Vor 500 Jahren war Deutschland das Zentrum des biblischen Christentums. Es war das Bollwerk der Reformation. Heute, am 20. Oktober 2018, stehen wir in diesem Land im Zentrum des säkularen Humanismus und des multikulturellen Marxismus. Viele Indizien sprechen dafür, dass wir den endgültigen Untergang des einst christlichen Abendlandes vor unseren Augen erleben.
Wir müssen davon ausgehen, dass eine Zivilisation, der von Gott so viel geschenkt worden ist, einen solchen Segen nicht einfach wegwerfen darf, ohne dafür schlussendlich zur Rechenschaft gezogen zu werden, und das heißt: gerichtet zu werden. Der Apostel Paulus warnt im Galaterbrief: Irrt euch nicht: Gott lässt sich nicht spotten! Denn was der Mensch sät, das wird er auch ernten (Gal. 6,7).
Nun werden Sie vielleicht denken: Wenn Deutschland ohnehin unter dem Gericht Gottes steht, was hat es dann überhaupt noch für einen Sinn zu kämpfen? Was hat die Akademie für Reformatorische Theologie dann noch für einen Sinn? Was nützt es, Silber auf einem sinkenden Schiff zu polieren?
Als Antwort möchte ich Sie daran erinnern, wie oft Gott im Lauf der Heilsgeschichte von seinem Gericht abgesehen hat, wenn ein Volk sich vor ihm gedemütigt und Buße getan hat. Denken Sie etwa an die Zeit der Richter Israels: Wie oft wurde Israel in ärgster Weise immer wieder Gott untreu. Aber wenn das Volk zu Gott schrie, erbarmte sich Gott seines Volkes erneut. Allein im Buch der Richter sehen wir sieben Mal den folgenden Kreislauf:
– Abfall des Volkes Gottes
– Gottes Züchtigung durch die Feinde Israels
– Israels Umkehr unter Schmerzen und Leiden und Schreien, dass Gott sich erbarmen möge, und zwar nicht, weil die Menschen Gott so geliebt haben, sondern weil sie unter den Fremdvölkern so gelitten hatten und schließlich
– Gottes Erbarmen durch das Schicken eines Richters zur Befreiung Israels.
Also: Rebellion gegen Gott, Gottes Züchtigung, Umkehr, Befreiung.
Sieben Mal lesen wir diesen Kreislauf allein im Buch der Richter.
Liebe Brüder und Schwestern! Die einzige Hoffnung für Deutschland, für Europa, für das Abendland ist die Umkehr zu Gott. Aber solch eine Umkehr geschieht nicht in einem Vakuum. Vielmehr hat Gott dafür eindeutige Wege gezeigt und geschenkt. Diese Wege lauten nicht: Gottesdienste, die wie Rock-Konzerte aussehen, oder weltliche, coole Prediger mit Harley Davidson T-Shirts, die von einem Barstuhl „predigen“.
Es ist nicht die Anpassung der Gemeinde an die Welt, um auf diese Weise endlich „relevant” zu erscheinen. Der Weg, das Gnadenmittel, das Gott für die Umkehr von Sündern vorsieht, ist die mutige Verkündigung seines gesamten Ratschlusses, also des Wortes Gottes.
Das ist es, was Deutschland, was Europa, was die westliche Welt benötigt: Treue, mutige Verkündigung des ganzen Ratschlusses Gottes (Apg. 20,26.27). Dass dies geschieht, dafür braucht es die Akademie für Reformatorische Theologie. Wortverkündiger müssen für diese Aufgabe ausgerüstet, geschult und gelehrt werden. Der Herr wählt sie aus, damit wir sie ausbilden, in Hingabe zu Gott und zu seinem untrüglichen Wort.
