Wortverkündigung zu: 1Samuel 3,10

Wortverkündigung zu: 1Samuel 3,10

„Sprich Herr, dein Knecht hört!“

1Samuel 3,10

Leben aus dem Wort Gottes

Dieser kurze Satz enthält zwei Aussagen. Zunächst ist es eine Bitte: „Sprich Herr!“ In entsprechender Weise bitten wir den Herrn zu Beginn jedes Gottesdienstes:

Herr, segne dein Wort! Bitte brich mit deinem geistgewirkten, lebendig machenden Wort in unsere harten Herzen ein und öffne sie durch deinen Geist für dein Heil in Christus! Weil es für unsere Gemeinde tödlich wäre, wenn es bei unseren Zusammenkünften nur noch um soziale Kontakte ginge, bitten wir dich: Sprich in deinem Wort!

Das Gebet, „Sprich Herr“, ist auch die Bitte an Gott den Herrn, mit der wir jede Nummer der Bekennenden Kirche versenden. Denn das Ziel jedes Artikels unserer Zeitschrift ist es, dass Sie als Leser zu dem dreieinigen Gott und zu seinem Wort geführt werden.

Kindheitserinnerungen

Es ist vermutlich nicht nur bei mir so, dass die Begebenheit, in deren Rahmen dieses Gebet Samuels steht, Erinnerungen an die eigene Kindheit wachruft. Zum festen Bestandteil der in jeder Kinderbibel enthaltenen Ereignisse gehört der Bericht, als der kleine Samuel von seiner Mutter Hanna zum Heiligtum nach Silo gebracht wurde und dann in der Familie des Priesters Eli aufwuchs.

Wie fesselte mich dieser Bericht. Natürlich gab Hanna ihr Kind nicht deswegen ab, weil sie der Meinung war, das Aufziehen eines Kindes würde sie in ihrer eigenen Lebensentfaltung einschränken. Eine solche Denkweise wäre in der Heiligen Schrift geradezu absurd, und zwar keineswegs nur bei gottesfürchtigen Menschen. Vielmehr war bei Hanna das Gegenteil der Fall. Sie hatte ihren Sohn von Gott erbeten. Da ihr Mann, Elkana, zwar im Gebiet Ephraim tätig war (1Sam. 1,1), aber zum Priesterstamm Levi gehörte (1Chr. 6,33), lag es nahe, ihn ab frühester Kindheit zum Heiligtum zu bringen, das sich in jenen Tagen in Silo befand (1Sam. 1,11).

Verachtung des Dienstes der Versöhnung

Aber in was für eine Welt geriet Samuel dort! Normalerweise war es Aufgabe der Priester, die Menschen zu Gott zu führen, also ihnen das Wort Gottes zu verkündigen. Maleachi formuliert es einmal kurz und bündig: „Die Lippen des Priesters sollen Erkenntnis bewahren und aus seinem Mund soll man das Gesetz erfragen; denn er ist der Bote des Herrn“ (Mal. 2,7). Aber Eli versagte bei diesem Auftrag völlig.

Das erste Mal tritt er in unser Blickfeld, wie er das Verhalten Hannas völlig falsch deutete. Als Eli die zukünftige Mutter Hanna im Heiligtum beten und weinen sah, meinte er, weil sie in ihrem Herzen flehte, er also nichts hörte, dass sie betrunken sei (1Sam. 1,13). Vielleicht könnte man diese Unbedachtheit noch als ein Missverständnis entschuldigen, obwohl zu fragen ist, warum es einen Priester so befremdet, wenn jemand sein Herz vor Gott ausschüttet. Allerdings steht die gegenüber Hanna an den Tag gelegte Härte dieses Mannes in einem krassen Gegensatz zu seinem Auftreten gegenüber seinen Söhnen Hophni und Pinehas. Diese beiden jungen Männer waren nicht nur die leiblichen Söhne Elis, sondern sie bildeten auch die zukünftige Priestergeneration. Insofern hätte es einen doppelten Grund gegeben, sie in aller Ernsthaftigkeit zu erziehen und sie auf ihr Amt, Gott in rechter Weise zu dienen, vorzubereiten. Doch genau davon war bei Eli nichts zu bemerken. Im Gegenteil!

Das Auftreten von Hophni und Pinehas zeigte, dass die beiden jungen Männer nicht die geringste Ahnung davon zu haben schienen, was es heißt, im Dienst Gottes zu stehen. Die Heilige Schrift bezeichnet sie als „Söhne Belials“ (1Sam. 2,12), das heißt als nichtswürdige und nichtsnutzige Leute.

