Der „Evangelisationsspaziergang“: Ein Weg zur Verkündigung des Evangeliums auf der Straße

Der „Evangelisationsspaziergang“: Ein Weg zur Verkündigung des Evangeliums auf der Straße

Seit etwa zwei Jahren führen wir bei uns in der Bekennenden Evangelischen Gemeinde Osnabrück regelmäßig (ein- bis zweimal im Monat) sogenannte Evangelisationsspaziergänge durch. Diese erfolgen stets zu zweit. Sie erstrecken sich jeweils über einen Zeitraum von etwa 90 Minuten. Innerhalb dieser Zeit sprechen wir zwischen 10 und 15 Passanten aktiv an und verkünden ihnen das Evangelium, jedenfalls denen, die gesprächsbereit sind.

Was war der Auslöser für diese Aktivitäten?

Anlässlich einer Gemeindegründung in Gladbeck im August 2017 erfolgte im Stadtzentrum eine Aktion mit Büchertisch und einem direkten Ansprechen von Passanten in der Fußgängerzone. Mitarbeiter von Antiochia Teams (antiochiateams.org), einem Gemeindegründungswerk für den deutschsprachigen Raum, leiteten diesen Einsatz und bereiteten uns mit einer kurzen Schulung darauf vor. Zusammen mit unserem Pastor Ludwig Rühle waren wir mit einer kleinen Gruppe aus unserer Gemeinde dabei und unterstützten diese Aktivitäten. Wir waren jeweils zu zweit unterwegs, um mit den Menschen über das Evangelium zu sprechen. Für mich persönlich war es das erste Mal, in dieser Form auf fremde Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts oder sozialen Status‘ zuzugehen, um über dieses sehr persönliche Thema zu sprechen.

Die Erlebnisse waren überwältigend. Niemals hätte ich zuvor gedacht, dass wildfremde Menschen auf der Straße über ihre Nöte, persönlichen Probleme und Anliegen sprechen und sich uns gegenüber öffnen. Obwohl jedem Gläubigen klar ist, wie weit sich unsere Gesellschaft inzwischen von Gott entfernt hat, war es zumindest für mich ein großer Unterschied, nicht nur davon theoretisch zu wissen, sondern es selbst hautnah auf der Straße zu erfahren. Man erkennt sehr schnell, wie die Leute „ticken“, was sie bewegt und wie wenig die meisten an Gott interessiert sind.

Auf Grund dieser Erlebnisse kamen wir schnell auf den Gedanken, derartige Aktionen auch bei uns in Osnabrück durchzuführen. So begannen wir Anfang 2018 damit, und wir führen seitdem diese „Evangelisationsspaziergänge“ regelmäßig durch.

Vorbereitung auf den Einsatz

Als Vorbereitung auf die Evangelisationsspaziergänge haben wir uns zuvor folgende Fragen gestellt:

  • Wie werden wir die Passanten ansprechen?
  • Wie werden wir zum Thema überleiten?
  • Wie werden wir die Situation des Gesprächspartners erfassen? (Glaubenssituation)
  • Wie werden wir auf das Evangelium überleiten und dieses vermitteln?
  • Wie werden wir zum Handeln auffordern?
  • Wie werden wir uns verabschieden?

Da jedes Gespräch anders verläuft, wird man sich natürlich niemals vollumfänglich auf alle Gespräche vorbereiten können. Allerdings ist ein Leitfaden sehr sinnvoll, weil er eine gewisse Sicherheit vermittelt. Je sicherer man mit der Zeit wird, desto besser kann man sich auf die Gesprächsinhalte konzentrieren.

Bei der Vorbereitung auf die „Evangelisationsspaziergänge“ war und ist für uns das Buch von Mark Dever mit dem Titel „Persönliche Evangelisation“ sehr hilfreich. Darin wird die Aufgabe, ja die Pflicht jedes Christen zur Weitergabe des Evangeliums sehr deutlich nahegelegt. Außerdem konnten wir dort wertvolle Hinweise für die Durchführung unserer Einsätze finden.

