Einleitung
Wenn Christen heute von „Gottesdienst“ sprechen, dann meinen sie damit meistens die ein bis zwei Stunden, in denen man sich sonntags als Gemeinde trifft. Aber das ist nicht immer das, was gemeint ist, wenn die Heilige Schrift von „Gottesdienst“ spricht. In Römer 12,1 sagt Paulus beispielsweise, dass wir unser ganzes Leben für Gott als Gottesdienst leben sollen: Ich ermahne euch nun, ihr Brüder […], dass ihr eure Leiber darbringt als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer: Das sei euer vernünftiger Gottesdienst!
Was ist nun biblisch gesehen Gottesdienst? Unsere Treffen als Gemeinde sonntags oder unser ganzes Leben?
Zwei Arten von Gottesdienst
Das Wort Gottes zeigt uns, dass es tatsächlich zwei Arten von Gottesdienst gibt. Zum einen soll unser ganzes Leben ein Gottesdienst sein. So schreibt es Paulus in Römer 12,1. Egal, was wir tun, egal, ob wir essen oder trinken, wir sollen alles für und vor Gott tun (1Kor. 10,31). Wir sollen also unser ganzes Leben in der Einstellung führen, dass der allmächtige Gott alles sieht, dass wir seine Kinder sind und ihm gehören. Man kann es so zusammenfassen, dass wir jeden Tag Gottesdienst leben sollen.
Aber daneben gibt es noch den Gottesdienst, den wir als Gemeinde sonntags feiern. Es ist die Zeit, in der wir uns besonders auf Gott konzentrieren. In dieser Zeit leben wir nicht nur vor ihm, wir richten uns an ihm und auf ihn aus. Es ist die Zeit, in der wir gemeinsam Gottes Wort hören, ihn loben und ihn preisen, an ihn denken, zu ihm beten, seinen Namen bekennen und immer wieder durch die Sakramente im Glauben gestärkt werden (Hebr. 9,1; 12,22–29; 1Kor. 14,26). Wir sollen also einerseits mit unserem ganzen Leben Gottesdienst leben, andererseits zu bestimmten Zeiten Gottesdienst feiern.
Die beiden Gottesdienste – weder vergessen noch verwechseln
Es gab früher, vor allem im Mittelalter, die Auffassung, Gottesdienst zu feiern sei das Wichtigste, während man es nicht auf dem Schirm hatte, den Gottesdienst im Alltag zu leben. Jede Familie, die etwas auf sich hielt, schickte aus diesem Grund eines ihrer Kinder ins Kloster. Vor lauter Arbeit hatte man wenig Zeit, Gottesdienst zu feiern – da sollte doch wenigstens ein Familienmitglied einen großen Teil des Tages Zeit haben für Gottesdienst und für die Familie beten nach dem Motto: einer für alle.
Gegen diese Art zu denken wandten sich die Reformatoren: Es sei natürlich sehr wichtig, Gottesdienst zu feiern, aber gleichzeitig möchte Gott auch, dass wir unser ganzes Leben als Gottesdienst leben. Deswegen kann man auch als hart arbeitender Familienvater oder als Mutter vieler Kinder zur Ehre Gottes leben, selbst wenn man nicht Zeit hat, mehrere Stunden am Tag zu beten. Martin Luther brachte es folgendermaßen auf den Punkt: „Wenn eine arme Dienstmagd das Haus kehret und tut solches im Glauben an Christus, so tut sie ein besseres Werk und größeren Gottesdienst, als es der heilige Antonius in der Wüste getan hat.“
Antonius galt damals als der erste Mönch der Kirchengeschichte. Er verbrachte den größten Teil seines Lebens einsam in der Wüste, um sich auf Gott zu konzentrieren. Während Antonius im Spätmittelalter hoch angesehen war, stellte Luther das Denken der Menschen auf den Kopf, indem er provokativ feststellte: Jede Dienstmagd gefällt Gott mit ihrer Arbeit besser, wenn sie ihre Arbeit zu Gottes Ehre tut.
