Was sagt das Wort Gottes?
Nachdem wir in den beiden letzten Nummern der Bekennenden Kirche gefragt haben, wie in der Frühen Kirche und dann im Lauf der Geschichte über die Ehe gedacht worden ist, bzw. was eine Ehe konstituiert, wenden wir uns im Folgenden der Beantwortung der Frage zu, was die Heilige Schrift zur Ehe sagt, genauer zur Frage, was eine Ehe konstituiert. Dabei ist die Bibel nicht unser „Gesprächspartner“. Sie wird nicht „ins Gespräch gebracht“, sondern das, was sie sagt, ist Gottes Wort, also Maßstab und Norm.
Die Ehe ist von Gott gegebene Schöpfungsordnung
Als die Pharisäer einmal Jesus versuchen wollen, stellen sie ihm die Frage, ob es einem Mann erlaubt sei, aus jeder Ursache seine Frau zu entlassen (Mt 19,3). In seiner Erwiderung geht der Herr nicht direkt auf diese Frage ein, sondern er führt zunächst Grundlegendes zur Ehe aus.
Zunächst erinnert Jesus daran, dass Gott die Menschen als Mann und als Frau geschaffen hat: „Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer den Menschen von Anfang an als Mann und als Frau geschaffen hat …“ (siehe 1. Mose 1,27). Damit stellt der Herr von vornherein klar: Von einer Ehe kann nur gesprochen werden, wenn es sich um eine Verbindung von zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts handelt. Im Anschluss daran führt der Herr eine weitere Stelle aus den ersten Seiten der Bibel an: 1. Mose 2,24. Aus dieser Aussage zeigt der Heiland, dass es Gott ist, der in einer Ehe zusammengefügt hat (Mt 19,5-6). Mit anderen Worten: Für den Sohn Gottes ist es überhaupt keine Frage: Die Ehe ist nicht eine menschliche Einrichtung, sie beruht im Kern nicht auf einer Übereinkunft zweier Menschen, sondern sie ist eine Stiftung Gottes.
Die Ehe ist nicht Kultur, sondern im Kern Natur
Dadurch, dass der Herr auf die zwei Stellen aus dem 1. Buch Mose weist (1Mose 1,27; 2,24) und etwas später ausdrücklich hinzufügt, „wie es von Anfang war“ (Mt 19,8), stellt er klar, dass die Ehe Schöpfungsordnung ist. Sie ist eine mit der Schöpfung am Beginn der Zeiten gegebene Einsetzung Gottes.
Es ist also falsch, sich die Entstehung der Ehe so vorzustellen, wie das beispielsweise Anhänger evolutionistischer Theorien meinen: Irgendwann in grauer Vorzeit sei einmal die Urhorde darin übereingekommen, dass nicht mehr nur der stärkste Mann alle Frauen haben solle, sondern jeder Mann eine Frau. Auf diese Weise sei die Einehe entstanden.
Im Licht der Heiligen Schrift ist auch die Ansicht, die Ehe sei erst ein Erzeugnis der Neuzeit, des Bürgertums, irreführend. Fraglos hat sich die Gestalt der Ehe im Lauf der Jahrhunderte verändert. Aber wenn man eine bestimmte Ehegestalt mit der Ehe selbst verwechselt, betrachtet man die Ehe in der Regel allein als ökonomische oder als soziale Größe.
Man sucht dann die Ehe einseitig unter dem Aspekt einer Versorgungs- und Produktionsgemeinschaft zu fassen, also unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu sehen. Von dieser Voraussetzung aus zieht man dann gern die Folgerung: Während früher der Mann der Versorger der Frau war, könne die Frau heute einen Beruf ergreifen, für sich selbst sorgen, sodass der Versorgungszweck der Ehe nicht mehr bestehe. Wegen dieses Funktionsverlustes sei die Ehe nicht mehr notwendig, sie sei krisenanfälliger geworden. Allenfalls sei sie als eine von mehreren möglichen Lebensformen zu sehen.
Wir wollen uns im Rahmen dieses Themas nicht ausführlich mit der These auseinandersetzen, die Ehe und damit die Familie sei heute nur noch als eine von verschiedenen möglichen Lebensformen zu fassen. Bekanntlich haben inzwischen nicht nur Rentenpolitiker angefangen, an diesem Punkt ziemlich radikal umzudenken.