Vielleicht könnte jemand einwenden und sagen: „Es gibt doch auch andere theologische Ausbildungsstätten im deutschsprachigen Raum: evangelikale, pietistische oder charismatische Bibelschulen und Seminare. Diese gibt es zweifellos. Wir können durchaus dankbar sein für jede Christus-orientierte Arbeit in Deutschland. Paulus würde sagen: Was tut es? Jedenfalls wird auf alle Weise, sei es zum Vorwand oder in Wahrheit, Christus verkündigt, und darüber freue ich mich, ja, ich werde mich auch weiterhin freuen! (Phil. 1,18).
Aber was wir wirklich benötigen ist biblisch-reformatorische Verkündigung. Im Kern brauchen wir nicht Ausbildungsstätten, in denen es allein um persönliche Frömmigkeit geht. Schon gar nicht brauchen wir transformatorische Ausbildungsstätten, die sich auf ihre Fahnen geschrieben haben, die Gesellschaft zu verändern. Was wir brauchen, ist eine ganzheitlich-reformatorische Ausbildung, die angehenden Pastoren biblische Lehre vermittelt, in der also nicht nur eine persönliche innerliche Frömmigkeit gepflegt wird, sondern die eine Auswirkung auf alle Lebensbereiche einer Gesellschaft hat: eine ganzheitlich biblisch-reformatorische Ausbildungsstätte für Verkündiger und Pastoren. Genau das ist es, was reformatorische Theologie ausmacht: Eine ganzheitliche Theologie, die den ganzen Ratschluss Gottes nicht nur lehrt, sondern auch lebt und anwendet auf jeden einzelnen Lebensbereich.
Es geht um eine Theologie, die aus fester Überzeugung und damit von ganzem Herzen das Evangelium des souveränen Gottes vertritt, der Menschen durch seine Gnade erlöst. Das muss gepredigt werden!
Anders gesagt: Wir haben zu begreifen, dass der Römerbrief nicht nach Kapitel 11 aufhört, sondern dass das Evangelium eine Auswirkung auf jeden einzelnen Lebensbereich haben muss, so wie es ab Römer 12 zu lesen ist. Denn Gott regiert über alle Lebensbereiche seines Volkes. Reformatorische Theologie ist eine ganzheitliche Theologie, die ebenfalls sämtliche Lebensbereiche umfasst. Reformatorische Theologie bezieht die Heilige Schrift nicht nur auf das persönliche Heil des einzelnen, sondern sie sieht und beurteilt alle Lebensbereiche durch die Brille des Wortes Gottes.
Jeden Bereich der Wirklichkeit gefangen nehmen unter den Gehorsam gegenüber Christus
Im 2. Korintherbrief schreibt der Apostel Paulus Folgendes: Denn obgleich wir im Fleisch wandeln, so kämpfen wir doch nicht nach Art des Fleisches; denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig durch Gott zur Zerstörung von Festungen,sodass wir Vernunftschlüsse zerstören und jede Höhe, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt, und jeden Gedanken gefangen nehmen zum Gehorsam gegen Christus.
Das ist eine für unser Thema richtungsweisende Aussage: … jeden Gedanken gefangen nehmen zum Gehorsam gegenüber Christus. Verstehen wir, was das heißt? Der Heilige Geist meint genau das, was er hier sagt: Jeder Gedanke muss gefangen genommen werden, das heißt, er muss geprüft werden anhand des Wortes Gottes, und er muss dann entweder für biblisch oder für unbiblisch befunden werden. Je nachdem muss er angenommen oder verworfen werden. Seit dem Sündenfall ist niemand in der Lage, eine solche Unterscheidung immer richtig zu treffen. Was der Apostel hier schreibt, bezieht er auf das christliche Leben in seiner Gesamtheit.
Niemand außer Jesus Christus hat seit dem Sündenfall perfekt gelebt. Aber daraus darf man nicht folgern: Weil es uns nicht vollkommen gelingt, haben wir alles hinzuwerfen und zu sagen: „Wir schaffen es ja ohnehin nicht. Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.” Das wäre nicht der biblische Weg. Der biblische Weg ist, gebrochen zu sein über die eigene Sünde und die eigene Fehlbarkeit. Dann in Gottesfurcht gemäß dem zu handeln, was wir bereits erkannt haben, und so den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen: zunächst nicht mit unseren Worten oder mit unseren Handlungen, sondern zunächst einmal mit unserem Denken. Jedes Wort, jede Handlung, jede Einstellung beginnt nämlich in unseren Gedanken.
