende Wirklichkeit. Johannes ging es um die Reinheit der Lehre, aber es ging ihm auch um die Übung der Liebe. Gajus nahm die Missionare nicht nur auf, weil er mit ihnen theologisch übereinstimmte, sondern weil er sie aus Liebe unterstützen wollte. Mit seiner Selbstlosigkeit wurde er zum Mitarbeiter ihres selbstlosen Dienstes: Mein Lieber, du handelst treu in dem, was du an den Brüdern tust, auch an den unbekannten, die von deiner Liebe Zeugnis abgelegt haben vor der Gemeinde. Du wirst wohltun, wenn du ihnen Geleit gibst, wie es Gottes würdig ist; denn um seines Namens willen sind sie ausgezogen, ohne von den Heiden etwas anzunehmen. So sind wir nun verpflichtet, solche aufzunehmen, damit wir Mitarbeiter der Wahrheit werden (3Joh. 5-8).

Diese Missionare traten treu für das Evangelium ein, obwohl ihr Dienst aus mehreren Gründen nicht einfach war. Sie hatten einen schwierigen Auftrag: Es ging nicht nur darum, das Evangelium zu verkündigen, sondern in „Problemgemeinden“ die gesunde Lehre zu verteidigen und Irrlehrer zu entlarven. Ärger war also vorprogrammiert. Hätte Johannes in der Gemeinde gefragt, wer wohl diese Aufgabe übernehmen wolle, wären sicher nicht viele Hände in die Höhe geflogen. Einen solchen Dienst will und kann nur jemand ausführen, der ihn aus Liebe zu Christus und zur Gemeinde übernimmt und dann in einer Gemeinde, die in der Gefahr steht, Christus zu verlieren, standhaft die Wahrheit vertritt.

Um Jesu willen

Genau diese Einstellung bestimmte die Diener Gottes, denn um seines Namens willen sind sie ausgezogen, ohne von den Heiden etwas anzunehmen (3. Joh. 7). Damals gab es viele Wanderredner, reisende Weisheitslehrer, die für Geld Reden hielten. Es war das Anliegen der Boten Gottes, nicht mit solchen Leuten verwechselt zu werden. Sie suchten die Redlichkeit und die Selbstlosigkeit ihres Handelns dadurch unter Beweis zu stellen, dass sie kein Geld von Heiden annahmen. Was sie taten, taten sie nicht um ihres Vorteils willen, sondern für Christus.

Johannes schlussfolgert, dass es unsere christliche Pflicht ist, solche Missionare zu unterstützen. Es geht dabei nicht nur um ihr Auskommen, sondern auch um ihr Zeugnis vor den Ungläubigen. Denn was denken die Menschen immer zuerst, gerade wenn sie eine gute Botschaft, die Botschaft der Gnade hören: „Wo ist der Haken?“ „Was will er wirklich?“ „Der will doch irgendwas von mir?“

Der Gründer von Open Doors, Bruder Andrew, schmuggelte viele Jahre Bibeln in Länder hinter den Eisernen Vorhang. In vielen dieser Länder waren Bibeln nicht generell verboten, doch es gab nur sehr wenige, und neue wurden kaum gedruckt. In manchen Gemeinden besaß noch nicht einmal der Pastor eine Bibel. Folglich hatte eine Bibel einen sehr hohen Preis auf dem Schwarzmarkt. Hätten die Grenzsoldaten die versteckten Bibeln im Auto Bruder Andrews entdeckt, hätten sie ihn nicht für seinen missionarischen Dienst eingesperrt, sondern für den Schmuggel und den Verkauf von sehr teurer Schwarzmarktware. Bruder Andrew wollte natürlich die Bibeln verschenken. Doch wer würde ihm das glauben? Für Botschafter des Evangeliums sind Redlichkeit und Selbstlosigkeit entscheidende Faktoren ihres Zeugnisses.

Mitarbeiter der Wahrheit

Auch bei uns geht es nicht nur darum, für eine gute Sache Geld zu geben, sondern durch diesen Dienst selbst zu Mitarbeitern der Wahrheit zu werden. Wir werden auf diese Weise tatsächlich Mitarbeiter in der Mission.