Soviel aber ist deutlich: Gemäß der Heiligen Schrift gehört zur Ehe auch der Aspekt der gegenseitigen Unterstützung, Fürsorge und Hilfeleistung. Gott sagt zu Beginn: „Ich will ihm eine Gehilfin machen“ (1. Mose 2,18). Der Apostel Paulus lehrt, dass die Frau nichts ist ohne den Mann, noch der Mann ohne die Frau (1. Kor. 11,11). Aber noch einmal: Im Kern ist eine Ehe nicht eine ökonomische Größe. Wenn man erfassen will, was die Ehe in ihrem Wesen ist, darf man nicht ausblenden, was Gott über sie sagt: Sie ist eine von ihm mit der Schöpfung dem Menschen geschenkte Einrichtung.
Andere sehen die Ehe vorrangig als ein Institut zur sexuellen Bedürfnisbefriedigung. Wenn zum Beispiel der Philosoph I. Kant die Ehe als einen Vertrag bezeichnet, der „den Vertragsschließenden den Genuss der wechselseitigen Geschlechtseigentümlichkeiten auf Lebenszeit garantiert“, könnte man die Folgerung ziehen, im Zeitalter der Antibabypille und der Abtreibungsfreigabe ließen sich die sexuellen Bedürfnisse auch außerhalb der Ehe gefahrlos befriedigen und dank künstlicher Befruchtung Kinder auch ohne Ehe zeugen, sodass die Ehe überflüssig geworden sei. Einmal abgesehen von der Frage, ob im Zeitalter von AIDS die sexuelle Bedürfnisbefriedigung wirklich so gefahrlos außerhalb der Ehe erreichbar ist, verstellt die Überzeugung, sexuelle Bedürfnisbefriedigung mache die Ehe aus, den Blick dafür, dass die Ehe eine von Gott gegebene Einrichtung ist.
Unbestritten hat die Ehe den Zweck gegenseitiger sexueller Erfüllung (siehe 1. Kor. 7,2-5). Aber die Ehe auf diesen Aspekt zu reduzieren, verfehlt das Wesen der Ehe (siehe auch Hebr. 13,4, vergleiche auch 1. Thess. 4,3-8). Die Krise, in der sich gegenwärtig die Ehe befindet, rührt entscheidend aus dem Versuch, die Ehe in innerweltliche Kategorien einzufangen, also in psychologische, soziologische oder ökonomische Raster zu fassen.
Die Ehe im Sinn der Bibel
Nachdem die Heilige Schrift berichtet, wie Gott die erste Trauung vollzog – er führt Eva, die er aus der Seite Adams geschaffen hatte, zu Adam – folgt unmittelbar eine Anweisung Gottes, die mit einem „darum“ beginnt: Mit diesem „darum“ ist folgendes zum Ausdruck gebracht: Weil Gott Mann und Frau geschaffen hat, weil Gott die Ehe eingerichtet hat, weil Gott gesagt hat, dieser Stand ist sehr gut, weil Gott Eva zu Adam gebracht hat, „darum“ wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden ein Fleisch sein (1. Mose 2,24).
Es geht bei der Ehe demnach um drei Bestandteile 1. Verlassen, 2. Anhangen, 3. Ein Fleisch sein. Diese drei Komponenten sind gemäß der Heiligen Schrift für jede Ehe unverzichtbar.
(1) Verlassen. Es kann keine wirkliche Ehebeziehung geben, wenn nicht zunächst eine Trennung von den Eltern erfolgt ist. Ein Mann kann niemals das Haupt einer neuen Ehe und Familie werden, wenn er nicht vorher Vater und Mutter verlassen hat. In 1. Mose 2,24 ist es so formuliert, dass vom Mann als dem Verlassenden die Rede ist. Dass eine Frau bei einer Ehe die Familie verlässt, war im Altertum eine Selbstverständlichkeit (vergleiche 1. Mose 24,54 ff). Denn im Unterschied zur Tochter galt der Sohn als derjenige, der das Geschlecht, den Stamm fortzusetzen hatte. Insofern war seine Bindung an die Eltern, an das eigene Vorgeschlecht stärker. Aber trotzdem: In und durch die Ehe wird selbst dieses intensivste Blutband zugunsten des Ehebandes zurückgestellt.
(2) Anhangen. Genau wie das Verlassen gehört auch das Anhangen zur Grundlegung der Ehe. Ausdrücklich heißt es, dass der Mann seiner Frau anhängt, nicht: seinen Frauen. Die Ehe ist von dem Schöpfer als monogame Einrichtung gewollt. In sämtlichen Stellen, in denen im Neuen Testament dieser Vers zitiert wird, heißt es ausdrücklich: „… die zwei werden ein Fleisch sein“ (Mt 19,5; Mk 10,7; 1. Kor 6,16; Eph 5,31).
(3) Ein Fleisch sein. Das meint: Die beiden bilden eine Existenz, ökonomisch und dann auch körperlich. Im Rahmen der Ehe ist diese körperliche Einheit gut, gerecht und rein.
