Wortverkündigung zu Lukas 3,21-22
Einleitung
Dass Jesus als Erwachsener getauft wurde, wird von nicht wenigen Christen als ein Grund (neben anderen) angeführt, die Taufe von Kindern kategorisch abzulehnen: Weil der Sohn Gottes sich mit dreißig Jahren taufen ließ, würden wir in ihm ein Beispiel dafür haben, die Taufe auf Erwachsene zu beschränken. Man sagt, nur diejenigen dürften getauft werden, die zuvor an Christus glauben.
Auch wenn es gut möglich ist, dass diese Thematik bei dem einen oder anderen im Hinterkopf steht, soll es im Folgenden nicht darum gehen. Vielmehr wollen wir darauf achten, worum es in der Taufe Jesu ging. Ich gliedere die Wortverkündigung in drei Punkte:
1. Die stellvertretende Taufe Christi
2. Die Salbung Christi
3. Die Anerkennung Christi
1. Die stellvertretende Taufe Christi
Alles Volk ließ sich taufen. Die Menschen strömten zu Johannes dem Täufer. Er predigte in der ganzen Umgebung des Jordan. Bereits der Prophet Jesaja hatte über ihn geschrieben: „Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden. Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.„
(Jes. 40,3-5; Mt. 3,3).
Aus dieser Verheißung wird deutlich: Johannes der Täufer war nicht irgendein Prediger. Er war nicht irgendein Prophet. Er war der Wegbereiter des Heilands. Der Sohn Gottes sagte über ihn: „Er ist’s, von dem geschrieben steht: ‚Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll‘. Ich sage euch, dass unter denen, die von einer Frau geboren sind, keiner größer ist als Johannes; der aber der Kleinste ist im Reich Gottes, der ist größer als er.„
(Luk. 7,27.28). Das Auftreten des Täufers war also ein wichtiger Schritt im Fortgang der Heilsgeschichte. Dieser Mann bildete gewissermaßen das Bindeglied zwischen dem Alten und dem Neuen Testament.
Nachdem der Prophet Maleachi geweissagt hatte, waren über 400 Jahre vergangen. Nach ihm hatte es keinen Propheten mehr gegeben, der im Namen des Herrn das Wort Gottes verkündete. Dann trat Johannes auf. Er bereitete Christus den Weg. Er predigte Buße und Bekehrung zu Gott. Er verkündete das Gericht Gottes wegen der Sünden des Volkes: „Die Axt ist schon an die Wurzel der Bäume gelegt!“ Dann ruft er zur Taufe der Buße auf (Mt. 3,10.11).
Bis dahin kam die Taufe bei den Juden nicht vor. Unter jüdischen Theologen herrschte die Auffassung, nur Heiden, die zum Judentum übertreten, sollten neben der Beschneidung auch getauft werden. Die Taufe galt als Zeichen dafür, dass sich die Heiden endgültig von ihrer sündigen Vergangenheit verabschiedeten.
Indem Johannes nun Juden zur Taufe aufrief, brachte er nicht weniger zum Ausdruck, als dass auch die Juden umzukehren hatten. Für die Juden war das eine harte Botschaft. Denn damit wurden sie, die Beschnittenen, auf eine Ebene mit den unbeschnittenen Heiden gestellt.
Johannes sagte es den zu ihm kommenden Zuhörern auch unmissverständlich: „Bildet euch nicht ein, bei euch selbst sagen zu können: ‚Wir haben Abraham zum Vater‘. Ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken.“ (Mt. 3,9). Mit anderen Worten: Eine bloße Zugehörigkeit zum Volk Gottes wegen blutsmäßiger Herkunft, nutzt den Juden gar nichts. In das Reich Gottes kommen sie nur durch Umkehr. Sie sollen rechtschaffene Früchte der Buße bringen, gleichgültig ob sie Soldaten sind, Zöllner oder Schriftgelehrte: Niemand ist in der Lage, so wie er ist, in das Reich Gottes zu gelangen, denn jeder ist ein Sünder.
Johannes der Täufer aber kann nicht die vollkommene Erlösung bringen. Dafür weist er auf Christus: „Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber einer, der ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, dass ich ihm die Riemen seiner Schuhe löse; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.„
(Luk. 3,16).
So weist die von Johannes im Jordan vollzogene Taufe auf Christus hin, auf das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt (Joh. 1,29), also auf den, der sein Volk mit dem Heiligen Geist taufen wird.
Halten wir fest: Die Taufe des Johannes, die auch Christus empfangen hat, war eine einzigartige Taufe. Sie bereitete das Volk auf das Kommen Christi und in ihm auf das Reich Gottes vor. Auf der einen Seite war Johannes ein alttestamentlicher Prediger. Er ermahnte das Volk, sich von seinen Sünden abzukehren: Tut Buße! Kehrt um! Auf der anderen Seite war er ein neutestamentlicher Prophet, der auf den verheißenen Messias und sein Reich hinwies. So bildete er das Bindeglied zwischen dem Alten und dem Neuen Testament.
Nun hören wir, dass Jesus sich von Johannes taufen lassen wollte. Es liegt nahe, dass der Täufer dagegen große Einwände vorbrachte: „Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich habe es nötig, von dir getauft zu werden, und du kommst zu mir?“ Jesus erwiderte ihm: „Lass es jetzt so geschehen; denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er’s geschehen.„
(Mt. 3,14.15).
Natürlich benötigte Jesus nicht die Taufe der Buße. Er war ohne Sünde! Er war und ist vollkommen gerecht. Vielmehr hat er für die beschnittenen Juden als auch für die unbeschnittenen Heiden das ganze Gesetz Gottes erfüllt. Für sündige Menschen hat er alle Gerechtigkeit erfüllt (Mt. 3,15). Trotzdem wird er den Menschen so ähnlich, als müsste auch der Sohn Gottes Buße tun und umkehren.
