1. Petrus 2,13-17 Ordnet euch der Regierung unter

1. Petrus 2,13-17 Ordnet euch der Regierung unter

Ordnet euch deshalb aller menschlichen Ordnung unter um des Herrn willen, es sei dem König als dem Oberhaupt oder den Statthaltern als seinen Gesandten zur Bestrafung der Übeltäter und zum Lob derer, die Gutes tun. Denn das ist der Wille Gottes, dass ihr durch Gutestun die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen bringt; als Freie, und nicht als solche, die die Freiheit als Deckmantel für die Bosheit benutzen, sondern als Knechte Gottes. Erweist jedermann Achtung, liebt die Bruderschaft, fürchtet Gott, ehrt den König!

Als Lehrer lerne ich in meinem Schulalltag eine ganze Reihe von Schülern kennen: Brave und wilde, freche und höfliche, sprachbegabte und naturwissenschaftlich begabte, soziale Schüler und Einzelgänger, offene und verschlossene Schüler und viele mehr. Keiner ist wie der andere.

Manchmal ist es so, dass ich mit einem Schüler im Unterricht zu tun habe (häufig einer aus der Kategorie der nicht ganz so einfachen) und ich merke, wie folgende Frage in meinem Kopf aufkommt: „Wenn dieser Schüler sich so verhält – wie sind dann wohl seine Eltern?!“ Unwillkürlich, fast automatisch ziehe ich Rückschlüsse aus dem Verhalten des Schülers auf seine Eltern.

Wir Menschen neigen dazu, aus dem Verhalten eines Einzelnen Rückschlüsse auf die Menschen zu ziehen, die in seiner Umgebung leben. Wir denken uns vielleicht: „Die Gemeinde muss aber seltsam sein, wenn da solche Leute herkommen.“ Oder: „Das ist aber eine seltsame Firma, wenn die Mitarbeiter dort sich so verhalten.“

Natürlich kann man das kritisieren. Aber interessanterweise setzt dieser Abschnitt einfach voraus, dass wir Menschen so sind. Aus dem Verhalten Einzelner ziehen wir Schlüsse auf die Menschen, die in enger Verbindung mit dieser Person stehen. Genauso ist es bei uns Christen und der Welt, die uns umgibt. Aus unserem Verhalten als Christen ziehen Menschen Rückschlüsse auf uns als Christen insgesamt. Und vor allem schließen sie von uns auf unseren König Jesus.

Vor diesem Hintergrund werden wir in unserem Abschnitt aufgefordert, uns aller menschlichen Ordnung unterzuordnen: Ordnet euch deshalb aller menschlichen Ordnung unter (1Pt 2,13a). In der zweiten Hälfte des Verses wird deutlich, dass Petrus unter der menschlichen Ordnung die Regierung versteht: es sei dem König als dem Oberhaupt oder den Statthaltern als seinen Gesandten… (1Pt 2,13b.14a).

Petrus spricht also von den staatlichen Ordnungen, die Gott über uns gesetzt hat. Und deine Aufgabe ist es, dich diesen Ordnungen unterzuordnen.

Ordnet euch der Regierung unter…

1.         …als Freie und doch als Sklaven

2.         …grundsätzlich und doch mit Grenzen

3.         …wegen Menschen und doch wegen Jesus

Im Zentrum unseres Abschnitts steht also ein Auftrag, ein Gebot. Aber meistens ist es in der Bibel so, dass wir zugleich mit einem Auftrag auch daran erinnert werden, was Gott vorher für uns getan hat. Denn zuerst hat Gott uns erlöst und deswegen dienen wir ihm. Zuerst hat Gott uns gerettet, und deshalb folgen wir ihm nach.

Auch Petrus geht in seinem Brief so vor. Er erinnert uns an unsere Identität, während er uns einen Auftrag gibt. Er erklärt uns, wer wir durch Gottes Gnade als Christen jetzt sind, während er ausführt, was das für unser praktisches Leben bedeutet.