Heutzutage trennen viele Christen den Sonntag vom Rest der Woche ab. Der Sonntag (zumindest die anderthalb Stunden morgens) sind für Gott da, während man den Rest der Woche sein eigenes Leben führt. Aber Gott gefällt es nicht, wenn wir vor lauter Gottesdienstfeiern vergessen, Gottesdienst zu leben oder wenn wir meinen, Gottesdienst sei nur etwas für die Sonntage.
Daneben gibt es ein weiteres Extrem. Manche Leute meinen, dass sie regelmäßige Gottesdienstfeiern und eine feste Gemeinde, zu der sie verbindlich gehören, gar nicht benötigen. Man könne ja schließlich auch in die Natur gehen und dort Gottes Schöpfung genießen und auf diese Weise Gemeinschaft mit Gott haben. Und überhaupt könne man Gott ja auch alleine begegnen.
Aber Gott will in unserem Leben beide Gottesdienste. Er möchte, dass wir mit unserem ganzen Leben Gottesdienst leben, und er möchte, dass wir zu bestimmten Zeiten gemeinsam mit Gottes Volk Gottesdienst feiern. Während es in den Versen vor unserem Abschnitt, in Epheser 5,15–17, darum ging, wie wir Gottesdienst leben, geht es in den Versen dieser Predigt (Eph. 5,18–21) darum, was es heißt, Gottesdienst zu feiern. Die Wortverkündigung steht heute Morgen unter dem Thema:
Gottesdienst feiern, damit du…
- durch Gottes Wort mit dem Heiligen Geist erfüllt wirst
- Gott durch den Heiligen Geist anbetest
- für dein Leben mit dem Heiligen Geist ausgerüstet wirst
Warum reicht es nicht aus, unser Leben als Gottesdienst zu leben? Wozu müssen wir uns treffen, Gemeinderäume oder ein Gemeindegebäude unterhalten und den Aufwand betreiben, einen Gottesdienst durchzuführen?
Während wir unseren Alltagsgottesdienst vor Gott und für Gott leben, passiert sonntags während der Gottesdienstfeier etwas, das beim Essen, Trinken, Arbeiten, Schlafen oder Spielen nicht passiert: Wir werden von Gott mit seinem Heiligen Geist beschenkt.
Gott liebt es, wenn wir im Alltag unsere Aufgaben treu ausführen. Aber seinen Heiligen Geist vermittelt er uns vor allem dann, wenn wir ihn persönlich suchen. Das geschieht vorrangig, wenn wir uns sonntags als Volk Gottes treffen. Um es etwas salopp zu formulieren: Der Sonntagsgottesdienst, in dem wir sein Wort hören, ist die Rushhour des Heiligen Geistes.
1. Gottesdienst feiern…, damit du durch Gottes Wort mit dem Heiligen Geist erfüllt wirst (Eph. 5,18.19a)
Vielleicht wendest du jetzt ein: Haben wir nicht als Christen bereits den Heiligen Geist? Warum müssen wir uns dann (noch einmal?) mit dem Heiligen Geist beschenken lassen? Tatsächlich haben wir, seitdem wir Christen sind, den Heiligen Geist. Mit ihm sind wir versiegelt worden, wie Paulus wiederholt im Epheserbrief betont (Eph. 1,13; 4,30).
Und dennoch können wir als Christen auf Distanz zu Gott gehen, nicht mehr wirklich die Gemeinschaft mit ihm suchen und so auf einiges von dem Segen verzichten, den der Heilige Geist uns schenken möchte. Deswegen schreibt Paulus in Vers 18: Und berauscht euch nicht mit Wein, was Ausschweifung ist, sondern werdet voll Geistes. Zu allen Zeiten, in denen wir die Gemeinschaft mit Gott suchen, aber besonders im Gottesdienst, werden wir von Gott mit seinem Heiligen Geist beschenkt. Diese besondere Gegenwart des Heiligen Geistes meint Jesus, als er uns versprach: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen (Mt. 18,20). Natürlich ist Jesus immer und überall da. Er ist Gott, und Gott ist allgegenwärtig. Aber gerade dann, wenn wir die Gemeinschaft mit ihm suchen, ist er in ganz besonderer Weise mit seinem Segen anwesend, und er beschenkt uns mit seinem Heiligen Geist.
Paulus formuliert es hier in Vers 18 als Befehl: Werdet voll Geistes! In anderen Worten sagt der Herr: Sucht die Gemeinschaft mit mir, und ich werde euch mit dem Heiligen Geist beschenken!
