[1] Wenn ein Baum gesund ist, wenn er gute, gesunde Früchte im Überfluss hervorbringt, dann wissen wir über ihn zweierlei: erstens: Es fließt starkes Leben durch diesen Baum; zweitens: Wir wissen, dass seine Wurzeln tief in den Erdboden ragen, sodass er von dort Leben empfängt. Wenn das, was man äußerlich wahrnimmt, echt ist, hat es seine Ursache in einem inneren Leben, und dieses wiederum hat eine Quelle.
Aus Hebräer 13,5 geht hervor, dass das, was für den Baum gilt, auch für das christliche Leben zutrifft. Wenn wir unser Leben mit einer gegenüber Gott dankbaren Grundeinstellung führen, ohne Habgier, dann wird daran zweierlei deutlich: erstens, dass im Innern Leben fließt. Es ist ein Leben der Zufriedenheit. Zweitens, dass das Leben, das durch den Glauben aus der Quelle der Zufriedenheit kommt, aus den Verheißungen Gottes in seinem Wort erwachsen ist.
In Hebräer 13,5 haben wir es mit drei Aussagen zu tun. Diese drei Aussagen bewegen sich von außen nach innen. Das heißt, sie richten sich immer mehr auf die Quelle. Erstens sagt der Vers etwas über die Frucht aus, die nach außen tritt: Euer Lebenswandel sei ohne Geldliebe. Zweitens wird uns etwas über unsere innere Lebenshaltung aufgetragen, die allein diese Frucht hervorbringen kann: Begnügt euch mit dem, was vorhanden ist. Und drittens zeigt uns dieses Wort den Humusboden, aus dem dieses Leben erwächst: Denn er selbst hat gesagt: Ich will dich nicht aufgeben, und dich niemals verlassen.
Wir wollen diesen Vers einmal so verstehen, als ob diese drei Glieder des Verses drei Teile eines Baumes wären. Daher lautet das Thema dieser Predigt: Der Baum eines dankbaren christlichen Lebens.
1. Die Frucht
Nicht die Frucht der Begierde
Die Aussage in Hebräer 13,5, euer Lebenswandel sei ohne Geldliebe, ruft zu einer Lebensführung auf, deren Merkmal die Dankbarkeit ist. Das heißt auch: Euer Lebenswandel sei nicht durch Begierden bestimmt. Beim Lebenswandel geht es um die nach außen tretende Lebensführung. Diese spiegelt das Innere wieder. Die Lebensführung zeigt sich in unseren Worten, in dem, was wir tun und was wir lassen, und auch wohin wir uns wenden. Im Blick darauf werden wir aufgefordert, gewissermaßen verneinend, dass wir unser Leben ohne Geldliebe führen, ohne Begierde. Ein Leben, das von Begierde bestimmt ist, ist das Gegenteil eines Lebens aus Dankbarkeit. Es geht also zunächst um eine Verneinung. Dein äußeres Leben soll nicht durch Begierde bestimmt sein.
„Begierde“ meint ein glühendes Streben nach mehr als nach dem, was Gott uns gegeben hat. Begierde zeigt sich in einem maßlosen Verlangen nach Dingen, die uns aufgrund von Gottes Vorsehung nicht gegeben worden sind, dafür aber einem anderen. Gier ist ein brennender Heißhunger nach dem, was man nicht hat und auch nicht haben soll.
Natürlich dürfen wir nach etwas streben, das Gott uns geben möchte. Aber Begierde meint ein derart versessenes Verlangen, dass aus dem Begehrten ein Götze gemacht wird. Das gesamte Innere wird von dieser Lust beherrscht. Solange man nicht das hat, was man unbedingt haben will, ist man tyrannisiert von Unzufriedenheit und Wut. Die Lebensführung, die aus einer solchen Einstellung erwächst, führt häufig zu einem Verbiegen der Wahrheit oder auch zu Diebstahl. Dabei versucht man sich einzureden, es handele sich ja nur um Kleinigkeiten, die man da habe mitgehen lassen.
Die Begierde scheint erst dann befriedigt zu sein, wenn man mehr und immer mehr bekommt, selbst dann, wenn man dadurch die Gebote Gottes bricht. Ein Leben, das von der Begierde bestimmt ist, ist ein Leben im Geiz. Es ist eine Lebensweise, bei der man sich an sein Vermögen klammert, ähnlich wie sich ein Ertrinkender an eine Planke krallt.
