Und der König Ahasveros legte dem Festland und den Inseln des Meeres einen Tribut auf. […] Der Jude Mordechai war der Nächste nach dem König Ahasveros und groß unter den Juden und beliebt bei der Menge seiner Brüder, weil er das Beste seines Volkes suchte und zum Wohl seines ganzen Geschlechts redete.
Esther 10,1.3
Mit diesen beiden Versen aus dem letzten kurzen Kapitel des Buchs Esther grüße ich Sie zu dieser 100. Jubiläumsausgabe der Bekennenden Kirche.
Die aufregende Geschichte rund um Esther, Mordechai, Ahasveros und Haman geht mit diesen nüchternen Schlussworten zu Ende. Zwei Politiker werden uns vorgestellt: Einer erhöht die Steuern (und macht sich sehr wahrscheinlich bei der Bevölkerung unbeliebt), der andere schafft es durch gute Amtsführung Anerkennung zu bekommen. Ob wir es als Gottes Kinder gut finden oder nicht – Politik hat immer einen starken Einfluss auf unser Leben. Das war vor 2500 Jahren in Persien so. Und das ist heute noch genauso.
In Deutschland liegt die letzte Bundestagswahl jetzt einige Wochen zurück. Wenn Sie dieses Heft in der Hand halten, ist der neue Bundestag bereits zusammengetreten und vielleicht auch schon die neue Regierung gebildet. Ich kann mich nicht erinnern, dass in der Gesellschaft und auch unter Christen im Vorfeld einer Wahl so viel diskutiert wurde: Wen soll oder kann man wählen? Welche Kriterien gelten für uns Christen bei der Wahlentscheidung? Und was sind tatsächlich die brennenden aktuellen Fragen?
Die Gründe für das starke politische Interesse sind in den meisten Fällen ganz konkrete existentielle Sorgen und Fragen mit Blick auf die Zukunft: Wie geht es weiter mit unserem Land? Wie verändert die Migration unser Leben? Was bedeutet die wirtschaftliche Talfahrt für meine berufliche und finanzielle Zukunft? Was bedeutet die zunehmende Säkularisierung für unser Christsein und unsere Gemeinden?
Das Buch Esther gibt uns keine vollständigen Antworten auf diese Fragen, aber es gibt uns Prinzipien, die uns helfen, darüber nachzudenken. Denn wir sehen in dem ganzen Buch, wie Gott regiert – ohne dass sein Name auch nur ein einziges Mal erwähnt wird. Als der feige politische Mordplan von Haman seinen Lauf nimmt, hatte Gott längst im Hintergrund alles vorbereitet, um sein Volk zu retten.
Gott regiert trotz gottloser Politiker
Eine zentrale Figur dieser Geschichte ist König Ahasveros. Gottes Wort stellt ihn schonungslos ehrlich dar. Er ist machtbesessen, feierwütig, rückgratlos und hoffnungslos abhängig von seinen Beratern. Er behandelt seine Frau wie seine Sklavin und reduziert Frauen generell auf ihr Äußeres. Eine der ganz wenigen positiven Dinge, die über ihn gesagt werden, ist, dass er die Steuern gesenkt hat (Est 2,18). Aber selbst das hat am Ende des Buches keinen Bestand mehr. Denn als letztes erfahren wir über ihn, wie er sich eine neue Steuer ausdenkt (10,1).
Ahasveros bringt keine Charaktereigenschaft mit, um ein guter Politiker zu sein – und trotzdem kommt Gott zu seinem Ziel. Vielleicht neigen wir manchmal zu dem Gedanken, dass gottlose und korrupte Politiker sich Gottes Plan in den Weg stellen können. Aber Ahasveros war zu seiner Zeit vielleicht der mächtigste Mann der Welt. Und nicht einmal er konnte sich Gottes Plan zur Rettung des Volkes in den Weg stellen.
Wenn wir besorgt oder kopfschüttelnd auf politische Entscheidungen und Entscheidungsträger schauen, dürfen wir nie vergessen, dass Gott immer die Kontrolle behält. Denn er ist es, der Könige ein- und absetzt (Dan 2,21).
