Wortverkündigung zu Römer 8,10.11
„Christus ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!“ Mit diesen Worten grüßen sich Christen auf der ganzen Welt, nicht nur, aber ganz besonders am Auferstehungssonntag.
Jesus war drei Tage zuvor am Kreuz gestorben. Er hatte dort die Sünde seines Volkes ein für alle Mal weggenommen, indem er den auf uns lastenden Zorn Gottes auf sich nahm. Dann wurde er in ein Grab gelegt. Aber am Morgen des ersten Tages der Woche stand er von den Toten wieder auf. Der Tod konnte ihn nicht halten. Nun war Jesus Christus, der Sohn Gottes, nicht mehr tot. Er lebt!
Aber was haben wir Christen eigentlich von der Auferstehung des Sohnes Gottes?
In den letzten Jahren arbeitete ich in einer christlichen Studentenarbeit mit. Dabei hatte ich das Ziel, anderen Studenten von Jesus weiterzuerzählen. Wir Studenten hielten öfters Vorträge oder führten Gespräche. Diese waren im Grunde nichts weiter als Zusammenfassungen des Evangeliums.
Meistens hörte sich das in etwa so an: „Gott schuf die Welt und lebte mit uns Menschen in perfekter Gemeinschaft. Allerdings rebellierten wir Menschen gegen Gott und fielen in Sünde. Deswegen sandte Gott seinen Sohn Jesus Christus in diese Welt, der für uns Mensch wurde und ein sündloses Leben führte, so wie wir es eigentlich hätten tun müssen, um vor Gott zu bestehen. Schließlich wurde er von uns Menschen dafür umgebracht, dass er uns die Wahrheit über Gott und über uns selbst sagte. Aber durch seinen Tod nahm er gleichzeitig die gesamte Schuld seines Volkes auf sich.“
Wenn wir an diesem Punkt angelangt waren, riefen wir die Zuhörer zum Glauben auf. Es gab ein Problem: Bei der Darstellung des Evangeliums geriet die Auferstehung Christi oft in den Hintergrund.
Nun gab es in den vergangenen zweihundert Jahren immer wieder Theologen, die die leibliche Auferstehung Jesu Christi leugneten. Sie behaupteten: Einmal gestorben, könne ein Mensch nicht wieder auferstehen. Das lehre bereits die Erfahrung. Also müsse man die Auferstehung Jesu anders interpretieren: Jesus sei zwar nach wie vor tot, aber er lebe in unserer Vorstellungswelt, in unseren Erfahrungen, in unseren Predigten als große Idee weiter.
Das ist natürlich – salopp gesagt – Blödsinn. Ich hätte sonntagmorgens wirklich Besseres zu tun, als mir Predigten anzuhören, wenn Jesus tatsächlich nicht auferstanden wäre. Denn dann würde ich Woche für Woche, Tag für Tag einen Gott anbeten, der seit fast 2000 Jahren tot an einem unbekannten Ort verwest ist. Paulus schreibt, dass unsere Verkündigung vergeblich wäre, wenn Jesus damals nicht tatsächlich auferstanden wäre (1Kor. 15,14). Nur wenige Verse vorher listet er eine ganze Reihe von Zeugen auf, die Jesus als den Auferstandenen tatsächlich gesehen haben (1Kor. 15,5-8).
Jesus ist wahrhaftig auferstanden. Er ist nicht auferstanden, weil er verkündigt wird, sondern er wird verkündigt, weil er auferstanden ist, und zwar vor zweitausend Jahren in Jerusalem. Das bekennen die Christen auf der ganzen Welt und durch die Jahrhunderte hindurch mit dem Apostolischen Glaubensbekenntnis: Er ist „am dritten Tage auferstanden von den Toten.“
Wenn meine Mitstudenten und ich in unseren Gesprächen und Vorträgen öfters die Auferstehung nicht erwähnten, dann lag das nicht daran, dass wir irgendeinen Zweifel an der Tatsache der leiblichen Auferstehung Christi hatten. Es war eher so, dass uns nicht wirklich klar war, warum die Auferstehung überhaupt wichtig ist. Wir wussten von dem Problem des Menschen, also von seiner Sünde. Wir wussten, dass der Sohn Gottes als Mensch in diese Welt gekommen war, um dieses Problem anzupacken (Bethlehem). Wir wussten auch, dass Jesus am Kreuz gestorben war, um dann das Problem unserer Schuld und Sünde wirklich zu lösen (Karfreitag). Aber warum ist Jesus eigentlich auferstanden? Warum feiern wir Ostern?