Unsere neue Identität

Bisher hatte Petrus in seinem ersten Brief immer betont, dass wir Christen erwählte, heilige und gehorsam gemachte Fremdlinge in der Zerstreuung sind (1Pt 1,1.2). Unmittelbar vor unserem Abschnitt greift Petrus diesen Gedanken auf und nennt uns Christen Geliebte … Fremdlinge und Gäste (1Pt 2,11). Auch in diesem Abschnitt erinnert uns Petrus an unsere Identität. Aber dieses Mal wählt er andere Begriffe: Ordnet euch der Regierung unter als Freie, und nicht als solche, die die Freiheit als Deckmantel für die Bosheit benutzen, sondern als Knechte Gottes (1Pt 2,16). Wir sind freie Knechte oder besser übersetzt: freie Sklaven.

1. Ordnet euch der Regierung unter… als Freie und doch als Sklaven

Wenn man Vers 16 liest, könnte man denken, dass Petrus sich innerhalb eines Verses selbst widerspricht: Sind wir als Christen jetzt Freie oder sind wir Sklaven? Es gibt doch keinen größeren Gegensatz, oder? Aber genau dieser scheinbare Gegensatz ist in deinem Leben Realität. Als Christ bist du gleichzeitig frei und Sklave.

Endlich frei!

Du bist einerseits frei, weil Jesus dich befreit hat. Bevor du Jesus kanntest, lastete der Zorn Gottes auf dir. Du warst bereits für deine Sünde verurteilt. Dadurch, dass Jesus am Kreuz die Strafe, das Urteil über deine Sünde getragen hat, bist du frei von dem Verdammungsurteil über die Sünde (Röm 8,1).

Du bist aber auch frei von der Herrschaft der Sünde. Bevor du Jesus kanntest, konntest du nicht anders als zu sündigen. Auch jetzt ist die Macht der Sünde in deinem Leben immer noch da. Du kannst kein sündloses Leben führen. Aber du kannst ‚nein‘ zur Sünde sagen, du kannst gegen die Sünde kämpfen und du kannst deine Lieblingssünden auch besiegen (Röm 6,12-18).

Außerdem bist du frei, Gott nachzufolgen. Früher hast du Gott gehasst und bist vor ihm weggelaufen. Jetzt fällst du zwar immer wieder hin, während du Jesus nachfolgst. Aber die Richtung ist klar. Du bist dazu befreit, Gott zu gehorchen.

Auf der anderen Seite stehen Menschen, die Gott nicht kennen. Sie sind Sklaven ihrer eigenen Angst. Sie müssen Angst haben vor dem Tod, Angst vor Gott, Angst vor dem Gericht, Angst vor dem Teufel und seinen Dämonen. Vor all diesen Dingen brauchen wir als Christen keine Angst zu haben, denn durch Jesus sind wir von all diesen Ängsten befreit. Wir können geistlich gesehen durchatmen und aufatmen.

Was Freiheit nicht ist

Vielleicht stellt sich der ein oder andere an dieser Stelle eine Frage: Heißt Freiheit nicht in erster Linie, dass ich tun und lassen kann, was ich will?

Tatsächlich ist Freiheit in der Bibel nie die Erlaubnis, selbst zu entscheiden, was gut und böse ist, was falsch und richtig ist. Deswegen adressiert Petrus die Christen in Vers 16 auch: als Freie, und nicht als solche, die die Freiheit als Deckmantel für die Bosheit benutzen, sondern als Sklaven Gottes. Du bist nicht nur frei, um Gott zu dienen, nicht nur frei von dem Urteil über dein Leben und nicht nur frei von der bedingungslosen Herrschaft der Sünde. Du bist auch Sklave. Durch sein Blut hat Jesus die Strafe für alle deine Sünden bezahlt. Aber er hat dich auch erkauft. Du gehörst jetzt nicht mehr dir selbst, sondern ihm. Du bist ein freier Sklave Gottes. Das bedeutet, dass du dich ihm als König über dein Leben unterordnen musst. Von jetzt an hast du ihm zu gehorchen, wie Petrus in Vers 16 schreibt: Deine Freiheit sollst du nicht für böse Dinge nutzen, sondern du sollst sie als Sklave Gottes gebrauchen.

