Die Verheißung der Beschneidung des Herzens (Teil 5)

Die Verheißung der Beschneidung des Herzens (Teil 5)

Teil 5: Die zwölf Kleinen Propheten

In dieser Artikelserie haben wir bereits die zentrale Bedeutung der Verheißung der Beschneidung des Herzens in 5Mose 30,6 für die drei großen Propheten Jesaja, Jeremia und Hesekiel behandelt. Im Folgenden sollen die zwölf so genannten Kleinen Propheten unter diesem Aspekt befragt werden.1 Dabei werden wir nicht jedes prophetische Buch für sich, sondern die zwölf als in sich zusammenhängende Bücher untersuchen.2

Keine innere Umkehr trotz des Gerichts

Wie die drei Großen Propheten, verkünden auch die zwölf Kleinen Propheten Gericht über ein von Gott abgefallenes Israel und auch über seine Nachbarvölker. Aber auch sie verheißen stets wieder das zukünftige Heil.

Das Thema der Umkehr des Volkes zu Gott und der Veränderung des Herzens durch Gottes Eingreifen wird vor allem am Anfang und Ende des „Zwölfprophetenbuches“ behandelt. Das ist schon deswegen beachtlich, bedenkt man die Zeitspanne, die die Kleinen Propheten abdecken. Sie umfassen einen Zeitraum, der lange vor der Babylonischen Gefangenschaft einsetzte bis zur Heimkehr und Neuansiedlung des Volkes.

Es wird deutlich: Selbst das schrecklichste Gericht Gottes über den Abfall des Volkes (5Mos. 28,49-68) vermochte die Menschen nicht zur Besinnung und zur Umkehr zu führen. Zwar kehrten einige Juden nach 70 Jahren Gefangenschaft wieder in das Land Israel zurück, sie bauten auch den Tempel und die Stadt Jerusalem wieder auf. Doch aus den Büchern Esra und Nehemia sowie bei Haggai, Sacharja und Maleachi geht nur allzu deutlich hervor, dass selbst die Heimgekehrten erneut sehr schnell in Sünde fielen und eigene Wege gingen (Esr. 9; Neh. 13; Hag. 1,4-6).

Die zweite Gefangenschaft (nach derjenigen aus Ägypten), der zweite Exodus und der zweite Tempel veränderten das Herz der Menschen in keiner Weise.

Der Prophet Hosea beschreibt das Herz vor der Wegführung als trügerisch (Hos. 10,2). In ähnlicher Weise spricht der Prophet Sacharja nach der Heimkehr davon, dass die Menschen ihr Herz hart wie Diamant machten (Sach. 7,12). Sie wollten auf keinen Fall auf das Wort Gottes hören (Sach. 7,11.12; vergleiche 5Mos. 29,3). Noch immer galt der Aufruf zur Umkehr des Herzens (Sach. 1,1-6; Mal. 3,7; vergleiche Joel 2,12.13). Noch immer war das gnädige Eingreifen Gottes die einzige Hoffnung für die Zukunft des Volkes (Zeph. 3,9.12.15; Sach. 10,7.12; 12,10; Mal. 3,23.24).

Die Veränderung des Herzens durch Wort, Geist und Vergebung

Die Veränderung des Herzens wird konkret von den Propheten Hosea, Joel, Zephanja, Sacharja und Maleachi angesprochen. Der Begriff der Beschneidung kommt jedoch nicht vor. Auch hier wird der Zustand des Herzens vor und nach der Veränderung mit anderen Worten zum Ausdruck gebracht. Dennoch wird die Verbindung zur Verheißung der Beschneidung des Herzens deutlich.

Gleich in den ersten Kapiteln des Propheten Hosea ist die Rede vom Gericht, aber auch von der Wiederherstellung des Volkes. Die Wiederherstellung des Volkes wird damit beginnen, dass Gott zum Herzen des Volkes reden wird (Hos. 2,16). Auf diese Weise wird betont, dass die Initiative zur Umkehr des Volkes bei Gott liegt und durch das Wort Gottes erfolgt. Das Volk wird im Zuge der Rückführung auf das Reden Gottes und auch auf das Handeln Gottes reagieren (Hos. 2,17). Es wird sich wieder zu Gott wenden. Es wird Gott wieder „seinen Ehemann“ nennen (Hos. 2,18). Es wird ihn erkennen, das heißt an ihn glauben.

