Wortverkündigung aus 1.Petrus 2,9.10: Ein ganz besonderes Volk

Wortverkündigung aus 1.Petrus 2,9.10: Ein ganz besonderes Volk

Den Reformatoren ging es zu Beginn der Reformation keineswegs darum, eine neue Kirche zu gründen. Sie waren bestrebt, die Kirche, in der sie Mitglieder waren, zu reformieren. Irgendwann wurden aber die ersten von ihnen exkommuniziert, andere wurden verfolgt und sogar umgebracht.

So sahen sich irgendwann die Reformatoren genötigt, aktiv zu werden, indem sie unter anderem eigene Bekenntnisse verfassten. Sie erkannten immer stärker: Die römische Kirche ist keine wahre Kirche, und so brachten sie in ihren Bekenntnissen unter anderem zum Ausdruck, was die Kennzeichen der wahren christlichen Kirche sind. Im Laufe der Reformationszeit waren sich die meisten Reformatoren einig, dass vor allem drei Merkmale entscheidend sind: (1) Die Predigt des Wortes Gottes, (2) die Verwaltung der Sakramente und (3) eine biblische Gemeindezucht. Es handelt sich dabei um sogenannte äußere Merkmale, die eigentlich direkt aus der Identität, der Berufung und dem bleibenden Fundament der wahren Kirche fließen. Es sind diese drei Dinge, die uns in 1.Petrus 2,9.10 begegnen. Dort erfahren wir grundlegend, was die Gemeinde Gottes ist, was ihre primäre Berufung ist und was ihr bleibendes Fundament ist.

 

Der Zusammenhang

Um besser zu verstehen, worum es Petrus in diesen Versen geht, müssen wir uns den Kontext und die übergeordnete Botschaft des Briefes in Erinnerung rufen. Im ersten Petrusbrief geht es vor allem um die Frage, was es für uns Christen heißt, in einer Welt zu leben, in der wir Fremdlinge sind, zumal wir zu einer anderen Welt gehören, weil wir Kinder des himmlischen Vaters sind. Wie sollen wir als Fremdlinge in dieser Welt leben? Diese Frage prägt den gesamten Brief.

Ein besonderes Element in der Antwort des Apostels auf diese Frage ist der dringliche Hinweis darauf, wer wir sind. Er zeigt uns, was es heißt, Christ zu sein. Er führt uns vor Augen, was es heißt, Gottes Volk zu sein – mitten in einer fremden Welt. Und es ist so als würde Petrus uns heute durch diesen Abschnitt zurufen: Vergesst nicht, wer ihr seid! Vergesst nicht eure Identität! Vergesst nicht eure Berufung! Vergesst nicht, woher ihr kommt und was euer Fundament ist!

Wir werden uns in dieser Predigt mit drei Fragen beschäftigen: Was ist die Gemeinde? Wozu existiert die Gemeinde? Was ist der Ursprung und das Fundament der Gemeinde?

  1. Einzigartige Identität

Jeder von uns kennt so etwas wie „Gruppenidentitäten“. Wir alle haben mehrere davon. Wir sind zum Beispiel Teil eines Sportteams, gleichzeitig aber auch Teil einer Familie. Wir sind Teil einer ehrenamtlichen Organisation mit unterschiedlichen Zielen und Werten, gleichzeitig aber vielleicht auch Mitglied eines Teams von Führungskräften eines Unternehmens. Wir sind vielleicht deutsche Staatsbürger und damit Teil dieser Nation. Wir alle sind Teil der westlichen Gesellschaft im 21. Jahrhundert.

Wir sind Teil von Gruppen, die unterschiedliche Ziele und Werte (nicht unbedingt im ethischen Sinn) vertreten. Jede dieser Gruppen hat eine bestimmte Identität, die in ihren Werten und Zielen deutlich wird. Und als Teil einer dieser Gruppen trage ich auch die jeweilige Identität. Natürlich kann ich als Mensch selbst entscheiden, inwieweit ich mich von den Zielen und Werten der jeweiligen Gruppe beeinflussen, bestimmen und leiten lasse. Ich treffe als Mensch auch bewusst die Entscheidung darüber, welche dieser Gruppenidentitäten mein Leben, meine Persönlichkeit und meine Entscheidungen mehr oder weniger beeinflussen.