Gott regiert durch gottlose Politiker
Gott kommt nicht nur zu seinem Ziel trotz Ahasveros. Er gebraucht den König sogar für seine Absichten. Es ist Ahasveros, der schließlich das Gericht über Haman befiehlt (7,9). Es ist Ahasveros, der den Juden erlaubt, sich zu verteidigen (8,11). Es ist Ahasveros, der Mordechai zum zweiten Mann im Staat macht (8,2; 10,2). Gott ist nicht davon abhängig, dass Politiker an ihn glauben, um sie zu lenken, so dass alles Gottes Kindern zum Besten dient. Gott wird sogar durch die gottlosesten Politiker Gutes für sein Reich bewirken, auch wenn wir Menschen das oft (noch) nicht sehen können.
Gott freut sich über gute Politiker
Als Kontrast zu Ahasveros erscheint hier Mordechai (10,3). Er erhebt keine neuen Steuern, sondern sucht das Beste seines Volkes. Das klingt gut. Aber wir müssen aufpassen, dass wir Mordechai nicht zu positiv bewerten. Denn, ob er wirklich von Herzen ein Kind Gottes war, bleibt im gesamten Buch offen. An keiner Stelle lesen wir davon, dass er Gott glaubt, Gott um Hilfe bittet oder nach Gottes Willen fragt. Auch hier ganz am Ende des Buches wird ‚nur‘ sein politisches Handeln gelobt, nicht seine Gottesfurcht. Und doch wird klar: So handelt ein Politiker, der seine Aufgabe verstanden hat – im Unterschied zu Ahasveros.
Gott bleibt souverän – immer!
Als Christen haben wir den Auftrag, alle Bereiche unseres Lebens unter der Herrschaft Gottes und zu seiner Ehre zu leben. Deswegen sind Christen niemals unpolitisch und es ist gut, wenn sie sich mit den großen Fragen unserer Zeit aus biblischer Sicht beschäftigen. Gleichzeitig ist von der Politik niemals Erlösung zu erwarten: Gerade noch geht es aufwärts für Gottes Kinder im persischen Staat – da kommt die nächste Steuererhöhung.
Bei Wahlen sollen wir im Blick haben, dass Mordechai der bessere Politiker als Ahasveros ist. Davon sollen wir unsere Wahlentscheidung abhängig machen und dürfen uns auch dafür politisch engagieren und dafür beten.
Aber selbst wenn nach einer Wahl ein ‚Ahasveros-Kandidat‘ die sichtbaren Zügel in der Hand hält, bleibt Gott genauso souverän, wie er es vor 2500 Jahren war. Und Gleiches gilt, wenn ein ‚Mordechai-Kandidat‘ gewinnt. Selbst der gottesfürchtigste Politiker wird nicht den neuen Himmel und die neue Erde schaffen.
Beten (und kämpfen) wir für mehr Politiker wie Mordechai (1Tim 2,1-4), aber vertrauen wir vor allem auf den, der die Herzen aller Politiker wie Wasserbäche lenkt (Spr 21,1)! Denn eine Sache ist sicher: Die Herren dieser Welt gehen – unser Herr kommt!
100 Ausgaben Bekennende Kirche
Mit dieser einhundertsten Ausgabe schauen wir zurück auf 25 Jahre Bekennende Kirche. Das ist für uns ein großer Grund zur Dankbarkeit – vor allem gegenüber dem Gott, der uns die gesamte Zeit über durchgetragen hat.
In diesen 25 Jahren sind viele Politiker gekommen und gegangen. Trends sind aufgekommen und wieder verschwunden. Aber unser Gott ist immer noch derselbe. Wir haben mehr als einmal erfahren, dass wir uns auf ihn verlassen können. In all den Jahren hat Gott uns immer wieder versorgt mit finanziellen Unterstützern, Autoren, Korrekturlesern und organisatorischen Mitarbeitern.
Deswegen wollen wir ihn mit dieser Ausgabe ganz besonders loben und preisen – unter anderem dadurch, dass wir in einem der Artikel sowohl dankbar auf Vergangenes zurückschauen als auch hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.
Nicht nur die Politik und der Zeitgeist haben sich in diesen Jahren geändert. Von Zeit zu Zeit hat sich auch die Aufmachung des Heftes geändert. Alle paar Jahre hat der Schriftleiter sein Amt weitergegeben. Aber die Zielsetzung und der Inhalt sind in all den Jahren dieselben geblieben: Wir wollen Christen und Gemeinden auf der Grundlage des unfehlbaren und irrtumslosen Wortes Gottes darin unterstützen, biblisch-reformatorische Gemeinden zu bauen.
Ihr
Jochen Klautke