Joseph war Zimmermann und wollte gern heiraten. Er war verlobt mit Maria, einer wundervollen jungen Frau. Doch es geschah etwas absolut Unerwartetes: Maria beging Ehebruch! Es erwies sich, dass sie schwanger geworden war (Mt. 1,18).
Eine Verlobung entsprach damals in Israel in rechtlicher Hinsicht der Eheschließung. Die eigentliche Eheschließung war lediglich der feierliche Akt der Heimführung der Braut in das Haus des Bräutigams. Noch lebten die beiden nicht zusammen. Doch sie gehörten schon zusammen und waren einander fest versprochen. Sie waren bereits Mann und Frau (Mt. 1,19: Joseph ihr Mann. Vers 20: Maria deine Frau). Wenn sich die Frau in der Verlobungszeit mit einem anderen Mann eingelassen hatte, war das eindeutig Ehebruch.
Verliebt – verlobt – verheiratet? Nein! Verliebt – verlobt – geschockt! Joseph fühlte sich sicherlich zutiefst betrogen, denn nie im Leben hätte er Maria so etwas Schändliches zugetraut. Wie konnte sie ihm das antun? Stellen Sie sich seine grenzenlose Enttäuschung und tiefe Verletzung vor!
Was sollte Joseph in dieser Situation tun? Er stand in der Spannung zwischen Enttäuschung über und Liebe zu Maria. Joseph war gerecht und fromm (Mt. 1,19). Er wird tiefste Qualen durchgestanden haben, doch Maria zu heiraten war ausgeschlossen, nachdem sie von einem anderen Mann geschwängert worden war. Nach dem Gesetz hatte er nun zwei Möglichkeiten, die Verlobung aufzulösen: entweder die Geschehnisse öffentlich zu machen und Maria der Anklage und öffentlichen Erniedrigung preiszugeben oder ihr in stiller Übereinkunft einen Scheidebrief zu geben. So hätte er ihr den Weg zur Hochzeit mit einem anderen Mann, vielleicht mit dem Vater des Kindes in ihrem Bauch, geebnet. Joseph wählte den zweiten Weg: Aber Joseph, ihr Mann, der gerecht war und sie doch nicht der öffentlichen Schande preisgeben wollte, gedachte sie heimlich zu entlassen (Mt. 1,19).
Doch wie erfuhr Joseph überhaupt von der Schwangerschaft? Wahrscheinlich von Maria selbst, da sie es auf die Dauer nicht geheim halten konnte. Vielleicht versuchte sie ihm zu erklären, was der Engel ihr gesagt hatte, nämlich, dass sie vom Heiligen Geist schwanger geworden war (vergleiche Lk. 1,35). Doch was sollte Joseph mit einer solchen Geschichte anfangen? Schließlich konnte er eins und eins zusammenzählen. Jungfrauengeburt war damals genauso unwahrscheinlich wie heute, also schier unmöglich. Joseph war ein Handwerker, ein Baumeister, der vernünftig dachte. Obwohl er an Gott glaubte, konnte er Maria diese Geschichte bei aller Liebe nicht abnehmen. Doch dann lesen wir: Während er aber dies im Sinn hatte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum, der sprach: „Joseph, Sohn Davids, scheue dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was in ihr gezeugt ist, das ist vom Heiligen Geist“ (Mt. 1,20). Während Joseph sich auf seinem Lager hin und her wälzte und mit seiner Entscheidung rang, schlief er ein und Gott sprach im Schlaf durch einen Engel zu ihm. Die Botschaft ist eindeutig: Maria hat die Ehe nicht gebrochen, das Kind in ihr wurde vom Heiligen Geist gezeugt. Das Kind kommt von Gott.
Von Gott
Jungfräuliche Empfängnis – das klingt dennoch recht märchenhaft. Doch die Bibel ist in ihren Aussagen eindeutig: Christus hatte keinen menschlichen Vater, sondern wurde vom Heiligen Geist gezeugt. Kann man das (heute) noch glauben? Die Frage, die hinter dieser Frage steht, ist jedoch viel grundlegender: Glaube ich an einen Gott, der über der Schöpfung steht und deshalb auch übernatürlich in sie eingreifen kann, der die Natur beherrscht, weil er die Naturgesetze geschaffen hat?
