Wohl jeder Wortverkündiger, der einmal einer Einladung gefolgt ist, um in einer ihm sonst unbekannten Gemeinde eine Predigt zu halten oder eine Bibelstunde zu übernehmen, steht vor der Frage, welche Bibelübersetzung er in der Gemeinde verwenden soll. Wenn diese Frage den Verantwortlichen einer Gemeinde vorgelegt wird, lautet die wohl am häufigsten begegnende Antwort: In unserer Gemeinde haben wir verschiedene Bibelübersetzungen in Gebrauch. Es ist egal, aus welcher sie lesen.
Eine weit verbreitete Folge dieser Vielfalt ist, dass immer mehr Christen ihre Bibel überhaupt nicht mehr in die Gemeinde mitbringen. Sie würden zuhören, erklären sie.
Als ich einmal zu Beginn einer Wortverkündigung aus einer guten Bibelübersetzung den betreffenden Bibelabschnitt vorlas, hörte ich, wie ein etwa 10- oder 11-jähriges Kind zu seiner Mutter sagte: „Bei mir steht es anders.“ Es klappte dann seine mitgebrachte Bibel zu.
Tatsächlich ist zu bezweifeln, dass die Vielzahl der in unseren Gemeinden gebräuchlichen Bibelübersetzungen für das Bibelstudium und damit für die Bibelkenntnis unter den Christen förderlich war und ist.
Wem jemals die Frage gekommen ist, was eigentlich hinter der Flut dieser Unzahl neuer Bibelübersetzungen steckt, findet in dem Buch von Stefan Felber außerordentlich hilfreiche Antworten.
Das Buch setzt sich mit Eugene Nida auseinander. Vermutlich ist dieser Mann den meisten unserer Leser noch nicht einmal vom Namen her bekannt. Nida wurde vor ungefähr hundert Jahren in den USA geboren und wuchs dort in einem mehrsprachigen Umfeld von Einwanderern auf. Er ist deswegen von Bedeutung, weil er einer der maßgeblichen Vordenker der so genannten „dynamisch-äquivalenten Übersetzungsmethode“ ist. Damit lieferte er das theoretische Handwerkszeug für die vielen neueren Bibelübertragungen.
Felbers Buch ist in vier Teile gegliedert. Im ersten Kapitel bietet er eine historische Einführung. Das zweite Kapitel behandelt die dynamisch-äquivalente Übersetzungstheorie anhand der Theorien Nidas. Im dritten Kapitel konfrontiert Felber sich mit Nidas Übersetzungstheorie, und im vierten Kapitel erörtert der Verfasser die Konsequenzen für das Übersetzen der Heiligen Schrift. Abgerundet wird das Buch mit Beispielen aus zahlreichen Bibelübersetzungen.
Das Buch von Felber verlangt intensives Mitdenken. Es ist keine Bettlektüre. Dennoch sei es nicht nur professionellen (Wycliff)-Bibelübersetzern empfohlen, sondern all denen wärmstens ans Herz gelegt, die das Lesen eines anspruchsvollen Buch nicht scheuen, um dann in ihren Gemeinden oder theologischen Ausbildungsstätten darauf hinzuwirken, wieder zu Bibelübersetzungen zurückzukehren, die diesen Namen verdienen.
Jürgen-Burkhard Klautke
Stefan Felber, Kommunikative Bibelübersetzung – Eugene A. Nida und sein Modell der dynamischen Äquivalenz. Stuttgart [Deutsche Bibelgesellschaft] 2013. Hardcover 481 Seiten. 36,- €.