Das Ansprechen und die persönliche Einstellung

Eine wesentliche Voraussetzung für den Verlauf eines Gesprächs ist die persönliche Einstellung desjenigen, der die Passanten anspricht. Freundlichkeit, Offenheit und ehrliches Interesse am Gegenüber sind Grundvoraussetzungen für ein tiefergehendes Gespräch. Wir haben schließlich die beste aller Botschaften weiterzugeben und wünschen uns vom Gegenüber, dass er uns zuhört, und begreift, was wir zu sagen haben. Wir stellen immer wieder fest, wenn wir in dieser Weise auf Menschen zugehen, dann bleibt das Gespräch auch bei Ablehnung des Inhaltes immer noch wertschätzend für alle Beteiligten.

Der Einsatz auf der Straße

Oftmals wurden wir schon gefragt: „Wie sprecht ihr die Leute auf der Straße an?“ „Wie geht ihr auf sie zu?“

In diesem Punkt ist eine gute Portion an Flexibilität gefordert, denn es gibt nicht den „08/15“- Einstieg in ein Gespräch. Dennoch gibt es einige allgemeine Empfehlungen hierzu. Der beste, weil aus Erfahrung oftmals zielführende, ist der situationsbezogene Einstieg. Hierzu drei Beispiele:

  1. Einstieg über den Hund an der Leine:

Herrchen/Frauchen sprechen sehr gern über ihr Haustier, also sprechen wir sie darauf an. Dann die Überleitung: „Wir sind hier auf der Straße unterwegs, um Menschen auf ein elementar wichtiges Thema anzusprechen. Haben Sie eine Idee, was das sein könnte?“ (Bei dieser Frage wird Neugier geweckt und die Antworten sind oft „Umwelt“ oder sonstige aktuelle Themen.) Unsere Antwort darauf: „Es geht um ein noch viel wichtigeres Thema, es geht um den Glauben, es geht um Gott. Inwieweit ist das denn für Sie ein Thema?“ Hier beginnt dann das eigentliche Gespräch.

  1. Einstieg über ein Kompliment

Situation: Es kommen uns zwei junge Männer, etwa 20 bis 25 Jahre alt mit Kinderwagen entgegen. Wir gehen freundlich auf sie zu und sagen sinngemäß: „Diese jungen Herren sehen so aufgeschlossen aus, die sprechen wir jetzt mal an“ (sodass sie es hören). Wir grüßen mit einem freundlichen „Hallo“, gehen kurz auf den Nachwuchs im Kinderwagen ein und fahren weiter fort wie gehabt: „Wir sind hier auf der Straße unterwegs, um…“

  1. Einstieg – der situative

Da steht ein sportlicher Typ mittleren Alters vor seinem geöffneten Kofferraum bei Hitze und Sonnenschein und im Kofferraum befindet sich eine Kiste Bier, die er offensichtlich gerade gekauft hat. Wir schauen ihn freundlich an und blicken dann auf die Kiste. Er fragt uns: „Na, wollt ihr eine Flasche?“ Wir bedanken uns und kommen gleich zum Thema: „Wir sind hier auf der Straße unterwegs…“ Hieraus entwickelte sich ein längeres, intensives Gespräch über den Glauben.

Soweit zu drei Beispielen von vielen als Einstiegsmöglichkeit in ein Gespräch. Aus allen drei vorgenannten Einstiegen ergaben sich längere und intensivere Gespräche über den Glauben. Grundsätzlich gilt auch hier der Merksatz: Wer fragt, führt. Deshalb ist es sinnvoll sich ein Repertoire an zielführenden Fragen zuzulegen. Auf Fragen muss der andere antworten. Somit ist er auch gedanklich aktiv dabei, woraus sich dann ein Gespräch entwickelt.

Wie bereits erwähnt, ist die persönliche Einstellung des Fragenden zu der Aktion und zu den Menschen von großer Bedeutung. Hierdurch wird die eigene Ausstrahlung beeinflusst, die maßgeblich bestimmt, inwieweit ein Angesprochener sich mitnehmen lässt und bereit ist, sich auf das Gespräch einzulassen.

Bei der Ansprache der Passanten können wir in der Regel nichts an Grundwissen über Gott, Jesus Christus oder die Bibel voraussetzen. Häufig treffen wir auf Menschen, die weder getauft sind noch irgendeiner Glaubensrichtung angehören. Wir treffen auf Menschen, die zwar oftmals noch einer christlichen Religionsgemeinschaft angehören, sich auch über die Bibel ihre Meinung gebildet haben, allerdings ohne dass sie selbst sie jemals lasen. Wir treffen auf Menschen, die gerne mit uns auf der Straße philosophieren, aber von dem lebendigen Gott nichts wissen wollen. Gesprächsbereit sind die Gesprächspartner oftmals. Sie sind in der Regel freundlich, bekunden sogar, dass sie es gut finden, was wir machen. Sie wünschen uns auch alles Gute dabei – allerdings sind und bleiben sie selbst oftmals außen vor. Es scheint sie persönlich nicht zu betreffen. Dennoch nutzen wir, unabhängig von der jeweiligen Einstellung, jede Gelegenheit, unseren Auftrag zu erfüllen, das Evangelium zu verkündigen.