Als Christen sind wir aber nicht nur Teil unserer Familie, Teil unseres Teams auf der Arbeit oder beim Sport. Wir sind nicht nur Teil unserer Gesellschaft, sondern auch Teil des erwählten Volkes Gottes. Aus Sicht der Bibel ist das die „Gruppenidentität“, die unser Denken über uns selbst und die Welt, über unser Fühlen und Handeln bestimmen soll. Doch verhält sich das tatsächlich so in unserem Leben?

Die Bibel unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei „Gruppenidentitäten“, die alle anderen übersteigen. Sie unterscheidet zwischen Menschen, die „in Christus“ sind und Menschen, die noch „in Adam“ sind. Zu welcher Gruppe ich gehöre, entscheidet sich daran, wie ich zu Jesus Christus stehe, dem Haupt des Volkes Gottes. Das ist die Fragestellung, die uns in den ersten acht Versen des zweiten Kapitels des ersten Petrusbriefes begegnet: Jesus ist entweder der große Eckstein, auf den ich meine ganze Hoffnung setze, oder aber er ist ein Stein des Anstoßes, den ich ablehne und verachte. An Jesus entscheidet sich, zu welcher dieser beiden Gruppen ich gehöre.

Lasst uns gemeinsam anschauen, wie Petrus in Kapitel 2,9 die Identität des Volkes bestimmt. Zu Beginn geht er auf die Frage ein: Was ist die Gemeinde? Petrus beginnt folgendermaßen: Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum…“.

Ihr aber…: Dies steht im Gegensatz zu den Menschen, die er unter anderem in den Versen 1-8 beschreibt. Es steht denen total entgegen, die sich an Jesus und seinem Wort stoßen, die ihn ablehnen, die ohne Gott leben wollen, die an ihrer Sünde festhalten und sich nicht um die Ehre Gottes kümmern.

Die Geschichte Israels

Petrus nennt mehrere Bezeichnungen, die die Identität der Gemeinde wiedergeben. Er hat diese Beschreibung nicht selbst erfunden. Er zitiert hier einen ganz berühmten Abschnitt aus 2.Mose 19,4-6.

Damals hatte sich Gott am Berg Sinai an das Volk Israel gewandt, das er gerade erst gerettet hatte. Und diesem Volk, das er aus der Sklaverei Ägyptens herausgeholt hatte, gab Gott eine neue Identität. Er sagte zu ihnen: Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan und wie ich euch auf Adlersflügeln getragen und euch zu mir gebracht habe. Und nun, wenn ihr willig auf meine Stimme hören und meinen Bund halten werdet, dann sollt ihr aus allen Völkern mein Eigentum sein. Denn mir gehört die ganze Erde. Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein.

Verstehen wir, was hier passiert? Gott errettete Israel nicht einfach nur aus der Sklaverei. Mit der Errettung entstand ein neues Volk, ja eine neue Menschheit mit einer einzigartigen Identität. Der Auszug war nicht nur Errettung, er war auch die Entstehung eines Volkes, das Gott mit einem großen Ziel befreit hatte – damit es ihn anbeten und mit seinem ganzen Leben verherrlichen möge.

Israel kam dieser Aufgabe nicht nach. Das zeigt die Geschichte des Alten Testamentes. Die Menschen hörten nicht auf die Stimme ihres Gottes, sondern sie wandten sich von ihm ab. Sie vergaßen, wer sie waren und was ihre Berufung war. Aber Petrus zitiert diesen Abschnitt, und damit macht er deutlich, dass Gott ein neues Volk erschafft, und zwar auf der Grundlage der vollkommenen Erlösung durch Christus. Gott erschafft eine neue Menschheit, die diese Attribute tragen darf: aus Gnade allein.