Tatsächlich verfolgten sie in ihrem Tun und Lassen die Absicht, für sich selbst den größten Profit abzuzweigen. Wenn die in ihren Augen wohl dummen Leute zum Heiligtum kamen, um Gott anzubeten und Opfer darzubringen, waren sie darauf bedacht, in ihre eigene Tasche zu wirtschaften (1Sam. 2,13–17). Sie hatten keinerlei Skrupel, sich an den Opfergaben zu bereichern. Da diese Opfer das Heilswerk Gottes in Christus vorschatteten, heißt das, dass die beiden jungen Priesteranwärter an dem Heilsweg nicht interessiert waren. Die Bibel sagt über sie: Sie „kannten Gott den Herrn nicht“ (1Sam. 2,12).

Genau wie im physikalischen Bereich jedes Vakuum danach drängt, mit etwas gefüllt zu werden, so drängte die geistliche Leere der Söhne Elis auch danach, dass sie nach anderem Ausschau hielten. Für Hophni und Pinehas hieß das konkret: Sie gaben sich sexueller Unmoral hin (1Sam. 2,22).

Die Heilige Schrift deutet an, dass die Menschen, die nach Silo kamen, anfangs noch Vorbehalte gegenüber dem selbstherrlichen Auftreten der beiden Männer hatten (1Sam. 2,16a). Auch ihre Ausschweifungen erweckten unter denen, die nach Silo pilgerten, anfangs Einwände (vergleiche 1Sam. 2,23b). Aber mit der Zeit verebbte der Protest. Das heißt jedoch nicht, dass sich die Menschen den neuen „Gottesdiensttrends“ in Silo anpassten. Vermutlich hatte sich das die junge Priestergeneration so ausgemalt. Aber stattdessen führte die Verachtung der Opfergaben durch Hophni und Pinehas bei den Menschen dazu, dass auch sie die Opfer des Herrn, also den „Dienst der Versöhnung“ zu verachten begannen (1Sam. 2,17).

Eli, der in Silo nach wie vor der verantwortliche Priester war, reagierte auf die Missstände kraftlos: „Warum tut ihr das? Denn ich höre von dem ganzen Volk euer böses Handeln. Nicht doch, meine Söhne. Das ist kein guter Bericht, den ich höre…“(1Sam. 2,23.24). Heute würde man wohl dieses weichliche Gesäusel als „moderat“ bezeichnen. Auf jeden Fall war das Ergebnis seiner Rede nicht sonderlich verwunderlich: „Sie hörten nicht auf die Stimme ihres Vaters“ (1Sam. 2,25). Faktisch hatte sich Eli, dieser Feigling, als Verräter am Versöhnungsdienst im Haus Gottes erwiesen.

Gott verwirft solche „Diener“ … und schweigt

In geradezu dramatischer Weise bringen die folgenden Verse zum Ausdruck, dass Gott nicht tatenlos zusah. Gott sandte zu Eli einen Mann Gottes. Dieser verkündete dem Priester das Gericht: „Eli, die Tage deines Priestertums und das deiner Nachkommen sind gezählt“ (1Sam. 2,29–34).

Es ist interessant, dass der Mann Gottes dem Eli nicht pädagogische Unzulänglichkeiten vorwirft. Er ermahnt ihn nicht, möglichst bald eine pädagogische Schulung zu durchlaufen, damit er seine unzureichenden Erziehungs- und Ausbildungsmethoden verbessert oder korrigiert. Stattdessen führt er dem Priester vor Augen, dass er seine eigene Berufung nicht mehr kennt.

Er stellt ihm die rhetorische Frage: „Habe ich mich nicht dem Haus deines Vaters deutlich geoffenbart, als sie noch im Haus des Pharao in Ägypten waren…?“ (1Sam. 2,27.28). Indem Gott an sein Rettungswerk in Ägypten erinnert, fragt er Eli: Weißt du eigentlich selbst noch, dass Rettung und Heil allein bei mir zu finden ist und dass du, Eli, den Auftrag hast, dieses Rettungswerk meinem Volk zu vermitteln? Oder bist du schon dermaßen vom Säkularismus aufgeweicht, dass selbst du keinen klaren Kurs mehr hast? Dann allerdings wirst du der nachrückenden Generation kaum vorwerfen können, dass sie den Versöhnungsdienst im Haus Gottes ebenfalls nur noch als einen auf eigene Interessen ausgerichteten „Job“ auffasst und entsprechend die Opfer „mit Füßen tritt“ (1Sam. 2,29a).