Wenn ich an Gott glaube, dann muss ich damit rechnen, dass er in die Welt eingreifen kann. Womit ich aber nicht rechnen muss, ist, dass Gott sich mit seinen Geschöpfen, mit uns Menschen, verbindet und zwar so, dass er selbst Mensch wird.
Zu uns
Verstehen Sie, nicht die Zeugung durch den Heiligen Geist ist das Unglaubliche. Sie ist nur ein weiterer Schöpfungsakt Gottes. Das Unglaubliche ist, dass Gott sich entschieden hat, Mensch zu werden und so zu uns zu kommen. Er hat Fleisch und Blut angenommen, um sich mit uns Menschen zu verbinden. Das ist umso unfassbarer, als wir nicht nur seine Geschöpfe sind, sondern mit jeder Sünde in unserem Leben doch letztlich eines zum Ausdruck bringen: Wir wollen und wir brauchen keinen Gott. Doch Gott kam dennoch aus Liebe zu uns (Joh. 3,16).
Wir können uns vorstellen, dass dieses weltverändernde Ereignis keine spontane Idee Gottes war. Der Engel verwies Joseph auf die alte Verheißung des Propheten Jesaja. Nun sollte sich erfüllen, was Gott schon so lange angekündigt und beschlossen hatte: Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären; und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns (Mt. 1,23; vergleiche Jes. 7,14). Diese Verheißung geht einerseits direkt auf die Jungfrauengeburt ein. Dabei macht der Zusammenhang, in dem dieses Wort des Propheten steht, deutlich, dass gerade diese außergewöhnliche Geburt ein Zeichen der Macht Gottes sein sollte. Andererseits wird in dieser Prophetie auf eine nochmals ältere Verheißung Gottes angespielt, indem der Name des Kindes erwähnt wird: Immanuel, das heißt: Gott mit uns.
In diesem Namen wird die Bundesverheißung, die Gott bereits Abraham gegeben hatte, und die er immer und immer wieder seinem Volk zusprach, wunderbar zusammengefasst: Ich will euer Gott sein und ihr sollt mein Volk sein. Ich will mit euch Gemeinschaft haben in Ewigkeit. Die große Heilsgeschichte Gottes, die sich über das gesamte Alte Testament erstreckt, hatte genau diese Ausrichtung. Und nun kam der, der diese Verheißung erfüllen sollte. Er wird Gott und Mensch verbinden, und zwar in seiner eigenen Person: „Gottheit und Menschheit vereinen sich beide, Schöpfer, wie kommst du uns Menschen so nah.“
Immanuel wurde nicht der Rufname des Kindes, sondern er beschreibt sein Wesen und seine Bestimmung. Der Name ist Programm: Gott mit uns. Abraham und Jakob sahen Gott in menschlicher Erscheinung. Christus war keine Erscheinung Gottes mehr, sondern der fleischgewordene Gott. Einer der Jünger Jesu, Philippus, fragte, nachdem Jesus von seiner Göttlichkeit gesprochen hatte: Herr, zeige uns den Vater, so genügt es uns! (Joh. 14,8). Was antwortete ihm Jesus: So lange Zeit bin ich bei euch, und du hast mich noch nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, der hat den Vater gesehen (Joh. 14,9).
In Christus kam Gott zu uns! Aber die Menschwerdung Gottes, so unglaublich sie ist, war erst der Anfang. In Christus kam Gott nicht nur zu uns, sondern er kam für uns.