Freiwillig Sklavin

Folgende Begebenheit soll sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Süden der Vereinigten Staaten zugetragen haben: Ein Engländer hatte im Zuge des Goldrauschs in Kalifornien ein Vermögen gemacht. Auf der Rückreise kam er in die Stadt New Orleans und besuchte dort den Sklavenmarkt. Hunderte Afrikaner wurden dort zum Kauf angeboten. Der Engländer sah, wie zwei Männer sich ständig gegenseitig überboten, um eine gutaussehende junge Sklavin zu kaufen. Er näherte sich den Verhandlungspartnern und bot einfach das Doppelte des Preises, der zuletzt geboten worden war. Alle waren irritiert – die beiden Männer und vor allem der Sklavenhändler: „Noch nie hat jemand so viel für eine Sklavin geboten.“ Der Engländer ließ sich davon nicht beirren und bezahlte.

Alle waren beeindruckt, alle, außer der Sklavin. Sie spuckte dem Engländer voller Verachtung ins Gesicht. Scheinbar unbeeindruckt, wischte er sich den Speichel aus dem Gesicht und nahm sie mit in seine Unterkunft. Dort füllte er ein Dokument aus. Es war eine Freilassungsurkunde. Als er der Sklavin die Urkunde in die Hand drückte, spuckte sie ihm ein zweites Mal ins Gesicht.

Der Engländer sagte irritiert: „Verstehst du mich nicht? Du bist frei.“ In dem Moment warf sich die Frau zu seinen Füßen nieder und fragte: „Stimmt es, dass Sie mehr für mich bezahlt haben als jemals für eine Sklavin bezahlt wurde, nur um mich jetzt freizulassen?“ Der Engländer sagte: „Ja, das stimmt.“ Da fing die Frau an zu weinen und schluchzte: „Herr, ich habe nur eine Bitte. Darf ich für immer Ihre Sklavin sein?“

Christliche Freiheit

Es gibt nichts Besseres, als freier Sklave des großen Königs zu sein. In einer Kultur, wo Freiheit bedeutet, dass ich machen kann, was ich will, ist das provokativ. Aber unserem Gott als Sklaven zu gehören, ist unser einziger Trost im Leben und im Sterben, wie es der Heidelberger Katechismus in seiner bekannten ersten Frage ausdrückt. Denn es gibt nichts Besseres, als dem zu dienen, der alles für dich gegeben hat. Es gibt nichts Besseres als Sklave dessen zu sein, der dich freigekauft hat.

Eines der ersten Bücher, das Martin Luther schrieb, trug den Titel: Von der Freiheit eines Christenmenschen. Luther beginnt dieses Buch mit dieser Spannung: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

„Du bist ein freier Sklave!“, sagt Petrus dir in Vers 16. Das ist deine Identität, an die er dich erinnert. Und mit dieser Identität vor Augen sollst du dich der Regierung unterordnen – nicht als jemand, der der Regierung gehört, sondern als jemand der Gott gehört.

Wie das jetzt praktisch aussieht, sehen wir im nächsten Punkt.

2. Ordnet euch der Regierung unter… grundsätzlich und doch mit Grenzen

Ordnet euch deshalb aller menschlichen Ordnung unter um des Herrn willen, es sei dem König als dem Oberhaupt oder den Statthaltern als seinen Gesandten… (1Pt 2,13,14a). Das ist der Auftrag und zunächst einmal gilt dieser grundsätzlich. Wenn die Regierung uns etwas gebietet, haben wir uns als Christen daran zu halten. Wir müssen es auch nicht unbedingt verstehen. Wenn du nachts fast alleine auf der Autobahn unterwegs bist und plötzlich dieses Schild mit der Aufschrift „80“ auftaucht, dann fährst du 80, auch wenn kein Auto weit und breit zu sehen ist. So einfach und gleichzeitig so schwierig ist das.

Grundsätzliches Unterordnen

Die menschlichen Regierungen gibt es nicht schon immer. Gott hat sie in ihrer Ursprungsform nach der Sintflut eingesetzt, um das Zusammenleben sündiger Menschen in dieser gefallenen Welt zu ordnen (1Mos 9,5.6). Und weil die Regierung in Gottes Auftrag ordnet, sollst du dich unterordnen.

Das ist auf den ersten Blick erstaunlich. Denn zu der Zeit, als Petrus diesen Brief schrieb, saß in Rom Kaiser Nero auf dem Thron. Heute würde man ihm eine schwere psychische Störung und krankhaften Narzissmus diagnostizieren. Eine ganze Reihe seiner Politiker und Berater zwang er zum Selbstmord und seine Mutter ließ er ermorden, um nur einige seiner absurden Beschlüsse zu nennen.