Wenn das geschehen sein wird, wird Gott den Bund mit seinem Volk erneuern, und dieser Bund wird auf ewig Bestand haben (Hos. 2,20-25). Anstatt widerspenstig sein Herz zu verhärten und Götzen anzubeten, wird das Volk von Herzen an Gott hängen. Am Ende des Buches sehen wir erneut deutlich, dass es Gott ist, der diese Veränderung bewirken wird. Dort verheißt Gott, dass er die „Abtrünnigkeit“ des Volkes heilen wird (Hos. 14,5).

Auch der Prophet Joel verheißt die Wiederherstellung des Volkes durch Gottes gnädiges Eingreifen. Er spricht davon, dass das Volk Gott als seinen Herrn und Gott erkennen wird (Joel 2,27; 4,17). In diesem Zusammenhang verheißt Gott, dass er seinen Geist über alles Fleisch, also über die Menschen seines Volkes ausgießen wird (Joel 3,1f). In der Folge werden selbst die niedrigen Menschen des Volkes, die Knechte und Mägde, besondere Erkenntnis von Gott empfangen. Sie werden Weissagungen, Träume und Gesichte von Gott erhalten.

Zuvor forderte Gott, dass die Menschen ihr Herz zerreißen und zu ihm umkehren sollen (Joel 2,12.13). Nun verheißt er jedoch, dass er seinen Geist ausgießen will. Allein dadurch werden sie ihn von Herzen erkennen. Wir sehen hier denselben Zusammenhang wie im fünften Buch Mose. Während das Volk zuerst aufgefordert wurde, sein Herz zu beschneiden (5Mos. 10,16), verkündet Gott am Ende des Buches, dass er selbst das Herz beschneiden wird, da das Volk dazu nicht in der Lage ist (5Mos. 29,3).

Auch der Prophet Zephanja deutet auf die Verheißung der Beschneidung des Herzens hin, indem er prophezeit, wie Gott den Heidenvölkern reine Lippen geben will (Zeph. 3,9a). Vor allem durch die Folgen dieser neuen Lippen wird ersichtlich, dass eine Veränderung des Herzens gemeint ist. Denn durch diese reinen Lippen werden die Menschen in der Lage sein, Gott anzurufen und ihm zu dienen (Zeph. 3,9b.13; vergleiche Joel 3,5). Unreine Lippen sind eine Beschreibung für die Sündigkeit des Menschen (vergleiche Jes. 6,5). Reine Lippen sind demnach ein Zeichen für die Vergebung von Sünden. Also ähnlich wie Jeremia und Hesekiel verknüpft Zephanja die Vergebung der Sünden mit der Veränderung des Herzens.

Der Prophet Sacharja verheißt, wie bereits der Prophet Joel, die Ausgießung des Geistes zur Zeit der zukünftigen Wiederherstellung Israels (Sach. 12,9f). Er nennt ihn den Geist der Gnade und des Gebets. Mit der Ausgießung des Geistes ist wiederum die Vergebung und Reinigung von Sünden verbunden (Sach. 13,1; vgl. Zeph. 3,9; Jer. 31,34; Hes. 36,25).

Eine letzte Erwähnung des Herzens und seiner Veränderung findet sich im Propheten Maleachi. Dort wird ein Prophet, nämlich Elia, verheißen, der das Herz der Väter zu den Kindern und das der Kinder zu den Vätern wenden wird (Mal. 3,23f). Zwar ist an dieser Stelle kein ausdrücklicher Bezug auf die Verheißung der Beschneidung des Herzens genommen, aber es wird deutlich, dass durch das Wirken dieses Propheten das Herz eine Wandlung durchmachen wird. Im Kontext der Verheißung des kommenden Tages des Herrn (Mal. 3,19ff),3 geht es bei dieser Wandlung nicht nur um einen Versöhnungs- und Einigungsprozess im Volk, sondern auch um die Zuwendung zu Gott und um den Gehorsam zu seinen Geboten.