Wir haben es hier also mit etwas völlig anderem zu tun als mit Sparsamkeit. Angesichts der eigenen Begierden wird man kleinlich. Die uralte biblische Verpflichtung, dem Reich Gottes zuerst zu geben, sodass Gott die Erstlingsfrüchte von dem empfängt, was ihm ohnehin gehört, wird immer mehr von der Habgier verdrängt. Am Schluss bekommt Gott nur noch das, was übrigbleibt. Dabei führt man ein Leben, bei dem man sich selbst einzureden versucht, alles sei in Ordnung, schließlich gebe es da draußen reichere Leute als man selbst es ist.
Eine Lebensführung, die durch Begierde bestimmt ist, ist immer auch mit Murren und mit Unzufriedenheit verbunden. Man empfindet die Dinge, die man hat, nie als ausreichend. Dabei ist man natürlich selbst der Maßstab für die eigene Einschätzung. Man spricht selbst das Urteil darüber, wo sich im eigenen Leben der Standard befindet. Eine Lebensführung, die von Begierde bestimmt ist, ist eine Lebensweise, in der der Mund dazu benutzt wird, gegen Gott zu klagen. Anstatt mit dem Psalmisten zu sagen: Ich schweige, ich tue meinen Mund nicht auf, denn du hast es getan (Ps. 39,10), fließt aus einem solchen Mund Bitterkeit und Murren über das, was Gott getan hat.
Die Frucht der Dankbarkeit
Das Gegenteil einer solchen Lebensführung ist Dankbarkeit. Die negative Aussage, Euer Lebenswandel sei ohne Geldliebe, heißt positiv gedreht: Führt eine Lebensweise, die durch Dankbarkeit gekennzeichnet ist. Es geht um eine Lebensführung, die sich am Gesetz Gottes orientiert: Man lügt, betrügt und stiehlt nicht. Man wird nicht versuchen, die Maschen des Gesetzes Gottes auszudehnen oder Gottes Gebote zu umschiffen, um das zu bekommen, was einem die Begierde diktiert. Wer dankbar für das ist, was Gott gibt, der wird allein den Weg beschreiten, den Gott gewiesen hat. Merkmal einer solchen Lebensführung ist die Großzügigkeit. Es ist eine Lebensweise, die sich durch Hilfsbereitschaft auszeichnet. Man achtet auf das, was andere benötigen. Man trägt die Lasten des anderen, und zwar keineswegs nur dann, wenn es jedermann sieht oder man dafür Anerkennung erhält. Diese Art zu leben zeigt sich darum nicht so sehr in großen Angelegenheiten, sondern in den kleinen unscheinbaren Dingen des Alltags.
Dieses äußere Leben bringt nicht Murren oder Klagen hervor, sondern Worte der Dankbarkeit. Es offenbart sich auch in Worten der Ermutigung, der Geduld und der Erbauung im Blick auf den Nächsten. Es ist eine Lebensweise, die in allem, was wir mit unseren Händen, Füßen und mit unserem Mund machen, durch Dankbarkeit charakterisiert ist. Diese Dankbarkeit verschwindet auch dann nicht, wenn unser Leben nicht so verläuft, wie wir uns das vorgestellt haben.
Indem der Schreiber des Hebräerbriefes in Kapitel 13,5 zu einer solchen Lebensführung auffordert, hatte er keineswegs Gläubige vor Augen, die wohlhabend oder begütert waren. Vielmehr richtete er diese Ermahnung an Gläubige, die von allen Seiten bedrängt wurden. Der Hebräerbrief wurde geschrieben, um Gläubige zu ermutigen, dass sie im christlichen Glauben an ihrem Bekenntnis festhalten.