Der Heidelberger Katechismus stellt eine ähnliche Frage (Frage 45): „Was nützt dir die Auferstehung Christi?“ Er gibt darauf eine dreifache Antwort. „Erstens: Christus hat durch seine Auferstehung den Tod überwunden, um uns an seiner Gerechtigkeit Anteil zu geben, die er uns durch seinen Tod erworben hat. Zweitens: Durch seine Kraft werden auch wir schon jetzt erweckt zu neuem Leben. Drittens: Die Auferstehung Christi ist uns ein verlässliches Pfand unserer seligen Auferstehung.“
Der Katechismus fasst die biblische Lehre über die Auferstehung in drei Kernsätzen zusammen.
Der erste Nutzen der Auferstehung besteht darin, dass Jesus den Tod besiegt hat. Dadurch können wir wissen, dass Gott das Opfer seines Sohnes am Kreuz wirklich angenommen hat. Paulus schreibt in 1Korinther 15,17: „Ist aber Christus nicht auferweckt worden, […] so seid ihr noch in euren Sünden.“
Der zweite Nutzen ist, dass wir durch die Auferstehung Christi bereits jetzt neues Leben haben. Als du Christ wurdest, bist du von neuem geboren worden. Die Bibel nennt das Wiedergeburt. Dies ist ein geistlicher Prozess. Das heißt: Man sieht seitdem nicht anders aus, man fühlt sich meistens auch nicht anders, und doch hat sich etwas radikal geändert. Vorher ist man vor Gott weggelaufen, jetzt läuft man vor der Sünde weg.
Dieser radikale Wechsel, diese Wiedergeburt, ist nur möglich, weil Christus durch seine Auferstehung dich zu einem neuen Leben erweckt hat. Paulus schreibt in Kolosser 3,1: „Wenn ihr nun mit Christus auferweckt worden seid (das heißt: wiedergeboren worden seid), so sucht das, was droben ist, wo der Christus ist, der zur Rechten Gottes sitzt.“
Jesus hat also zum einen durch seine Auferstehung den Tod besiegt und unsere Errettung bestätigt. Er hat zum anderen die Grundlage gelegt für unsere Wiedergeburt.
Aber es gibt noch einen dritten Aspekt, den der Heidelberger Katechismus nennt. Um den geht es in den Versen in Römer 8, auf die wir in dieser Predigt achtgeben wollen.
Es geht darum, dass wir am Ende der Zeiten auferstehen werden, weil Jesus selbst auferstanden ist. Anders formuliert: Als der Sohn Gottes damals aus den Toten auferstand, sicherte er für jeden Christen auf der ganzen Welt und zu allen Zeiten, dass er nach seinem Tod ebenfalls auferstehen wird.
Aber warum ist das so? Was hat die Auferstehung von Jesus vor 2000 Jahren mit unserer Auferstehung zu tun? Mit dieser Frage wollen wir uns im Folgenden beschäftigen unter dem Thema:
Die Auferstehung von Jesus stellt unsere Auferstehung sicher.
1. Die Vergangenheit: Unsere Sünde führte zum Tod.
2. Die Gegenwart: Als Christen sind wir eins mit Christus durch den Heiligen Geist.
3. Die Zukunft: Die Auferstehung des Sohnes Gottes sichert unsere Auferstehung am Jüngsten Tag.
1. Die Vergangenheit: Unsere Sünde führte zum Tod.
Dass wir alle Sünder sind, ist kein Geheimnis. Aber was hat das für praktische Auswirkungen auf unser Leben? In Vers 10 lesen wir, dass der Leib tot ist um der Sünde willen.
