„Müssen wir heute wirklich in die Gemeinde gehen?“
Diese Frage bekamen meine Eltern öfter von mir zu hören, als ich ein Junge war. Als Elfjähriger ging es mir öfter so, dass ich lieber zu Hause geblieben wäre, um mit meinen Legosteinen zu spielen, als zum Gottesdienst zu gehen.
Ich wusste, dass es eine gute Sache ist, in die Gemeinde zu gehen, aber es schien mir, dass ein- oder zweimal im Monat vollkommen genügen würde. So dachte ich als Kind in einem christlichen Zuhause.
Es ist das Problem vieler Christen, dass sie noch als Erwachsenen genauso denken: „Es ist gut, einen Gemeindegottesdienst zu besuchen, aber ein- oder zweimal ist gut genug.“ Es ist eine Sache, als Kind so zu denken. Etwas ganz anderes ist es aber, wenn Erwachsene so eingestellt sind. Ich weiß, es gibt legitime Gründe, dass manche Menschen nicht regelmäßig den Gottesdienst besuchen können (Krankheit, Notfälle usw.), aber es gibt sehr wohl auch nicht-legitime Gründe (Sport, Fernsehen, Computerspiele usw.). Ich möchte anhand einiger Bibelstellen und biblischer Prinzipien folgende Frage beantworten: „Was ist falsch daran, gewohnheitsmäßig den Gottesdienst der Gemeinde zu vernachlässigen?“
1. Es ist gegen Gottes Willen
In Hebräer 10,25 ermahnt die Bibel ausdrücklich bestimmte Christen, die eigene Versammlung nicht zu verlassen, wie es einige zu tun pflegen. Wir wissen nicht genau, wie viele Gottesdienste diese Leute verpassten, aber wir können mit Bestimmtheit sagen, dass sich die frühe Kirche regelmäßig traf, um Gottesdienst zu feiern (siehe Apg 2,42). Später, als der Hebräerbrief geschrieben wurde, begannen einige, das sehr unregelmäßig zu tun, und sie wurden ausdrücklich darauf angesprochen (vgl. Großer Westminster Katechismus, 119). Es gefällt Gott nicht, wenn sein Volk gewohnheitsmäßig den öffentlichen Gottesdienst vernachlässigt. Es bringt ihm keine Ehre, weil es gegen seinen ausdrücklichen Willen ist.
2. Es schadet dem persönlichen Glauben
Gott hat versprochen, dass er sein Volk durch sein Wort kraftvoll segnen will. Der Glaube an Christus kommt durch das Hören seines Wortes (Röm 10,17), und dieser Glaube wird durch dasselbe Wort gestärkt. Das Wort von Gottes Gnade bewirkt, dass du im Glauben wächst (Apg 20,32, s. auch Ps 119). Die Predigt ist ein sogenanntes Gnadenmittel, weil sie einer der hauptsächlichen Wege ist, auf dem Gott sein Volk mit seiner Gnade überschüttet (dasselbe gilt für Taufe und Abendmahl). Wenn man den „Regenschauer“ von Gnade vernachlässigt, lässt das die „Saat“ des Glaubens verwelken, anstatt dass sie wächst. Deswegen müssen wir uns klar machen: Gewohnheitsmäßiges Vernachlässigen des Gottesdienstes ist wie wenn wir bei Hitze unseren Garten nicht gießen und düngen. Die Pflanzen werden nicht wachsen. In gleicher Weise wird auch unser Glaube nicht wachsen, wenn er nicht regelmäßig durch Wort und Sakramente genährt wird.
3. Es verhindert christliche Gemeinschaft
Hebräer 10,24-25 spricht nicht nur von der Teilnahme an Gottesdiensten, sondern im selben Satz auch von christlicher Gemeinschaft. Gleichzeitig mit der Ermahnung, die Versammlungen nicht zu vernachlässigen, fordert der Schreiber seine Leser auch dazu auf, einander zur Liebe und zu guten Werken anzuspornen, und einander im Glauben zu ermutigen, während wir auf die Wiederkunft des Herrn warten. Gemeinsamer Gottesdienst, Ermutigung, Liebe und gute Werke gehen Hand in Hand. Diese töten unsere selbst-zentrierte, individualistische Haltung und helfen uns, auf eine gemeinschaftliche Weise zu denken und zu leben, wie sie Gottes Bund mit uns entspricht. Schließlich ist das Christsein kein Ein-Mann-Unternehmen, und es passt auch nicht mit dem Individualismus unserer Kultur zusammen. Jesus sagt: Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt (Joh 13,35). Ein wahrer Christ sagt niemals: „Ich liebe Jesus, aber nicht die Gemeinde.“ Wenn jemand regelmäßig den Gottesdienst versäumt, dann stellt er die Wichtigkeit der Gemeinschaft und die Liebe zu Gottes Volk in Frage.