Dieses neue Volk besteht nicht mehr nur aus Juden, sondern aus Menschen aus allen Völkern, Sprachen und Kulturen. Das ist die Gemeinde. Sie ist das neue Volk Gottes – erwählt vor Grundlegung der Welt, erlöst durch das Blut Jesu, gerechtfertigt durch Glauben und adoptiert als Kinder und Erben. Die Gemeinde ist ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation und ein Volk, das Gott allein gehört. Schauen wir uns die Bezeichnungen im Einzelnen an.

Petrus nennt die Gemeinde ein auserwähltes Geschlecht. Das heißt nichts anderes, als dass die Gemeinde eine neue Menschheit ist, deren Haupt Christus, der zweite Adam, ist. Dieses Geschlecht besteht nicht aus einer einzelnen ethnischen Gruppierung, sondern es ist eine Menschheit, die alle Sprachen, Nationen und Kulturen umfasst. Der Ursprung dieser Menschheit liegt nicht in der eigenen Kraft, sondern in Gottes ewiger Erwählung aus Gnade allein. Diese Erwählung gibt der Gemeinde ihre Identität insgesamt und auch jedem einzelnen, der dazugehört. Das ist das erste, was unsere Identität und die Identität der Gemeinde ausmacht: Wir wurden erwählt und herausgerufen aus den unterschiedlichsten Richtungen, um Menschen nach Gottes Willen zu sein.

Als nächstes bezeichnet der Apostel Petrus die Gemeinde als ein königliches Priestertum. Die Priester im Alten Testament waren dazu berufen, in der Gegenwart Gottes mit ihrem ganzen Leben zu dienen. Sie waren dazu berufen, den anderen Menschen zu vermitteln, was heilig und Gott wohlgefällig ist. Die Gemeinde ist ein königliches Priestertum. Sie ist dazu berufen, dem lebendigen Gott mit ihrem ganzen Leben zu dienen. Weil wir ein königliches Priestertum sind, gehört unser ganzes Leben dem allmächtigen Gott, unserem Vater. Es gibt keine neutralen Zonen, die wir für uns beanspruchen könnten. Als Priester gehört unser ganzer Gehorsam Gott selbst und seinem Wort. Es meint aber auch, dass wir als Teil des Volkes Gottes ununterbrochenen Zugang zu Gott haben, und zwar durch Jesus Christus. Wir brauchen keine menschlichen Mittler, weil wir Christus als unseren Mittler haben.

Dann nennt Petrus die Gemeinde eine heilige Nation. Die Gemeinde ist das Volk Gottes, das Gott durch das Blut seines Sohnes vollkommen rein und heilig gemacht hat. Wir sind ein Volk – abgesondert vom Rest der Welt, weil er uns heilig gemacht hat. Abgesondert, um ihm zu dienen. Gott selbst ist vollkommen heilig und hat sich eine Nation herausgerufen, die genauso heilig ist und sein soll. Sie ist von der Welt klar abgegrenzt. Die Gemeinde ist eine Nation, die einen einzigen König hat: Jesus Christus. Er übt seine Königsherrschaft aus durch sein Wort und durch seinen Geist.

Zuletzt nennt Petrus die Gemeinde ein Volk, das Gott gehört. Die Gemeinde ist Gottes Eigentum. Sie gehört ihm allein. Sie ist wertvoll in seinen Augen, und er liebt sie von ganzem Herzen und mit aller seiner Kraft. Er ist voller Eifersucht, wenn es um seine Gemeinde geht. Er hat sie für sich erlöst, damit sie ihn verherrlicht und sich an ihm erfreut. Er hat sie für sich erlöst als sein Haus, in dem er wohnen will.

Das ist eine eindrucksvolle Beschreibung der Gemeinde Gottes, oder?

Petrus benutzt hier Gottes eigene Worte aus dem zweiten Buch Mose. Auf diese Weise macht er klar, dass Gott seine Gemeinde als etwas unglaublich Wertvolles und Schönes ansieht. Es ist, als würde Gott ein Liebesgedicht auf seine Gemeinde verfassen.

Was ist also die Gemeinde? Die Gemeinde ist Gottes weltweites, erwähltes, erlöstes und heiliges Volk, dessen Haupt Christus allein ist. Er hat dieses Volk durch sein Blut erkauft, und er leitet es durch sein Wort. Dieses weltweite, unsichtbare Volk findet seinen notwendigen und konkreten Ausdruck in der sichtbaren Ortsgemeinde. Dort wird Heiligkeit, die Trennung von Sünde, Gehorsam und Liebe zum Wort Gottes konkret ausgelebt.

