Was konstituiert eine Ehe? (Teil 2)

Was konstituiert eine Ehe? (Teil 2)

Die „Homo-Ehe“ ist legalisiert

Was abzusehen war, ist inzwischen Gesetz: Gleichgeschlechtliche Partnerschaften, sogenannte „Homo-Ehen“, sind in Deutschland legalisiert.

Erinnern wir uns: Bis zum Jahr 1973 wurde ausnahmslos jede homosexuelle Betätigung als „widernatürliche Unzucht“ unter Strafe gestellt. Noch bis zum Jahr 1994 wurden homosexuelle Handlungen dann geahndet, wenn sie von jemandem, der über 18 Jahre alt war, an einem Jugendlichen unter 18 Jahren ausgeübt wurden oder er an sich ausüben ließ.

Als im selben Jahr (1994) zwei Männer ihre homosexuelle Verbindung registrieren lassen wollten, lehnte das betreffende Standesamt dieses Ansinnen ab. Daraufhin klagten die beiden beim Bundesverfassungsgericht. Das höchste deutsche Gericht wies diese Klage jedoch unzweideutig ab: In Artikel 6 des Grundgesetzes, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt, gehe es um das Eingehen einer Lebensgemeinschaft von Mann und Frau. Darum stelle die Verweigerung des Eheschlusses homosexuell geprägter Paare keine Diskriminierung dar. Die Rechtsform der Ehe sei denjenigen Lebensgemeinschaften vorbehalten, auf die sich der verfassungsrechtliche Schutzauftrag beziehe. Eine Änderung dieses großen gesellschaftlichen Konsenses bedürfe einer Verfassungsänderung und damit der Zustimmung von zwei Dritteln der Abgeordneten des Bundestages sowie des Bundesrates. Bisher habe ein derartiger Wertewandel noch nicht stattgefunden … „Insbesondere sind hinreichende Anhaltspunkte für einen grundlegenden Wandel des Eheverständnisses in dem Sinne, dass der Geschlechtsverschiedenheit keine prägende Bedeutung mehr zukäme, nicht erkennbar.“

Heute, nur 6 Jahre später, scheinen uns Welten von diesem Ausspruch des höchsten deutschen Gerichts zu trennen. Das zeigt, wie atemberaubend schnell unser Volk sich von Gott und seinen Geboten abkehrt.

Die Frühe Kirche definierte selbst, was Ehe ist

Im ersten Artikel sahen wir, dass die Christen in den ersten Jahrhunderten in einer in vieler Hinsicht mit uns vergleichbaren Situation lebten. Die Kirche nahm in einer Lage, in welcher in der römischen Gesellschaft die geschlechtlichen Beziehungen weitgehend durch Konkubinat und Promiskuität gekennzeichnet waren, die Herausforderung an und bestand darauf, selbst festzulegen, was eine Ehe genannt zu werden verdient und was nicht.

Dabei verlief das Ziehen klarer Grenzen zwischen Ehe und Konkubinat keineswegs konfliktfrei. Dazu nur ein Beispiel: Als sich im 3. Jahrhundert der Leiter der Gemeinde 11 Roms, Kallist (Calixt), dazu bereit erklären wollte, das in der römischen Gesellschaft seiner Zeit übliche Konkubinat von Frauen senatorischen Standes mit Sklaven oder Freigelassenen zu dulden, schleudert ihm ein anderer Verantwortlicher der Gemeinde, Hippolyt, ein unmissverständliches Nein entgegen. Hippolyt ist sogar bereit, eher eine Spaltung der Kirche in Rom in Kauf zu nehmen als hier nachzugeben.

Der Kampf für das, was die Bezeichnung „Ehe“ verdient und auch, was diesen Namen zu Unrecht trägt, zieht sich noch über Jahrhunderte hin. Denn auch nachdem die christliche Kirche toleriert und später anerkannt wird, bleibt das römische Recht noch lange Zeit durch schillernde Zwischenformen geschlechtlicher Beziehungen belastet. Eigentlich stellt erst der oströmische Kaiser Leo VI. zu Anfang des 9. Jahrhunderts klar, dass nur eine kirchlich getraute Ehe eine gültige Ehe ist. Es gibt, so erklärt der Kaiser, kein Mittelding zwischen Ehe und Nichtehe.

