Brauchen wir Bekenntnisse? (Teil 2)

Brauchen wir Bekenntnisse? (Teil 2)

Verrücke die uralte Grenze nicht, die deine Väter gemacht haben.

Spr. 22,28

Wir haben im ersten Teil dieses Artikels über einige Hauptargumente nachgedacht, die für die Verwendung von Bekenntnissen im Gemeinde- und Kirchenalltag sprechen. Diese Argumente waren folgende:

● Bekenntnisse waren schon immer Teil der neutestamentlichen Gemeinde.
● Alle Gemeinden haben de facto Bekenntnisse.
●Bekenntnisse schaffen Transparenz, Frieden und Stabilität in der Gemeinde.

Wie in der letzten Ausgabe versprochen, möchte ich Ihnen nun einige Bekenntnisse vorstellen. Ich übergehe dabei die altkirchlichen „ökumenischen Glaubensbekenntnisse“, wie etwa das „Apostolische Glaubensbekenntnis“ oder das „Nizänische Glaubensbekenntnis“ und werde mich in den nächsten beiden Teilen auf zwei Gruppen von Bekenntnissen der Reformationszeit konzentrieren. In dieser Ausgabe wollen wir uns auf die konzentrieren, die mehr zur kontinentaleuropäischen Tradition gehören, sagen wir zu der deutschsprachigen und der niederländischen. Ich denke an das Niederländische Glaubensbekenntnis, an den Heidelberger Katechismus und die Fünf Artikel von Dordrecht.

1. Das Niederländische Glaubensbekenntnis (Confessio Belgica)

Dieses Bekenntnis wurde 1561 in einer Zeit schwerer Verfolgung in den südlichen Niederlanden von einem jungen Prediger namens Guido De Bres verfasst. In einer Zeit, in der die reformierten Christen blutig verfolgt wurden, sollte es dazu dienen, dem spanischen König Philip II., der zu jener Zeit über das Gebiet herrschte, das heute Belgien und die Niederlande umfasst, zu zeigen, dass sie keine Aufrührer oder Sektierer waren, sondern am biblischen Glauben festhielten.

Dieses Bekenntnis war an das Gallische Glaubensbekenntnis von 1559 angelehnt. Es besteht aus 37 Artikeln, die in ihrer Anordnung der reformierten Unterteilung der systematischen Theologie folgen: 1. Gott; 2. Mensch; 3. Christus; 4. Erlösung; 5. Kirche; 6. Von den letzten Dingen (Eschatologie).

Das Niederländische Glaubensbekenntnis ist eine kompakte, systematische Zusammenfassung der Hauptlehren der Heiligen Schrift.

Ich zitiere hier nur einmal den ausgezeichneten Artikel 3:

„Von der Heiligen Schrift“: Wir bekennen, dass dieses Wort Gottes nicht durch menschlichen Willen hervorgebracht oder überliefert wurde, sondern dass die heiligen Männer Gottes, vom Geist ergriffen, es geredet haben, wie der heilige Petrus bezeugt. Danach aber hat Gott selbst in seiner besonderen Fürsorge, die er für uns und für unser Heil hat, seinen Dienern, den Propheten und Aposteln, aufgetragen, dasselbe niederzuschreiben. Er selbst hat die beiden Gesetzestafeln mit seinem Finger geschrieben: Deshalb nennen wir solche Schriften die heilige und göttliche Schrift.[1]

De Bres sandte sein Bekenntnis im Jahr 1562 an Philipp II., und zwar gemeinsam mit einem Brief, in dem er unter anderem zum Ausdruck brachte, dass man für seinen Glauben auch bereit sein müsse, zu leiden und zu sterben. Im Jahr 1567 wurde er, gemeinsam mit tausenden anderen Christen, wegen seines biblischen Glaubens hingerichtet. Das Niederländische Glaubensbekenntnis wurde im Jahr 1566 auf der Synode von Antwerpen leicht überarbeitet und wurde dann in seiner Endform von der Dordrechter Synode (1618/19) für die Niederlande übernommen.

