Augustinus: Die Vorherbestimmung der Heiligen

Augustinus: Die Vorherbestimmung der Heiligen

Der erste Kontakt, den heute viele junge Christen mit der Erwählungslehre haben, entsteht über namhafte Prediger aus den USA. Daran ist erst einmal nichts auszusetzen. Die Möglichkeiten des Internets und der Reichtum an Literatur über dieses Thema, der bereits auf Deutsch verfügbar ist, sollten dankbar angenommen und ausgeschöpft werden. Aber das sollte niemanden davon abhalten, tiefer zu schürfen, indem man sich an historische Quellen heranwagt, an die Riesen, auf deren Schultern heutige calvinistische Lehrer stehen. Dazu gehören Calvin mit seiner Institutio, Luthers Vom unfreien Willen und Augustinus’ Die Vorherbestimmung der Heiligen.

Augustinus verfasste dieses Büchlein im Jahr 429 gegen die (semi)pelagianische Irrlehre. Pelagius bestritt, dass durch die Erbsünde Menschen von ihrer Natur her Sünder sind und ganz und gar unfähig, das Gute zu wollen oder zu tun. Was Gott gebietet, müsse der Mensch auch umsetzen können. Obwohl Pelagius bereits einige Jahre tot war, hatten sich seine Lehren weit verbreitet, sodass auch Jahre später Augustinus noch mit dem Kampf um die Wahrheit beschäftigt war. In dieser Schrift verteidigt Augustinus die freie Gnade Gottes. Gott ist es, der den Glauben schenken muss. Und er schenkt ihn denen, die er in Ewigkeit dazu vorherbestimmt hat aus seiner freien, liebenden Gnade heraus, nicht weil er im Menschen irgendetwas gesehen hätte, das ihn gnädig stimmen könnte. Von der Erwählung in Ewigkeit über das Schaffen des Glaubens im Menschen in der Zeit bis zum Bewirken des Wollens und Vollbringens guter Werke in der Heiligung – Augustinus verteidigt die gesamte Bandbreite souveräner Gnade und entreißt jeglichem Verdienst- und Würdigkeitsdenken den Boden. Er beschreibt auch, wie er persönlich Klarheit in dieser Hinsicht erlangt hat.

Dieses Buch ist keine leichte Kost. Sowohl sprachlich und als auch inhaltlich ist es sehr herausfordernd. Auch wenn man mit den Gnadenlehren bereits gut vertraut ist, wird man viel zu verdauen haben, wenn man eine Schrift aus dem fünften Jahrhundert von einem Denker von der Größe eines Augustinus liest. Ohne zu übertreiben kann man sagen, dass die Lektüre des Buches nicht nur theologisch schult, sondern auch darin, anspruchsvollen logischen Gedankenführungen zu folgen. Für jeden, der beim Thema Gnade und Erwählung tiefer einsteigen möchte, ist dieses Buch eine unverzichtbare Lektüre.

Augustinus: Die Vorherbestim-mung der Heiligen. Siegen [Sola Gratia]. 2022. 112 Seiten. ISBN: 9783948475468. € 9,90.