Begleitende Gemeinden – Gemeinde und Gemeindegründung (TEIL 6)

Begleitende Gemeinden – Gemeinde und Gemeindegründung (TEIL 6)

Eine Gemeinde zu gründen, ist ein herausforderndes Projekt. Es ist nicht nur mit viel Arbeit verbunden, sondern es ruft auch den Teufel auf den Plan, der nichts unversucht lassen wird, die Gründung von biblischen Gemeinden zu verhindern. Wo Gemeinde ist bzw. gegründet werden soll, da sind auch die Pforten der Hölle nicht weit (Mt 16,18). Jesus hat uns versprochen, dass er souverän seine Gemeinde bauen wird, aber er hat uns gleichzeitig den Auftrag gegeben, diese Aufgabe verantwortlich nach biblischen Prinzipien und mit biblischer Weisheit anzugehen.

Wie kommt es zu einer Gemeindegründung?

Manchmal beschließt eine bestehende Gemeinde, dass sie eine Gruppe von Mitgliedern in der Gegend aussendet, um eine neue Gemeinde zu gründen. Es kommt zu einer „freundschaftlichen Spaltung“. Manchmal ist es auch so, dass ein Gemeindegründer von einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband in eine weiter entfernt liegende Gegend ausgesandt wird. Sein erstes Ziel ist es, vor Ort einige Mitstreiter zu finden (zunächst in der Form eines Hauskreises), mit denen er dann das Kernteam der Gemeindegründung bildet. Die dritte Möglichkeit ist, dass sich ein Hauskreis bildet, ohne dass zunächst eine Ortsgemeinde dahintersteht. Oft hat sich so eine Gruppe aus theologischen Gründen von einer bestehenden Gemeinde getrennt, weil die Ursprungsgemeinde biblische Prinzipien aufgegeben hat.

In den ersten beiden Fällen gibt es bereits eine Muttergemeinde, die die Betreuung übernimmt, im dritten Fall zunächst nicht. Deswegen ist es gerade für Hauskreise, die unabhängig von einer Muttergemeinde entstanden sind, nötig, dass sie sich schnell nach Begleitung umschauen.

Fast unmöglich wird nämlich das Vorhaben, wenn man Gemeindegründung ohne Unterstützung anderer angeht. Die pastoralen, theologischen und strukturellen Herausforderungen sind einfach zu groß, um eine Gemeindegründung im ‚luftleeren‘ Raum zu beginnen. Von daher ist es unverzichtbar, dass eine etablierte Gemeinde die Rolle der Muttergemeinde übernimmt, um die Gemeindegründung in vielfältiger Weise zu unterstützen.

Außerdem braucht eine Gemeindegründung auf Dauer mindestens einen Gemeindegründer. Das ist jemand, der entweder Ältester/Pastor ist oder zumindest die Eignung dazu mitbringt und dieses Amt anstrebt. Außerdem ist es empfehlenswert, dass diese Person zumindest für eine gewisse Wochenstundenzahl für ihre Aufgabe freigestellt ist. Sollte es nicht zumindest einen solchen Gemeindegründer geben, ist von einer Gemeindegründung abzuraten.

Natürlich ist es sogar besser, wenn es gleich mehrere Männer gibt, die gemäß den oben genannten Kriterien als Gemeindegründer tätig sind (beispielsweise, indem einer Teilzeit oder sogar Vollzeit tätig ist, während die anderen ihn ehrenamtlich unterstützen).

Warum ist Begleitung entscheidend?

Eine Gemeindegründung ist mit vielen Herausforderungen verbunden, die im engeren Sinn mit Fragen des Gemeindebaus zu tun haben. Gerade, wenn nicht von Anfang an eine Muttergemeinde hinter der Gemeindegründung steht, müssen folgende Fragen ziemlich bald beantwortet werden:

  • Welches Bekenntnis / welche Glaubensgrundlagen nehmen wir als Gemeinde?
  • Welche Gemeindeordnung geben wir uns als Gemeinde?
  • Wie gehen wir mit pastoralen und seelsorgerlichen Herausforderungen um?
  • Wem gegenüber ist der Gemeindegründer rechenschaftspflichtig? Wie stellt man sicher, dass es in der Gemeindegründung keinen Machtmissbrauch gibt (gerade, wenn es anfangs nur einen Gemeindegründer gibt)?
  • Welchen Ältesten sind die Mitglieder gegenüber verantwortlich (auch hier vor allem dann, wenn es nur einen Gemeindegründer gibt)?
  • Mit wem hat der Gemeindegründer geistliche und persönliche Gemeinschaft, um sich regelmäßig über die Herausforderungen des Dienstes auszutauschen?
  • Wie regelt man notwendige Dinge praktisch (z.B. das Reinigen der Gemeinderäume)?