Petrus wusste das. Und er sagt zu dir in Gottes Auftrag: Ordne dich unter – auch wenn dein Kaiser Nero heißt. Und das gilt nicht nur gegenüber den Regierenden ganz oben, sondern auch gegenüber dem verlängerten Arm der Regierung: gegenüber dem Ordnungspolizisten, der dir vielleicht mit hämischem Grinsen gerade einen Strafzettel hinter die Windschutzscheibe klemmt, obwohl du doch nur drei Minuten schnell etwas aus der Behörde holen wolltest; oder gegenüber der Mitarbeiterin im Bürgerbüro, die dich mit ihrem völlig entspannten Arbeitstempo innerlich auf die Palme bringt.

Gott will, dass du dich respektvoll unterordnest – grundsätzlich: völlig egal, ob die Regierung gerade ihr freundliches oder ihr hässliches Gesicht zeigt. Denn: Gott hat die Regierung eingesetzt, wie Paulus uns ausführlich in Römer 13,1-7 erklärt. Wenn du dem Staat gehorchst, dann gehorchst du also Gott. Gehorchst du dem Staat nicht, bist du ungehorsam gegenüber Gott.

Unterordnung ist möglich

Als Christen sollen wir uns unterordnen. Als Christen können wir das aber auch. Denn: Dieses Leben ist für uns nicht mehr alles. Wir sind unter anderem auch davon befreit, aus diesem Leben alles herausholen zu müssen. Wir sind hier auf der Erde – wie Petrus immer wieder deutlich macht – Fremdlinge. Wir sind hier nur auf der Durchreise. Das wahre Leben kommt erst noch. Ich weiß nicht, ob es im neuen Himmel und auf der neuen Erde Autobahnen geben wird. Aber wenn dort welche sind, dann gibt es entweder kein Tempolimit mehr, oder du wirst dich auf jeden Fall nicht mehr darüber ärgern.

Gerade in Coronazeiten stellt sich bei dem Thema der Unterordnung unter die Regierung vermutlich einigen die Frage: Wie weit geht das? Oder anders gefragt: Gibt es für die Unterordnung Grenzen – und wenn ja, wo liegen diese?

Tatsächlich gibt es Grenzen der Unterordnung und zwar zwei.

Die erste Grenze: Gottes Gebote

Die erste Grenze ist recht einfach zu verstehen: Sobald die Regierung etwas von dir verlangt, was Gott verbietet, oder dir etwas verbietet, was Gott dir gebietet, musst du Gott mehr gehorchen als den Menschen. Zwei Mal in den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte verlangt der Hohe Rat von den Aposteln, dass diese aufhören, von Jesus zu predigen. Zwei Mal weigern sich die Apostel zu gehorchen. Denn man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apg 4,16-20; 5,26-32).

Interessanterweise war Petrus bei beiden Ereignissen dabei – derselbe Petrus, der hier die Gemeinden auffordert, sich der Regierung unterzuordnen. Petrus ist also zweifach radikal: Ordne dich der Regierung grundsätzlich unter – aber bei Gottes Geboten ist eine Grenze erreicht.

Nicht nur Petrus selbst gibt uns ein Beispiel für diese Grenze. Auch Daniels Freunde weigerten sich, vor dem goldenen Standbild niederzufallen, weil es dem ersten Gebot widersprach (Daniel 3). Sie waren bereit, dafür sogar in den Feuerofen zu gehen. Sie wussten, dass mit diesem Befehl der Regierung die Grenze erreicht ist.

Ein göttliches und ein teuflisches Gesicht

Vielleicht stellt sich dem ein oder anderen an dieser Stelle die Frage, warum es überhaupt Grenzen geben muss, wenn doch die Regierung von Gott eingesetzt ist. Die Bibel macht deutlich, dass der Staat einerseits von Gott eingesetzt ist (Röm 13,1-7). Andererseits wird der Staat aber auch häufig vom Teufel für dessen Zwecke benutzt (Offb 13,1-10). Der Staat hat sozusagen zwei Gesichter: ein göttliches und ein teuflisches. Mit seinem göttlichen Gesicht ordnet er das Zusammenleben der Menschen, mit seinem teuflischen unterdrückt er die Menschen und häufig besonders die Christen.