Paulus macht darauf aufmerksam, dass unser Körper tot ist, weil wir Sünder sind. Was meint er damit? Wir alle haben einen Körper. Der ist bei uns allen ziemlich lebendig, bei den einen mehr (das sind die jüngeren unter uns), bei den anderen weniger (das sind die älteren unter uns).
Und genau darin liegt bereits das Problem. Wir sind zwar alle lebendig, aber im Grunde sterben wir langsam. Seit dem Tag unserer Geburt kommen wir jeden Tag unseres Lebens unserem Tod einen Tag näher.
Das wird jeder irgendwann feststellen. Bei manchen beginnt das bereits sehr früh. Andere haben in den ersten Jahrzehnten ihres Lebens kaum gesundheitliche Probleme. Aber irgendwann trifft es jeden. Der weise König Salomo ermahnt junge Menschen: „Gedenke an den Schöpfer in den Tagen deiner Jugend, ehe die bösen Tage kommen und die Jahre herannahen, von denen du sagen wirst: Sie gefallen mir nicht“ (Pred. 12,1). Wir alle sind am Sterben, ob uns das gerade bewusst ist oder nicht. Das ist die harte Realität.
Der Tod ist eine Folge unserer Sünde. Als Adam und Eva sündigten, kam der Tod in diese Welt. Seitdem gilt das, was Paulus nur einige Verse weiter in Römer 8,19-21 schreibt: „Denn die gespannte Erwartung der Schöpfung sehnt die Offenbarung der Söhne Gottes herbei. Die Schöpfung ist nämlich der Vergänglichkeit unterworfen, nicht freiwillig, sondern durch den, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung hin, dass auch die Schöpfung selbst befreit werden soll von der Knechtschaft der Sterblichkeit zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes.“
Seitdem sind alle Menschen von Geburt an Sünder und sündigen jeden Tag ihres Lebens. Deswegen müssen sie sterben. In einem gewissen Sinn sind sie sogar schon jetzt tot. Denn jeder Mensch ist von Natur aus „geistlich tot“, das heißt: Er will von Gott nichts wissen. Es heißt: „Auch ihr Christen wart tot in euren Übertretungen und Sünden.“ (Eph. 2,1).
Als geistlich Toter lebt jeder Mensch auf seinen leiblichen Tod zu. Dieser leibliche Tod ist der zweite Tod, der Tod, den alle Menschen irgendwann sterben müssen. Da gibt es keinen Unterschied zwischen guten Menschen und bösen Menschen. Es besteht auch kein Unterschied zwischen Christen und Nichtchristen. Sterben müssen wir alle. Erst danach gibt es einen Unterschied. Alle, die in ihrem Leben nichts von Gott wissen wollten, sterben sogar noch einen dritten Tod: Das ist ein Leben weit weg von Gott an dem Ort, wo „Heulen und Zähneklappern herrscht„, wie Jesus das immer wieder ausführte.
Weil wir alle Menschen sind, sterben wir langsam. Deswegen kann der Apostel schreiben, dass der Leib tot ist um der Sünde willen (Röm. 8,10). Anders formuliert: Weil wir Sünder sind, sterben wir alle langsam aber sicher.
Daran hat sich auch nichts geändert, als wir Christen wurden. Wir sind immer noch genauso krank, schwach und sterblich, wie wir das vor unserer Bekehrung waren. In Vers 11 spricht Paulus dann von unseren Körpern als von sterblichen Leibern. Diesem Leib entkommen wir nicht, egal wie sehr wir uns anstrengen.
Das ist die traurige Realität. Das ist leider die vollständige traurige Wirklichkeit für die Menschen, die Jesus nicht nachfolgen. Für uns Christen ist es nur ein Teil der Wirklichkeit. Wir sind zwar auch sterblich, aber unsere Situation ist wesentlich vielschichtiger, als dass wir lediglich feststellen müssten: Wir werden alle sterben. Christen sterben zwar auch, aber gleichzeitig leben wir! Und das bringt uns zum zweiten Punkt:
2. Die Gegenwart: Als Christen sind wir eins mit Christus durch den Heiligen Geist.
„Heilige“, „Gläubige“, „Brüder“, „Menschen auf dem Weg“, „Christen“, „Geliebte“. Das sind Ausdrücke, mit denen das Neue Testament Menschen bezeichnet, die an Jesus Christus glauben.