Wie schwierig ist es heutzutage für Missionare, einen treuen Unterstützerkreis zu finden! Wie schleppend geht manches Bibelübersetzungs- oder -verteilprojekt vonstatten, und wie hart ist der Kampf ums Überleben für manch gute christliche Zeitschrift, einfach deswegen, weil die finanzielle Unterstützung durch Christen zurückgeht. Ich glaube, ein Grund dafür ist, dass auftretende Schwierigkeiten Christen von zu großem Engagement abhalten. Schon das Muster der Spendeneingänge vieler christlicher Initiativen vermittelt davon ein eindeutiges Bild: Es sind oftmals einige wenige Spender, die sehr hohe Summen geben und dann noch ein paar weitere, die verhältnismäßig kleinere Beträge überweisen. Von vielen, die diese Initiativen ebenfalls kennen, vielleicht sogar selbst Nutznießer sind (im Falle von kostenloser christlicher Lektüre per Zeitschrift oder Internet) kommt nichts. Sicher, die Gemeinde vor Ort ist präsenter und muss zuerst unterstützt werden. Missionare, Redaktionen und dergleichen sind im Alltag weniger präsent, brauchen aber dennoch unsere Unterstützung.

Doch ist es nicht so, dass unsere Motivation schwindet und die Liebe abkühlt, sobald Schwierigkeiten und Ärger auftreten? Wir alle kennen es, in unserem Elan durch Ärger und Konflikte, durch Enttäuschungen oder gar Verletzungen gehemmt zu sein.

Wenn ein Freund, ein Bruder oder eine Schwester im Glauben Sie enttäuscht hat, dann schlägt sich das in Ihrer Liebe für ihn oder für sie nieder. Wenn eine Gemeinde Sie enttäuscht oder in Schwierigkeiten hineinzieht, dann findet das seinen Niederschlag in Ihrer Liebe zur Gemeinde. Die Frage, die sich uns dann stellt, lautet: Lohnen sich weitere Anstrengungen angesichts des Ärgers und der Schwierigkeiten? Johannes antwortet: Ja. Denn es geht um viel mehr! Es geht um die Wahrheit! Es geht um das Evangelium! Es geht um Christus! Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Gajus ist uns ein wunderbares Vorbild. Er hat sich mit Sicherheit schon den ersten Brief von Johannes zu Herzen genommen: Wer aber die Güter dieser Welt hat und seinen Bruder Not leiden sieht und sein Herz vor ihm verschließt — wie bleibt die Liebe Gottes in ihm? Meine Kinder, lasst uns nicht mit Worten lieben noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit! (1Joh. 3,17.18).

In diesem Sinne ermutigt der Apostel den Gajus, die herumreisenden Brüder weiterhin nicht nur aufzunehmen, sondern auch bei ihrer Weiterreise zu geleiten: Du wirst wohltun, wenn du ihnen ein Geleit gibst, wie es Gottes würdig ist (3Joh. 6b). Das griechische Wort für Geleit geben bedeutet mehr, als jemandem bis zum Ortsausgang zu begleiten und ein paar Butterbrote mit auf den Weg zu geben. Paulus bittet die Gemeinde in Rom, ihm Geleit für seine weitere Missionsreise bis nach Spanien zu geben (Röm. 15,24). Es geht darum, den Missionar mit allem Nötigen auszustatten, damit er eben nicht von den Heiden, von der Wohlfahrt oder sogar von der Bettelei abhängig ist, sondern seinen Dienst, wie es Gottes würdig ist, tun und davon leben kann.