Deshalb gibt es Grenzen der Unterordnung unter den Staat. Die erste Grenze ist dabei recht einfach zu verstehen: Der Gehorsam gegen den Staat hört da auf, wo Gottes Gebote übertreten werden sollen, wo der Staat eindeutig sein teuflisches Gesicht zeigt.

Aber es gibt noch eine zweite Grenze. Und die ist etwas schwieriger zu verstehen. Diese Grenze hat damit zu tun, dass Gott den Staat eingesetzt hat, um das Zusammenleben der Menschen zu ordnen. Gott hat dem Staat also große Macht gegeben. Aber er hat auch dieser Macht Grenzen gesetzt.

Die zweite Grenze: Grenzüberschreitungen des Staates

Nachdem Petrus uns zur Unterordnung unter den Staat auffordert, erklärt er, was die Aufgabe des Staates ist: Der Staat existiert zur Bestrafung der Übeltäter und zum Lob derer, die Gutes tun (1Pt 2,14b).

An dieser Stelle stellt sich die Frage, warum Petrus hier eine kurze Aufgabenbeschreibung des Staates hinzufügt. Die Antwort lautet: Weil es die Aufgabe des Staates ist, diejenigen zu bestrafen, die Böses tun und diejenigen zu belohnen, die Gutes tun. Diese Aufgabenbeschreibung besagt im Umkehrschluss eben auch, dass alles andere nicht die Aufgabe des Staates ist.

Das gemeinsame Kernmerkmal aller großen Diktaturen des 20. oder 21. Jahrhunderts – sei es Nazi-Deutschland, die Sowjetunion, die DDR oder China – ist der Versuch des Staates, die Herrschaft und Autorität über alle Bereiche des Lebens zu übernehmen. Aber diese Macht hat der Staat von Gott nicht bekommen. Der Staat soll das äußere Zusammenleben von uns Menschen ordnen – mehr nicht. Sein Aufgabenbereich umfasst also beispielsweise das Justizwesen, Gefängnisse, Polizei oder das Militär. Für all diese Bereiche hat Gott dem Staat Macht gegeben. Familien, Gottesdienste und übrigens auch Bildung sind Bereiche, über die Gott dem Staat keine Autorität gegeben hat. Für diese Bereiche des Lebens hat Gott andere Leiter eingesetzt. In der Familie sind das die Eltern und ganz besonders der Vater. In der Gemeinde sind das die Ältesten.

Jeder in seinem Autoritätsbereich

Das bedeutet, dass der Staat sich aus diesen Bereichen weitgehend herauszuhalten hat. Natürlich gibt es Überschneidungen. Wenn in einer Familie oder einer Gemeinde ein Verbrechen passiert, muss der Staat mit seinem juristischen Arm eingreifen.

Aber grundsätzlich hat sich der Staat aus Angelegenheiten der Familie und der Gemeinde herauszuhalten. Was wir in der Gemeinde lehren, ob und wie wir uns versammeln, wie wir unseren Gottesdienst gestalten – all das ist Sache der Gemeindeleitung und nicht Sache des Staates.

Gott hat verschiedene Autoritätsbereiche geschaffen, wie eben den Staat, die Familie und die Gemeinde. Der Staat überschreitet an dem Punkt seine von Gott gegebene Grenze, wo er in andere Bereiche hineinregiert, wo er den Auftrag verlässt, den wir in Vers 14b lesen. Das ist die zweite – und nicht ganz so leicht zu greifende – Grenze für die Unterordnung. Um das besser zu verstehen, werfen wir den Blick einige Jahrzehnte zurück in die jüngere deutsche Geschichte.

Der Streit um das Glockenläuten

Am 18. Juli 1939 wurde der reformierte Pfarrer Paul Schneider durch eine Überdosis eines Herzmedikaments im Konzentrationslager Buchenwald ermordet. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits unfassbar gezeichnet von zwei Jahren Folterungen. Die meisten Folterungen musste er ertragen, weil er nicht aufhörte, den anderen Insassen im Lager von Jesus zu predigen, selbst dann nicht, als sie ihm die Schultern aus ihren Gelenken gerissen hatten.