Die Veränderung des Herzens und der Messias

Auch bei der Betrachtung der zwölf Kleinen Propheten ist es erforderlich, nach dem Messias zu fragen. Es ist unter anderem der Prophet Maleachi, der die Veränderung des Herzens und das zukünftige Heil mit dem Kommen des Messias verbindet (Mal. 3,1). Außerdem sprechen die Propheten Micha und Sacharja am ausführlichsten von einem zukünftigen herrlichen König aus der Linie Davids (Mi. 2,12f; 4,8; 5,2-5; Sach. 3,8f; 6,12f; 9,9-12). Auch Habakuk und Haggai geben Hinweise auf ihn (Hab. 3,13; Hag. 2,23). Wie bereits bei den Großen Propheten gesehen, ist dieser König eng mit der zukünftigen Heilszeit verbunden.

Indem der Prophet Micha von der Demütigung des damaligen Königs in Jerusalem ausgeht, verheißt er, dass aus dem kleinen Bethlehem ein zukünftiger Herrscher kommen soll, der durch Gottes Kraft über die Feinde siegen und über sein Volk in Frieden herrschen wird (Mi. 5,1-5). Der zukünftige König wird also an der Errettung des Volkes mitwirken.

Habakuk spricht ebenfalls von einem zukünftigen König Gottes und verwendet dabei nicht nur den Begriff „Messias“ für diesen König, sondern bringt ihn auch wie Micha in direkte Verbindung mit der Errettung des Volkes. Gott wird demnach mit seinem Gesalbten zur Rettung des Volkes ausziehen (Hab. 3,13).

Haggai richtet eine besondere Verheißung an Serubbabel.4 Gott will ihn nehmen und zu seinem Siegelring machen. Diese Verheißung erfüllt sich in dem Nachkommen Serubbabel, zumal im Kontext von einer Art endzeitlichen Gerichts die Rede ist (Hag. 2,20-23). Insofern ist Serubbabel lediglich ein Vorfahr und Vorläufer des wahren Messias.

Sacharja spricht wie Jeremia von einem Spross (Sach. 3,8; vgl. Jer. 23,5; 33,15) und wie Jesaja von einem Knecht (Sach. 3,8; vergleiche Jes. 42,1; 49,3.6; 52,13; 53,11), aber auch direkt von einem König (Sach. 9,9). Der Spross wird in Verbindung mit einem besonderen Stein gebracht und dieser Stein wiederum mit der Vergebung der Sünden (Sach. 3,9).

Wir stellen fest: Auch bei den zwölf Kleinen Propheten ist die Verheißung der Vergebung der Schuld und der Veränderung des Herzen direkt mit dem Kommen des Messias verbunden. Das Neue Testament macht dann deutlich, dass dieser Spross aus Bethlehem, dieser Nachfahre des Serubbabel, dieser verheißene König niemand anderes ist als Jesus Christus (unter anderem Mt. 1,12; 2,4-6; Luk. 19,30-35; Apg. 8,26-35). Er ist es, der die Strafe für unsere Schuld trug und durch sein Wort, seinen Geist und seine Vergebung unser Herz verändert. „Er hat auch euch, die ihr tot wart in den Übertretungen und dem unbeschnittenen Zustand eures Fleisches, mit ihm lebendig gemacht, indem er euch alle Übertretungen vergab; und er hat die gegen uns gerichtete Schuldschrift ausgelöscht, die durch Satzungen uns entgegenstand, und hat sie aus dem Weg geschafft, indem er sie ans Kreuz nagelte.“ (Kol. 2,13.14).