Natürlich weiß Paulus dies. Geleitet vom Heiligen Geist weist er uns an: Wir sollen jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam gegenüber Christus. Jede Sünde beginnt in unseren Gedanken, aber auch jedes gute Werk beginnt in unserem Denken. Jede Einstellung, jede Überzeugung beginnt in unserer Gedankenwelt. Deshalb sind wir aufgerufen, jeden Gedanken gefangen zu nehmen.
Haben wir recht gehört? … gefangen zu nehmen! Also keinen Gedanken entweichen zu lassen. Gefangen zu nehmen, heißt: zu binden, zu unterwerfen.
Wir haben dieses dumme Sprichwort im Deutschen: Die Gedanken sind (steuer-)frei. Das stimmt nicht. Unsere Gedanken liegen vor der unsichtbaren Welt offen. Und nicht nur das: Unsere Gedanken haben immer eine Auswirkung in unserem Leben. Wie wir denken, so werden wir letztendlich reden, handeln, sein und fühlen. Darum gilt es, jeden Gedanken gefangen zu nehmen, und dadurch jeden Lebensbereich unter die Herrschaft des Wortes Gottes zu bringen, also nicht nur eine Antwort auf die Frage zu finden, wie man gerettet wird und wie man persönlich vor Gott lebt. Ich zähle einmal einige Lebensbereiche auf:
► Die Ehe. Was ist eine Ehe? Wie sollen Mann und Frau in der Ehe leben? Das verraten uns in Wahrheit nicht säkulare Psychologen. Auch können wir uns das, was eine Ehe ausmacht, nicht selbst ausdenken. Wir haben das Wort Gottes zu befragen.
► Arbeitswelt: Was ist Arbeit? Wie hart müssen wir arbeiten? Welchen Stellenwert hat sie?
► Wirtschaftsleben: Als Professor der Wirtschaftslehre an einem College lehre ich nicht irgendeine ökonomische Theorie. Ich studiere das Wort Gottes und frage, was Gott uns zum Thema der Wirtschaft zu sagen hat.
► Politik: In Amerika ist es üblich zu sagen, dass die Politik auf der Kanzel nichts verloren habe. Nun gibt es zweifellos politische Fragen, über die Christen unterschiedlich urteilen können, und die nicht auf die Kanzel gehören, zum Beispiel, ob man eine Umgehungsstraße rechts um den Ort herumlegt oder links herum. Aber dann gibt es in der Politik eben auch Themen, in denen es um die Schändung der Schöpfungsordnungen Gottes geht, wie zum Beispiel Fragen rundum Abtreibung oder Euthanasie. Heute gehört dazu selbstverständlich auch die Frage, ob wir durch eine Massenimmigration von vorrangig islamischen Völkern diese antichristliche Religion in unser Haus holen.
► Finanzen: Im Licht des Wortes Gottes ist es falsch zu sagen: Ich kann mit meinem Geld tun und lassen, was ich will. Schon gar nicht darf man sein Leben lang in einer Schuldenfalle leben, weil man es nie gelernt hat, sich mit dem, was man zur Verfügung hat, zu begnügen. Sehr viele Christen wollen heute noch nicht einmal mehr ihren Zehnten der Gemeinde geben: „Das ist meine Privatsache.“ Dazu, so behauptet man, sage die Bibel nichts.