Bereits die Beschreibungen, die Petrus benutzt, machen deutlich, dass die Gemeinde eine klare sichtbare Dimension hat. Diese sichtbare Dimension ist die Ortsgemeinde, in der Menschen sich verbindlich zusammenschließen, in der Älteste die Gemeinde geistlich führen, in der das Wort Gottes gepredigt wird und in der Sünde klar beim Namen genannt wird. Gott allein ist der König dieses Volkes und ihm allein gehört dieses Volk (sowohl die unsichtbare Gemeinde als auch die Ortsgemeinde). Er hat dieses Volk aus der Welt gerufen und abgesondert, sodass eine klare Grenze zwischen der Gemeinde Gottes und der Welt besteht. Diese wird dadurch gezogen, dass Gott die Gemeinde als Priestertum und heilige Nation bezeichnet. Die Loyalität und der Gehorsam der Gemeinde kann und darf niemand anderem gehören als Christus allein.

Das ist die Identität, die Gott selbst der Gemeinde zuspricht. Und diese Identität hat Konsequenzen, die sich konkret im Leben der einzelnen Gläubigen und im Leben der sichtbaren Ortsgemeinde zeigen sollen.

Wer bestimmt unsere Identität?

Ein wichtiger Grundstock für die gesunde Entwicklung eines Menschen ist, dass er weiß, wer er ist und dass er dies auch für sich annimmt. Kinder brauchen Eltern, die ihnen sagen, wer und was sie sind – bedingungslos geliebt, angenommen. Die Kinder müssen herangeführt werden, damit sie irgendwann selbst verantwortungsbewusst mit sich selbst, mit anderen und mit ihrem Eigentum umgehen können. Bei Kindern ist es die Stimme der Eltern, die sehr lange sehr entscheidend ist, damit das Kind eine gesunde Identität entwickeln kann.

Wer bestimmt unser Denken über uns selbst? Wer gibt uns vor, wie wir uns selbst und uns als Gemeinde verstehen? Lassen wir uns vielleicht manchmal von anderen Seiten vorschreiben, was wir als Gemeinde zu denken, zu verkündigen, zu tun und zu lassen haben? Welcher Stimme leihen wir unser Ohr, wenn es darum geht, unsere Identität, unsere Ziele und unsere Werte zu bestimmen?

Christus ist der Herr und das Haupt der Gemeinde. Die Gemeinde ist sein besonderer Herrschaftsbereich. Er führt seine Autorität in diesem Herrschaftsbereich durch sein mächtiges Wort aus, das gepredigt und ausgelegt wird. In seinem Wort hat er ein für alle Mal festgelegt, was seine Gemeinde ist: ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation und ein Volk, das ihm allein gehört. Christus selbst bestimmt die Identität seiner Kirche.

Hierin steckt aber auch ein großer Trost für dich, und zwar ganz persönlich. Als Kind Gottes brauchst du keine Angst um deine Identität zu haben. Das Volk Gottes, zu dem du gehörst, bestimmt deine Identität. Durch den Glauben gehörst du zu diesem Volk, und Christus hat sein autoritatives Wort ein für alle Mal über dich ausgesprochen, als er dich errettet hat.

Aber schauen wir uns an, welche Konsequenzen diese Identität mit sich bringt. Die Gemeinde ist Gottes Volk mit einer einzigartigen Identität und (2) mit einer einzigartigen Berufung.

  1. Einzigartige Berufung

Von Mark Twain stammt folgender Satz: „Die zwei wichtigsten Tage in unserem Leben sind der Tag, an dem wir geboren werden, und der Tag, an dem wir herausfinden, was die Bestimmung unseres Lebens ist.“

Dieser Satz lässt sich in gewisser Weise auf uns Christen und auch auf uns als Gemeinde übertragen. Es ist außerordentlich wichtig zu wissen, wer wir sind und was unsere Berufung ist. Das Gute ist, dass wir nicht selbst versuchen müssen, unsere Berufung herauszufinden. Gott teilt uns in seinem Wort mit, was die primäre Bestimmung unseres Lebens ist. Und er zeigt uns, wozu die Gemeinde primär existiert.

