Seit Jahrzehnten haben wir gehört, dass die Familie die Keimzelle eines Volkes ist. Zu unserer Schande waren es selten Christen, die diese Wahrheit der Welt verkündeten. Eher vernahm man Derartiges von Soziologen, Psychologen oder Wissenschaftlern. Diese hatten meistens nichts oder nicht viel mit dem biblischen Christentum am Hut. Angesichts der gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen in Europa scheint aber selbst von diesen Männern diese Botschaft nicht mehr gesagt zu werden. Sie liegt nicht mehr im Trend.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Gemeinde Jesu Christi im 21. Jahrhundert die Wichtigkeit der Familie als Keimzelle auch der christlichen Gemeinde wirklich verstanden hat. Der sonntägliche Gottesdienstbesuch und eine Bibelstunde innerhalb der Woche reichen als alleinige geistliche Nahrung für die christliche Familie bei weitem nicht aus. Wenn man dann noch bedenkt, dass viele christliche Familien im deutschsprachigen Europa nicht eine Gemeinde in ihrer Umgebung haben, die an die ganze Heilige Schrift als das Wort Gottes gebunden ist, dann gilt diese Feststellung umso mehr.
Bereits im Alten Testament lesen wir: „Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein! Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du auf dem Herzen tragen, und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt oder auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst.“
(5Mos. 6,4-7).
Familie ist Bundesgemeinschaft
Nach 40 Jahren der Wanderschaft in der Wüste stand das Volk Israel in der Ebene von Moab. Es war dort versammelt, kurz bevor es das lang ersehnte Ziel, das versprochene Land Kanaan, einnahm. Moses stand am Ende seines Lebens und damit am Ende seines 40jährigen Leitungsdienstes. Ein letztes Mal sprach er zum Volk Gottes. Er erinnerte es daran, dass der Herr allein sein Gott ist und dass es in allen Dingen in den Geboten des Herrn wandeln soll. Dies sollte jedoch nicht in einer formalen Gefügigkeit geschehen, sondern aus tiefer Liebe und Dankbarkeit zu Gott, der sie aus dem Haus ihrer Knechtschaft heraus gerettet hatte (5Mos. 6,4-6).
In Vers 7 macht Gott klar, dass er nicht ein Gott von Individuen ist. Vielmehr ist er der Gott, der mit Menschen einen Bund eingegangen ist. Gott handelt nicht isoliert mit einzelnen Menschen, sondern stets im Rahmen seines Bundes der Gnade. Das heißt: Er ruft nicht nur einzelne Menschen zum Glauben und in die Nachfolge, sondern er beruft Familien, das heißt Eheleute einschließlich ihrer Kinder. Sowohl aus dem Alten Testament als auch aus dem Neuen Testament geht hervor, dass dann, wenn Gott einen Mann zum Glauben ruft, es immer heißt, dass nicht nur dieser Mann dazu berufen ist, sondern auch seine Frau und seine Kinder. Es geht immer um das ganze Haus (Apg. 16,15.33; 1Kor. 1,16).
Der Familienvater hat seiner Familie nicht nur das Evangelium zu bringen, sondern es ist ihm auch aufgetragen, seine Nachkommen in der Zucht und Ermahnung des Herrn aufzuziehen (Eph. 6,4).
Wenngleich dies in einer individualisierten Gesellschaft nicht gerne gehört wird, sagt es die Heilige Schrift deutlich: Der biblische Glaube ist nicht etwas Individualistisches. Die Gemeinde Jesu Christi ist nicht eine Anhäufung gläubiger Individuen. Der christliche Glaube vollzieht sich als Bundesgemeinschaft. Die Grundlage dieser Bundesgemeinschaft ist der Bund der Gnade, den Gott unmittelbar nach dem Sündenfall verheißen hat (1Mos. 3,15) und der dann über Noah (1Mos. 6,17-22; 8,20-22; 9,1-7; 9,8-17), Abraham (1Mos. 15,1-6; 17,1-27), Mose (2Mos. 34,28; 5Mos. 4,13; 9,9,11) und David (2Sam. 7,1-17) immer weiter geoffenbart wurde, bis er schließlich in Christus im Neuen Bund seine Erfüllung gefunden hat (Jer. 31,31-34; Mt. 26,28; 2Kor. 3,6; Hebr. 8,6-13; 10,16-18).