Viele Gemeinden, die sich ohne Muttergemeinde (d.h. auch ohne festes Bekenntnis und ohne eine bewährte Gemeindeordnung) gründen, bekommen Probleme: So entsteht Streit. Alle wissen zwar, wogegen sie sind (z.B. die Missstände in der alten Gemeinde), aber sie sind sich uneinig, wofür sie sind. Schon bei der Gründung kommt es so zu Spaltungen. Von daher sollte jede Gemeindegründung, die nicht von einer anderen Gemeinde ausgeht, spätestens nach einigen Monaten Treffen als Hauskreis die Frage stellen, wie eine konkrete Begleitung aussehen kann.

Begleitung – aber durch wen?

Die eine Möglichkeit ist es, die Gemeindegründung in Zusammenarbeit mit einem Missionswerk bzw. Netzwerk zu starten, das auf Gemeindegründung ausgerichtet ist.[1] Der Vorteil ist, dass sich diese Organisationen auf Gemeindegründung spezialisiert haben. Bei vielen praktischen Fragen bringen sie Erfahrungen und bestehende Strukturen mit. Auch beantworten sie gezielt Fragen und Herausforderungen einer Gemeindegründung durch Bücher, Medien und Konferenzen.

Dennoch hat eine Gemeindegründung (ausschließlich) mit einem solchen Netzwerk auch klare Nachteile. Denn auch wenn die in der Fußnote erstgenannten Organisationen eine gewisse reformatorische Prägung haben, sind sie doch überkonfessionell ausgerichtet. Sie können bei vielen praktischen Fragen hilfreich sein, aber gerade bei Fragen des Bekenntnisses oder der Gemeindeordnung/-struktur wird es dort keine eindeutigen Antworten geben.

Der zweite Nachteil ist die Tatsache, dass es sich bei solchen Organisationen nicht um eine Gemeinde handelt. Es ist zwar nicht falsch, christliche Organisationen neben der Gemeinde zu gründen, die in verschiedenen Formen der Gemeinde dienen (Christliche Schulen, Verlage, theologische Seminare…). Aber die Gemeinde ist die Grundfeste und der Pfeiler der Wahrheit (1Tim 3,15). Sie hat die Aufgabe zur Verkündigung, zu Mission und Evangelisation und – zur Gründung neuer Gemeinden.

Deswegen sollte gerade Gemeindegründung immer von einer konkreten Gemeinde oder einem Gemeindeverband[2] begleitet werden. Diese Gemeinde(n) sollte(n) die Rolle der Muttergemeinde übernehmen und die entstehende Gemeinde theologisch und praktisch anleiten und unterstützen, bis die „Tochter“ erwachsen ist und auf eigenen Beinen steht. Natürlich ist die Weisheit von solchen Organisationen hilfreich, die sich konkret mit Gemeindegründung beschäftigen. Von daher schließt das Vorhandensein einer Muttergemeinde nicht die Zusammenarbeit mit Missionswerken/ Netzwerken aus. Dennoch muss man sich die Frage stellen, inwieweit das eigene Bekenntnis und das Gemeindeverständnis mit dem Verständnis der Organisation zusammenpasst.

Bevor es darum geht, welche Aufgaben eine Muttergemeinde übernehmen soll, wollen wir uns die Frage stellen nach der biblischen Lehre über das Verhältnis unterschiedlicher Ortsgemeinden untereinander.