Eli, wenn du selbst nicht mehr weißt, was Du für einen Auftrag hast, dann ist es kein Wunder, dass sich die Proportionen im Blick auf die Erziehung deiner Kinder und die Ausbildung der nächsten Generation für den Dienst am Heiligtum verschieben. Anstatt vor Gott auf die Knie zu gehen und ihm als dem einzigen Retter und Erhalter seines Volkes die Ehre zu geben, erweist du sie deinen Kindern. Dann solltest du nicht allzu erstaunt sein, dass Hophni und Pinehas nicht mehr wissen, was es heißt, im Dienst der Versöhnung zu stehen, und sich stattdessen immer mehr zu sich selbst mästenden Monstern entwickeln (1Sam. 2,29b).

Die Folge solchen „Dienstes“ im Heiligtum war, dass Gott schwieg: „Das Wort des Herrn war selten. Es brach sich keine Offenbarung Bahn“ (1Sam. 3,1). Gottes Schweigen war sozusagen die erste Stufe des Gerichtes am Haus Eli. Die zweite Stufe, die Vernichtung des Hauses Eli, lesen wir dann im folgenden Kapitel (1Sam. 4,1–22).

Tatsächlich ist es eine Illusion zu denken, Gott würde einfach weiter sprechen, egal ob man auf ihn acht gibt und ihn für voll nimmt oder ob man meint, ihn überhören zu dürfen, ähnlich wie manchmal ein Radio im Hintergrund nur deswegen läuft, weil man versäumt hat, den Abstellknopf zu bedienen.

Auch Samuel lebte in diesem Umfeld. Auch von ihm heißt es: Er kannte den Herrn insofern nicht, als ihm das Wort des Herrn noch nicht geoffenbart war (1Sam. 3,7).

Gottes Wort bricht durch

… bis Gott doch wieder sprach und dieses Wort so mächtig im Volk Gottes durchbrach, dass schließlich das Reich Davids hervortrat. Der Begriff „durchbrechen“ ist wörtliche Wiedergabe eines Wortes aus 1Samuel 3,1b.

Wenn wir das Wort Gottes lieben und eine Reformation, also eine Rückbesinnung der Gemeinde auf das Wort Gottes ersehnen, müsste unser Herz bei diesem Kapitel anfangen schneller zu schlagen. Denn wir erfahren hier: Gott fing eines Tages wieder an, zu sprechen. Sein Wort brach durch!

Aber mit seiner Offenbarung wendet sich Gott nicht mehr an den Hohenpriester Eli. Vielmehr übergeht er ihn und spricht zu Samuel. Ja, Eli bekommt sogar noch die ihn demütigende Aufgabe zugewiesen, seiner jungen Hilfskraft, Samuel, das Gebet in den Mund zu legen: „Wenn du das nächste Mal die Stimme hörst, dann sage: ‚Sprich Herr, dein Knecht hört'“ (1Sam. 3,9).

Dein Knecht hört – heute

Da Samuel ein Prophet war, offenbarte sich Gott ihm unmittelbar. In dieser direkten Weise spricht Gott heute nicht mehr. Heute gibt es keine Prophetie mehr. Das muss ausdrücklich betont werden, gerade angesichts der vielen Unklarheiten, die gegenwärtig über diese Thematik herrschen. Nach Abschluss des Kanons haben wir keine direkten Offenbarungen Gottes mehr zu erwarten. Übrigens: Wenn wir bezeugen, dass der Kanon zum Abschluss gekommen ist, sagen wir doch nichts anderes, als dass es heute keine direkten Offenbarungen mehr gibt!

Weil wir in der Heiligen Schrift alles haben, was wir benötigen, heißt heutzutage auf Gott zu hören nichts anderes als auf sein geschriebenes Wort zu achten, es zu studieren.

Der Prophet Amos verkündet einmal folgendes: „Siehe, es kommen Tage, spricht Gott der Herr, da werde ich einen Hunger ins Land senden; nicht einen Hunger nach Brot, noch einen Durst nach Wasser, sondern danach, das Wort des Herrn zu hören. Da wird man hin und her wanken von einem Meer zum anderen und umherziehen vom Norden bis zum Osten, um das Wort des Herrn zu suchen, und wird es doch nicht finden. An jenem Tag werden die schönen Jungfrauen und die jungen Männer vor Durst verschmachten…“ (Amos 8,11–13).

Möge Gott uns vor diesem Gericht verschonen, uns gnädig sein und uns erhören, wenn wir vor und beim Lesen seines heiligen Wortes flehen: „Sprich Herr, dein Knecht hört“.