4. Es schwächt die Anbetung Gottes
Die Bibel ist voll von Beispielen, wie Gottes Volk öffentlich Loblieder singt und gemeinsam Gottes Namen ehrt. Zum Beispiel sagt Psalm 34,4: Erhebt mit mir den Herrn, und lasst uns miteinander seinen Namen erhöhen! (vgl. Ps 95,1-2.6; Offb 19,7) Wenn wir nur selten zusammen mit seinem Volk Gott Loblieder singen, dann leidet darunter die Anbetung Gottes – Anbetung, die wir ihm gemeinsam mit seinem Volk gern bringen sollten: Ich freue mich an denen, die zu mir sagen: ‚Lasst uns zum Haus des Herrn gehen!‘ (Ps 122,1) Gewohnheitsmäßig Gottesdienste zu verpassen bedeutet, gewohnheitsmäßig die gemeinsame Anbetung Gottes zu vernachlässigen. Damit gibt man Nichtchristen ein schlechtes Beispiel. Man vermittelt die Botschaft, dass man ein Christ sein kann, ohne den Gottesdienst zu besuchen. Es ist ein Widerspruch, sich Christ zu nennen und sich gleichzeitig nicht darum zu kümmern, mit anderen gemeinsam Gott anzubeten.
5. Es verwirrt andere Christen
In der Vergangenheit wurden Christen oft auch Kirchgänger genannt. Tatsächlich ist es biblisch, so zu reden. Wenn ein Christ regelmäßig nicht zum Gottesdienst geht, dann fangen andere Christen an, sich zu fragen, was der Grund dafür ist. Wenn ein Kind einer christlichen Familie bemerkt, dass eine andere Familie selten oder nie zum Gottesdienst kommt, dann wird das Kind sich wahrscheinlich wundern, warum diese Familie Gott nicht anbetet. Die Bibel lehrt, dass jemand, der wirklich Christ ist, mit anderen Christen zusammenbleibt (1Joh 2,19). Mit anderen Worten: Wenn ein Christ regelmäßig den Gottesdienst ausfallen lässt, dann schadet er möglicherweise dem Glauben anderer Christen und schafft Verwirrung unter ihnen, anstatt sie zu erbauen, wie es seine Pflicht wäre. Christen, die öfter nicht in den Gottesdienst gehen, sollten darüber nachdenken, wie sie damit anderen Christen schaden. Gewohnheitsmäßiges Vernachlässigen des Gottesdienstes macht das Bekenntnis eines Christen unglaubwürdig und kann andere Christen ins Straucheln bringen.
6. Es beeinträchtigt unsere Gottesbeziehung
In der Gottesdienstliturgie der Gemeinde verinnerlicht Gottes Volk den Rhythmus des christlichen Lebens: Anbetung, Bekenntnis der eigenen Sünde, Vergebung der Sünde, Gebet, Hören auf Gottes Wort und die Ausrüstung für das praktische Leben. Diese Elemente des Gottesdienstes helfen, das christliche Leben richtig zu orientieren. Liturgie ist wie christliche „Re-Kalibrierung“ („Wieder-Ausrichtung“). Regelmäßiges Vernachlässigen des Gottesdienstes lässt uns mit der Zeit vergessen, was es bedeutet, als Jünger zu leben. Es bringt Verwirrung in unsere Moral, bringt unser Gewissen durcheinander, macht uns anfällig für Scham und Schuld und vernebelt die Realitäten von Gott und seiner Gnade. Kürzlich hat mich ein Freund an Psalm 73 erinnert. Die Verwirrung des Psalmisten wurde in dem Moment geklärt, als er in das Heiligtum Gottes ging (Ps 73,17). Vernachlässigung des Gottesdienstes schadet unserer Gottesbeziehung.