Theologische Sichtweisen zur Leitung und zum Miteinander verschiedener Ortsgemeinden

Wie soll eine Gemeinde biblisch geleitet werden? Und in welcher Beziehung stehen verschiedene Ortsgemeinden zueinander? Bei beiden Fragen kommen Christen zu unterschiedlichen Antworten. Heute sind es drei Begriffe, mit denen man die drei gängigen theologischen Ansichten zu diesem Thema zusammenfasst.[3]

Das episkopale Verständnis betont die Einheit der sichtbaren Kirche als Gemeinschaft vieler Ortsgemeinden. Die einzelne Ortsgemeinde steht dabei weniger im Fokus. An der Spitze einer Ortsgemeinde steht ein Mann, der die höchste Autorität in der Gemeinde hat (häufig Priester genannt). Daneben gibt es oft auch weitere Älteste, die dem einen Leiter aber untergeordnet sind. Über den Gemeinden stehen weitere Verantwortungsträger, die über eine gewisse Zahl von Gemeinden gesetzt sind. Mehrere dieser überregionalen Leiter (häufig Bischof genannt) haben dann wiederum einen noch übergeordneten Verantwortlichen (häufig Erzbischof genannt). Dieses Verständnis ist in seiner ausgeprägtesten Form in der römisch-katholischen Kirche und in den orthodoxen Kirchen zu finden.

In der Reformationszeit wiesen viele Theologen darauf hin, dass dieses System nicht in der Bibel zu finden sei, sondern sich erst in der Zeit nach Abschluss der neutestamentlichen Kanons herausgebildet habe. Sie vertraten von daher das presbyteriale Verständnis von Gemeindeleitung. Dabei sind die einzelnen Ortsgemeinden eigenständig und werden von einer Gruppe gleichberechtigter Ältester/Pastoren geleitet, die der Gemeindeversammlung regelmäßig Rechenschaft ablegen und sie bei wichtigen Fragen mitentscheiden lassen. Gleichzeitig sind die einzelnen Ortsgemeinden nicht unabhängig, sondern in einer Kirche/einem Kirchenverband mit gemeinsamem Bekenntnis und gemeinsamer Gemeindeordnung zusammengeschlossen. Es gibt regelmäßige überregionale Treffen der Ältesten aus den Ortsgemeinden (sogenannte Synoden). Deren Entscheidungen sind für alle Gemeinden verbindlich, ohne dass es jedoch Verantwortungsträger gibt, die von ihrem Amt her über andere Ortsgemeinden gestellt sind. Die meisten reformierten Kirchen funktionieren nach diesem Modell.

Einige Zeit später gingen andere Theologen noch weiter mit ihrer Kritik am episkopalen System und betonten die Unabhängigkeit jeder Ortsgemeinde. Dies bezeichnet man als das kongregationalistische Modell. Die Leitung der Ortsgemeinde liegt bei der Gemeindeversammlung und bei den von ihr berufenen Ältesten. Deutlich mehr Entscheidungen als in den anderen beiden Modellen werden nicht (allein) von der Gemeindeleitung, sondern von der gesamten Gemeindeversammlung übernommen. Überregionale Treffen von Ortsgemeinden sind möglich, haben aber keine Autorität über andere Ortsgemeinden. Vor allem Baptisten und weitere klassische Freikirchen haben diese Struktur.

Welches Modell ist biblisch?

Die drei genannten Begriffe sind hilfreich, um Gemeindestrukturen grob einzuordnen. Dennoch gibt es innerhalb der drei Modelle viele Variationen und auch Mischformen zwischen den Modellen. So besteht die Struktur der Anglikanischen Kirche und vieler lutherischer Kirchen aus episkopalen und presbyterialen Elementen. Auf der anderen Seite gibt es viele Freikirchen, die auf der Ebene der Ortsgemeinde eher presbyterial funktionieren, während sie übergemeindlich die Unabhängigkeit der Ortsgemeinde hochhalten (kongregationalistisch).

Die Herausforderung bei der Beantwortung dieser Frage ist, dass wir im Neuen Testament keinen Abschnitt finden, der uns systematisch vermittelt, wie genau die Struktur einer Ortsgemeinde und das Miteinander von Ortsgemeinden funktioniert. Wir müssen es vielmehr aus den Berichten der Apostelgeschichte und den Anweisungen in den Briefen (v. a. den Pastoralbriefen) rückschließen.

Auf dieser Grundlage halte ich eine Form der Gemeindestruktur, die sich im Rahmen des presbyterialen Modells bewegt, für die biblische.