Das jüdische Gemeinwesen hatte diese Bekehrten geächtet. Sogar ihre Familien wurden ausgegrenzt. Das hatte Auswirkungen auf ihre materielle Lage. In Hebräer 10,34 lesen wir: Ihr habt den Raub eurer Güter mit Freuden hingenommen, weil ihr in euch selbst gewiss seid, dass ihr ein besseres und bleibendes Gut in den Himmeln besitzt. Der Schreiber des Hebräerbriefes sagt also nicht: „Angesichts dessen, was euch von anderen zugefügt worden ist, ist es nachvollziehbar, wenn eure Lebensweise nun erst einmal der Begierde entspricht, sodass ihr in diesen schwierigen Zeiten einige Abstriche an eurem Leben vor Gott machen dürft und zunächst wieder danach streben dürft, was euch selbst gefällt.“ Vielmehr sagt er: „Lasst euch niemals auf einen solchen Lebensstil ein, auch nicht, wenn ihr unter Druck geraten seid. Denn es ist Teil des christlichen Zeugnisses, sein Leben so zu führen, dass es der Dankbarkeit entspricht, und zwar nicht zuletzt dann, wenn es schwierig wird und die Dinge nicht so laufen, wie man sich das wünscht. Denn dadurch stellt Gott uns auf die Probe.“
2. Das Leben
Das innere geistliche Leben ist ein Leben der Zufriedenheit
Diese Art zu leben, selbst wenn man unter Druck steht, ist nur möglich, wenn die Zufriedenheit das geistliche Blut ist, das durch die geistlichen Adern fließt. Oder anders formuliert: wenn die geistlichen Mineralien durch den geistlichen Stamm des Baumes fließen. Genauso wie zahlreiche gute, gesunde Früchte nur möglich sind, wenn durch den Baum starkes Leben fließt, so kommt die Lebensweise, die mit der Dankbarkeit übereinstimmt und nicht mit der Begierde, durch den geistlichen Strom der Zufriedenheit. Euer Lebenswandel sei ohne Geldliebe, und seid mit dem zufrieden, was ihr habt. Zufriedenheit ist die Ruhe des Geistes und des Herzens, die sich an dem genügen lässt, was Gott für dich bestimmt hat.
Diese Zufriedenheit ist vergleichbar mit einer Sonnenblume, die ihre Blüte immer in Richtung der Sonne wendet, und der Sonne in ihrem Lauf folgt. Zufriedenheit heißt, sich stets an dem zu orientieren, was Gott gegeben hat, mit ihm in Einklang zu kommen, vor ihm zu leben, in Frieden mit dem, was er gibt, sich unter seiner Führung im eigenen Leben zu bewegen und sich in seiner Wärme zu sonnen. Es heißt, sich an Gottes Willen zu orientieren, sich seinem Weg anzuvertrauen, was immer auch die Konsequenzen im Leben sein mögen.
Sich genügen zu lassen ist also keineswegs Ausdruck eines Mangels an Ehrgeiz. Es ist auch nicht eine Haltung, in der man aufgehört hat, daran zu arbeiten, notwendige Veränderungen vorzunehmen. Sich in Zufriedenheit genügen zu lassen, heißt nicht, frei von allem Kummer zu sein, wenn sich Schwierigkeiten auftürmen. Christen trauern zwar nicht wie diejenigen, die keine Hoffnung haben (1Thess. 4,13), aber sie trauern. Und Zufriedenheit ist nicht mit Faulheit zu verwechseln oder mit Fatalismus oder damit, die Hände in den Schoß zu legen und zu sagen: „Es ist mir alles egal!“ Alles das hat mit Zufriedenheit nichts zu tun.
Zufriedenheit heißt, dass ich alle meine Sehnsüchte, meine Wünsche nach Veränderung, meine Enttäuschungen, meine Sorgen, mein ganzes Leben dem Willen Gottes unterordne. Es ist Ausdruck eines Friedens, den ich habe angesichts der Führungen in meinem Leben, sei es mit dem, was Gott mir gibt, oder eben auch, was er mir vorenthält, und auch Friede mit der Geschwindigkeit, in der sich gegebenenfalls etwas ändert. Es ist ein Friede, der auch dann bestehen bleibt, wenn Gott sich entscheidet, das Gegenteil dessen zu tun, wofür ich mich gemüht habe. Der Friede besteht auch dann, wenn Gott beschließt, diesen Weg, den ich bisher gegangen bin, völlig zu blockieren. Es ist eine Fähigkeit, die eigenen Sehnsüchte oder die eigene Arbeit sowie die eigenen Ziele nicht zu Götzen werden zu lassen. Denn Götzen führen stets zu Bitterkeit gegenüber Gott, besonders dann, wenn der eigene Lebensplan scheitert oder das Leben nicht so verläuft, wie es den eigenen Hoffnungen und Vorstellungen entspricht.
