In diesem Buch gibt der Autor (Gründer eines Heimschulwerkes in Siegen) die auf Tonband gesprochenen Memoiren seines Vaters Wilhelm Stücher wieder, der der Christlichen Versammlung (also der sog. „geschlossenen Brüdergemeinde“) angehörte.
Seine Berichte sind erschütternd. Denn sie zeigen, dass viele „Brüder“ zu Kompromissen mit dem NS-Regime bereit waren.
So wurde der Hitlergruß nicht abgelehnt. Und als die Versammlungen 1937 verboten wurden, wurde ein Bund gegründet, in dem Juden von der Mitgliedschaft ausgeschlossen waren. Dieser Bund wurde aber nur von etwa 5 Prozent der „Brüder“ abgelehnt.
Stücher merkt an, dass der Geist des Nationalsozialismus schon 1933 in der Mitte der „Brüder“ wirksam war. Zum Beispiel wurde in einem Rundschreiben von Wilhelm und Ernst Brockhaus das NS-Regime verharmlost. Dagegen fand die Warnung von Rudolf Brockhaus „vor diesem Geist aus dem Abgrund“ nur wenig Beachtung.
Als Gründe gibt Stücher den Wohlstand, die zunehmende Verweltlichung, mangelnde geistliche Urteilsfähigkeit und Uneinigkeit sowie Nationalstolz bei den „Brüdern“ an. Wenn er sich kritisch äußerte, wurde ihm wiederholt vorgeworfen, ob er denn meine, als Einziger ein richtiges Urteil zu haben.
Im Herbst 1942 setzte die erste größere Verfolgung ein. Einige „Brüder“ wurden inhaftiert. Auch Stücher selbst musste sich vor Gericht verantworten.
Das Buch ist für uns heute eine Ermahnung, auch dann gegen den Zeitgeist zu kämpfen, wenn man allein dasteht. Nehmen wir es uns zu Herzen!
Micha Heimsoth
Helmut Stücher, Das „Judenbuch“ in der Nazizeit – Erinnerungen eines Nichtwählers. BoD – Books on Demand, Norderstedt 2020 [ISBN 978-3-7504-5263-3], 180 Seiten, € 12,99.