Erfüllt von Wein oder von Heiligem Geist?
Bevor wir dazu aufgefordert werden, uns vom Heiligen Geist erfüllen zu lassen, lesen wir ein Verbot: Und berauscht euch nicht mit Wein, was Ausschweifung ist. Was hat Alkoholtrinken zu tun mit Gottesdienst feiern? Warum stellt Paulus diesen Gegensatz zwischen Betrinken und voll des Heiligen Geistes sein auf? Kamen die Epheser immer betrunken in den Gottesdienst, wie es in Korinth teilweise der Fall war? (1Kor. 11,21).
Gerade in Ephesus waren die Feiern für den Gott des Weines sehr verbreitet. Die Griechen nannten ihn „Dionysos“, die Römer „Bacchus“. „Gottesdienste“ für diesen Gott waren im Kern ein einziges Besäufnis. Vermutlich ist das der Grund, warum Paulus hier Weintrinken und den Heiligen Geist bekommen gegenüberstellt. Paulus sagt: Ihr benötigt den Heiligen Geist und seine Kraft, um im Glauben zu wachsen. Ihr sollt von ihm erfüllt werden, aber das funktioniert nicht, wenn ihr euch in einen Rauschzustand versetzt, wie viele von euch das früher in den „Gottesdiensten“ für die heidnischen Götter machten.
In 1.Korinther 14 legt Paulus zwei Grundprinzipien dar für die Art und Weise, wie wir Gottesdienst feiern sollen: Zum einen müssen Gottesdienste so gestaltet sein, dass die, die daran teilnehmen, erbaut werden, also in ihrem Glauben weiterkommen. Und zweitens müssen Gottesdienste ordentlich ablaufen (1Kor. 14,26b.40). Erbaut werden können wir nicht, wenn wir nicht Herren unserer Sinne sind, und Ordnung herrscht dann natürlich nicht, wenn wir betrunken sind.
Gottesdienst feiern konkret
Wie sieht das konkret aus, Gottesdienst zu feiern und dadurch mit dem Heiligen Geist erfüllt zu werden? Das Ganze hat drei Richtungen oder drei Dimensionen. Die erste Richtung ist die Richtung von Gott zu mir (bzw. zu uns als Gemeinde). Die zweite Richtung ist die Richtung von mir zu den anderen Christen in der Gemeinde. Und die dritte Richtung ist die Richtung von mir bzw. uns zurück zu Gott.[1] Bedenken wir sie im Einzelnen.
● Die erste Richtung: von Gott zu mir/uns. Wie beschenkt uns Gott im Gottesdienst durch seinen Heiligen Geist, sodass wir von ihm erfüllt werden? Gott wirkt das durch sein Wort und bestätigt es durch die Sakramente. Theologen haben das so formuliert: Der Heilige Geist bindet sich an das Wort Gottes. Das wird sehr deutlich, wenn wir Epheser 5,18 und 19 mit Kolosser 3,16 vergleichen: Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen in aller Weisheit; lehrt und ermahnt einander und singt mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern dem Herrn lieblich in eurem Herzen. An beiden Stellen sagt Paulus teilweise wortwörtlich dasselbe. Aber einen wichtigen Unterschied gibt es: Im Kolosserbrief steht nicht: Werdet voll Geistes, indem ihr zueinander redet… wie hier im Epheserbrief, sondern: Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen! Es ist also offenkundig dasselbe: mit dem Heiligen Geist erfüllt zu sein und tief im Wort Gottes verwurzelt zu werden. Weil sich der Heilige Geist an Gottes Wort bindet, beschenkt Gott dich mit seinem Geist, wenn Gottes Wort verkündigt wird. Deswegen nennt Paulus auch später im Epheserbrief das Wort Gottes das Schwert des Geistes (Eph. 6,17b).
● Die zweite Richtung: von mir zu anderen. Wir feiern Gottesdienst auch, um uns gegenseitig zu dienen, Gemeinschaft zu haben, einander zu trösten, zu ermutigen, aber auch um zu ermahnen. Um im Glauben zu wachsen, benötigen wir unsere Geschwister im Glauben. Diesen Aspekt betont Paulus sehr stark in den Kapiteln 11–14 des ersten Korintherbriefs.