  • Es betont einerseits die Tatsache, dass jede Ortsgemeinde für sich bereits Leib Christi ist (Röm 12,3-5; 1Kor 12,12.13).
  • Andererseits strebt es danach, durch einen festen Kirchen-/Gemeindeverband der Tatsache Rechnung zu tragen, dass auch die weltweite sichtbare Kirche eine ist (Eph 5,25; Kol 1,18) und dass auch ganze Gemeindeleitungen irren können.
  • Es gibt in jeder Ortsgemeinde mindestens zwei Älteste, um die gegenseitige Unterstützung, Ergänzung und Korrektur zu ermöglichen.[4]
  • Die Leitung der Gemeinde liegt eindeutig bei den Ältesten als Hirten der Gemeinde (Hebr 13,17; 1Pt 5,2). Dennoch wird die Gemeinde aufgrund des allgemeinen Priestertums (1Pt 2,9) in wichtige Entscheidungen mit einbezogen (Bestätigung der Ältesten / des Pastors, Kauf einer Immobilie…) (Apg 15,22).
  • Die gleiche Funktion hat die überregionale Synode. Steht eine Gemeinde vor Herausforderungen, haben die anderen Gemeinden das Recht und die Pflicht, die Gemeinde – je nach Situation – zu stärken, zu ermutigen, zu ermahnen oder zu korrigieren (Apg 15,1-35).
  • Gleichzeitig gibt es seit dem Ende der Apostel keine Amtsträger mehr, die anderen oder mehreren Ortsgemeinden übergeordnet sind.

Übertragen auf das Thema Gemeindegründung bedeutet das, dass das Ziel der Gemeindegründung eine eigenständige Ortsgemeinde mit mehreren Ältesten ist, die jedoch auch nach ihrer Eigenständigkeit mit ihrer Muttergemeinde und weiteren Gemeinden verbindlich verbunden bleibt. Das hat den Vorteil, dass sich nicht nur Gemeindegründungen, sondern auch etablierte Gemeinden gegenseitig begleiten.

Selbst wenn man jedoch ein anderes Gemeindeleitungsmodell als das presbyteriale für das biblische hält, ist die Begleitung durch eine Muttergemeinde unverzichtbar. Anders formuliert: Die Frage der Gemeindeleitungsstruktur hat wenig bis keinen Einfluss auf die Frage nach der Anbindung einer Gemeindegründung an eine bestehende Gemeinde. Ich weiß von mehreren biblischen Gemeinden in Deutschland, die bei einer Gemeindegründung sehr ähnlich vorgehen bzw. vorgegangen sind, wie es in diesem Artikel dargestellt wird. Sie gehen diesen Weg, obwohl sie stärker die Unabhängigkeit der Ortsgemeinde sehen, als es im presbyterialen Modell der Fall ist.

Die Frage nach dem biblischen Modell sollte sich jede Gemeinde stellen, gerade wenn man überlegt, wie verbindlich Mutter und Tochter nach der erfolgten Eigenständigkeit der Tochter miteinander verbunden bleiben. Bis dahin ist aber – unabhängig vom vertretenen Modell – die enge Begleitung durch eine Muttergemeinde unbedingt nötig.

Was bedeutet Begleitung konkret?

(1) Der Gemeindegründer ist/wird Ältester/Pastor in der Muttergemeinde und wird von dort für seine Arbeit ausgesandt. Er bleibt aber Teil der Ältestenschaft der Muttergemeinde, so dass er auch regelmäßig an den dortigen Ältestensitzungen teilnimmt. Ist die Gemeindegründung weiter von der Muttergemeinde entfernt, kann er digital teilnehmen. Auf diese Weise ist der Gemeindegründer nicht allein. Er selbst hat Ansprechpartner, um pastorale und praktische Fragen zu besprechen. Es besteht auch nicht die Gefahr, dass der Gemeindegründer zum „Alleinherrscher“ der entstehenden Gemeinde wird. Von Anfang an wird so das biblische Prinzip mehrerer Ältester in die Praxis umgesetzt. Natürlich werden die Ältesten der Muttergemeinde die Mitglieder der Gemeindegründung nicht alle so gut kennen wie die Mitglieder der eigenen Gemeinde. Und doch ist es gerade in herausfordernden Situationen hilfreich, dass es mehrere Älteste gibt. Um sich gegenseitig zu entlasten, ist es auch gut möglich, dass der Gemeindegründer und der Pastor der Muttergemeinde regelmäßig einen Kanzeltausch durchführen. So wird die für die Predigtvorbereitung wegfallende Zeit frei für andere Aufgaben. Der Pastor lernt dadurch die Gemeindegründung auch persönlich kennen und die Muttergemeinde hält den Kontakt zu dem ausgesandten Gemeindegründer.