Zufriedenheit ist eine Haltung, die immer in der Gegenwart liegt. Es ist nicht wirklich möglich zu sagen: „Ich plane im Blick auf die Zukunft zufrieden zu sein: Sobald ich dieses oder jenes erreicht habe, sobald ich an diesem Punkt angelangt bin, sobald ich so viel besitze, dann werde ich zufrieden sein. Sobald dieses oder jenes in meinem Leben vorüber ist, sobald diese Krankheit geheilt ist, sobald jene Schwierigkeit ausgerottet ist…, dann werde ich zufrieden sein.“
Das ist keine Zufriedenheit. Zufriedenheit ist auch nicht etwas, das ich für meine Vergangenheit beanspruchen kann: „Damals lebte ich in Frieden. Vor ein paar Jahren, als die Dinge sich noch anders verhielten, zu jener Zeit war ich zufrieden, und deswegen meine ich zu wissen, dass ich das Thema der Zufriedenheit gelöst habe.“
Zufriedenheit betrifft immer die Gegenwart, oder es ist keine Zufriedenheit. Die Sonnenblume kann nicht aufhören, dem Licht der Sonne zu folgen. Sie kann nicht sagen: „Heute Morgen war ich der Sonne zugewandt, also bin ich eine Sonnenblume; und am Abend werde ich mich so drehen, dass ich wieder auf die Sonne ausgerichtet bin. Also bin ich eine Sonnenblume.“ Eine Sonnenblume ist dadurch gekennzeichnet, dass sie durchgehend, konsequent auf die Sonne ausgerichtet ist. Immer. Zufriedenheit muss jeden Tag, jede Stunde aufs Neue realisiert werden, damit man von Zufriedenheit sprechen kann.
Zufriedenheit erzeugt die geforderte äußere Form des Lebens
Diese tägliche geistliche Kraft der Zufriedenheit ist das, was eine konsequente, von Begierden freie Lebensweise hervorbringt. Nur so kann man großzügig sein und seinen Geiz überwinden. Man wird dankbar leben, ohne zu murren. Man wird Gottes Gesetz gehorchen, also es nicht zu umschiffen suchen, um in seinem Leben voranzukommen.
Nur dann, wenn die Zufriedenheit durch meine geistlichen Adern fließt, wird ein solches Leben mein Leben sein. Dann bekennt ein Kind Gottes: „Mein Gott, was momentan abläuft, ist richtig und gut für mich. Ich halte mich an dich und deinen souveränen Willen, weil du alles für mich und meine Gemeinde von Ewigkeit her bestimmt hast. Ich vertraue darauf, ich komme in dir zur Ruhe, und ich will in Frieden leben, auch wenn ich nicht deine Güte in dem, was da gerade abläuft, erkennen kann. Meine Seele ist ruhig. Sie ruht in dir. Ich lasse mich nicht von den sich ändernden Umständen nach rechts oder nach links vom Weg abbringen. Und wenn es doch einmal geschehen sollte, wende ich mich zügig hin zum Anblick deiner Güte. Denn was ich will, ist das, was du mir gibst. Du bist der Souverän meines Lebens, nicht ich.“ Eine solche Lebenseinstellung ist gekennzeichnet durch Dankbarkeit.
3. Die Quelle
Die Quelle der Zufriedenheit sind Gottes Verheißungen
Dieses innere Leben der Zufriedenheit ist nur dann möglich, wenn der Glaube täglich aus dem fruchtbaren Boden der Verheißungen Gottes schöpft, wie sie in dem Wort Gottes zu finden sind. Dabei dürfen wir auch diese Verheißung festhalten: Ich werde dich nie verlassen und dich nie versäumen. Die von Gott gegebenen Verheißungen sind der Humus, in dem der Glaube wurzelt, sodass aus ihnen geistliche Kraft der Zufriedenheit quillt.
Gottes Verheißungen sind die Quelle des durch uns fließenden Lebens, die eine Lebensführung ermöglicht, die auch unter Druck frei von Begierde ist. Er selbst hat gesagt: Ich will dich nicht aufgeben und dich niemals verlassen. Lasst uns aus diesem Grund schöpfen. Dann wird Zufriedenheit durch unser Leben fließen, und es werden Worte und Taten hervorkommen, die frei sind von der Herrschaft der Gier.