● Die dritte Richtung: von mir/uns zu Gott zurück. Im Gottesdienst geht es nicht zuletzt auch darum, Gott anzubeten und seinen Namen zu bekennen. Auf diese Weise antworten wir auf das, was er versprochen hat und uns durch sein Wort geschenkt hat.
In dieser kurzen Erklärung der drei Richtungen des Gottesdienstes ging es um das Predigen, um das gegenseitige Dienen und um das Beten. Aber alles das erwähnt Paulus in diesem Abschnitt überhaupt nicht. Stattdessen sagt er: Werdet erfüllt mit dem Heiligen Geist (Eph. 5,18), indem ihr … singt (Eph. 5,19): Redet zueinander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern; singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen.
Das gemeinsame Singen und die drei Richtungen
Wo gehört das Singen in dieses Dreieck? Paulus zeigt uns in Vers 19, dass das Singen nicht nur zu einer Richtung gehört, sondern zu allen drei Richtungen.
Als erstes sagt er: redet. Wenn wir im Gottesdienst singen, dann reden wir Gottes Wahrheit. Jedes Lied ist eine Art Kurzpredigt, die du mit den anderen zusammen predigst. Deswegen ist es so wichtig, dass Lieder, die wir in der Gemeinde singen, einen Inhalt haben, der voll von biblischer Wahrheit ist. Man vermittelt kaum biblische Wahrheiten, wenn man einen Refrain mit dem geistlichen Nährwert von Fastfood zehnmal wiederholt.
Aber das ist längst nicht alles. Das zweite Wort in Vers 19 lautet zueinander. Wir singen nicht einfach für uns selbst, sondern wir singen füreinander. Wir predigen uns gegenseitig Gottes Wahrheit, damit wir nicht nur uns, sondern auch die anderen in der Gemeinde erfreuen, überführen, ermutigen, trösten und ausrichten.
Natürlich hätte Paulus hier auch die Predigt herausgreifen können und sagen können: Werdet mit dem Heiligen Geist erfüllt, indem ihr richtig gut bei der Predigt zuhört. Aber vermutlich greift er gerade deswegen das Singen heraus, weil dabei alle drei Richtungen des Gottesdienstes zum Ausdruck kommen: Während wir singen, empfangen wir Gottes Wahrheit in den Liedern, wir sprechen sie uns gegenseitig zu, und wir antworten Gott. Diesen dritten und letzten Aspekt werden wir uns als nächstes genauer anschauen.
2. Gottesdienst feiern…, damit du Gott durch den Heiligen Geist anbetest
In manchen Gemeinden hat man folgende Einstellung: Es ist zwar wichtig, Gottesdienst zu feiern, aber der Hauptsinn eines Gottesdienstes besteht darin, dass wir für die kommende Woche ausgerüstet und gestärkt werden. Das Eigentliche passiert unter der Woche, wenn wir unser Leben als Gottesdienst führen.
Ich bin überzeugt, dass da sehr viel Wahres dran ist. Tatsächlich soll das Gottesdienstfeiern uns dazu ausrüsten, Gottesdienst im Alltag zu leben. Aber das ist nicht alles, und ich behaupte: Das ist auch nicht der wesentliche Sinn eines Gottesdienstes. Denn sobald man dann einen Weg findet, der vielleicht besser geeignet erscheint, um sich für seinen Alltag als Christ auszurüsten, verliert der Sonntagsgottesdienst seine Daseinsberechtigung.
Ja, es geht im Gottesdienst darum, dass wir als Gottes Volk von Gott beschenkt werden und ihm die Ehre geben. Dazu wollen wir gestärkt und dann auch zugerüstet werden. Aber selbst wenn man nach einem Gottesdienst den Eindruck hat, nicht besonders viel für den Alltag mitgenommen zu haben, kann man sicher sein: Wenn man Gott von Herzen mit anderen angebetet hat, dann ist das Wichtigste erfüllt.
Um es klar zu sagen: Natürlich ist es nicht Sinn der Sache, wenn Gottesdienste und namentlich Predigten uns nicht für unseren Alltag zurüsten. Aber die Hauptsache des Gottesdienstes muss die Hauptsache bleiben: Gott anzubeten.