Aber wie kam Paul Schneider überhaupt ins Konzentrationslager? Immer wieder war er mit den Nationalsozialisten aneinandergeraten. Das erste Mal war kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933. Schneider war damals Pfarrer in den beiden hessischen Dörfern Hochelheim und Dornholzhausen in der Nähe von Gießen.

Im März 1933 hatte es noch einmal Wahlen gegeben. Hitler war bereits seit Januar Reichskanzler, aber noch hatte er nicht die absolute Macht. Durch großen Druck und Inhaftierungen gelang es den Nationalsozialisten, nach der Wahl im Reichstag in Berlin die Mehrheit der Abgeordneten zu stellen, obwohl sie gar nicht die Mehrheit der Stimmen erhalten hatten. Als am 21. März der neue Reichstag in Berlin zum ersten Mal zusammentrat, ordnete der damalige Reichstagspräsident Hermann Göring an, dass im ganzen Land die Kirchenglocken läuten mussten. Paul Schneider war sich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht endgültig sicher, was er von den Nationalsozialisten halten sollte. Aber nun war ein Punkt erreicht, wo Schneider dafür plädierte, den Gehorsam zu verweigern.

Eine angemessene Reaktion?

Das scheint auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar zu sein. Was ist schließlich so falsch daran, bei einer Parlamentseröffnung die Kirchenglocken läuten zu lassen?

Paul Schneider war der Auffassung, dass es um eine grundsätzliche Frage geht: Ist es Aufgabe der Kirche oder Aufgabe des Staates zu entscheiden, wann die Kirchenglocken läuten? Anders formuliert: Schneider wehrte sich dagegen, dass der Staat auf die Kirche übergriff, denn dazu habe Gott dem Staat keine Autorität gegeben. Er befürchtete, dass dieser kleine Schritt nur ein Vorzeichen für wesentlich weitergehende Eingriffe des Staates in die Angelegenheiten der Kirche bedeutete. Und er sollte Recht behalten.

Die Kirchenglocken läuteten dann doch, weil die Ältesten ihren Pastor überstimmten. Ein Jahr später legte die Gemeindeleitung Paul Schneider nahe, die Gemeinde zu verlassen, weil ihnen die Kritik ihres Pastors an der neuen Regierung zu heikel wurde. Es war Paul Schneiders erster Konflikt mit dem Nationalsozialismus und es sollte nicht sein letzter bleiben.

Das Interessante ist: Meistens ging es bei den Konflikten zwischen Schneider und dem Staat nicht um die erste Grenze, sondern um die zweite. Es war also meistens viel subtiler, wie die Nazis versuchten in die Kirche hineinzuregieren. Paul Schneider wurde nicht müde, darauf hinzuweisen, dass nicht der Staat, sondern er als Hirte über die jeweilige Gemeinde eingesetzt war. Solange Paul Schneider Pfarrer war, hörte er nicht auf, diese rote Linie zwischen Kirche und Staat einzufordern. Sechs Jahre nach dem Streit um das Glockenläuten kostete ihn das sein Leben.

Ein grundsätzliches Gebot mit zwei Grenzen

Es gibt also zwei Grenzen der Unterordnung gegen den Staat: Gottes klare Verbote bzw. Gebote und das Überschreiten des Autoritätsbereichs, für den der Staat von Gott eingesetzt ist. Aber diese Grenzen heben das grundlegende Gebot natürlich nicht auf. Grundsätzlich gilt, dass wir uns dem Staat unterordnen müssen.

Aber warum ist das eigentlich so wichtig? Auch auf diese Frage gibt Petrus eine zweigeteilte Antwort.