Hast du dich schon einmal gefragt, was der primäre Auftrag der Gemeinde ist; wozu deine Gemeinde vor allem existiert? Petrus schreibt: Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat…

Der Apostel fasst hier in einem einzigen Satz zusammen, was die Berufung der Gemeinde ist, die direkt aus der gottgeschenkten Identität fließt. Es ist unsere Berufung, die Tugenden dessen zu verkündigen, der uns aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat. Auch diesen Ausdruck hat er aus dem Alten Testament (Jes. 43,21). Gott spricht dort davon, dass er sich ein Volk gebildet hat, das seinen Ruhm und seine Ehre vermehrt.

Die Frage, wozu die Gemeinde existiert, würde Petrus folgendermaßen beantworten: Die Gemeinde existiert, um Gott zu verherrlichen, indem sie seine Taten verkündigt und sein Wesen und seinen Charakter darstellt – durch Wort und durch Tat. Petrus hatte uns die gottgeschenkte Identität der Gemeinde vor Augen gestellt, und jetzt zieht er die Konsequenz aus dieser Identität und formuliert die Berufung der Gemeinde.

Die Gemeinde (und auch jeder einzelne Christ) ist dazu berufen, mit Worten und Taten Gottes herrliches Wesen vor den Augen der Welt darzustellen. Es ist die Aufgabe der Gemeinde, die Herrlichkeit Gottes abzubilden, sein Wesen und seine Vollkommenheit (das heißt: seine Heiligkeit, seine Gerechtigkeit, seine Liebe, seine Barmherzigkeit) darzustellen. Nicht humanitäre Hilfe, nicht Diakonie, nicht einmal Evangelisation oder Mission sind die primäre Berufung der Gemeinde. Diese Dinge sind wichtig, aber sie dienen im Endeffekt nur einem höheren Zweck, nämlich der Verherrlichung Gottes. Diese ist die höchste, die primäre und die letztendliche Berufung der Gemeinde, die direkt aus ihrer Identität fließt.

Mit anderen Worten: Petrus verkündet allen Christen sowie der Gemeinde: Lebt das aus, was ihr seid! Dann werdet ihr dieser Berufung nachkommen.

Johannes Calvin hat diesen biblischen Gedanken festgehalten: „Nicht für uns selbst, sondern für Gott sind wir zuallererst auf dieser Erde.“ Was für den Menschen als Individuum gilt, gilt umso mehr für Gottes auserwähltes Volk. Diese Welt, so schreibt Calvin an anderer Stelle, ist die große Theaterbühne für die Herrlichkeit Gottes.

Wenn wir dieses Bild weiterdenken, dann hat Gottes Volk eine ganz besondere Rolle auf dieser Theaterbühne zugewiesen bekommen. Als neue Menschheit sollen wir zeigen, was es heißt, als Geschöpf in Abhängigkeit vom Schöpfer zu leben. Als königliches Priestertum haben wir den Auftrag, Gott mit unserem ganzen Leben zu dienen und ein Leben der Anbetung zu führen, indem wir seinem Wort ganz zu gehorchen trachten. Als heilige Nation sind wir dazu berufen, den Kampf gegen Sünde niemals aufzugeben, uns von ihr zu trennen – weil er heilig ist. Und als Volk, das ihm gehört, sollen wir alle Tage unseres Lebens so leben, dass deutlich wird, dass wir nicht uns, sondern ihm allein gehören.

Ich hoffe sehr, dass du jetzt merkst, wie herrlich es ist, was Petrus hier schreibt. Es gibt keine bessere, schönere oder erfüllendere „Jobbeschreibung“ als diese! Wir sind als kleine, schwache Wesen dazu berufen, das herrlichste Wesen zu verherrlichen, anzubeten und seinen Charakter widerzuspiegeln. Dafür wurden wir gemacht. Dazu existiert die Gemeinde.