► Ausbildung: Welche Ausbildung lasse ich meinen Kindern zukommen? Kann ich sie ohne weiteres in eine öffentliche Kita oder in eine öffentliche Schule schicken? Will ich überhaupt wissen, wovon sie dort indoktriniert werden? Vor ein paar Tagen hatte ich nach einer Vorlesung eine Diskussion mit einem Studenten, der die Ansicht vertrat, unsere Kinder sollten doch schließlich Salz und Licht sein. Meine Gegenfrage war, ob er einen Fünfjährigen oder Zehnjährigen auch nach Indien als Missionar schicken würde. Die Antwort war klar: „Natürlich nicht. Er würde dort niemals geistig standhalten!“ Das ist der Grund, warum wir unsere Kinder nicht in öffentliche Schulen, also in ein atheistisches, humanistisches, neomarxistisches Umfeld schicken können, sei es nun für fünf oder für acht Stunden täglich. Was erwarten wir eigentlich anderes, als dass sie dann als multikulturelle, marxistische und humanistische Kadersoldaten herauskommen?
► Wissenschaft: Es wird oft darüber verhandelt, wie sich Wissenschaft und Christentum verbinden lassen. Ich höre fast nie, dass Christen gegen diese falsche Fragestellung aufbegehren. Diese beiden Bereiche sind doch nicht entgegengesetzt! Vielmehr geht es um eine christliche Sicht auf die Wissenschaft. Manche Christen verbinden den Begriff „Wissenschaft“ automatisch mit unchristlich oder mit säkular. Stattdessen sollten sie einmal untersuchen, was die Heilige Schrift zur Wissenschaft sagt. Es möge doch einmal die Wissenschaft erklären, ob sie überhaupt Wissenschaft ist und nicht zu einer atheistischen Religion verkommen ist, in der also von vornherein Gott nicht vorkommen darf!
► Kindererziehung: Bitte schauen wir dazu einmal ins Wort Gottes, um zu erfahren, dass wir unsere Kinder in der Furcht und in der Zucht des Herrn erziehen müssen.
► Mathematik: Häufig hört man im Blick auf die Anweisung, jeden Gedanken gefangen zu nehmen unter den Gehorsam gegenüber Christus, den Einwand: „Aber die Mathematik ist doch neutral und wertfrei! Mathematik ist doch von Menschen erfunden worden!“ Ja, man fragt: „Gibt es Mathematik überhaupt? Oder ist sie nur eine Illusion, sodass wir diesen Bereich nicht unter die Herrschaft Christi bringen müssen?“
Mathematik gibt es nur, weil Gott der Schöpfer unveränderlich ist, weil Gott treu und verlässlich ist, weil Gott ein Gott der Ordnung ist. Aus diesem Blickwinkel sollte die Mathematik gelehrt werden. Aus der Perspektive der Heiligen Schrift sehen wir Gott in jeder Disziplin der Wirklichkeit. Wir erkennen durch die Brille der Heiligen Schrift überall seine Charakterzüge, seine Handschrift.
► Geschichte: Jeder Geschichtslehrer wählt aus der Geschichte aus. Indem er ausgewählte Fakten und Aspekte in Beziehung zueinander setzt, ist er subjektiv. Geschichte muss in Beziehung zum Zentrum der Geschichte gesetzt werden, und das ist das Kommen Christi in diese Welt und sein Werk am Kreuz auf Golgatha sowie seine Auferstehung. Die Weltgeschichte kann gar nicht ohne Beziehung zur Heilsgeschichte verstanden werden. Die Christen und die Kirche sind nicht lediglich Fußnoten der Geschichte. Geschichte hat im Kern den Sinn, dass Gott sein Volk, seine Kirche sammelt. Im Vergleich dazu ist das politische, das ökonomische und das kulturelle Leben nur eine Randnotiz, wenn man so will, die Kulisse für das Eigentliche.
Noch einmal: Keine einzige Disziplin kann wertfrei gelehrt werden! Alles ist im Licht des Wortes Gottes zu sehen und zu prüfen.
Jeder hat eine Weltanschauung, in der drei Elemente grundlegend sind
Jeder Mensch hat eine Weltanschauung. Jeder Mensch hat gewisse Dinge, die er im Glauben annimmt, bevor er zum ersten Mal Wissenschaft betreibt, bevor er sich zum ersten Mal Gedanken über irgendetwas macht. Wir haben nicht die Wahl, ob wir eine Weltanschauung haben wollen oder nicht. Wir haben nur die Wahl, ob wir eine unbiblische Weltanschauung haben wollen oder eine biblische.