Wir haben es hier mit einer einfachen, aber doch so kraftvollen Verheißung zu tun. Der Schreiber des Hebräerbriefes hatte durch Inspiration des Heiligen Geistes in der ganzen Heiligen Schrift beobachtet, wie Gott sein Bundesvolk führt. Es ist die Verheißung, die Isaak gegeben wurde: Ich bin der Gott Abrahams, deines Vaters; fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir, und ich will dich segnen (1Mos. 26,24). Dieselbe Verheißung gab Gott, als Jakob vor seinem Bruder Esau floh, der ihn töten wollte: Und siehe, ich bin bei dir und will dich bewahren an allen Orten, wohin du gehst, und will dich wieder in dieses Land bringen; denn ich will dich nicht verlassen (1Mos. 28,15). Es ist die Verheißung, die Gott Jakob gab, bevor er in das Land Kanaan zurückkam. An das Volk Gottes adressiert lesen wir: Fürchte dich nicht, noch fürchte dich vor ihnen; denn der Herr, dein Gott, ist es, der mit dir geht; er wird dich nicht aufgeben, noch dich verlassen (5Mos. 31,6). Wiederholt wird diese Verheißung Josua gegeben: Es wird kein Mensch vor dir bestehen können, solange du lebst; wie ich bei Mose war, so will ich bei dir sein; ich will dich nicht aufgeben und dich nicht verlassen (Jos. 1,5). Vermutlich ist es diese Verheißung, an die der Schreiber des Hebräerbriefes vor allen anderen denkt.
Der Sinn der Verheißung in diesem Vers
Ich werde dich nie verlassen, meint in der griechischen Originalsprache so viel wie: Ich werde dich niemals loslassen. Ich werde dich nie aus meinen Händen gleiten lassen.
Stellen Sie sich einen Vater vor, der sein Kind hält, während die beiden einen reißenden Fluss überqueren. Aber durch das Wasser wird die Haut des Kindes feucht und damit glitschig, und dann rutscht das Kind dem Vater aus den Händen und wird weggetrieben. Derartiges wird niemals bei Gott passieren! Ich werde dich nie verlassen, ich werde dich nie aus meinen Händen gleiten lassen.
Ich werde dich nie verlassen, meint: Ich werde dich niemals im Stich lassen. Stellen Sie sich ein Kind auf einem öffentlichen Spielplatz vor. Das Kind rutscht eine Rutsche hinab, und als es unten angekommen ist, ist die Mutter verschwunden. Sie hat ihr Kind verlassen. Sie hat die Gelegenheit genutzt, sich von ihrem Kind zu entfernen und es zurückzulassen, um danach allein für sich selbst zu leben. Bei Gott wird so etwas niemals geschehen! Ich werde dich niemals verlassen – niemals. Ich, der souveräne Gott, werde immer bei dir sein, dich festhalten, schützen, bewahren und leiten.
Gelegentlich wünschte ich mir, dass jeder Christ Griechisch lesen könnte. Dieser Vers ist ein solcher Fall. Auf Deutsch ist er übersetzt mit: Ich werde dich nie verlassen und dich nie versäumen. Aber im Griechischen gibt es in dieser Verheißung fünf Verneinungen: Nicht, niemals, werde ich dich verlassen, nicht, niemals, niemals, werde ich dich versäumen. Wie gnädig ist der allmächtige Gott zu uns!
Wir können zweifeln, unsere Fragen haben und auch verzweifeln. Wir können an unserem Geld festhalten und nach immer mehr Geld trachten. Denn wir haben Angst, dass Gott uns nicht festhält.