Zusammenfassung

Während alle zwölf Kleinen Propheten von der Gnade Gottes sprechen, die bewirken wird, dass Menschen entweder aus dem Volk Israel und/oder aus den Heidenvölkern errettet und den Segen und die Gemeinschaft Gottes empfangen werden, behandeln nur einige von ihnen im Kontext dieser zukünftigen Gnade die Veränderung des Herzens. Dort, wo dieses Thema angesprochen wird, ist die Verbindung zu 5Mose 30,6 deutlich.

Beim Lesen und vor allem auch in der Verkündigung dieser biblischen Bücher sollte diese Verbindung unbedingt beachtet werden. Die kleinen Propheten sind nicht nur eine Ansammlung verschiedener Gerichts- und Heilsworte, sondern sie fußen gemeinsam auf dem in der Wüste Sinai geschlossenen Alten Bund. Sie bestätigen seine Geltung, aber sie bringen auch seine Unvollkommenheit zum Ausdruck und weisen auf die Bundeserneuerung durch den kommenden Messias hin.

Wenn man die zwölf Kleinen Propheten als etwas in sich Zusammenhängendes erkennt, wie es in der Einleitung angedeutet wurde, erfasst man, dass das Thema der Veränderung des Herzens in der Gesamtbotschaft der zwölf Kleinen Propheten zentral ist. Einerseits wird das an der grundlegenden Bedeutung der Veränderung des Herzens für die Erneuerung des Bundes deutlich. Alle Verheißungen der Gnade können nur in Erfüllung gehen, wenn zuvor das verstockte Herz des Menschen so verändert wird, dass es Gott erkennt und ihm gehorsam ist. Andererseits wird die Veränderung des Herzens vorrangig am Anfang und am Ende des Buches der zwölf Kleinen Propheten behandelt. Auf diese Weise wird die Botschaft aller zwölf Propheten durch diese Verheißung geprägt.

Demnach geht es zuerst um den Aufruf zur Umkehr, schließlich aber um die Botschaft, dass eine wahre Umkehr von ganzem Herzen nur durch Gottes gnädiges Eingreifen erfolgt. Gott muss zu den Herzen der Menschen sprechen (Hos. 2,16). Er muss ihre Herzen umkehren (Mal. 3,24).

In einem abschließenden Artikel wollen wir noch einmal die wichtigen Aussagen der Propheten zur Verheißung der Beschneidung des Herzen zusammenfassen.


1) Der Prophet Daniel wird in dieser Artikelreihe nicht untersucht, da er in der hebräischen Bibel nicht im eigentlichen Sinn zu den prophetischen Büchern gezählt wird, sondern zu den Schriften (Psalmen, Hiob, Sprüche, Ruth, Hohelied, Prediger, Klagelieder, Ester, Esra, Nehemia, Chronik).
2) Für diese Herangehensweise gibt es viele exegetische und strukturelle Hinweise. Unter anderem sind die Bücher im hebräischen Kanon in einer gewissen chronologischen Reihenfolge angeordnet. Sie führen teilweise Themen der vorherigen Bücher fort oder greifen darauf zurück. Außerdem sind sie untereinander mit zahlreichen Stichworten verknüpft, die auf den fortlaufenden Zusammenhang aller durch den Geist Gottes inspirierten biblischen Bücher hinweisen. Übrigens wurden die zwölf Kleinen Propheten bereits von den Rabbinern als ein Werk verstanden, als das so genannte Buch der Zwölf (vergleiche dazu das apokryphe Buch Sirach 49,10).
3) Der „Tag des Herrn“ bezieht sich einerseits auf den Zeitpunkt des Gerichtes Gottes über seine Feinde (Mal. 3,19; vergleiche Joel 1,15; Am. 5,18; Ob. 1,15; Zeph. 1,14-17) und andererseits auf die Errettung seines Volkes (Mal. 3,20).
4) Serubbabel war ein Mann aus der Linie Davids, der die erste Gruppe der Heimkehrer aus dem Exil angeführt hatte. Er war Statthalter in Juda und hatte eine zentrale Aufgabe beim Wiederaufbau der Stadt Jerusalems und des Tempels (Hag. 1,1f; vergleiche auch die Bücher Esra und Nehemia.)