Und damit sind wir bei der dritten Richtung, der dritten Dimension unseres Dreiecks. (1) Gott dient uns; (2) wir dienen einander und jetzt (3): Wir dienen Gott. Auch diese dritte Richtung kommt beim Singen zum Ausdruck. Paulus schreibt: Singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen!(Eph. 5,19b).
Wenn wir singen, antworten wir Gott. Wir loben ihn, wir danken ihm dafür, dass er uns nicht in unseren Sünden gelassen hat, dafür, dass Jesus nicht nur für irgendjemanden gestorben ist, sondern dass er für mich gestorben ist, als ich noch sein Feind war.
Beim Singen kommen also alle drei Richtungen des Gottesdienstes zusammen. Wir werden mit Gottes Wahrheit beschenkt, wir dienen uns gegenseitig, und wir antworten Gott.
Lobe den Herren…
Die drei Richtungen des Gottesdienstes und damit auch des Singens kann man sehr gut in dem Lied von Joachim Neander Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren nachvollziehen.
Bereits in der ersten Zeile finden wir alle drei Richtungen: Es wird (1.) Gottes Wort verkündigt: Gott ist der Herr, der mächtige König, dem alle Ehre gebührt. Gleichzeitig fordern wir uns (2.) durch das Singen gegenseitig auf. Es heißt nicht: „Ich lobe den Herren“, sondern „Lobe!“. Wir erinnern uns selbst, und fordern gleichzeitig unsere Geschwister in der Gemeinde zum Loben auf. Und schließlich loben wir (3.) Gott dafür, wer er ist. Er ist der mächtige König der Ehren. Er ist der, der meinen Stand sichtbar gesegnet hat, der aus dem Himmel mit Strömen der Liebe geregnet hat, er ist der, der mich erhält. Deswegen lobe ich den Herrn zusammen mit der Gemeinde Gottes.
Prinzipien für das Singen im Gottesdienst
Wie soll das Singen zu Gottes Ehre im Gottesdienst aussehen? Neben den drei Richtungen finden wir fünf weitere Prinzipien für das Singen in diesen Versen:
(1.) Wir sollen beim Singen bei klarem Verstand sein (Eph. 5,18).
Wie wir bereits sahen, kontrastiert Paulus zwischen einerseits den heidnischen Gottesdiensten, bei denen es darum ging, etwas zu erleben, in eine bestimmte Stimmung oder sogar in einen Rausch zu geraten, und andererseits dem Singen, durch das wir mit dem Heiligen Geist erfüllt werden. Es ist wichtig, beim Singen in der Gemeinde immer in der Lage zu sein, die Texte bewusst zu Gott und zu unseren Geschwistern zu reden und sie zu hören.
(2.) Wir sollen miteinander singen (Eph. 5,19).
Singen ist ein Gemeinschaftsprojekt der gesamten Gemeinde. Paulus fordert hier alle Christen in Ephesus zum Singen auf. Von daher ist es nicht gut, wenn in einem Gottesdienst ein Chor oder eine Band den Großteil der Lieder singt und die anderen Leute höchstens leise mitsummen. Die Heilige Schrift lässt uns bei der Gestaltung der Musik Freiheiten. Wichtig ist jedoch, dass das Singen der Gemeinde im Vordergrund steht.
(3.) Wir sollen Psalmen, Lobgesänge und geistliche Lieder singen (Eph. 5,19).
Auf der einen Seite gibt es Christen, die der Auffassung sind, dass mit allen drei Wörtern ausschließlich die 150 Psalmen des Alten Testaments gemeint sind. Auf der anderen Seite werden in vielen Gemeinden kaum bis gar keine Psalmen mehr gesungen. Tatsächlich geht es hier jedoch um beides. Das Wort Psalmen bezieht sich tatsächlich auf die 150 Psalmen. Bei Lobgesängen und geistlichen Liedern geht es um Lieder, die biblische Inhalte haben, aber nicht direkt in der Heiligen Schrift zu finden sind.
(4.) Wir sollen spielen (Eph. 5,19).