Für uns
Sie wird aber einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben (Mt. 1,21). Auch dieser (Ruf-)Name ist Programm. Jesus bedeutet Gott rettet. Und genauso sagte es der Engel zu Joseph: Du sollst ihm den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. Auch dieser Name stellt eine aufschlussreiche Verbindung zum Alten Testament her, ganz konkret zu Josua, dem Nachfolger Moses, dessen griechische Namensentsprechung Jesus ist. Josua hatte von Gott einen besonderen Auftrag bekommen. Er sollte die im verheißenen Land ansässigen und verderbten kanaanitischen Völker vernichten und vertreiben. In diesem Sinne war er ein Gerichtswerkzeug Gottes. Doch die Vollstreckung des Banns geschah nicht nur zum Gericht, sondern zur Verhinderung der Verführung des Volkes Israel zum Götzendienst durch die kanaanitischen Völker. Josua musste darum das verheißene Land von Sündern befreien. Über Jesus lesen wir, dass er das Volk von Sünden befreien wird.
Die Pharisäer dachten, der Messias würde genauso sein wie Josua, Heil und Rettung bringen durch Vernichtung aller Sünder. Rettung von Sünden hieß für sie Befreiung von Sündern. Nur die Gerechten, die Pharisäer und ihresgleichen würden übrigbleiben und ein irdisches messianisches Friedensreich würde beginnen. Dementsprechend konnte Jesus, der es nicht verschmähte, sich mit den schlimmsten Sündern wie Zöllnern und Huren abzugeben, nicht der verheißene Messias sein.
Aber Gott sei Dank kam Jesus nicht, um zu richten, sondern um zu retten (Lk. 19,10). Er rettete dadurch die Menschen von Sünden, dass er selbst das Gericht über ihre Sünden auf sich nahm. Nicht die Sünder mussten sterben, sondern der Sohn Gottes, der ohne jede Sünde war, starb für sie.
Wenn wir das Böse in der Welt und die Probleme in unserem Leben sehen, denken wir auch gelegentlich, es würde alles gut werden, wenn nur all die bösen Menschen weg wären. Dabei übersehen wir, dass das Böse auch in uns ist und wir sündenbeladen sind. Bis hinein in die engsten Beziehungen unseres Lebens besteht bei uns der Hang, die Gründe für Probleme bei dem anderen zu sehen und nicht bei uns selbst. Wir können den Span im Auge unseres Nächsten klar erkennen trotz des Balkens im eigenen Auge. Wagen wir einen ehrlichen, einen demütigen Blick auf uns selbst!
Keiner kann seine Sünden vor Gott wiedergutmachen, keiner seine Schuld vor ihm bezahlen. Die Pharisäer haben es versucht, und sie sind in Selbstgerechtigkeit und Heuchelei verfallen und jämmerlich gescheitert. Wir können uns selbst nicht retten, wir brauchen einen Retter: …das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde. Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit (1Joh. 1,7b–9).
Gleichwohl dürfen wir nicht vergessen, dass Jesus, unser Retter, eines Tages auch als Richter wiederkommen und ähnlich wie einst Josua das verheißene Land, die ganze Welt von Sündern „reinigen“ wird, indem er die Welt richtet.
Glaube an Jesus Christus, dann wirst du gerettet
Die Fleischwerdung des Sohnes Gottes bleibt für uns ein Wunder. Wir können es nicht erklären, wir empfangen diese Wahrheit im Glauben. Sicher konnte auch Joseph nach seinem Traum nicht logisch erklären, wie Gottes Sohn Mensch werden konnte. Doch als er vom Schlaf erwachte, handelte er so, wie es ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und er nahm seine Frau zu sich; und er erkannte sie nicht, bis sie ihren erstgeborenen Sohn geboren hatte; und er gab ihm den Namen Jesus (Mt. 1,24.25). Im Handeln Josephs erkennen wir seinen Glauben. Er glaubte den Worten des Engels, und er handelte danach. Wissen Sie, was das Wort Glauben bedeutet? Es bedeutet nicht nur, etwas für wahr zu halten, sondern vor allem, zu vertrauen.
Johannes schreibt im Zusammenhang mit der Fleischwerdung des Sohnes Gottes in den ersten Versen seines Evangeliums: Allen aber, die ihn aufnahmen, denen gab er das Anrecht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben (Joh. 1,12). Vertrauen Sie auf den Namen des Herrn! Immanuel: In Christus kam Gott zu uns. Jesus: Durch Christus rettet uns Gott aus unseren Sünden.