3. Ordnet euch der Regierung unter… wegen Menschen und doch wegen Jesus

Für den Auftrag zur Unterordnung (Vers 13 und 14) liefert uns Petrus in Vers 15 den Grund: Denn das ist der Wille Gottes, dass ihr durch Gutestun die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen bringt. Der Grund für deine Unterordnung ist nicht, dass die Regierung so nett oder so kompetent ist. Petrus bezeichnet Mitglieder der Regierung von daher wenig schmeichelhaft als unwissende und unverständige Menschen. Aber was ist dann der Grund für unsere Unterordnung? Die Antwort liegt in dem, was wir bereits am Anfang der Predigt gesehen haben. Menschen ziehen aus deinem Verhalten Rückschlüsse auf andere Menschen, mit denen du zu tun hast. Ordne dich von daher unter, damit Menschen ein gutes Bild von uns Christen haben. Unmittelbar vor unserem Abschnitt sagt Petrus, dass Menschen sogar manchmal Christen werden, wenn sie unser vorbildliches Leben sehen: Und führt einen guten Wandel unter den Heiden, damit sie da, wo sie euch als Übeltäter verleumden, doch aufgrund der guten Werke, die sie gesehen haben, Gott preisen am Tag der Untersuchung (1Pt 2,12).

Das passiert jedoch nicht immer. Aber selbst, wenn niemand Christ wird, ist unser Zeugnis nicht vergeblich. Dann bringen wir die Menschen zum Schweigen (V.15). Wir „stopfen ihnen das Maul“ wie Martin Luther es übersetzte.

Wie genau funktioniert das? Wir ordnen uns unter, wir sind vorbildliche Staatsbürger, damit Menschen, die Jesus kritisch gegenüberstehen, nichts gegen uns oder gegen ihn in der Hand haben. Wir sollen uns so verhalten, dass diese Menschen nicht das denken, was ich mich manchmal bei meinen Schülern frage: „Wenn derjenige oder diejenige so ist – wie werden dann wohl die Eltern sein?“

Vorbildliche Unterordnung konkret

Nehmen wir als Beispiel die (fiktive) Kleinstadt Neustadt. Der Bürgermeister von Neustadt mag Christen nicht. In Neustadt gibt es eine Freikirche und der Pastor der Freikirche ist leider ein ziemlich schwieriger Mensch. Ständig beschwert er sich beim Rathaus, er grüßt nicht auf der Straße, liegt im Dauerstreit mit seinen Nachbarn und ignoriert aus Prinzip Anordnungen des Bürgermeisters.

Wie man sich denken kann, wird der Bürgermeister aufgrund des Verhaltens des Pastors in seiner negativen Meinung über Christen und Jesus bestätigt.

Einige Kilometer von Neustadt entfernt liegt Altstadt. Auch in Altstadt gibt es einen Bürgermeister, der das Christentum kritisch sieht. Und auch in Altstadt gibt es eine Freikirche. Der Pastor dieser Freikirche ist aber anders als sein Kollege. Er ist freundlich zu den Nachbarn, er ermutigt den Bürgermeister, wenn er ihn trifft, er hält sich an die örtlichen Bestimmungen und wird als Mensch von jedem im Ort geschätzt.

Der Bürgermeister von Altstadt ist zwar weit davon entfernt, Christ zu werden, aber trotzdem ist hier etwas anders. Der Pastor taugt auf jeden Fall nicht als Anlass, um etwas gegen die Christen zu haben. So gerne würde der Bürgermeister gegen die Christen wettern, aber zumindest der Pastor gibt ihm keinen einzigen Grund. Natürlich gilt auch hier: Der Gehorsam des Pastors hat ab einem gewissen Punkt seine Grenzen. Aber grundsätzlich ordnet sich der Pastor unter und bringt den Bürgermeister dadurch zum Schweigen.

Schwierige Fälle

Bringe Menschen durch dein Unterordnen zum Schweigen! Das ist Gottes Antwort auf die Frage nach dem Grund der Unterordnung unter die Regierung.

Aber stellen wir noch einmal die Frage: Wie weit geht das? Es gibt Dinge, da müssen wir uns unterordnen beispielsweise beim Thema der Geschwindigkeitsbegrenzung. Es gibt Dinge, da dürfen wir dem Staat nicht gehorchen, beispielsweise wenn der Staat in die Verkündigung der Gemeinde eingreift.

Aber wie ist das in Zweifelsfragen? Was sollen wir tun, wenn der Staat seinen Bereich verlässt, aber dabei nichts verlangt, was Gottes Geboten widerspricht?