Mit dem Wort spielen sind Instrumente gemeint, die das Singen begleiten und unterstützen. Wörtlich übersetzt bedeutet das griechische Wort eigentlich zupfen. Vermutlich wurden die meisten Gottesdienste damals mit einer Harfe oder Lyra also mit einem Saiteninstrument begleitet.
Wir dürfen und sollen Instrumente benutzen, und ich vermute, dass die Heilige Schrift uns große Freiheiten lässt, welche Instrumente wir nutzen. Wichtig ist jedoch auch hier, dass die Instrumente die Musik nicht dominieren, sondern dass das Singen der Gemeinde im Vordergrund steht.
(5.) Wir sollen singen und spielen dem Herrn in unseren Herzen (Eph. 5,19).
Der wichtigste Aspekt kommt zum Schluss. Unser Gesang soll nicht einfach ein gedankenloses Vor-sich-her-Singen sein, sondern es soll von Herzen kommen. Genau das ist einer der Hauptkritikpunkte der Propheten des Alten Testaments. Die Israeliten lobten Gott mit ihren Lippen. Sie sangen alle fleißig mit. Aber ihr Herz war weit weg von Gott. Im Propheten Jesaja sagt Gott zu seinem Volk: Weil sich dieses Volk mit seinem Mund mir naht und mich mit seinen Lippen ehrt, während es doch sein Herz fern von mir hält und ihre Furcht vor mir nur angelerntes Menschengebot ist, siehe, so will auch ich künftig mit diesem Volk wundersam, ja überaus wundersam und verwunderlich umgehen; und die Weisheit seiner Weisen soll zunichtewerden und der Verstand seiner Verständigen unauffindbar sein (Jes. 29,13.14).
Gott hasst herzlosen Gottesdienst und herzloses Singen. Jesus zitiert diese Verse aus Jesaja in seinen Debatten mit den Pharisäern (Mt. 15,8.9).
Brüder und Schwestern, wir stehen im Gottesdienst vor dem lebendigen Gott. Wir dürfen ihm begegnen, mit ihm Gemeinschaft haben. Die Mauer ist weg. Lasst uns von Herzen ihm danken und genau dies zum Ausdruck bringen, indem wir von Herzen singen. Und auch wenn es nicht darum geht, sich in einen Rausch zu versetzen, hat das Singen doch eine ganze Menge mit Gefühlen zu tun.
Wenn wir diese biblischen Prinzipien für das gemeinsame Singen im Gottesdienst beherzigen, dann werden wir mit dem Heiligen Geist erfüllt. Wir dienen Gott, unserer Gemeinde und nicht zuletzt auch uns selbst. Denn obwohl es im Gottesdienst nicht in erster Linie darum geht, uns für die kommende Woche zuzurüsten, geht es doch auch darum.
3. Gottesdienst feiern…, damit du für dein Leben mit dem Heiligen Geist ausgerüstet wirst
Paulus schreibt weiter: Sagt allezeit Gott dem Vater Dank für alles in dem Namen unseres Herrn Jesus Christus (Eph. 5,20).
Wo beide Gottesdienste zusammenkommen: in der Beziehung zu Gott…
Ich bin davon überzeugt, dass in diesem Vers beide Gottesdienste zusammenkommen. Einerseits sollen wir direkt Gott danken, wenn wir Gottesdienst feiern. Andererseits sollen wir unser gesamtes Leben als Gottesdienst führen, indem wir es als lebendiges Dankopfer darbringen (Röm. 12,1). Der Gottesdienst am Sonntag soll uns also ausrüsten, Gott zu danken: einerseits, indem wir beim Beten und Singen „danke“ sagen, andererseits, indem wir durch unser ganzes Leben unsere Dankbarkeit zum Ausdruck bringen.
… und in der Beziehung zueinander
Daneben soll der Gottesdienst am Sonntag uns auch für unseren Umgang miteinander ausrüsten: Ordnet euch einander unter in der Furcht Gottes!(Eph. 5,21).
Unterordnung ist nicht das Trendwort unserer Zeit. Es ist das Gegenteil von Selbstverwirklichung. Es meint, eigene Freiheiten aufzugeben. Es meint, die eigene Komfortzone zu verlassen. Und es meint, sich von anderen etwas sagen zu lassen.