Die Ehe aus Liebe
In der Bibel wird keineswegs wenig über das Kennenlernen und den Anfang des Liebens von Mann und Frau gesprochen. Die Bibel berichtet, dass für einen Außenstehenden dieser Vorgang ziemlich undurchschaubar ist: „Drei sind es, die mir zu wunderbar sind, und vier, die ich nicht verstehe: Der Weg des Adlers am Himmel, der Weg einer Schlange auf dem Felsen, der Weg eines Schiffes inmitten des Meeres und der Weg eines Mannes mit einem Mädchen“ (Spr. 30,18-19).
Wenn heute gelegentlich behauptet wird, die Bibel kenne so etwas wie eine Liebesehe nicht, muss diese Feststellung präzisiert werden. Gewiss kennt die Heilige Schrift nicht die „Liebesform“, wie sie seinerzeit (1799) der damals 27-jährige Friedrich Schlegel in seinem Werk „Lucinde“ propagierte. (Schlegel lebte zu jener Zeit in einem ehebrecherischen Verhältnis zu Dorothea Veit, der Tochter des Philosophen Moses Mendelssohn). Durch dieses Werk wurde in der Romantik die Idee formuliert, für das Miteinander von Mann und Frau sei das Gefühl der Liebe und die freie Wahl der Partner maßgeblich. Die „Liebe“, das Verliebtsein sei das Fundament der „Partnerschaft“.
Wenn auch die Bibel das Verliebtsein als Grundlage für eine Ehe nicht kennt – das Wort Gottes weiß um die Bedrohungen der Ehe, weil sie um die Sündigkeit des menschlichen Herzens weiß – sondern davon berichtet, dass die Eltern am Zustandekommen der Ehe beteiligt sind (siehe zum Beispiel 1. Mose 24,1ff.; 50 ff.) und sowohl die Verlobung als auch die Eheschließung öffentlich geschahen, wird von der Einwilligung der beiden Beteiligten selbstverständlich berichtet (vgl. 1. Mose 24,57-58).
Eheschließung im Alten Testament
Die Ehe wurde im alttestamentlichen Israel in der Öffentlichkeit geschlossen, und zwar innerhalb der Heilsgemeinde. In der Heilsgemeinde waren das Profane und das Sakrale vereinigt. Tatsächlich ist das Gemeinwesen in der vorchristlichen Welt etwas anderes als der säkularisierte Staat der Neuzeit. Aus diesem Grund war zum Beispiel eine Ehe zwischen Juden und Nichtjuden ausgeschlossen.
Dass die Ehe in der Bibel klar umrissene Konturen hatte, deren Zustandekommen und Fortdauer ganz bestimmten rechtlichen Bestimmungen unterlag, zeigen die verwendeten Begriffe. Die Begriffe „verloben“ und „heiraten“ sind deutlich voneinander unterschieden. Das Gesetz Gottes zieht klar Grenzen zwischen Unverheirateten (2. Mose 22,15-16; 5. Mose 22,28 f), Verlobten (5. Mose 20,7; 22,23-27; 28,30) und Verheirateten (3. Mose 20,10; 5. Mose 24,1-5). Bedingung für eine rechtskräftige Ehe waren Verlobung und Hochzeit.
Bereits bei der Verlobung schworen sich Mann und Frau Treue bis zum Tod. Sie verpflichteten sich zur Hochzeit (5. Mose 20,7) und zur vorehelichen Treue (5. Mose 22,23-27). Auch die Verlobung war nicht ein privater Akt, sondern sie war mit der Zahlung des „Heiratsgeldes“ an den Brautvater durch den Bräutigam oder dessen Vater verknüpft (1. Mose 24,53; 34,12; 2. Mose 22,16; 1. Sam 18,25; 2. Sam 3,14). Dieses Heiratsgeld war kein Kaufpreis, denn eine Frau war keineswegs die Leibeigene des Mannes, aber es diente als sichtbares Zeichen für die Ehefrau, dass ihr Verlobter es mit ihr ernst meint. Es diente auch im Fall einer späteren Scheidung zu ihrer finanziellen Absicherung.
Insofern gehörte die Verlobung zur Eheschließung. Darum wurden bereits die Verlobten als „(Ehe)frau“ und als „(Ehe)mann“ bezeichnet (z. B. 1. Mose 29,21; 2. Sam 3,14; Mt. 1,19-20. 24). Während vor der Verlobung eine sexuelle Beziehung mit einem Dritten nicht mit dem Tod bestraft werden sollte, sollte dieses von der Verlobung an geschehen, also genauso geahndet werden wie bei Verheirateten (5. Mose 22,22- 29). Auch die Auflösung der Verlobung geschah in der Regel nicht heimlich, sondern erfolgte wie die Auflösung einer Ehe durch einen Scheidebrief. Das heimliche Entlassen, wie in Mt. 1,19 angedeutet, war außergewöhnlich.