Die Entwicklung im Mittelalter

Auch im Westen bestehen die Christen darauf, daß die Ehe in der Kirche geschlossen wird. Wie Augustinus betont, ist die Ehe weit mehr als eine auf Gegenseitigkeit beruhende Übereinkunft. Sie ist Zeichen des Geheimnisses der Liebe von Christus zu seiner Gemeinde. Umgekehrt ist ihm die selbstaufopfernde Liebe von Christus für seine Gemeinde das leuchtende Beispiel für das, was Eheliebe in aller Konsequenz sein soll.

Als die christliche Eheauffassung auf das germanische Eherecht trifft, gewinnt der römische Aspekt, nach dem eine Ehe auf Konsens, also auf gegenseitiger Übereinkunft beruht, neue, positive Bedeutung. Denn bei den Germanen begegnete die Kirche nicht so sehr dem Problem des Konkubinats, sondern sie traf hier auf die Tradition „Kaufehe“: Nachdem ein Kaufpreis von den Großfamilien ausgehandelt und dann entrichtet wurde, wird die Braut dem Bräutigam übergeben. Man heiratet nicht, sondern wird verheiratet, nicht nur die Braut, sondern vielfach auch der Bräutigam. In der Regel geben wirtschaftliche Gesichtspunkte den Ausschlag. Namentlich in bäuerlichen Kreisen sind Vetternehen zur Zusammenlegung oder Erhaltung des Besitzes beliebt

Die Missionstätigkeit und die damit zusammenhängende Kirchenreform des Bonifatius ist weithin ein Kampf gegen diese germanische Eheauffassung, gegen die Auswüchse des Sippenrechtes. So erhält das Konsensprinzip in der Kirche eine positive Bedeutung. Nun geht es darum, gegenüber der Despotie der Sippe mit ihrem bäuerlichen Zweckdenken auf die Würde der Person und deren Freiheit zu bestehen. Wenn sich also die Kirche gegen das überkommene Sippenrecht stellt, eine Liste von Ehehindernissen aufgestellt und zum Beispiel nachdrücklich fordert, daß Ehen nicht zwischen nahen Verwandtschaftsgraden geschlossen werden dürfen und deswegen die Notwendigkeit der kirchlichen Trauung betont, dann geht es ihr im Kern nicht um Machterweiterung, sondern um die Würde der Ehe, um Freiwilligkeit, um Menschlichkeit und Menschenwürde der beiden Beteiligten.

Im 12. und 13. Jahrhundert setzt sich jedoch nicht nur die auf gegenseitige Zustimmung (Konsens) beruhende kirchliche Eheschließung durch, sondern darüber hinaus bekommt die Ehe einen Platz unter den 7 römisch-katholischen Sakramenten (4. Laterankonzil [1215] can. 51). Sie wird also in die kirchliche Heilsordnung aufgenommen.

Korrektur durch die Reformation

Gegen die Sakramentsauffassung der Ehe erhebt sich Luthers Widerspruch. In seiner Schrift Von der Babylonischen Gefangenschaft (1520) lehnt der Reformator die Auffassung eines Ehesakraments ab und betont, die Ehe sei ein „weltliches“ Geschäft. Den Ausdruck „weltlich“ will Luther nicht in modernem, neuzeitlichem Sinn verstanden wissen. Er meint damit nicht, daß die Ehe etwas Profanes ist, oder gar daß sie dem Bereich Gottes entzogen ist. Vielmehr will er mit dem Begriff „weltlich“ deutlich machen, daß die Ehe kein Bestandteil der geistlichen Erlösungsordnung ist, sondern zur Schöpfungsordnung gehört.

