Grußwort des Schriftleiters

Grußwort des Schriftleiters

Diesen [Jesus] hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn offenbar werden lassen, nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben nach seiner Auferstehung aus den Toten.      

Apostelgeschichte 10,40.41

Der Tod und die Auferstehung von Jesus ist der Kern des Evangeliums. Deswegen ist es auch wenig überraschend, dass Petrus von diesen Ereignissen erzählt, als er dem römischen (und damit nichtjüdischen) Hauptmann Kornelius und seiner Familie das Evangelium verkündigt.

Essen und Trinken?

Aber warum erwähnt Petrus hier ganz bewusst, dass die Apostel nach der Auferstehung mit Jesus gegessen und getrunken haben?

Essen und Trinken waren damals – noch mehr als heute – Ausdruck von Gemeinschaft und Freundschaft. Gerade für Petrus muss es gleichzeitig demütigend und wunderschön gewesen sein, dass Jesus immer noch mit ihm gemeinsam essen wollte – nach allem, was Petrus getan hatte.

Aber das ist nicht der einzige Grund und wohl auch nicht der zentrale. Denn nicht nur hier in der Apostelgeschichte betont Gottes Wort, dass Jesus nach seiner Auferstehung gegessen und getrunken hat. Mit den Emmausjüngern trifft sich Jesus zum Essen (Lk 24,30). Später erscheint er den 11 verbliebenen Jüngern – und fragt sie explizit nach Nahrung. Und als sie ihm etwas zu essen geben, isst er bewusst in ihrer Gegenwart (Lk 24,41-43).

Kurze Zeit später trifft Jesus die Jünger am See Genezareth. Die ganze Nacht haben die Jünger keine Fische gefangen und er fragt sie: „Habt ihr nichts zu essen?“ (Joh 21,5) Jesus schickt sie wieder auf den See, die Jünger machen einen riesigen Fang, während Jesus das Essen vorbereitet (Joh 21,9-13).

Warum betont die Bibel so sehr, dass Jesus gerade nach seiner Auferstehung mit den Jüngern zusammen gegessen und getrunken hat?

Erlösung vom Körper?

Beeinflusst von der Philosophie Platons herrschte damals im Zeitgeist das Denken vor, der Körper sei im Vergleich zur Seele minderwertig. Der Körper sei wie ein Gefängnis für den Geist. Das Ziel des Lebens war also die Erlösung vom Körper. Für Menschen, die aus diesem Denken kamen, war somit eine körperliche Auferstehung undenkbar. Die jüdische Partei der Sadduzäer, die weniger von der Bibel und mehr vom griechischen Zeitgeist geprägt war, glaubte von daher nicht an eine körperliche Auferstehung (Mt 22,23).

Für den Zeitgeist damals war also eine körperliche Auferstehung eine absolute Provokation. Sie war etwas, das definitiv nicht erstrebenswert war. Aber Jesus scherte sich noch nie um die Erwartungen und Launen des Zeitgeists. Er ist mit einem wirklichen Körper auferstanden. Das macht er ganz bewusst immer wieder deutlich. Er lässt sich anfassen (Joh 20,27), er betont, dass er Fleisch und Knochen hat (Lk 24,39) und – er isst.

Erlösung des Körpers!

Gott liebt Materie und Körper. Er hat diese Welt und uns so geschaffen. Leider hat sich aber auch im Christentum immer wieder körperfeindliches Denken eingeschlichen. Die Irrlehren der Gnosis und des Doketismus in den ersten Jahrhunderten der Kirchengeschichte sind nur zwei Beispiele dafür.

Keine Frage: Auch unser Körper ist durch den Sündenfall gefallen. Wir sehen das einerseits daran, dass unser Körper krank wird, zerfällt und stirbt. Andererseits wird das daran deutlich, dass der Körper unser Werkzeug ist, um zu sündigen (Röm 6,12.13). Mit der Zunge vergiften wir (Jak 3,1-12), mit den Füßen laufen wir zur Sünde hin (Röm 3,15.16), mit unseren Händen töten wir (Spr 6,17b).

Unser Körper ist wie unsere Seele erlösungsbedürftig. Aber Jesus zeigt uns durch sein Essen, dass es eben nicht darum geht, vom Körper erlöst zu werden. Sondern dass der Körper selbst, wie alles andere auch, erlöst, erneuert werden muss. Der neue Körper, den Jesus bekommen hat und den wir eines Tages bekommen werden, ist übernatürlich, er ist geistlich (1Kor 15,42-49), aber er ist nicht geistig, sondern sehr materiell. Alle Vorstellungen des Himmels als einer wolkigen und geistigen Traumwelt sind vieles, aber nicht biblisch.

Körperverachtung heute

Für die meisten Menschen spielt die Philosophie Platons heute keine Rolle mehr. Viele haben noch nicht einmal seinen Namen gehört. Aber der lange Schatten Platons mit seiner Körperverachtung zieht sich wie ein roter Faden durch die westliche Geistesgeschichte.

In ihrem faszinierenden Buch Liebe deinen Körper[1] zeigt die amerikanische Autorin Nancy Pearcey, wie sämtliche heißen Themen der Gegenwart ihre Ursache in der Körperverachtung haben: sei es bei Themen wie Homosexualität und Transsexualität, sei es bei Fragen rund um Abtreibung und Euthanasie oder bei Fragen wie der Pornographie und ständig wechselnden Sexualpartnern – überall geht der Trend des Zeitgeistes weg von den biblischen Normen hin zu Entwicklungen, die mit einer Verachtung des Körpers zu tun haben.

Vollständig erlöst

Durch Tod und Auferstehung hat Jesus uns endgültig erlöst – unsere Seele genauso wie unseren Körper. Sein Sterben am Kreuz hat uns von dem Todesurteil über unserem Leben befreit; seine körperliche Auferstehung garantiert unsere körperliche Auferstehung (Röm 8,10.11). Deswegen dürfen wir unsere (alten) Körper weder vergöttern noch verachten.

Und wenn wir dann im neuen Himmel und auf der neuen Erde einen neuen Körper bekommen haben, werden wir mit unseren erlösten Mündern Gott in alle Ewigkeit preisen (Offb 7,15). Wir werden mit unseren erlösten Augen ihn sehen, wie er ist (1Joh 3,2; Offb 22,4). Wir werden mit unseren erlösten Händen ihm dienen (Offb 22,3). Und wir werden mit unserem Erlöser essen und trinken.

Aus diesem Grund schauen wir an Ostern auch nicht nur dankbar auf die Ereignisse vor 2000 Jahren zurück, sondern wir schauen auch nach vorne auf den Tag, an dem Jesus mit uns den Wein neu trinken wird im Reich seines – und unseres – Vaters (Mt 26,29).

Ihr

Jochen Klautke


[1] Pearcey, Nancy: Liebe deinen Körper. Augustdorf [Betanien] 2019.