Die Eheschließung im engeren Sinn war dann die Hochzeit, bei der die in der Verlobung versprochene Braut in einem Brautzug „heimgeholt“ wurde: Die geschmückte und verschleierte Braut (Ps 45,14 f; Jes 61,10; Jer 2,32) wurde dem ebenfalls geschmückten Bräutigam (Jes 61,10; Hohesl 3,11) entgegen geführt (1. Mose 29,23; Ps 45,13-16). Die sich anschließenden Hochzeitsfeierlichkeiten dauerten eine Woche (1. Mose 29,27; Ri 14,17) und hatten ihren Schwerpunkt im Hochzeitsessen (Ri 14,10.12.17; vgl. Mt 22,4).
So sehr öffentliche Festlichkeiten Bestandteil jeder Eheschließung im alttestamentlichen Bundesvolk waren, bestand das Eigentliche darin, dass hier ein Bund Gottes, bzw. ein Bund vor Gott geschlossen wurde (siehe: Spr 2,17; Hes 16,8). Dieser im Angesicht Gottes geschlossene Bund hatte nicht nur rechtliche Geltung, sondern auch religiöse Bedeutung: Zum Beispiel war er mit der Segnung des Brautpaares verknüpft (1. Mose 24,60; Ruth 4,11). Vollendet wurde die Eheschließung durch den geschlechtlichen Vollzug (1. Mose 29,23).
Nach der babylonischen Gefangenschaft war es nicht anders: Maleachi weist darauf hin, dass für eine Ehe zwei Aspekte grundlegend sind: Gott ist der „Zeuge“ der Eheschließung, und die beiden versprechen einander die Ehe. Sie treten in einen Bund ein („Frau deines Bundes“ Mal 2,14).
Eheschließung im Neuen Testament
Das Neue Testament baut auf dem im Alten Testament vorausgesetzten Eheverständnis auf. Wie im Alten Bund kommt in den Schriften des Neuen Testamentes der Verlobung rechtliche Bedeutung zu. Nur so sind Bilder zu verstehen, nach denen die neutestamentliche Gemeinde als Braut und Verlobte Jesu geschildert wird, die auf die Hochzeit wartet (Offb 21,9; 22,17; vergleiche: 21,2). Denn die Verlobung Gottes mit seiner Gemeinde ist keine Beziehung auf Probe, sondern eine durch einen Eid bekräftigte, unwiderrufliche Beziehung, die bei der Wiederkunft Christi und dem Hochzeitsmahl des Lammes eingelöst wird.
Obwohl sich viele neutestamentliche Schriften an Adressaten eines nichtjüdischen Kulturkreises richteten, nämlich an Christen in hellenistisch und römisch bestimmten Gebieten, unterscheiden sie ebenfalls ganz selbstverständlich zwischen Verheirateten und Unverheirateten (siehe 1. Kor 7,8-10). Dass es sich bei dieser Unterscheidung um rechtliche Kategorien handelt, macht Röm 7,2 eindrucksvoll deutlich. Dort heißt es, dass die Frau „durch Gesetz an ihren Mann gebunden ist“.
Aber die Bibel sagt mehr über die Ehe, als dass sie eine juristisch fassbare Größe ist. Der Apostel Paulus verkündet: Sie ist Abspiegelung des Ewigen in der Zeit, Abbild der Liebe Christi zu seiner Gemeinde und insofern ein Geheimnis, das ausdrücklich als „groß“ bezeichnet wird (Eph 5,22-33).
Wie die Eheschließung bei den neutestamentlichen Christen im Einzelnen erfolgt, wird nicht ausdrücklich überliefert. Sicher ist, dass der Vater bei dem Verheiraten der Tochter beteiligt war (1. Kor 7,36 ff). Ob die Kirche des ersten Jahrhunderts aus dem Wissen, dass es Gott ist, der eine Ehe zusammenfügt, eine kirchliche Trau-Handlung ableitete, ist nicht bekannt. Aber es liegt nahe. Denn die Judenchristen kannten derartige Trauungen aus dem synagogalen Gottesdienst. Möglicherweise deutet das Heiraten „im Herrn“ abgesehen davon, dass dadurch die Mischehe untersagt ist, in diese Richtung (1. Kor 7,39). Im 2. Jahrhundert ist – wie gesehen – eine solcher Trauakt üblich.
Im folgenden Heft kommen wir zu den Schlussfolgerungen.