Andererseits sieht Luther, wie problematisch es ist, eine Ehe durch gegenseitigen Konsens begründen zu lassen. Er sieht die praktischen Auswirkungen, das heißt die Nöte und Komplikationen, die sich aus der Verbindlichkeit übereilter, unbedachter oder heimlich gegebener Eheversprechen ergeben. Nicht zuletzt also wegen der allseitigen Bedrohung der Ehe ist ihm der öffentliche, kirchliche Trauakt unverzichtbar. In seinem Traubüchlein (1529) schreibt er: „Denn wer vom Pfarrer … Gebet und Segen begehrt, der zeigt damit wohl an (ob er gleich mit dem Mund nicht redet), in was für Gefahr und Not er sich begibt und wie hoch er des göttlichen Segens und gemeinen Gebets bedarf zu dem Stand, den er anfängt. Wie sich‘s denn auch wohl täglich findet, welche Unglück der Teufel anrichtet in dem Ehestand mit Ehebruch, Untreue, Uneinigkeit und allerlei Jammer.“ Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist ihm der Segen unverzichtbar. Insofern nimmt er große Teile der bisherigen Tradition gerne auf: „Die es zum ersten gestiftet haben, dass man Braut und Bräutigam zur Kirche führen soll, haben´s wahrlich für keinen Scherz, sondern für einen großen Ernst angesehen.“ [1] Es ist deutlich: Für Luther ist die Ehe nicht etwas Profanes, sondern Einsetzung Gottes, ein von Gott, dem Schöpfer, eingesetzter und darum heiliger Stand.

Die Entwicklung bis zur Neuzeit

In den folgenden Jahrhunderten wird der Segensaspekt der Trauung nie vergessen. Aber Luthers Äußerung, nach der die Ehe ein „äußerlich, weltlich Ding“ sei, bekommt nun ein solches Eigengewicht, daß sich in der Bevölkerung die Meinung durchzusetzen beginnt, die Ehe und damit auch die Eheschließung sei im Kern eine säkulare Angelegenheit. Ein prinzipieller Unterschied zwischen den Ländern, die mehr durch den lutherischen Flügel der Reformation geprägt sind, und denjenigen Ländern, die mehr in der Tradition Calvins stehen, ist nicht zu sehen.

Anfangs stellen die weltlichen Obrigkeiten (der Fürst, der Landesherr, die Regierung) ihre Forderungen im Namen Gottes auf. Sie heben ihre Verantwortung für die Eheschließung hervor. Dieses bedeutet einerseits ein staatliches Ehe-Aufsichtsrecht, andererseits aber behält sich der Landesfürst vor, sich von dieser oder jener Vorschrift zu dispensieren. Die weltlichen Fürsten legen den Rahmen für das, was Ehe ist, fest.

Die zivile Eheschließung begegnet zum ersten Mal in den Niederlanden im 16. Jahrhundert. Sie gilt als Sonderregelung für Angehörige dort tolerierter Sekten. Bald findet sie sich ansatzweise auch in anderen Ländern. Damit beansprucht die weltliche Obrigkeit, ehestiftende Instanz zu sein.

Schließlich ist es die Französische Revolution, die in der Septemberverfassung (20.9.1792) die bürgerliche Eheschließung proklamiert: „weil der Bürger dem Staat angehört, unabhängig von jeder Religion.“ Die Ehe erscheint als Vertrag zwischen den Eheleuten, den die beiden jederzeit einverständlich auch wieder lösen können. Die Scheidungsmöglichkeiten werden enorm ausgeweitet.

Die Ziviltrauung

Wenn auch zwei Jahrzehnte später die Ehescheidungsgründe wieder eingeschränkt werden, ist es im 19. Jahrhundert vor allem der aufkommende Liberalismus, der die Forderung nach der Ziviltrauung vorantreibt. In Deutschland erscheint sie im Jahr 1848 als Forderung in der Paulskirche. Dann verbreitet sie sich nach und nach in den deutschen Kleinstaaten. Unter Bismarck (Kulturkampf) werden die Ehegesetze (1874 und 1875) ausdrücklich geschaffen, um die öffentliche Position der Kirche zu untergraben zugunsten der Staatssouveränität. Denn: „Nach Canossa gehen wir nicht“. Außerdem behauptet man, es sei die reinere, die wahrhaftigere Lösung, ja geradezu eine Befreiung, wenn die Angehörigen aller Konfessionen der gleichen staatlichen Eheschließungsform unterstellt werden.