(2) Die Gemeindegründung übernimmt das Bekenntnis und die Gemeindeordnung der Muttergemeinde. In den meisten Fällen ist es so, dass die Glaubensgrundlage und die Ordnungen der Muttergemeinde sich über Jahre bewährt haben. Man muss das Rad nicht neu erfinden. Als Ältester/Pastor der Muttergemeinde hat der Gemeindegründer den Grundlagen der Muttergemeinde zugestimmt und nimmt diese Grundlagen mit in die Gemeindegründung.

Dieses Vorgehen verhindert auch Streit innerhalb der Gemeindegründung. Wenn ein Gemeindegründer ohne Bekenntnis einen Hauskreis startet und eine Kerngruppe sich findet, dann kommt das Thema irgendwann später auf den Tisch. Wenn dann jeder in der Kerngruppe mitreden darf, welches Bekenntnis man nimmt, oder welche Ordnungen gelten, ist die Gefahr des Unfriedens sehr groß. Von daher sollte man auf jeden Fall von Anfang an auf ein Bekenntnis und eine Ordnung hin sammeln und sehr transparent sein, was man glaubt und was man nicht glaubt.

(3) Einige Mitglieder der Muttergemeinde bilden gemeinsam mit dem Gemeindegründer das Kernteam der Gemeindegründung. Das geht natürlich nicht in jedem Fall. Vor allem ist das gut möglich, wenn die Gemeindegründung in geographischer Nähe zur Muttergemeinde gegründet wird. Aber selbst, wenn die Entfernung größer ist, sollte man zumindest fragen, ob sich neben dem Gemeindegründer vielleicht auch andere (gestandene) Mitglieder einen Umzug vorstellen können, um die Gemeindegründung zu unterstützen. Reife Mitglieder der Muttergemeinde haben den Vorteil, dass sie die theologischen Grundlagen und Ordnungen bereits kennen und sich im Dienst bewährt haben. Gerade Gemeindegründungen ziehen anfangs auch viele Leute an, die viel seelsorgerliche Begleitung brauchen. Da ist es wichtig, dass die Last auf mehrere Schultern verteilt werden kann.

(4) Die Mitglieder der Gemeindegründung sind zunächst Mitglieder der Muttergemeinde. Das gilt so lange, bis die Gemeindegründung auf eigenen Beinen steht und eine eigenständige Gemeinde ist. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Mitglieder nicht nur einem Ältesten, sondern mehreren Ältesten zugeordnet sind. Auch sind die Mitglieder auf diese Weise Teil einer ordentlichen Gemeinde. Der Pastor und die Ältesten der Muttergemeinde unterstützen den Gemeindegründer bei den Mitgliedschaftskursen/-gesprächen. [5]

(5) Die Gemeindegründung kann auf zahlreiche Ressourcen der Muttergemeinde zurückgreifen. Zunächst kann die Gemeindegründung den Förderverein der Muttergemeinde mit nutzen (s. Teil 5 der Serie in BK 92, S.21-26) und so von Anfang an beispielsweise Mietverträge abschließen, ohne direkt einen eigenen Verein gründen zu müssen. Die Mitglieder der Gemeindegründung können an Familien- oder Jugendfreizeiten teilnehmen, die von der Muttergemeinde organisiert werden. Es kann auch die bereits vorhandene Website der Muttergemeinde strukturell übernommen und für die Gemeindegründung angepasst werden.

Andere Formen der Zusammenarbeit kommen in Frage, wenn die Gemeindegründung in geographischer Nähe zur Muttergemeinde liegt: In diesem Fall könnte die Jugendarbeit zunächst weiter bei der Muttergemeinde liegen, bis genügend Kinder/Jugendliche da sind, um selbst eigene Gruppen zu bilden.

(6) Die Muttergemeinde unterstützt die Gemeindegründung finanziell. Geld sollte nicht das zentrale Thema bei einer Gemeindegründung sein. Klar ist aber auch: Ohne finanzielle Unterstützung ist eine Gemeindegründung nicht möglich. Die beiden größten Posten sind das Gehalt des Gemeindegründers und die Miete für Gottesdiensträume. Von daher verpflichtet sich eine Muttergemeinde, die Gemeindegründung auch finanziell zu unterstützen. Im deutschsprachigen Raum werden die wenigsten Gemeinden es leisten können, diese Kosten von Anfang an alleine zu übernehmen. Von daher ist es gerade hier ratsam, weitere Gemeinden (idealerweise aus demselben Gemeindeverband) mit ins Boot zu holen.