Was auf keinen Fall übersehen werden darf, ist, dass ausnahmslos immer die Nachkommenschaft mit eingeschlossen wurde. Leider ist in weiten Kreisen der Christen die Zugehörigkeit der Nachkommen zum Bund Gottes in Vergessenheit geraten. Man hat sich dem Individualismus angepasst. Ein deutliches Zeichen dafür ist die Popularität der so genannten Entscheidungs- oder Glaubenstaufe, jedenfalls dann, wenn sie verbunden wird mit der kategorischen Ablehnung der Kindertaufe, also auch dann, wenn es gläubige Eltern sind, die ihre Kinder getauft haben möchten und eine christliche Erziehung gewährleisten. Das dafür vorgebrachte Argument lautet, meistens: Man müsse warten bis der- oder diejenige sich selbst für Gott entscheidet. Aber derartige Gedanken verkennen, dass die Taufe nicht Zeichen einer Glaubensentscheidung ist, sondern Zeichen und Siegel des Gnadenbundes Gottes: Gott beruft auch die Kinder der gläubigen Eltern (1Mos. 17,1-14).1
Genau wie beim alttestamentlichen Bundeszeichen der Beschneidung geht es bei der Taufe nicht um eine individualistisch-souveräne Entscheidung des Einzelnen, sondern um die Bundestreue Gottes. Die Gefährlichkeit des individualistischen Konzepts der „Erwachsenentaufe“ liegt unter anderem darin, dass unsere Kinder dann als außerhalb des Gnadenbundes stehende, als Ungläubige gesehen und auch so behandelt werden, und zwar solange, bis jeder Einzelne dann sein Bekehrungserlebnis vorweisen kann. Ein solches Konzept ist der Bibel fremd. Wenn jemand bekehrt wurde, in den Bund Gottes trat, galt die Verheißung immer auch seinen Nachkommen, so dass auch sie das Bundeszeichen erhielten. Dass das Bundeszeichen selbst nicht errettet, sondern allein den Anspruch Gottes bezeugt, sei hier lediglich erwähnt, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.
Die Bundesgemeinschaft in der Familie führt zur Verantwortung
Ich hoffe, Sie sehen mir die lange Einleitung nach. Aber sie war erforderlich, um die Verantwortung des Vaters für seine Familie deutlich zu machen. Diese Verantwortung umfasst in erster Linie die Erziehung der Kinder. Ihm ist aufgetragen, sie in der Zucht und Ermahnung des Herrn zu erziehen (Eph. 6,4). Ausdrücklich sei betont: Die Erziehung der Kinder ist nicht primär Aufgabe der Gemeinde und schon gar nicht der Schule. Sie ist höchsteigene und vorrangige Aufgabe der Eltern. Es sind die Eltern, die sich darum bemühen werden, ihre Kinder, wenn irgend möglich, nicht einer säkularen Schule auszusetzen, sondern sie christlich zu schulen.
Die oben zitierte Stelle aus 5Mose 6 zeigt, welch einen hohen Stellenwert die geistliche Erziehung unserer Kinder einnimmt. In Vers 7 ist den Eltern geboten, das Wort Gottes den eigenen Kindern „einzuschärfen“. Das ist vom Hebräischen sehr wörtlich zu verstehen: Die Kinder sollen durch das Wort Gottes „scharf“ gemacht werden im Blick auf diese Welt.
Wir sind in der Familie aufgerufen, gleichgültig was wir sonst noch zu erledigen haben, das Wort Gottes auf unseren Lippen zu führen. Das heißt keineswegs, dass wir ständig Bibelverse aufsagen sollen. Vielmehr soll alles, was wir tun, zur Ehre Gottes geschehen, so dass unsere Kinder, die uns beobachten, erfassen, wer in unserem Leben der Wichtigste ist, und es dann auch immer wieder ausdrücklich hören. Dies setzt natürlich voraus, dass wir als Eltern das Wort Gottes tatsächlich kennen und auch lieben. Die Lehraufgabe der Eltern ist also zweifach: Sie sollen ihren Kindern das Wort Gottes lehren und es ihnen vorleben. Dies geschieht gemäß 5Mose 6 sowohl im tagtäglichen Leben („wenn du…auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst oder wenn du aufstehst“) als auch im mehr formelleren Rahmen der Familienandacht („wenn Du in Deinem Haus sitzt„).