Einmal eingeführt gerät die Zivilehe sehr schnell in den Sog der staatlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen und damit auch die kirchlichen Handlungen. Denn nachdem die kirchliche Trauung als konstitutiver Akt für die Eheschließung gefallen ist und damit die kirchliche Handlung faktisch in das Belieben eines jeden einzelnen Brautpaares gestellt ist, bekommt sie schnell den Geschmack, nichts anderes als Überhöhung des Weltlichen zu sein, Verklärung der Profanität, sicherlich brauchbar für die Hebung der feierlichen Stimmung auf bürgerlichen Festen, aber eben doch eigentlich unnötig.

Entwicklungen nach dem 2. Weltkrieg

In den letzten 50 Jahren, in denen sich der Individualismus mehr und mehr durchsetzt, wird das staatliche Eheschließungsrecht, das einst als Befreiung gefeiert wurde, immer mehr als Einengung der eigenen persönlichen Entfaltung gesehen. Das damit auftretende Infragestellen des staatlichen Eheschließungsrechts zog seine Nahrung aus unterschiedlichsten Quellen:

Ein Aspekt war sicher die Erfahrung des nationalsozialistischen Staates, der für sich in Anspruch nahm, Eheschließungen auch zu verbieten. Bekanntlich war während des NaziRegimes die Ehe zwischen einem „Arier“ und einem „Nichtarier“ untersagt.

Ein anderer Gesichtspunkt war, daß ältere Leute durch eine rechtliche Eheschließung in ihrer Altersversorgung finanziell schlechter dastanden, als wenn sie unverheiratet zusammenwohnten.

Ein dritter Aspekt war die Ehescheidungsgesetzgebung (Zerrüttungsprinzip statt Schuldprinzip), durch die nach einer Scheidung (in der Regel) der Mann einen großen Teil seines Gehaltes zur Versorgung seiner geschiedenen Frau entrichten muß, und zwar selbst dann, wenn sie es war, die aus der Ehe ausgebrochen war.

Die „Homo-Ehe“ – ein weiterer Schritt

Aus dieser historischen Perspektive ist die „Homo-Ehe“ nur als ein weiterer Schritt in der Auflösung der Ehe zu sehen.

Aufschlußreich ist, daß nicht wenige Zeitgenossen gar nicht mehr verstehen, daß Artikel 6 des Grundgesetzes Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt. Warum, so fragt man, sind eigentlich Ehe und Familie dieses besonderen Schutzes würdig? Das Grundgesetz selbst gibt keinen Grund an. Das von Politikern gern angeführte Argument, Ehe und Familie müßten gefördert werden, weil nur durch die geborenen und aufgezogenen Kinder die Altersversorgung für die nächste Generation gesichert werde, wird jedenfalls kaum zu einem grundsätzlichen ethischen Umdenken führen. Dafür ist der Individualismus in unserer Gesellschaft zu beherrschend. Für den Individualismus ist die Ehe, wenn er überhaupt dieses Wort verwendet und nicht stattdessen von „Partnerschaft“ spricht, eine sich auf einen mehr oder weniger längeren Zeitabschnitt erstreckende Geschlechtsbeziehung zweier Menschen verschiedenen oder auch gleichen Geschlechts. Wenn das gegenseitige Interesse erkaltet, hört sie einfach auf zu bestehen.

Eines dürfte jedenfalls klar sein: Wenn es in der ganzen Frage überhaupt zu einer geistigen Neubesinnung kommt, dann kann diese nur aus dem Hören auf das Wort Gottes kommen. Daher fragen wir im folgenden abschließenden Artikel, was im Licht der Heiligen Schrift zu Ehe und damit eben auch zur Eheschließung und dem Platz einer Gemeinde, die unter Gott und seinem Wort steht, zu sagen ist. Darüber in der nächsten Ausgabe der Bekennenden Kirche.


[1]: M. Luther, Weimarer Ausgabe 30/3, S. 76, Z. 4.