Gastfreundschaft und Opferbereitschaft

So stellt Johannes uns Gajus in zwei praktischen Bereichen als Vorbild für das Wandeln in der Wahrheit vor Augen. Erstens ist es seine Gastfreundschaft, sein offenes Haus für Geschwister im Glauben, sogar für Fremde und seine Herzlichkeit ihnen gegenüber. Diese direkte Verbindung zwischen brüderlicher Liebe und Gastfreundschaft bestätigen auch die anderen neutestamentlichen Schreiber: In der Bruderliebe seid herzlich gegeneinander; … Nehmt Anteil an den Nöten der Heiligen, übt willig Gastfreundschaft! (Röm. 12,10.13). Bleibt fest in der brüderlichen Liebe! Vernachlässigt nicht die Gastfreundschaft; denn durch sie haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt (Hebr. 13,1.2). Vor allem aber habt eine innige Liebe untereinander; denn die Liebe wird eine Menge von Sünden zudecken. Seid gegeneinander gastfreundlich ohne Murren! (1Petr. 4,8.9). Der zweite praktische Bereich ist Gajus‘ Opferbereitschaft, wenn es um sein Engagement für die Verkündigung und Verteidigung der Wahrheit geht. Sein Ruf, seine Ruhe und nicht zuletzt sein Geld, waren Opfer, die er aus Liebe brachte. Auch wir sollten wo und wie es uns möglich ist, der Wahrheit und damit dem Evangelium dienen. Oftmals können wir das „nur“ durch finanzielle Unterstützung, da wir an unseren Wohn- und Arbeitsort gebunden sind.

Ärger für das Evangelium machen – Diotrephes

Diotrephes war nicht nur ein Miesepeter, der etwas gegen Johannes und seine Mitarbeiter hatte. Er war in seiner Kriegsführung außerordentlich rigoros. Er machte mit seinem Einfluss großen Ärger: Ich habe der Gemeinde geschrieben; aber Diotrephes, der bei ihnen der Erste sein möchte, nimmt uns nicht an. Darum will ich ihm, wenn ich komme, seine Werke vorhalten, die er tut, indem er uns mit bösen Worten verleumdet; und damit nicht genug, er selbst nimmt die Brüder nicht auf und verwehrt es auch denen, die es tun wollen, und stößt sie aus der Gemeinde hinaus (3Joh. 9.10). Diotrephes lehnte nicht nur die Briefe und damit auch die Autorität des Apostels Johannes ab, er verleumdete ihn sogar mit bösen Worten.

Üble Nachrede

Wörtlich heißt es, dass er unsinniges, böses Zeug redete. Er redete schlecht über Johannes ohne wirkliche Argumente zu haben. Seine Aussagen waren unsachlich, substanzlos. Wir kennen das aus der Politik. Wenn es Auseinandersetzungen gibt und gute Argumente fehlen, wird man ausfällig. Diotrephes nahm auch die Missionare nicht nur nicht auf, sondern er wollte sogar mit aller Macht verhindern, dass irgendein anderer ihnen Gastfreundschaft gewährte.

Herrschsucht

Vielleicht war Diotrephes ein Ältester. Aber auf jeden Fall wollte er alleiniger Chef sein und den Ton angeben. Er wollte der Erste sein. Es wird nicht klar, in wie weit es Diotrephes überhaupt um Lehrfragen ging, oder lediglich um seine eigene Position, seinen Einfluss und seine Macht, um die er fürchtete.

Interessant ist jedenfalls, dass Johannes nichts an Diotrephes‘ Lehre kritisiert. Aber sein Verhalten spricht Bände, und so kommt Johannes, wie schon in seinem ersten Brief, zu seiner sehr klaren Bewertung: Wer Gutes tut, der ist aus Gott; wer aber Böses tut, der hat Gott nicht gesehen (3Joh. 11b). Diotrephes kannte vielleicht die Wahrheit, aber er wandelte nicht in ihr. Er kannte Christus, aber er wandelte nicht in Christus. Und wer nicht in Christus ist und Christus nicht in ihm ist, der hat Gott nicht gesehen.

Fehlende Liebe

So wie Gajus scheute wohl auch Diotrephes keine Auseinandersetzung. Er scheute keinen Streit. Das Gegenteil ist der Fall: Er verursachte sogar den Ärger, denn er handelte ohne Liebe. Er zeigte sich hart, unnachgiebig und machthungrig.