7. Es erschwert die Arbeit der Pastoren und Ältesten
Gott hat die Pastoren und Ältesten einer Ortsgemeinde dazu berufen, für die Herde zu sorgen, auf sie achtzugeben, sie zu lieben, ein gutes Beispiel für sie zu sein, für sie zu beten, usw. (Apg 20,28-31; 1Tim 3,4; 1Petr 5,1-3). Die Leiter der Gemeinde sind vor Gott dafür verantwortlich, wie sie die Herde leiten und für sie sorgen (Hebr 13,17). Wenn jemand gewohnheitsmäßig den Gottesdienstbesuch vernachlässigt, kann der Pastor nicht zu dieser Person predigen und die Ältesten beginnen sich über sein Leben und seinen Glauben Sorgen zu machen. Natürlich sollten sich Pastoren und Älteste auch außerhalb des öffentlichen Gottesdienstes um ihre Gemeindeglieder kümmern, aber es ist sehr schwierig für sie, ihre Arbeit als Hirten gut zu tun, wenn jemand nur selten im Gottesdienst ist. Schließlich sagt der Hebräerbrief, dass Christen ihren Leitern gehorchen sollen, dass sie sich ihnen unterordnen und ihren Glauben nachahmen sollen (Hebr 13,7.17). Wenn ein Christ ständig nicht zu den Gottesdiensten kommt, zu denen die Ältesten die Gemeinde rufen, gehorcht er nicht und ordnet sich ihnen nicht unter. Damit erweist er ihnen nicht die Ehre, die Gott fordert. (Man denke hier auch an das fünfte Gebot: „Du sollst Vater und Mutter ehren.“) Auch wenn Autoritäten zur Zeit in unserer westlichen Gesellschaft alles andere als anerkannt sind, ist die Bibel in diesem Punkt unmissverständlich klar: Wir haben die Pastoren und Ältesten zu ehren, die Gott als Autoritäten über uns gesetzt hat. Den Gottesdienstbesuch zu vernachlässigen, erschwert die Aufgabe der Ältesten und Pastoren deutlich.
8. Es nimmt die Mitgliedschaftsverpflichtung nicht ernst
Obwohl einige Gemeinden sich heutzutage wenig um verbindliche Mitgliedschaft kümmern, haben reformatorische Gemeinden Mitgliederverpflichtungen, die verschiedenen Stellen der Heiligen Schrift entnommen sind (z.B. 5Mos 6,13; Esra 10,5; Ps 50,14; 116,14). Wenn ein Christ sich einer der Gemeinden Christi anschließt, gibt er bestimmte öffentliche Versprechen. Er verspricht gewöhnlich – unter anderem – dass er treu an den gottesdienstlichen Veranstaltungen der Gemeinde teilnimmt und sich dem Herrn und seiner Leitung unterordnet. Wenn jemand öffentlich ein solches Versprechen gibt und dann davon abweicht, dann bricht er sein Versprechen. Hier kommt das neunte Gebot ins Spiel („Du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen“).
9. Es zeigt Gleichgültigkeit im eigenen Glaubensleben
Wenn ein Mensch den Herrn von Herzen sucht, sein Wort leidenschaftlich studiert und andere Christen liebt, dann wird er Christus auch mit anderen zusammen anbeten wollen (Ps 122,1). Ich weiß von keinem Christen, der Christus von Herzen liebt, aber nie zu seiner Ehre singt und keine Lust hat, mit anderen zusammen zu seinen Füßen zu sitzen, um sein Wort zu hören. Ich weiß jedoch von Christen, die im Glauben nachlässig geworden sind und sich lieber ein Fußballspiel anschauen oder auf dem Sofa relaxen, als mit anderen Christen Jesus anzubeten. John Newton schrieb einmal einen Brief an seine Gemeinde zu genau diesem Thema. Unter anderen Dingen lesen wir dort: „Die meisten von euch sind mit mir einig, dass die Bibel Gottes Offenbarung ist. Aber verhalten sich nicht einige von euch im Widerspruch zu dem, was ihr bekennt? Eure Geschäfte und Unterhaltung sorgen dafür, dass ihr nicht treu den Gottesdienst besucht. Ihr habt andere Dinge zu tun und so verpasst ihr viele Predigten… Viele Leute können ihre volle Aufmerksamkeit für einige Stunden ihrer Unterhaltung widmen, ohne müde zu werden. Aber ihre Geduld ist schnell erschöpft, wenn in einer Predigt die Prinzipien der Schrift auf ihr Gewissen angewandt werden.“
10. Es lädt Satan dazu ein, uns zu versuchen
Vor einiger Zeit schaute ich im Fernsehen eine Dokumentation über das Verhalten von Hyänen. Es ging darum, wie sie sich ihr Essen beschaffen. Hyänen suchen und jagen gewöhnlich eine Antilope, die etwas entfernt von der Herde steht. Denn es ist die Herde, die der Antilope Schutz bietet.