Lassen Sie mich das kurz erläutern: Sogar nichtchristliche Philosophien, wie sie an staatlichen Universitäten gelehrt werden, haben erkannt, dass jede Weltanschauung drei Grundelemente hat:
1. Metaphysik: Hier geht es um die Lehre vom Übernatürlichen. Oder anders gesagt: Es geht um das, was hinter den einzelnen Phänomenen steht.
Jeder Mensch muss die Frage beantworten, was Wirklichkeit eigentlich ist. Jeder braucht irgendein Konzept von Realität. Ansonsten kann er nichts wahrnehmen oder einordnen. Der Materialist hat das Konzept, dass alles durch einen sinnlosen Zufall entstanden ist und dass es nur das gibt, was materiell erfahrbar ist. Im Unterschied dazu hat der Hindu ein weitgehend illusionistisches Konzept über die Realität, denn er meint, alles, was ihn umgibt, sei eigentlich eine Illusion. Mancher mag auch davon überzeugt sein, dass das, was er wahrnimmt, lediglich ein Traum sei. Aber wie auch immer: Jeder Mensch hat ein Konzept von der Wirklichkeit, ob er sich dessen bewusst ist oder nicht.
2. Epistemologie/Erkenntnistheorie: Hier geht es um die Frage: Woher wissen wir etwas, wenn wir etwas zu wissen meinen? Wie wissen wir? Wann weiß man etwas? Jeder Mensch hat auch davon ein Konzept. Man hört immer wieder: „Heutzutage weiß man…“, oder: „Es ist bewiesen…“, oder: „Die Wissenschaft hat festgestellt…“.
Die Frage muss erlaubt sein: Woher weiß derjenige, der Derartiges so fest behauptet, dies eigentlich so genau? „Ich habe das in der Zeitung gelesen”, kann jedenfalls nicht ernsthaft als Basis für Wahrheitserkenntnis gelten. Wir wissen nur deswegen etwas, weil Gott sich geoffenbart hat, und zwar sowohl in der Natur als auch in seinem Wort. Davon gehen Christen aus. Der Nicht-Christ hat nicht wirklich eine Ahnung, wann er etwas weiß, warum er etwas weiß und aus der Perspektive der Metaphysik noch nicht einmal, ob es ihn selbst überhaupt gibt.
3. Ethik: Was ist richtig und falsch? Jeder hat ein Konzept von richtig und falsch. Nur kaum jemand will erklären, woher er seine Urteile bezieht. Man hört Politiker oder Aktivisten von „richtig” und „falsch” reden, zum Beispiel, warum Homosexuelle heiraten dürfen. Die einzige Frage, die zu stellen ist, lautet: „Woher wissen Sie, dass das richtig ist?” Als Christen wissen wir, warum etwas richtig und warum etwas falsch ist, nämlich, weil Gott es uns in seinem Wort wie auch in seiner Schöpfung (Römer 1) offenbart hat.
Diese drei Elemente hat jeder Mensch im Glauben. Sie sind bereits vorhanden, bevor man sich wissenschaftlich der Welt zuwendet und zum Beispiel im Labor etwas erforscht. Jeder denkende Mensch hat ein Konzept im Blick auf diese drei Elemente. Es ist nicht unbedingt ein gutes Konzept, aber er hat eines. Und er „glaubt“ daran. Insofern ist jeder ein Glaubender. Die Frage stellt sich nur, worauf der Glaube basiert.
Wir haben die Bibel. Sie ist von Gott gegeben. Was hat der Ungläubige? Er hat abgesehen von eigenen Vorlieben und persönlichen Neigungen und dem, was in der Luft liegt, nichts.