Es gibt aber noch eine weitere Bezeichnung, die das Neue Testament sehr häufig für uns Christen verwendet – und die haben wir oft gar nicht vor Augen: Die Bibel bezeichnet uns an vielen Stellen als Menschen, die „eins mit Christus“ sind. Die Einheit mit Christus findet sich in den neutestamentlichen Briefen fast auf jeder Seite. Aber wie oft haben wir schon einmal über uns selbst nachgedacht als solche, die eins mit Christus sind? Ja klar, ich bin Christ, ich bin gläubig, ich folge Jesus nach. Aber ich soll eins mit Christus sein? Was heißt das eigentlich?
Es heißt zunächst einmal nicht, dass wir jetzt irgendwie räumlich mit Jesus eins sind. Aber durch den Glauben sind wir so eng mit ihm verbunden, dass wir an all dem Anteil haben, was er am Kreuz erkämpft und erworben hat. Er ist der auserwählte Sohn Gottes (Jes. 42,1). Durch unsere Einheit mit ihm sind auch wir erwählt in ihm: „…wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt…“ (Eph. 1,4). Christus hat das Gesetz völlig gehalten (Hebr. 4,15; 7,26.27). Durch unsere Einheit mit ihm werden wir so behandelt, als hätten auch wir das Gesetz vollständig gehalten: „…damit wir in ihm zur Gerechtigkeit Gottes würden.“ (2Kor. 5,21).
Manchmal drückt die Bibel das so aus, dass wir in Christus sind. Ein weiteres sehr bekanntes Beispiel dafür ist Epheser 1,7: „In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut…“
Hier in Römer 8,10 dreht Paulus den Spieß herum und stellt fest, dass Christus in uns ist: „Wenn aber der Christus in euch ist…“. Beide Aussagen meinen das Gleiche.
Ein Christ ist jemand, der eins mit Christus ist und in dem Christus wohnt. Wie eben schon angedeutet heißt das nicht, dass wir irgendwie örtlich oder räumlich mit Christus eins sind, im Sinn von: „Ich muss aufpassen, dass ich nicht einen Kilometer in die falsche Richtung laufe, sonst laufe ich aus Christus heraus.“ Das wäre Unsinn. Die Einheit wird bewirkt durch den Heiligen Geist, der uns mit Christus vereinigt.
Das sehen wir gleich im ersten Vers von Römer 8: „So gibt es jetzt keine Verdammnis mehr für die, die in Christus Jesus sind…“. Auch hier wird unsere Befreiung von dem Verdammungsurteil mit unserer Einheit mit Christus begründet. Aber dann geht es weiter: „…die nicht gemäß dem Fleisch wandeln, sondern gemäß dem Geist.“ Zunächst werden hier Christen als solche bezeichnet, die eins mit Christus sind, und dann im zweiten Teil des Verses sind sie diejenigen, die gemäß dem Geist wandeln, also den Heiligen Geist haben.
Etwas ganz Ähnliches finden wir in unseren Versen. Zunächst heißt es in Vers 10: „Wenn aber Christus in euch ist…“ – und gleich im Anschluss, am Anfang von Vers 11: „Wenn aber der Geist dessen, der Jesus aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt…“.
Wir können festhalten: Als Christen sind wir eins mit Christus durch den Heiligen Geist! Was heißt das für unser Leben als Christen?
Dadurch, dass wir den Heiligen Geist haben, sind wir nicht nur tot, sondern zugleich lebendig.