2. Der Heidelberger Katechismus

Nachdem die Reformation in der Pfalz zur Blüte gekommen war, gab der Landesfürst, Friedrich III. („der Fromme“), einen Katechismus in Auftrag. Er sollte dazu dienen, die jungen Menschen von früh an im rechten Glauben zu erziehen und theologische Einmütigkeit in der Verkündigung zu gewährleisten.

Die Hauptverfasser dieses Katechismus waren der damals 28-jährige Zacharias Ursinus (1534–1583), Theologieprofessor an der Heidelberger Universität und der 26-jährige Hofprediger Friedrichs des III., Caspar Olevianus.

Der Heidelberger Katechismus ist eine Zusammenfassung der biblischen Heilslehre in 129 Fragen und Antworten, die später wiederum in 52 Sonntage aufgeteilt wurde. Dies erfolgte mit der Absicht, dass er im Lauf eines Jahres gepredigt werden kann. Inhaltlich ist der Heidelberger Katechismus in drei Teile gegliedert. Der erste Teil (Sonntag 2–4) beschreibt den Zustand des in seiner Sünde verlorenen Menschen. Der zweite Teil (Sonntag 5–31) zeigt den Weg der Erlösung auf, und der dritte und letzte Teil (Sonntag 32–52) beschreibt, wie der erlöste Mensch seine Dankbarkeit Gott gegenüber zum Ausdruck bringen soll (Heiligung).

Die erste Frage des Heidelberger Katechismus ist wohl eine der berühmtesten Zusammenfassungen des Evangeliums: „Frage: Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Antwort: Dass ich mit Leib und Seele, im Leben und im Sterben, nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre. Er hat mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkommen bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst, und er bewahrt mich so, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt fallen kann, ja, dass mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss. Darum macht er mich auch durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens gewiss und von Herzen willig und bereit, ihm forthin zu leben.“

Die Fünf Artikel der Synode von Dordrecht

Die Dordrechter Synode war eine offizielle nationale Versammlung von Repräsentanten der Reformierten Kirchen der Niederlande. Anlass waren die abweichenden Lehrinhalte des Theologieprofessors Jacob Arminius (1560–1609).

Obwohl die Synode eine nationale Angelegenheit war, fanden sich auch 27 Delegierte von Kirchen anderer Länder ein (auch aus einigen deutschen Ländern), da Arminius mit seinen Thesen weit über die Grenzen der Niederlande hinaus Unruhe gestiftet hatte.

Die Synode dauerte vom 13. November 1618 bis zum 29. Mai 1619. In dieser Zeit formulierten die Delegierten eine biblisch begründete Antwort auf Arminius und seine Ideen. Die Lehren des Arminius wurden als unorthodox erklärt, also als nicht mit der Heiligen Schrift übereinstimmend.

Im Wesentlichen beschränken sich die Artikel der Synode von Dordrecht auf die fünf Themen, die heute gemeinhin als die „Fünf Punkte des Calvinismus“ bekannt sind:

1. Der unbekehrte Mensch ist völlig unfähig und unwillig sich zu bekehren: totale Verderbtheit.

2. Der Grund, dass jemand Christ wird, ist einzig und allein die mächtige Gnade Gottes: Die Erwählung Gottes ist ohne Vorbedingungen im Menschen erfolgt, also bedingungslos.

3. Das Heilswerk Christi bezieht sich in seiner Wirksamkeit auf diejenigen, die von Gott auch tatsächlich errettet werden: Jesus Christus hat am Kreuz die Erlösung also nicht nur ermöglicht, sondern jedes seiner Erwählten am Kreuz tatsächlich mit Gott versöhnt.

4. Alle diejenigen, die Gott erwählt hat, werden sich sicher bekehren: Die Gnade Gottes ist unwiderstehlich.

5. Das Heil, das Gott für und in den wahrhaft Erretteten angefangen hat, wird er auch vollenden. Das ist der Grund, warum die Heiligen bis zum Ende bei Christus bleiben.

Es ist schade, dass diese Bekenntnisse im deutschsprachigen Raum in Vergessenheit geraten sind. Es lohnt sich, sich die Zeit zu nehmen, sie einmal zu lesen und so tiefere Einblicke in den eigenen Glauben zu gewinnen.


[1] Eigene Übersetzung.