Sind Sie schon einmal mit einem Kind in ein Lebensmittelgeschäft gegangen, und Sie gingen zum nächsten Regal, während Ihr Kind durch die vielen Müslipackungen oder sonst durch etwas abgelenkt war und ihnen nicht folgte? Kurz darauf, als Sie merkten, dass das Kind nicht mehr bei Ihnen war, eilten Sie zurück zum vorherigen Regal, um das Kind von dort zu holen. Obwohl das Ganze nur wenige Momente gedauert hatte, fing das Kind an zu weinen, als es merkte, dass Sie nicht mehr da waren. Als Sie zurückkehrten, sagte das Kind zu Ihnen: „Ich hatte Angst, dass du mich verlassen hast.“ Daraufhin beugen Sie sich zu dem Kind herab, halten das Kinn des Kindes sanft in der Hand, schauen ihm in die Augen und sagen: „Ich werde dich niemals verlassen.“
Mit dieser Verheißung beugt sich Gott zu uns herab, hält unser Gesicht in seiner allmächtigen Hand und sagt: „Schau mich an, mein Kind!“ Und er sagt dir mit einer fünffachen Verstärkung: „Ich werde dich nie, nie, nie, nie, nie verlassen.“
Du brauchst keine Angst zu haben, und dich in dieser Angst an dein Geld zu klammern, als wäre es dein Retter oder deine Burg. Anstatt dich durch dein Geld abzusichern, lass es los! Sei großzügig! Gott ist dein Fels in der Brandung: Ich bin dein Gott, und ich halte dich, ich beschütze dich, ich bin jeden Augenblick bei dir, ich sorge für dich und lenke dein Leben, und meine Führung ist vollkommen, absolut vollkommen. Eines Tages werde ich es dir zeigen!
Er hat gesagt. Wer hat es gesagt? So fragt John Owen einmal, und er gibt die folgende Erläuterung: Es ist der, dessen Macht allmächtig ist, dessen Weisheit unendlich ist, dessen Treue unantastbar ist, dessen Liebe unveränderlich ist … der Wahrheit ist und der nicht täuschen kann.“ Dieser Gott hat es gesagt. Er, der das hält, was er verspricht, denn alle Verheißungen Gottes sind Ja und Amen in Christus, Gott zur Ehre durch uns (2Kor. 1,20). Gott der Vater hat jede Verheißung im Tod seines Sohnes, des Herrn Jesus Christus besiegelt. Christus hat es am Kreuz bewiesen, sodass jeder Zweifel ausgeschlossen ist, den man vorbringen könnte. Sonst wäre Gott ein Lügner. Er hat gesagt: Ich werde dich nie verlassen und dich nie versäumen, nein, nie, niemals.
Die Verheißung als Quelle zur Zufriedenheit und als Aufruf, das Leben zu gestalten
Wenn sich unser Glaube beim täglichen Lebenswandel mit unserem Vater auf diese Verheißung stützt, dann kann sich unser Leben gar nicht mehr darum drehen, immer mehr haben zu wollen. Der Glaube, der sich auf diese Verheißung stützt, sagt: „Ich habe Gott. Ich habe seine Gegenwart, seinen Schutz und seine Fürsorge. Es ist eine Verheißung, die mit dem Blut seines eigenen Sohnes besiegelt worden ist. Was brauche ich mehr, als Gott zu vertrauen? Ich werde hart arbeiten, wenn Gott mir Gelegenheit dazu gibt. Ich werde das, was er in mich gelegt hat, zu seiner Ehre nutzen. Aber ich werde mit dem, was er mir gibt und auch wann er es gibt, im Frieden sein. Und welchen Lauf die Sonne auch immer über den Himmel meines Lebens nimmt, ich werde mich an Gott so orientieren, wie eine Sonnenblume an der Sonne. Auch dann, wenn dieser Weg meinen Vorstellungen und Wünschen widerspricht. So werde ich ein Leben führen, das der Dankbarkeit entspricht und das frei von der Herrschaft zur Geldliebe ist. Ich kann loslassen und frei und großzügig geben, so wie es sich jeweils ergibt. Denn gleichgültig, was ich habe: Mit dieser Verheißung erweist sich Gott überwältigend großzügig zu mir. Ich kann aufhören, mich zu beklagen und zu murren. Stattdessen darf ich dankbar und voller Glaubensmut sein. Was habe ich noch zu klagen, wenn ich so privilegiert bin und dieses Versprechen von dem Gott der ganzen Erde erhalten habe?“
Dann fließen wie Blut durch unsere Adern die Zufriedenheit und die Dankbarkeit und lassen nach außen hin eine Lebensweise erkennen, die offenbart, dass hier jemand ist, der Gott dankbar ist. Dies schenke uns Gott heute und an jedem Tag zu seiner Ehre. Amen.
[1]) Die hier abgedruckte Predigt wurde am 16. Oktober 2019 in der Bekennenden Evangelisch-Reformierten Gemeinde in Gießen gehalten. Bitte lesen Sie zuvor den gesamten Abschnitt, in dem dieser Vers steht: Hebräer 13,1–8.