Es gibt weder im Denken noch im Handeln Neutralität. Kein Mensch ist neutral. Jeder ist von seinen Grundannahmen („Glauben“) beeinflusst: Entweder diese sind im Wort Gottes verankert, oder sie gründen in einer unbiblischen Philosophie. Das Problem heutzutage ist, dass sogar viele Christen, die zwar einen rettenden Glauben haben, einer im Großen und Ganzen materialistischen Weltsicht anhängen, sodass sie faktisch die Weltsicht der Ungläubigen teilen. Mit anderen Worten: Sie sind funktionale Atheisten.
Es gibt niemanden, der allein faktenorientiert denkt… Es gibt überhaupt nicht „bloße Fakten“. Denn diese werden vom Menschen stets interpretiert, gedeutet und in die jeweils eigene Weltsicht eingeordnet. Evolutionisten und Kreationisten sehen sich dieselben Fossilien an, und sie kommen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen: Der Christ kommt gemäß seiner von Gott geoffenbarten Weltanschauung zu der richtigen Schlussfolgerung und der Atheist zur falschen. Der Mensch kann Fakten nicht sehen, ohne sie zu deuten. Fakten werden immer gemäß der eigenen Weltanschauung interpretiert.
Folglich gibt es niemanden, der rein „wissenschaftlich“ ist. Selbst Leute, die sich selbst im Gegensatz zu den Gläubigen als Wissenschaftler bezeichnen, nehmen Dinge im Glauben an, die sie selbst nicht erforscht haben, zum Beispiel den Urknall oder die Evolution oder ein heliozentrisches Weltbild.
Das falsche Dilemma: Glaube gegen Wissenschaft
Wissenschaft und Glaube sind keine Gegensätze, da wir alle ständig im Glauben (das heißt in diesem Fall: in vorausgesetzten Grundannahmen) wandeln. Der Atheist geht von der Grundannahme aus, dass es keinen Gott gibt, dass es keine Wunder gibt und dass die Bibel nicht Gottes Wort ist. Allerdings sieht er in seinen Forschungen immer wieder Gottes Handschrift, und so muss er sich in abenteuerliche Theorien stürzen, wie zum Beispiel in die Evolutionslehre. Auf diese Weise versucht er die ihm in der Schöpfung geoffenbarte Wahrheit zu unterdrücken.
Auch Christen übernehmen leider häufig solche Auffassungen. Dies führt bei ihnen zu riesigen Problemen. Denn wenn man die ersten Kapitel der Heiligen Schrift preisgibt, öffnet man einer Hermeneutik Tür und Tor, die konsequenterweise auf alle Aussagen in der Bibel angewendet werden muss. Was machen wir dann mit all den Wundern, wie zum Beispiel mit der schwimmenden Axt (2Kön. 6,4.5) oder mit der Auferstehung der Toten oder mit den zahllosen Heilungen? Die Kirchengeschichte zeigt: Der Niedergang der Kirche hat immer mit einer Verneinung oder Relativierung der ersten Kapitel der Heiligen Schrift begonnen.
Das falsche Denken beginnt heutzutage mit der These: „Wenn wir die uns umgebende Schöpfung anschauen und sie untersuchen, können wir erkennen, wie wir die Bibel zu interpretieren haben.” Das ist genau der falsche Weg. Wir haben zuerst in die Bibel zu schauen, und von daher haben wir zu erkennen, wie wir das zu verstehen haben, was uns umgibt. Hier gibt es keinen Kompromiss.
Antithese
Es geht um die sogenannte Antithese, die Gott zwischen Gottes Reich und dem Reich des Teufels gezogen hat, und damit auch zwischen Christen und Nichtchristen: Zieht nicht an einem fremden Joch mit Ungläubigen! Denn was haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit miteinander zu schaffen? Und was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? Wie stimmt Christus mit Belial überein? Oder was hat der Gläubige gemeinsam mit dem Ungläubigen? Wie stimmt der Tempel Gottes mit Götzenbildern überein? Denn ihr seid ein Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: „Ich will in ihnen wohnen und unter ihnen wandeln und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein“. Darum geht hinaus von ihnen und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt nichts Unreines an! Und ich will euch aufnehmen, und ich will euch ein Vater sein, und ihr sollt mir Söhne und Töchter sein, spricht der Herr, der Allmächtige (2Kor. 6,14-18).