Es gibt auf diese Frage keine allgemeingültige Antwort. Jede Situation ist anders und deswegen brauchen wir jeweils Weisheit. Aber ich möchte dich ermutigen, über folgenden Punkt nachzudenken: Wenn du kein Gebot oder Prinzip Gottes übertrittst – ist es dann im Licht dieses Abschnitts nicht besser, sich unterzuordnen und die eigene Freiheit aufzugeben, gerade um das höhere Ziel zu erreichen – nämlich dass Menschen in ihrem Lästern über Jesus und über seine Gemeinde zum Schweigen gebracht werden?

Vier kurze Befehle zum Schluss

Im letzten Vers des Abschnitts schließt Petrus mit vier kurzen Befehlen: Erweist jedermann Achtung, liebt die Bruderschaft, fürchtet Gott, ehrt den König! Vermutlich muss man nach dem ersten Befehl einen Doppelpunkt setzen: Wir sollen jedem Menschen Achtung entgegenbringen, wobei die drei weiteren Befehle uns sagen, was das für verschiedene Personen bedeutet: Wir sollen die Bruderschaft (also die Gemeinde) lieben, Gott fürchten und den König ehren.

Das Interessante ist, dass lieben und fürchten deutlich stärkere Wörter sind als ehren. Als Christen haben wir in unseren Beziehungen Prioritäten: Als erstes kommen Gott und seine Kinder – erst dann alle anderen Menschen, auch wenn sie eine hohe Stellung in der Gesellschaft haben. Keine Frage: Auch alle anderen Menschen – besonders die Regierenden – sollen wir achten und schätzen. Daran müssen wir uns immer wieder erinnern, wenn wir Nachrichten schauen oder lesen und angesichts der politischen Entscheidungen innerlich nur noch den Kopf schütteln könnten.

Dennoch ist diese Unterordnung möglich, weil wir eben ein anderes Zuhause haben, eine andere, eine lebendige Hoffnung, die über diesen Staat hinaus geht. Wir haben einen Gott, der uns seine Kinder nennt, den wir als Vater fürchten dürfen, in dessen Nähe wir unsere eigentliche Heimat haben (Phil 3,20; Hebr 13,14). Und bereits auf dieser alten Erde gehören wir zu einer Gemeinschaft, die ein Vorgeschmack auf unser Zuhause ist, bis wir tatsächlich in unserer wahren Heimat angekommen sind.

Das ultimative Ziel

Der letzte Vers erinnert uns einerseits an den Auftrag zur Unterordnung, andererseits an die Prioritäten in unseren Beziehungen. Den Regierenden sollen wir uns unterordnen, damit sie zum Schweigen gebracht werden.

Gehen wir einen Schritt weiter und fragen: Was hat Gott davon, wenn wir andere Menschen zum Schweigen bringen? Die Antwort finden wir, wenn wir uns bewusst machen, dass es im Kern gar nicht um die Menschen geht, die wir zum Schweigen bringen, sondern um Jesus.

Petrus zeigt uns das bereits im ersten Vers des Abschnitts (V.13): Ordnet euch aller menschlichen Ordnung unter um des Herrn willen Den letzten Ausdruck überliest man schnell. Aber Petrus sagt uns hier: Ordne dich unter – wegen Jesus. Es geht nämlich nicht in erster Linie um die Verantwortungsträger in der Gesellschaft. Es geht auch nicht um dich, deine Rechte, vielleicht deine Freiheiten. Es geht in erster Linie darum, dass dein Leben Jesus groß macht.

Kein Mensch kann heute Jesus sehen. Alles, was Nichtchristen häufig von Jesus sehen, sind wir Christen. Und das fordert dich heraus: Wie lebst du? Wie verhältst du dich? Wie ordnest du dich unter?

Das ultimative Ziel deiner Unterordnung ist, dass Jesus groß gemacht wird in dieser Welt, dass Jesus strahlt in dieser Welt, damit Menschen von seiner Schönheit erfasst werden.

Das ultimative Ziel deiner Unterordnung ist, dass diese Menschen dann mit dir gemeinsam Jesus loben (1Pt 2,12) oder zumindest nichts mehr gegen Jesus sagen können (1Pt 2,16), weil sie sehen, wie dein Leben seine Herrlichkeit widerspiegelt.

Amen.


Jochen Klautke ist verheiratet mit Natalie und Vater von zwei Kindern. Er arbeitet als Pastor der Bekennenden Ev.-Ref. Gemeinde in Gießen und unterrichtet an der Akademie für Reformatorische Theologie.