Familienandacht als Bestandteil des täglichen Lebens
Die elterliche Verantwortung für die Familienandacht kann nicht delegiert werden. Sie ist ureigenste Aufgabe der Eltern. Gott selbst hat sie den christlichen Eltern auferlegt. Aus Aussagen wie etwa aus Hesekiel 16,21 geht hervor, dass Gott die Kinder seines Volkes als „meine [!] Söhne“ bezeichnet. Ihm ist es nicht egal, wie wir sie erziehen!
Kinder sollen so früh wie möglich anfangen, selbst die Bibel zu lesen und zu beten. Aber es muss unbedingt auch einen Raum in der Familie geben, in der die Kinder ihre geistliche Ausrichtung und Ermutigung erhalten und so auf den Gottesdienst am Sonntag vorbereitet werden. Es ist wichtig, dass die Anbetung im Kreise der Familie kontinuierlich, möglichst täglich erfolgt. Die Familienandacht braucht nicht förmlich gestaltet zu sein. Aber sie sollte drei wesentliche Elemente enthalten: erstens das Singen eines Psalms oder eines geistlichen Liedes, zweitens die biblische Unterweisung (vorrangig durch den Vater) und drittens das gemeinsame Gebet.
Die Familie ist der Ort, in dem unsere Kinder aufrichtige Anbetung und aufrichtigen Gottesdienst einüben können. Das Wort „aufrichtig“ ist hier wichtig. Bitte achten wir tunlichst darauf, dass die Familienandacht nicht zu einer lästigen Pflicht verkommt, sondern dass sie für jedes Familienmitglied ein zentraler, wichtiger Fixpunkt seines Alltags ist. Denn es ist ein Vorrecht, dass wir uns als Familie gemeinsam vor dem gnädigen und souveränen Bundesgott versammeln dürfen, dem wir alles verdanken, unser Leben und unsere Rettung.
Warnung zum Schluss
Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Warnung aussprechen: In der Seelsorge treffe ich immer wieder auf Eltern, die verzweifelt sind, weil ihre Kinder im Teenageralter nicht mehr in den Gottesdienst gehen wollen oder sogar mit dem Glauben insgesamt nichts mehr zu tun haben wollen. Wenn man nachfragt, um sich ein Bild vom Alltag des Aufwachsens dieser Kinder zu machen, erfährt man meistens, dass deren Großwerden sich nicht sehr vom Heranwachsen ihrer ungläubigen Freunde unterschied. Sie gingen zur gleichen staatlich-säkularen Schule, sie hörten die gleiche Musik, sie sahen ebenso die statistischen 3 Stunden täglich fern und machten auch sonst all das, was man eben so zu tun pflegt – außer eben dass sie am Sonntagvormittag mehr oder weniger freiwillig zum Gottesdienst in eine Gemeinde mitgingen, jedenfalls solange sie sich noch in einem Alter befanden, in dem sie unselbstständig waren. Wenn dazu noch kommt, dass selbst in heutigen so genannten Gottesdiensten ebenfalls nur noch Unterhaltung geboten wird, ist es für Kinder aus christlichen Familien schwierig, Gott und sein heiliges Wort kennenzulernen. Das Volk Gottes war immer auch das von der Welt abgesonderte Bundesvolk Gottes.
Ich möchte Sie ermutigen, 5Mose 6,4-7 noch einmal zu lesen und darüber nachzudenken. Möge Gott der Herr Sie dabei segnen.
1) Damit ist natürlich nicht dem reichlich wahllosen Taufen in (Landes)kirchen das Wort geredet, in denen keinerlei Gemeindezucht geübt wird.