Hat heute die Gemeinde Jesu Christi diese Antithese vergessen? Anstatt anders zu sein in ihrem Denken und in ihrem Handeln als die Welt, haben wir versucht, uns gegenüber dieser Welt relevant zu machen. In Anlehnung an Willow Creek Church Growth Movement haben wir uns bei der Welt angebiedert und bilden uns ein, wir könnten auf diese Weise die Menschen in der Welt für das Evangelium erreichen. Aber damit meinen wir, klüger zu sein als Gott.
Die Bibel ist in jedem Bereich, zu dem sie spricht, uneingeschränkt maßgeblich. Wenn der Apostel Paulus schreibt, dass alle Schrift von Gott eingegeben ist und nützlich ist zur Belehrung, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes ganz zubereitet, zu jedem guten Werk völlig ausgerüstet wird (2Tim. 3,16.17), dann ist es eben zu kurz gegriffen, zu behaupten: Die Heilige Schrift sei nur nützlich für das, was über Jesus gesagt ist oder für die persönliche Frömmigkeit, und sie hätte nichts zu den Bereichen des täglichen Lebens, also zu den sozialen, politischen, (natur-)wissenschaftlichen, rechtlichen Dimensionen unseres Lebens zu sagen.
Ich illustriere das einmal anhand der Volkswirtschaft: Die generelle Definition der Volkswirtschaftslehre lautet folgendermaßen: Volkswirtschaftslehre ist die Lehre von der Allokation von Ressourcen, die alternative Anwendungsmöglichkeiten haben. In anderen Worten: die Lehre von der bestmöglichen Verteilung von Ressourcen und Gütern.
Auf den ersten Blick scheint das recht passabel zu klingen. Aber sehen wir uns die westlichen Systeme an: Der Staat nimmt heute eine Menge Steuern ein. Er verteilt sie um und gibt sie denen, die weniger haben. Das scheint menschlich zu klingen. Die meisten Christen habe damit kein Problem.
Aber Derartiges hat keine Basis in der Heiligen Schrift. So zu handeln ist unbiblisch. Der Apostel Paulus definiert die zivile Obrigkeit als Trägerin des Schwerts, als Dienerin Gottes, als Rächerin zum Zorngericht an dem, der Böses tut (Röm. 13,1-7). Petrus schreibt das gleiche: Ordnet euch deshalb aller menschlichen Ordnung unter um des Herrn willen, es sei dem König als dem Oberhaupt oder den Statthaltern als seinen Gesandten zur Bestrafung der Übeltäter und zum Lob derer, die Gutes tun (1Petr. 2,13.14).
Es ist deutlich, was die Aufgaben des Staates sind: Schutz des Bürgers vor inneren und äußeren Feinden: Strafrecht, Polizei, Gerichte, Landesverteidigung, also auch Schutz der Grenzen. Für diese Zwecke darf und soll der Staat Steuern erheben. Aber Vermögensumverteilung ist nicht Staatsaufgabe. Das achte Gebot lautet nicht: „Du sollst nicht stehlen außer mit parlamentarischem Mehrheitsbeschluss.“ Außerdem wäre es töricht zu übersehen, dass es auch Leute gibt, die nicht arbeitswillig sind, die faul sind. Diese sollen nicht unterstützt werden: Wenn jemand nicht arbeiten will, so soll er auch nicht essen! (2Thess. 3,10). Hier müssen wir genau lesen, um die Bibel nicht misszuverstehen. Es heißt in der Heiligen Schrift nicht: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen (wie in kollektivistischen Weltanschauungen). Vielmehr heißt es: Wer nicht arbeiten will… Der Apostel schreibt hier über Arbeitsunwillige, über Leute, die keine Lust zu arbeiten haben.