Es ist ein großer Unterschied, ob ich aus Liebe zur Wahrheit, zu Christus und zur Gemeinde Ärger und Schwierigkeiten auf mich nehme oder ob ich ausmangelnder Liebe vor Ärger und Kampf nicht zurückschrecke: Und wenn ich Weissagung hätte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis, und wenn ich allen Glauben besäße, sodass ich Berge versetzte, aber keine Liebe hätte, so wäre ich nichts (1Kor. 13,2).

Schlussfolgerung

Gajus sollte sich auf keinen Fall vom Misstrauen und erst recht nicht vom Egoismus des Diotrephes infizieren lassen. Gerade Egoismus und Misstrauen sind sehr ansteckend für jeden von uns. Mein Lieber, ahme nicht das Böse nach, sondern das Gute! (3Joh. 11a). Das heißt praktisch, dass Gajus weiterhin aufopferungsvoll Missionare unterstützen sollte, die für die Wahrheit eintraten und in ihr wandelten, wie zum Beispiel für Demetrius: Dem Demetrius wird von allen und von der Wahrheit selbst ein gutes Zeugnis ausgestellt; auch wir geben Zeugnis dafür, und ihr wisst, dass unser Zeugnis wahr ist (3Joh. 12).

Hier endet der Brief. Er ist sehr kurz. Der Umfang ist ein einziger Briefbogen. Man fragt sich vielleicht, wie es ein so kleiner Brief überhaupt in die Bibel geschafft hat. Johannes bemerkt ja selbst, dass es noch sehr viel zu schreiben gebe. Aber er zieht es vor, persönlich zu kommen: Ich hätte vieles zu schreiben; aber ich will dir nicht mit Tinte und Feder schreiben. Ich hoffe aber, dich bald zu sehen, und dann wollen wir mündlich miteinander reden. Friede sei mit dir! Es grüßen dich die Freunde. Grüße die Freunde mit Namen! (3Joh. 13-15). Johannes geht es um den ganz persönlichen Zuspruch. Gajus soll jeden einzelnen Freund besonders von Johannes grüßen. Noch einmal wird deutlich, wie wichtig es ist, dass Christen einander beistehen, einander besuchen, aufnehmen und persönlichen Austausch pflegen. Das brauchten Gajus, Demetrius, Johannes, und das benötigen wir alle, die wir in der Wahrheit wandeln wollen: Gemeinsam über die Schwierigkeiten sprechen, und dann einander helfen und die Probleme im Licht des Evangeliums einordnen und einander die Vergebung und den Trost Christi zusprechen. So wie es Johannes auch in diesem Brief im letzten Vers macht: Friede sei mit dir (3Joh. 15). Angesichts dieses Briefes und des Ärgers und der Auseinandersetzungen in der Gemeinde, in denen es um nicht weniger ging als für oder gegen das Evangelium zu sein, wird offenbar, dass Johannes hier nicht eine leere Grußfloskel schreibt.

Diejenigen, die für die Wahrheit eintreten, die trotz Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen an der Liebe zu Christus und den Geschwistern festhalten, vor allem zu denen, die im Dienst in der Mission stehen, werden wahren Frieden empfangen. Es ist der Friede Gottes aufgrund Jesu stellvertretendem Opfertod für unsere Sünden (vergleiche dazu Joh. 14,27ff). Dieser Friede wird mit uns sein und nicht von uns weichen. Mögen wir vielleicht unseren „guten“ Ruf und unsere Ruhe verlieren. Mögen wir manchen Unfrieden mit anderen Menschen erfahren und Ärger und Schwierigkeiten in Kauf nehmen müssen, weil wir für die Wahrheit eintreten: Diesen Frieden kann uns niemand nehmen, und nur dieser Friede zählt.

Fragen zum Weiterdenken:

  • Gibt es Bereiche, in denen Ihre Liebe erkaltet ist, weil Sie von der Gemeinde enttäuscht wurden?
  • Überlegen Sie bitte, wo Sie konkret Verkündiger der Wahrheit in ihrem Dienst unterstützen können.