Ich lese noch einmal Vers 10: „Wenn aber Christus in euch ist…“ – das heißt: wenn ihr Christen seid – „…so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen…“ – das hatten wir unter Punkt 1 gesehen – „…der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen.“
Obwohl du langsam stirbst, gibt es etwas oder besser jemanden in dir, der lebt. Das ist der Heilige Geist. Und der Heilige Geist lebt nicht nur einfach. Er ist Gott, und somit ist er das Leben schlechthin. Paulus schreibt nicht: Der Geist bringt dir Leben. Er schreibt: „Der Geist ist Leben“ (Röm. 8,10). Als Wiedergeborene haben wir neues Leben, das auf dieser Erde schon beginnt. Das ist der zweite Aspekt, den der Heidelberger Katechismus in Frage und Antwort 45 anspricht. Davon sieht man zwar äußerlich nichts. Der Leib ist immer noch tot. Aber der Geist Gottes, der uns geschenkt worden ist, als wir zum Glauben kamen, als wir mit Christus verbunden wurden, der ist das Leben!
Und Vers 10 geht noch weiter. Es heißt am Ende, dass der Geist „um der Gerechtigkeit willen“ Leben ist. Was meint Paulus damit?
Wahrscheinlich will er uns daran erinnern, dass wir den Geist Gottes nicht einfach so geschenkt bekommen haben. Gott der Vater hat nicht gesagt: „Da sind Menschen und die sterben alle vor sich hin wegen ihrer Sünde. Jetzt schicke ich ihnen den Heiligen Geist, damit er ihnen das Leben wiedergibt.“
Es gibt für uns keinen Heiligen Geist ohne Karfreitag. Es gibt keinen Heiligen Geist ohne das Kreuz.
Als Jesus damals ans Kreuz ging, nahm er die Strafe für unsere Schuld auf sich. Und wenn er seitdem Menschen die Sünden vergibt, dann ist er nicht nur gnädig – nein, er ist auch gerecht. Er lässt nicht Fünfe gerade sein, er schiebt die Schuld nicht einfach beiseite. Nein, für unsere Schuld ist damals am Kreuz rechtmäßig bezahlt worden, sodass Gott gerecht ist, wenn er uns errettet. Johannes schreibt in seinem ersten Brief: „Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht…“. Interessanterweise steht hier nicht „er ist barmherzig und gnädig“, obwohl das natürlich auch stimmen würde. Stattdessen steht hier ausdrücklich: „er ist treu und gerecht, dass er uns unsere Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“ (1Joh. 1,9). Es ist seit Golgatha nun seine Gerechtigkeit, aufgrund derer wir das Heil empfangen.
Auch bei uns Christen stirbt der Leib. Aber der Geist Gottes gibt uns gleichzeitig Leben, weil Jesus uns am Kreuz das Leben erworben hat.
Wie dieses Leben als Christ in dieser Welt dann aussieht, das beschreibt Paulus im weiteren Verlauf von Römer 8. Es steht in dieser Spannung zwischen Vergänglichkeit und Hoffnung. Einerseits stirbt unser Leib langsam. Andererseits haben wir den Blick auf etwas viel Besseres, weil wir jetzt schon leben: „Denn auf Hoffnung hin sind wir errettet worden. Eine Hoffnung aber, die man sieht, ist keine Hoffnung; denn warum hofft auch jemand auf das, was er sieht? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so erwarten wir es mit standhaftem Ausharren. Ebenso kommt aber auch der Geist unseren Schwachheiten zu Hilfe. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt; aber der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern“ (Röm. 8,24-26).
Unser Leben in dieser Welt steht in einer Spannung zwischen Fleisch und Geist, zwischen sündiger Schwachheit und Gottesdienst, zwischen langsamem Tod und unerschütterlicher Hoffnung. Im Vergleich zu dem, wie es vorher war, ist das natürlich ein riesiger Fortschritt, ein riesiges Geschenk. Vorher gab es nur Hoffnungslosigkeit. Jetzt dürfen wir zumindest in dieser Spannung leben: Der Leib stirbt zwar langsam, aber der Geist in uns lebt!
Das ist längst nicht alles, was Gott uns in seiner Gnade schenkt. Denn es kommt der Tag, an dem es keine Spannung mehr geben wird. Es kommt der Tag, an dem es keinen sterblichen Leib mehr geben wird. Und das ist die gute Nachricht von Ostern. Nicht nur: Jesus ist auferstanden, sondern auch: Wir werden mit ihm auferstehen!