Nehmen wir noch ein Beispiel aus noch einem anderen Lebensbereich: Immer mehr Pastoren schicken Gemeindemitglieder zu nicht-christlichen Psychologen, anstatt Seelsorge mit der Heiligen Schrift zu üben. Aber diese Psychologen haben ein humanistisches Menschenbild. Dies widerspricht der Heiligen Schrift. Es gibt bei ihnen hunderte verschiedene Theorien und Lehransätze, die miteinander nicht übereinstimmen. Einigkeit herrscht allerdings insofern, als der Begriff „Schuld” und damit „Vergebung” von den meisten Psychologen verpönt ist. Und diese Psychologen sollen dann für die Seelen von Menschen, die zum Volk Gottes gehören, Sorge tragen?!
Wir könnten jetzt durch jeden Lebens- oder Fachbereich gehen. Wir würden dann sehen, dass die Welt ein der Bibel entgegengesetztes Konzept in jedem einzelnen dieser Bereiche hat. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einmal erwähnen, dass öffentliche Schulen und Universitäten NICHT neutral sind. Sie können gar nicht wertfrei lehren! So etwas gibt es nicht!
Warum gibt es diesen Widerstand von Seiten der Welt gegen christliche Normen? Ist das ein Zufall? In Römer 1,18 lesen wir den Grund: Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit aufhalten.
Das bezieht sich auf jeden Ungläubigen – ob er das nun weiß und wahrhaben will oder nicht. Vielfach erleben wir heute ein Christentum, das sich auf die persönliche Erlösung und die private Erbauung konzentriert, aber zu allen anderen Fragen des täglichen Lebens so gut wie keine Antworten gibt. Der liberal-sozialistische Wunschtraum, den christlichen Glauben ins ausschließlich Private abzudrängen, wurde von den Christen der letzten 150 Jahre zunehmend freiwillig verwirklicht. Das kaum hinterfragte sozialistisch-humanistische Axiom „Religion ist Privatsache” wird von Christen sowie von Feinden des Christentums gleichermaßen vorausgesetzt. Damit hat das Antichristentum freie Hand, alle öffentlichen Lebensbereiche zu dirigieren: Abtreibung, Homo-Ehe und Zwangsumerziehung unserer Kinder in staatlichen Schulen sind nur die Spitze des Eisbergs eines solchen Ansatzes.
Und die Christen – sie schweigen zu diesem Unrecht. Man will sich ja tunlichst unterordnen und ein „gutes Zeugnis“ sein. Damit aber wird Unrecht akzeptiert, und die Gemeinde verliert auf diese Weise jegliche moralische Autorität. Und diesen Verlust erfährt sie zu Recht! Denn ein „Christentum“ mit einer solchen Rückzugsmentalität oder einem Endzeitpessimismus hat auf diese Misere keine Antwort.
Es war und es ist die ganzheitlich-reformatorische Theologie, die dahin führt, dass sie jeden Lebensbereich, einen nach dem anderen, aus der ideologischen Gefangenschaft befreit.
Der reformierte Theologe und niederländische Premierminister des frühen 20. Jahrhunderts, Abraham Kuyper, hat das folgendermaßen ausgedrückt: „Es gibt keinen Fingerbreit in dieser Welt, von dem Christus, der Herr, nicht ausruft: ‚Das ist mein!‘“
Darum geht es. So sehen Christen die Welt. Sie sehen sie durch die „Brille” der Heiligen Schrift und erkennen, dass Christus der Herr über alles ist, dass er im Zentrum steht! Genau deshalb ist die Akademie für Reformatorische Theologie unverzichtbar: Um Männer zuzurüsten, die diesen Universalanspruch des Sohnes Gottes über alle Lebensbereiche mutig verkündigen und damit einer vom geraden Kurs des Wortes Gottes abgekommenen Gemeinde wieder den Weg weisen und einer verlorenen Welt das unverkürzte Evangelium der Versöhnung Gottes durch den Herrn Jesus Christus bringen.