Wann kann man die Gemeinde in die Eigenständigkeit entlassen?

Das Ziel jeder Gemeindegründung ist es, irgendwann auf eigenen Beinen zu stehen. Dazu müssen aber einige Bedingungen erfüllt werden:

Zum einen sollte es in der Gemeindegründung neben dem Gemeindegründer mindestens einen weiteren Ältesten geben (besser sogar zwei), so dass die Gemeinde von mehreren Ältesten geleitet wird. Zum zweiten sollte die Gemeinde eine gewisse finanzielle Eigenständigkeit mitbringen. Das bedeutet nicht, dass sie sämtliche Ausgaben für den Pastor und die Räume selbst aufbringen muss. Dennoch sollte zumindest ein ordentlicher Teil ihres Budgets von den eigenen Mitgliedern kommen. Das führt zur dritten Voraussetzung: Die Gemeindegründung sollte etwa zwischen 15 und 20 erwachsene Mitglieder haben, die die Gemeinde durch ihre Mitarbeit und ihre finanzielle Unterstützung mittragen.

Eigenständigkeit bedeutet natürlich nicht, dass die Tochtergemeinde danach völlig ohne Rat und Begleitung bleibt. Gerade im presbyterialen System ist der Vorteil (wie oben dargestellt), dass „Mutter“ und „Tochter“ nach der Unabhängigkeit weiter verbunden bleiben und sich regelmäßig treffen. Aber auch dann, wenn es keine übergeordnete Struktur gibt, sollte die Muttergemeinde weiter als Beraterin zur Verfügung stehen. In diesem Fall könnte man beispielsweise regelmäßige Treffen der Ältesten beider Gemeinden organisieren.

Jeder Christ ist selbst für sein Leben vor Gott verantwortlich. Dennoch hat Gott jeden Christen in eine Gemeinschaft mit anderen Christen zur gegenseitigen Ermutigung und Ermahnung gestellt. Ähnlich ist es mit der Gemeinde. Jede Ortsgemeinde ist für sich Leib Christi. Und doch hat Gott auch sie in eine Gemeinschaft mit weiteren Gemeinden gestellt. Das sollten wir nutzen – nicht nur, aber gerade beim Gründen neuer Gemeinden.

Jochen Klautke ist Pastor der Bekennenden Evangelisch-Reformierten Gemeinde in Gießen und Dozent an der Akademie für Reformatorische Theologie. Daneben gehört er zur Leitung des Jugendnetzwerks Josia. Er ist verheiratet mit Natalie und Vater von zwei Kindern.


[1] Beispiele für den deutschsprachigen Raum sind: Acts 29, AntiochiaTeams, City to City, Deutsche Inland-Mission oder die Konferenz für Gemeindegründung.

[2] Von daher kann es auch mehrere Muttergemeinden geben. Trotzdem ist es hilfreich, dass eine Gemeinde (oder evtl. zwei) konkret Verantwortung übernehmen.

[3] Eine hilfreiche Übersicht in deutscher Sprache findet sich bei Wayne Grudem: Biblische Dogmatik: Eine Einführung in die Systematische Theologie, übers. Volker Jordan, Bd. 29, Theologisches Lehr- und Studienmaterial des Martin Bucer Seminars. Bonn; Hamburg [VKW; arche-medien] 2013, S. 1024–1039.

[4] Das Neue Testament spricht von Gemeindeleitern fast immer in der Mehrzahl (z.B.: Apg 14,23; 20,21; Tit 1,5; Hebr 13,17; 1Pt 5,1).

[5] Zu Beginn dieses Artikels wurde auch der Fall dargestellt, dass eine Gemeindegründung unabhängig von einer Muttergemeinde als Hauskreis beginnt. In diesem Fall ist jedoch das wichtig, was bereits oben gesagt wurde: Möglichst schnell sollte sich ein solcher Hauskreis eine Muttergemeinde suchen und sich auch nach mindestens einem Gemeindegründer (aus den eigenen Reihen oder von außen) umschauen. Sobald eine Muttergemeinde gefunden ist, sollten die Mitglieder des Hauskreises Teil der Muttergemeinde werden. Der Gemeindegründer sollte zum Ältesten bzw. Pastor in der Muttergemeinde berufen und ausgesandt werden. Und das Bekenntnis sowie die Gemeindeordnung der Muttergemeinde sollten von der Gemeindegründung übernommen werden.