„Die Kreuzzüge fanden nicht ohne vorhergehende Provokationen statt. Sie waren nicht die erste Runde des europäischen Kolonialismus. Sie wurden nicht wegen Land, Beute oder aus Bekehrungsabsichten geführt. Die Kreuzritter waren keine Barbaren, die die kultivierten Muslime schlecht behandelten. Sie glaubten ernsthaft, dass sie in Gottes Bataillonen dienten.“ Das ist die Schlussfolgerung, mit der der amerikanische Religionssoziologe sein außerordentlich spannend geschriebenes und gut dokumentiertes Buch abschließt.
Oftmals werden heutzutage die Kreuzzüge dargestellt als ein Unternehmen, das von Machtinteressen der mittelalterlichen Kirche sowie in deren Diensten stehender Adliger geleitet wurde. Dass es um die Verteidigung des Christentums und des Schutzes der kurz zuvor bis auf die Grundmauern zerstörten Jerusalemer Grabeskirche gegangen war, sei lediglich – so wird behauptet – vorgeschoben worden.
Tatsächlich verbreitete sich seit der Epoche der Aufklärung in Europa die Meinung, die Feldzüge gegen die angeblich so friedlichen und friedliebenden Muslime seien barbarische Akte gewesen.
Der Verfasser hält derartige Thesen für viel zu einseitig (um es zurückhaltend zu formulieren). Er führt aus, dass die Kreuzzüge eine im Grunde längst überfällige Antwort auf einen seit dem frühen siebten Jahrhundert die christliche Welt provozierenden und exzessiv erobernden Islam waren. Interessant ist, wie der Verfasser den byzantinischen Kaiser Alexios I. charakterisiert, der die ihm zu Hilfe eilenden Kreuzfahrer im Stich ließ. Dieser Kaiser war es, der an den Grafen Robert von Flandern den Hilferuf gegen die seldschukischen Türken sandte, woraufhin Papst Urban II. im Jahr 1095 zum ersten Kreuzzug aufrief.
Das Buch ist nicht schwer geschrieben, und es ist sehr informativ. Es plädiert nicht für Rache oder Revanche. Aber es ist ein erneuter Beleg dafür, dass die Idee des „finsteren abendländischen Mittelalters“ gegenüber dem angeblich gebildeteren und fortschrittlicheren Morgenland die Wirklichkeit nicht wiedergibt, sondern ein unhaltbarer Geschichtsmythos ist.
Nun mag uns eine historische Korrektur über anno dazumal vielleicht heute nicht weiter aufregen. Aber könnte es nicht sein, dass dieser Geschichtsmythos bis in unsere Tage dominiert, indem man uns in der veröffentlichten Meinung pausenlos mit der Botschaft indoktriniert, der Islam sei eine friedliche, fortschrittliche Religion und Bewegungen wie Boko Haram oder die systematische Abschlachtung der Christen und anderer Nicht-Muslime durch die Islamisten und Dschihadisten im Nord-Irak und in Nord-Syrien hätten gar nichts mit dieser Religion zu tun? Wer etwas anderes behaupte, sei islamophob?
Kurzum: Jedem, der an einem alternativen Bild über die Kreuzzüge interessiert ist, und zwar auch angesichts hochaktueller Phänomene, sei dieses Buch sehr empfohlen.
Jürgen-Burkhard Klautke
Rodney Stark, Gottes Krieger – Die Kreuzzüge in neuem Licht. Berlin [Haffmans & Tolkemitt] 2014 (ISBN 978.942989-28-2). Preis: € 22,95.