Wenn wir von Unterordnung sprechen, dann geht es in erster Linie nicht um denjenigen, dem ich mich unterordne, sondern um Gott. Paulus legt Wert darauf, dass wir uns in der Furcht Gottes unterordnen. Das widerspricht allem, was dein eigenes Herz dir sagt. Das widerspricht auch allem, was unsere Kultur dir sagt. Aber es entspricht dem, was Gott dir sagt.
Gerade weil alles in uns gegen den Gedanken der Unterordnung rebelliert, benötigen wir den Heiligen Geist. Um Gottesdienst durch Unterordnung im Alltag leben zu können, müssen wir Gottesdienst feiern, um für diese Herausforderung mit dem Heiligen Geist zugerüstet zu werden.
Wie sieht das mit der Unterordnung in der Praxis aus?
Diese Frage beantwortet uns Paulus ausführlich in den Versen, die nun folgen (Eph. 5,22–6,9). Er spricht dabei drei zentrale Bereiche unseres Alltagslebens an: die Ehe, also das Verhältnis zwischen Ehemann und Ehefrau (Eph. 5,22.33), die Familie, also das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern (Eph. 6,1–4) und die Arbeit, und damit das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen (Eph. 6,5–9).
Grundsätzlich gilt jedoch in jeder Gemeinschaft, in die Gott dich hineingestellt hat, dass es deine Aufgabe ist, dich den anderen unterzuordnen. Das meint nicht, dass du dir alles gefallen lassen musst. Damit werden auch nicht die grundlegenden Ordnungen von Leitung und Unterordnung beseitigt. Vielmehr geht es darum, jeden anderen höher zu achten als sich selbst, dem anderen zu dienen und für ihn Opfer zu bringen.
Gottesdienst feiern in Zeiten von Corona?
Alle Gemeinden haben es erlebt, und einige erleben es nach wie vor: Die Einschränkungen aufgrund von „Corona“ haben für eine gewisse Zeit dafür gesorgt, dass keine gemeinsamen Gottesdienste stattfanden. Viele Gemeinden haben angefangen, ihre Gottesdienste per Livestream zu übertragen. Bei vielen Christen kam dadurch die Frage auf, ob nicht ein Livestream sogar besser ist als ein Gottesdienst vor Ort. Das Ganze habe schließlich viele Vorteile:
- Man kann ausschlafen.
- Das Wohnzimmersofa ist in der Regel gemütlicher als die Gemeindestühle oder -bänke.
- Man muss keine anderen Menschen treffen, die einem möglicherweise wenig sympathisch sind.
- Man spart sich die Fahrtkosten.
Von daher stellt sich die provokative Frage: Ist so ein Livestream nicht viel besser als ein Gottesdienst vor Ort?
Gerade durch das, was uns in diesen Versen der Heilige Geist durch Paulus mitteilt, wird klar, dass ein Livestream zwar besser ist als gar kein Gottesdienst, aber dass er eben einen Gottesdienst nicht ersetzen kann. Die erste Richtung des Dreiecks (von Gott zu uns) kann man zumindest ansatzweise durch einen Livestream ersetzen. Aber die beiden anderen Richtungen (von mir zu anderen und von uns zu Gott) sind nicht gegeben. Kein Livestream der Welt kann Ersatz sein für das Feiern des Gottesdienstes vor Ort.
Der Schreiber des Hebräerbriefs ermahnt die Christen, regelmäßig zusammenzukommen (Hebr. 10,25). Wenn Paulus Anweisungen für den Gottesdienst gibt, dann beginnt er das häufig mit den Worten: Wenn ihr zusammenkommt… (zum Beispiel 1Kor. 11,18; 14,26).
Und deswegen möchte ich euch ermutigen: Lasst es uns höchste Priorität werden, mit Gottes Volk gemeinsam Gottesdienst zu feiern, um mit dem Heiligen Geist beschenkt zu werden, Gott anzubeten, und so für unser Leben als Gottesdienst ausgerüstet zu werden.
[1]) Die hilfreiche Darstellung des Gottesdienstes als Dreieck verdanke ich dem anglikanischen Pastor Vaughan Roberts: True Worship. Milton Keynes [Authentic Media] 2002, S. 63.