3. Die Zukunft: Die Auferstehung des Sohnes Gottes sichert unsere Auferstehung am Jüngsten Tag
Der Heilige Geist wird uns in unseren Versen nicht nur als der dargestellt, der uns das Leben schenkt, sondern auch als der, durch den Gott seinen Sohn aus den Toten auferweckt hat. In Vers 11 heißt es: „Wenn aber der Geist dessen, der Jesus aus den Toten auferweckt hat…“. Was passierte damals, als der Geist Gottes Jesus aus den Toten auferweckte?
Als Jesus Mensch wurde, bekam er einen sterblichen Leib, der genauso beschaffen war wie mein und dein Körper. Menschen bestehen, vereinfacht gesagt, aus ihrem Körper und aus ihrer Seele. Die Seele ist der Teil des Menschen, den man nicht sieht, der aber die Persönlichkeit, das Denken und Fühlen des Menschen ausmacht. Die Seele eines jeden Menschen ist – im Gegensatz zu seinem Leib – unsterblich.
Am Ostermorgen, damals vor ungefähr 2000 Jahren, passierte folgendes: Der sterbliche Leib von Jesus wurde in einen unsterblichen verwandelt, den die Leute anfassen konnten und der sogar essen konnte.
Wie wir eben gesehen haben, sind wir als Christen eins mit Christus. Wir sind eins mit dem, der damals von den Toten auferweckt wurde. Als Christen sind wir aber auch eins mit dem, der Christus damals von den Toten auferweckte, nämlich dem Heiligen Geist. Wir haben engste Gemeinschaft gleichzeitig mit dem „Auferweckten“ und mit dem „Auferwecker“.
Diese engste Gemeinschaft sichert unsere Auferstehung. Wenn wir an allen Schätzen, die Christus hat, durch unsere Einheit mit ihm Anteil bekommen, dann zählt dazu natürlich auch die Auferstehung. Das ist nicht alles. Außerdem ist da noch der Heilige Geist. Er ist der Geist, der das Leben selbst ist, wie Paulus in Vers 10 sagt. Durch diesen Geist hat Gott der Vater seinen Sohn Jesus Christus von den Toten auferweckt. Also wird er auch jeden auferwecken, in dem dieser wohnt. Die gesamte Dreieinigkeit war damals an der Auferweckung Jesu beteiligt, und dieselbe Dreieinigkeit stellt auch unsere Auferstehung sicher!
Der Liederdichter Christian Fürchtegott Gellert drückte es in seinem wohl bekanntesten Lied folgendermaßen aus: „Jesus lebt, mit ihm auch ich! Tod, wo sind nun deine Schrecken? Er, er lebt und wird auch mich von den Toten auferwecken. Er verklärt mich in sein Licht; dies ist meine Zuversicht.“
Ein dreifacher Perspektivwechsel
Was lernen wir aus diesen Versen für unser Leben auf dieser Erde?
Erstens ändert sich unsere Perspektive auf unseren eigenen Tod. Der Tod ist immer noch der letzte Feind des Menschen, und die Bibel redet den Tod an keiner Stelle schön. Aber danach erwartet uns Christen ein herrlicher, sündloser, unsterblicher Auferstehungsleib. Deswegen brauchen wir keine Angst mehr vor dem Tod zu haben. Es erwartet uns danach etwas viel, viel Besseres.
Zweitens ändert sich radikal unsere Perspektive auf dieses kurze Leben. Die meisten Menschen in unserer Umgebung leben ihr Leben hier auf dieser Erde so, als wäre dieses Leben alles. Auch sie wissen, dass der Tod ganz bestimmt kommen wird. Auch sie werden langsam älter, was nur ein schöner Ausdruck dafür ist, dass sie langsam sterben. Und so versuchen sie verzweifelt, das Leben zu verlängern und die Alterserscheinungen zu bekämpfen. Nach Angaben des Magazins FOCUS stieg alleine von 2008 auf 2009 die Zahl der Schönheitsoperationen in Deutschland um 50 Prozent, und es ist anzunehmen, dass die Kurve seitdem weiter steil nach oben geht.