Ähnlich attackieren der Satan und seine Dämonen Christen dann, wenn sie am verletzlichsten sind, nämlich dann, wenn sie allein stehen, ohne dass sie irgendjemandem gegenüber verantwortlich sind. Er greift dann an, wenn Christen nicht regelmäßig Gottes Wort hören und nicht vom Schutz der Gemeinde profitieren. Der Satan ist kein Dummkopf – er kennt die beste Zeit zum Angriff. Es ist Petrus sehr wichtig, der Gemeinde zu sagen, dass der Satan wie ein brüllender Löwe umherschleicht und sucht, wen er verschlingen kann (1Petr 5,8). Die Gemeinde ist die Herde Christi und es ist geistlich gefährlich, sich von der Herde zu entfernen. Ganz schnell setzt man sich so Satans Attacken aus und zieht seine Pfeile der Versuchung auf sich.
11. Es ist ein Schritt auf dem Weg des Abfalls
Bei Menschen, die ‚vom Glauben abgefallen sind‘, sehen wir häufig, dass sie eine Zeit lang regelmäßig zur Gemeinde gingen, irgendwann weniger regelmäßig und dann gar nicht mehr. Hebräer 10 fordert uns nicht nur dazu auf, regelmäßig zusammen mit der Gemeinde anzubeten; wir werden auch gewarnt vor der höllischen Strafe für die, die Christus verlassen und verleugnen. Wenn jemand wirklich Christ ist, wird er die Herde nicht verlassen. Diejenigen jedoch, die die Gemeinde verlassen haben, waren nicht von uns; denn wenn sie von uns gewesen wären, so wären sie bei uns geblieben (1Joh 2,19).
„Der Schreiber betrachtete das Verlassen der gemeindlichen Versammlungen als äußerst schwerwiegend. Es bedroht das gemeinsame Leben der Gemeinde und ist fast sicher ein Vorbote des Abfalls für die, die sich von der Versammlung entfernen. Die Vernachlässigung des Gottesdienstes und der Gemeinschaft ist symptomatisch für ein katastrophales Versagen, die Wichtigkeit des priesterlichen Dienstes Christi und die geschenkte Gemeinschaft mit Gott wertzuschätzen.“
William Lane zu Hebräer 10,24-25
Fazit
Ich bin mir bewusst, dass noch viel mehr zu diesem Thema gesagt werden könnte. Ich weiß auch, dass viele von uns sehr beschäftigt sind und es uns oft schwerfällt, die eigene Zeit richtig einzuteilen. Es braucht Verpflichtung, Entschluss, Pflichtbewusstsein und Selbstdisziplin, regelmäßig mit Gottes Volk anzubeten. Dies ist etwas, wofür wir alle beten und Gott um Gnade bitten sollten, dass er uns die nötige Hilfe dazu schenkt. Gott sei Dank, dass wir in der Gemeinde das Evangelium von Christus hören und dadurch in unserem Glaubensleben ermutigt und erneuert werden.
Da meine Liste mit den elf Punkten eine negative ist, möchte ich gerne positiv enden. Wenn wir die Punkte aufgreifen, können wir in positiver Weise sagen, dass regelmäßiger Gottesdienstbesuch (1) Gottes Wille für dich ist, (2) deine Gemeinschaft mit anderen Christen stärkt, (3) dir hilft, Gott besser anzubeten, (4) stärkend ist für deinen Glauben, (5) andere Christen erbaut, (6) dir hilft, Satans Angriffe abzuwehren, (7) dich davor bewahrt, vom Weg abzukommen, (8) deine Gottesbeziehung stärkt, (9) die Arbeit des Pastors und der Ältesten erleichtert, (10) dir hilft, deine Mitgliedschaftsversprechen zu halten, und (11) ein Zeichen eines starken Glaubens ist.
Wir sehen uns am Sonntag!
Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache im Magazin New Horizons unter dem Titel The Dangers of Neglecting the Assembly. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung. Für die Übersetzung bedanken wir uns bei Kurt Vetterli, Pastor der Presbyterianischen Kirche Basel/CH.