Diese Berufung gilt der weltweiten Gemeinde, und sie gilt jedem einzelnen Christen. Sie gilt auch und nicht zuletzt der sichtbaren Ortsgemeinde. Die Ortsgemeinde ist nicht nur der Ort, an dem sich Christen zusammenschließen, weil sie den gleichen Glauben teilen. Es ist der Ort, an dem Gottes Herrlichkeit sichtbar werden soll, wenn Menschen sich aufopfernd lieben, sich vergeben und in Einheit zusammenstehen. Die Ortsgemeinde ist der Ort, an dem Gott sichtbar thronen soll, weil hier sein Wort verkündigt wird, weil er hier Älteste beruft, die die Gemeinde geistlich führen, weil hier Christen sich gemeinsam treffen, um sein Wort zu hören, um gemeinsam Gott zu loben, ihren Glauben zu bekennen sowie ihre Sünden, denn Sünde wird in ihr nicht toleriert. Und dies geschieht alles, weil Christen erkannt haben, dass sie eine heilige Nation, ein königliches Priestertum und ein Volk sind, das einem vollkommen heiligen Gott gehört.

Christen und Gemeinden, die ihr Leben, ihre Beziehungen und ihre Theologie nicht mehr nach Gottes Wort ausrichten, haben vergessen, dass sie ein königliches Priestertum sind, das dazu berufen ist, Gott allein mit ihrem ganzen Leben zu dienen. Christen und Gemeinden, die von Streit und Hass geprägt sind, haben vergessen, dass sie eine neue Menschheit sind, innerhalb derer Christus alle Trennung durch sein Opfer aufgehoben hat. Gemeinden, die ohne zu hinterfragen, aktuellen gesellschaftlichen Trends und Denkweisen hinterherhecheln, haben vergessen, dass sie eine heilige Nation sind, die von Gott herausgerufen wurde, um heilig zu sein und sich immer mehr von allem zu trennen, was Gottes Heiligkeit widerspricht. Die Gemeinde (und auch jeder einzelne Christ) ist dazu berufen, gemäß der Identität zu leben, die Gott uns in Christus geschenkt hat.

Liebe Gemeinde, wollen wir diese Identität und auch die Berufung, die damit zusammenhängt, neu für uns annehmen? Wollen wir darüber nachdenken, was es in unserem Leben als Gemeinde heißt, dass wir eine heilige Nation sind? Wollen wir uns darauf besinnen, was es für uns als Gemeinde heißt, dass wir ein königliches Priestertum sind? Und wollen wir auch im Glauben festhalten, was es konkret heißt, dass wir ein Volk sind, das Gott allein gehört? Ich bin überzeugt, dass dies unsere Gemeinde verändern würde.

Ich möchte uns einfach deutlich machen, was für ein riesiges und unverdientes Privileg es ist, dass wir als Gemeinde und als Kinder Gottes diese Berufung haben. Wir kleinen, sündigen Menschen werden von dem heiligen, lebendigen und gerechten Gott als Heilige, als Priester, als Erwählte und als sein kostbares Eigentum bezeichnet. Und als ob das noch nicht genug wäre, beruft uns dieser Gott außerdem noch dazu, ihn selbst und seine Herrlichkeit vor den Augen der Welt darzustellen. Es gibt keine höhere Berufung. Es gibt kein genialeres Ziel. Es gibt keine schönere Bestimmung für mein Leben. Und glücklich ist der Mensch, der diese Bestimmung für sich annimmt. Denn es gibt nichts Großartigeres, nichts, was das Herz eines Menschen so glücklich und zufrieden machen kann wie Gottes Herrlichkeit.

Ein wichtiger Zusatz

Damit seine Leser noch einmal motiviert und ermutigt werden, in dieser Welt ihre Identität auszuleben und ihre Berufung als Fremdlinge anzunehmen, erinnert Petrus sie zum Schluss an die Erlösung, die sie geschenkt bekommen haben. Er will deutlich machen, dass Gott uns herausgerissen hat aus der Finsternis der Sünde, und er zeigt damit, dass Gottes gnädige Erlösung das bleibende Fundament der Gemeinde ist.