Vermittlung des Evangeliums – einfach und für jeden verständlich

Wenn es darum geht, das Evangelium kurz und prägnant, für jeden möglichst verständlich zu vermitteln, dann bedienen wir uns zweier Kommunikationskanäle, des auditiven und des visuellen. Menschen begreifen bekanntlich Dinge schneller, wenn sie gleichzeitig hören und sehen. Zu diesem Zweck haben wir uns ein Anschauungskärtchen erstellt, mit dessen Hilfe wir das Evangelium vermitteln.

Wir beginnen mit der Darstellung auf der Rückseite des Kärtchens, mit der wir die Trennung zwischen Gott und den Menschen erläutern:

Der Mensch ist von Gott getrennt, ohne aus eigener Kraft den tiefen Graben überwinden zu können. Fast immer lassen die Gesprächspartner erkennen, dass sie sich hier wiederfinden. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen können, wie dieser Graben zu überwinden sei, kommen viele Antworten, aber äußerst selten die richtige.

Wir geben dann die richtige Antwort mit der Vorderseite des Kärtchens:

Oftmals ist dann bei den Gesprächsteilnehmern eine gewisse Verlegenheit erkennbar.

An dieser Stelle wird das Evangelium erläutert. Doch als Vorbereitung darauf werden zunächst noch einige Fragen gestellt, wie:

  • Was ist schon unser Leben auf dem Zeitstrahl der Ewigkeit? Auf einem Zeitstrahl, der niemals anfing und niemals aufhört?
  • Was ist nach dem Tod?
  • Wohin geht unsere Reise nach dem Tod?
  • Was ist, wenn die Bibel Recht hat, dass es dann weitergeht und zwar entweder in die ewige Freude oder in das ewige Leid? In den Himmel oder in die ewige Verdammnis, in die Hölle?
  • Was ist, wenn wir hier nicht das rettende Geschenk angenommen haben und es nachher keine Möglichkeit zur Korrektur mehr gibt?

Danach erläutern wir mit Hilfe des Kärtchens das Evangelium, dass Jesus Christus für uns gestorben ist; dass er damit die Brücke über den Abgrund für uns gespannt hat, damit wir durch ihn gerettet werden. Wir brauchen nichts anderes zu tun, als an Jesus Christus zu glauben, daran, dass er alles für unser Heil getan hat und wir ihn im Glauben als unseren Herrn und Retter annehmen.

Wunsch und Wirklichkeit in der Erwartungshaltung

Ich selbst musste mir eingestehen, dass ich zu Beginn der Aktionen etwas naiv an die Sache herangegangen war. Ich dachte mir, wenn du ein paar Mal samstags die Leute auf der Straße ansprichst, werden sich nach einiger Zeit schon ein paar Interessierte bei uns im Gottesdienst einfinden. Heute, nach ca. zwei Jahren, über 30 Einsätzen mit etwa 400 Kontakten, woraus sich etwa 120 tiefergehende Gespräche ergaben, ist die Bilanz ernüchternd. Bisher hat sich eine ältere Dame zum Gottesdienst eingefunden. Sie kam ein einziges Mal.

Und nun? Machen wir weiter? Macht es überhaupt Sinn, hierfür seine Zeit zu investieren? Die Antwort lautet eindeutig: Ja.

Für uns Christen ist es die Aufgabe, ja Pflicht, das Evangelium weiterzugeben. Wenn Jesus selbst in Markus 12,31 die Nächstenliebe als eines der größten Gebote für uns nennt, dann ist es unsere Pflicht, unserem Nächsten das Evangelium weiterzugeben, um ihn vor der ewigen Verlorenheit zu bewahren. Bei unseren Einsätzen sind wir lediglich die Werkzeuge Gottes. Das Gelingen muss er geben. Wir vertrauen darauf.