Außerdem versuchen die Menschen, das Maximum für sich selbst aus diesem Leben herauszuholen. Das geht natürlich auf Kosten ihrer Mitmenschen: Jeder lebt für sich, für seine Karriere, für das Bestmögliche in den 70 oder 80 Jahren, die man zur Verfügung hat. Dabei bleiben die Schwächeren auf der Strecke. Beziehungen sind sehr schwer möglich, weil jeder nur an sich denkt. Und schlussendlich findet trotzdem kaum einer sein Lebensglück.
Weil Christen von einem Leben in der Ewigkeit wissen, haben sie eine andere Perspektive. Durch Christus, den „Auferweckten“ und durch den Vater in Verbindung mit dem Heiligen Geist als dem „Auferwecker“ ist sie doppelt abgesichert. Wir haben es nicht mehr nötig, in diesen 70 oder 80 Jahren hier auf der Erde das Bestmögliche für uns herauszuholen. Vielmehr dürfen wir uns hier für das wahre Leben nach diesem Leben vorbereiten. Das ist das, was Jesus meint, wenn er sagt: „Trachtet vielmehr zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch dies alles hinzugefügt werden!“ (Mt. 6,33).
Deswegen können wir völlig entspannt für andere da sein, denn wir verpassen nichts. Wir sammeln uns dabei sogar noch Schätze im Himmel.
Das Traurige ist: Wenn ich auf mein Leben blicke, dann ist da sehr viel von dem Lebenswandel meiner nichtchristlichen Umgebung zu sehen und sehr wenig von einer wirklichen Ausrichtung auf das ewige Leben. Ich befürchte, dass es Ihnen ähnlich ergeht. Umso wichtiger ist es, sich immer wieder vor Augen zu halten: Die Auferstehung Christi verändert unsere Perspektive auf dieses Leben. Wir wollen Gott darum bitten, dass er uns befähigt, dieses Leben immer mehr aus dem Blickwinkel der Auferstehung zu sehen.
Drittens verändert die Auferstehung unsere Perspektive auf den Himmel und unser zukünftiges Leben.
Viele Menschen haben die Vorstellung vom Himmel, dass unsere Seelen nach dem Tod zu Gott in den Himmel aufsteigen und dort in alle Ewigkeit wie Geister in einem Gespensterschloss umherschweben. Vers 11 belehrt uns eines Besseren: Gott wird unsere sterblichen Leiber lebendig machen. Der Himmel wird zwar viel besser sein als diese Erde, aber wir werden immer noch einen Leib haben und mit diesem unvergänglichen Körper dann ein ganz normales Leben führen. Nur eben in der unmittelbaren Gegenwart Gottes ohne Leid, ohne Sünde, ohne Tränen – und ohne Tod. Der Apostel Johannes schaut: „Darum sind sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel; und der auf dem Thron sitzt, wird sein Zelt aufschlagen über ihnen. Und sie werden nicht mehr hungern und nicht mehr dürsten; auch wird sie die Sonne nicht treffen noch irgend eine Hitze; denn das Lamm, das inmitten des Thrones ist, wird sie weiden und sie leiten zu lebendigen Wasserquellen, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“ (Offb. 7,15-17).
Durch den Blick zurück auf die Auferstehung des Sohnes Gottes vor 2000 Jahren erleben wir also einen dreifachen Perspektivwechsel. Es ändert sich erstens die Perspektive auf den Tod: Er verliert seinen Schrecken. Es verändert sich zweitens unsere Perspektive auf dieses Leben: Es geht hier nicht mehr um alles, sondern wir sind befreit, für das Reich Gottes zu leben. Und drittens ändert sich die Perspektive auf den Himmel: Wir werden dort nicht körperlos auf Wolken umherschweben, sondern mit unsterblichen Leibern in Ewigkeit dem Auferstandenen die Ehre geben.
Amen.
Die Predigt wurde in der Bekennenden Evangelisch-Reformierten Gemeinde in Gießen gehalten (www.berg-giessen.de). Bitte lesen Sie vorher in einer guten Bibelübersetzung den Abschnitt Römer 8,1-10.