  1. Einzigartiges Fundament

Es gibt wohl kaum eine Mannschaft, die ihre Nationalhymne so leidenschaftlich singt wie die italienische Nationalmannschaft. Sie singen, als würde es um ihr Leben gehen. Die Nationalhymnen erinnern die Spieler daran, zu welcher Nation sie gehören, was wiederum viel mit ihrer Identität zu tun hat.

Wenn man so will, könnte man Petrus‘ letzte Worte in diesem Abschnitt als eine Hymne verstehen, die das Fundament der Gemeinde zusammenfasst. Am Ende von Vers 9 und in Vers 10 macht Petrus deutlich, dass die Gemeinde einen einzigartigen Ursprung hat und auf einem einzigartigen Fundament gegründet ist – nämlich auf der Erlösung durch Christus allein und aus Gnade allein.

Wieder zitiert der Apostel das Alte Testament, diesmal den Propheten Hosea. Und er formuliert es wie ein Gedicht, ja fast wie ein Lied. Petrus schreibt: …der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst kein Volk wart, jetzt aber ein Volk seid; die ihr einst keine Barmherzigkeit empfangen hattet, jetzt aber Barmherzigkeit empfangen habt.

Petrus malt uns zum einen vor Augen, woher wir kommen. Aber er macht vor allem noch etwas anderes deutlich: Er zeigt uns Gottes unverdiente Gnade, durch die er uns gerettet hat. Die Gemeinde hat ein einzigartiges Fundament, das für immer ihr einziges Fundament bleibt: Gottes unverdiente Gnade und Erlösung. Gott hat sein Volk aus der Finsternis der Sünde in sein wunderbares Licht gebracht. Er hat aus Menschen, die weit von ihm weg waren, sein geliebtes Volk gemacht. Er hat Menschen begnadigt und in Christus gerecht gesprochen, die keine Barmherzigkeit und Gnade verdient hatten. Das ist das Lied, das wir als Gemeinde niemals aufhören dürfen zu singen. Das ist das Bekenntnis: Wir gehören allein dem, der uns aus Gnade in Christus erwählt, erlöst, begnadigt und gerechtfertigt hat.

Warum erinnert uns Petrus daran? Wir sind das, was wir sind, nur aus Gnade allein. Und das Nachdenken darüber, dass wir nur aus Gnade allein Gottes Kinder, Gottes Volk und Gottes Priestertum sein dürfen, sollte unsere Herzen mit so großer Dankbarkeit erfüllen, dass wir uns als einzelne Christen, aber auch als Gemeinden neu unserem Gott und König hingeben.

Liebe Geschwister, wir wollen nie vergessen, woher wir kommen und woraus uns Gott befreit hat. Lasst uns niemals aufhören, dieses Lied zu singen und dieses Bekenntnis zu proklamieren. Lasst uns immer wieder uns vor Augen halten, dass Gott uns aus schrecklichster Gefangenschaft und der Sklaverei der Sünde und des Teufels befreit hat. Mit welchem Ziel? Damit wir den dreieinen Gott mit unserem Leben verherrlichen und darin eine Freude erleben, die diese Welt nicht kennt.

Das Fundament der Gemeinde ist Gottes unverdiente Erlösung aus Gnade. Wir haben nichts dazu beigetragen, dass wir Teil seines Volkes sein dürfen. Er hat uns aus der Finsternis wirksam gerufen, und wir durften seine Stimme hören, weil sein Geist unsere Ohren dafür geöffnet hat. Wir dürfen heilig sein, weil das Blut seines Sohnes uns reingemacht hat. Das Lied, das wir deshalb als Gemeinde für alle Ewigkeit singen werden, ist das Lied des Lammes, durch das wir erlöst worden sind.

Empfinden wir nicht eine tiefe Dankbarkeit in unserem Herzen für diese Erlösung? Diese Dankbarkeit sollte der Anlass dafür sein, dass wir uns neu Christus hingeben und zu seiner Ehre leben – als sein auserwähltes Geschlecht, als seine heilige Nation, als sein königliches Priestertum und sein erlöstes Volk. Amen.