Christi Taufe im Jordan stellte also keine Glaubenstaufe dar, sondern sie war einzigartig, da sie stellvertretend vollzogen wurde, zur Rettung seines Volkes. Zu diesem Volk werden dann sehr bald sowohl Menschen aus der Beschneidung gehören als auch aus den Unbeschnittenen.
Aber nicht nur das: Die Taufe Jesu im Jordan war auch der Beginn des Auftretens Jesu in der Öffentlichkeit. Damit kommen wir zum zweiten Punkt:
2. Die Salbung Christi
Der öffentliche Dienst Jesu begann mit seiner Taufe im Jordan. Auch dieser Umstand macht seine Taufe zu einem einzigartigen Ereignis. Im Alten Testament galt das dreißigste Lebensjahr als das Alter, in dem man den Dienst im Haus Gottes antreten durfte (4Mos. 4,3.23.30.35.39.43.47; 1Chr. 23,3). Auch Jesus fing seinen öffentlichen Dienst in diesem Alter an (Luk. 3,23).
Wenn ein Priester zu seinem Dienst berufen wurde, wurde er mit Salböl gesalbt. Das Öl ist ein Bild des Heiligen Geistes. Durch den alttestamentlichen Priesterdienst erhielt das Volk Israel ein Abbild und einen Schatten des Dienstes, den Jesus Christus als wahrer Hoherpriester ausüben sollte. Indem in Jesus das Priestertum zur Erfüllung gelangt ist, ist er der Bürge eines besseren Bundes geworden (Hebr. 8,6). In seinem unvergänglichen Priestertum kann er für immer selig machen, die durch ihn zu Gott kommen, weil er für immer lebt und für sie bittet. Denn einen solchen Hohenpriester benötigen wir, der heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern geschieden und höher als die Himmel ist (Hebr. 7,26). Er braucht nicht wie die anderen Priester und Hohenpriester täglich zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes. Denn sein Opfer am Kreuz auf Golgatha gilt ein für allemal.
Dass der nun von Christus angetretene Dienst die Erfüllung des alttestamentlichen Priestertums war, sehen wir daran, dass nun „der Heilige Geist auf ihn herniederfuhr und zwar in leiblicher Gestalt wie eine Taube“ (Luk. 3,22).
Im Alten Testament lesen wir nirgendwo, dass der Heilige Geist in leiblicher Gestalt auf einen Priester herabkam. Die Priester im Alten Testament empfingen lediglich das Abbild, das Symbol des Heiligen Geistes, also das Salböl. Allein Christus wurde mit dem Heiligen Geist selbst zum Priester gesalbt. Die Taube, die auf den Sohn Gottes herniederfuhr, war eben keineswegs lediglich ein Zeichen oder ein Symbol für den Heiligen Geist, sondern in der Gestalt der Taube kam der Geist Gottes selbst vom Himmel herab auf Jesus. Bitte beachten wir, dass hier nicht von einer Taube die Rede ist, sondern von der Gestalt einer Taube. In dieser Gestalt kam der Heilige Geist wahrhaftig auf den Sohn Gottes.
Damit wurde Jesus in aller Öffentlichkeit zum Priester gesalbt. Jeder konnte den Geist Gottes in leiblicher Gestalt auf Jesus herniederfahren sehen. So hätte jedem klar sein können, dass Jesus der verheißene Messias ist, der Christus, der kommen soll. Der Ausdruck „Christus“ ist ja die griechische Übersetzung des hebräischen „Messias“. Beide Wörter meinen nichts anderes als „Gesalbter“. Jesus ist der Gesalbte Gottes, gesalbt mit dem Geist Gottes. In ihm war, wie Johannes der Täufer es erklärte, das Reich Gottes nahe gekommen. Auch hieraus geht hervor: Die Taufe Jesu im Jordan war eine einzigartige Taufe mit großer heilsgeschichtlicher Bedeutung.
Dabei wollen wir nicht übersehen, dass Jesus Christus am Jordan keineswegs ausschließlich zum Priester gesalbt wurde. Im Alten Testament ist von zwei weiteren Ämtern die Rede, für die jemand gesalbt wurde: König und Prophet. Diese beiden alttestamentlichen Ämter stellen ebenfalls einen Schatten und ein Abbild auf den verheißenen Messias dar. Christus übt ein dreifaches Amt aus, das des Propheten, des Hohenpriesters und des Königs.
Hilfreich und lehrreich in diesem Zusammenhang ist, was dazu der Heidelberger Katechismus erläutert. Frage 31: „Warum wird er „Christus“, das heißt „Gesalbter“ genannt? Antwort: Weil er von Gott, dem Vater, eingesetzt und mit dem Heiligen Geist gesalbt worden ist zu unserem obersten Propheten und Lehrer, der uns Gottes verborgenen Rat und Willen von unserer Erlösung vollkommen offenbart, und zu unserem einzigen Hohenpriester, der uns mit dem einmaligen Opfer seines Leibes erlöst hat und uns allezeit mit seiner Fürbitte vor dem Vater vertritt, und zu unserem ewigen König, der uns mit seinem Wort und Geist regiert und uns bei seiner vollbrachten Erlösung bewahrt und erhält.“ Kurzum: Indem Jesus, der Gesalbte, uns als unser oberster Prophet belehrt, als unser einziger Hoherpriester erlöst und als unser ewiger König regiert, schafft er in seinem dreifachen Amt unsere Seligkeit.
Damit kommen wir zum dritten Punkt:
3. Die Anerkennung Christi
Christus wurde bei seiner Taufe mit dem Heiligen Geist zu seinem Dienst gesalbt. Aber er ist von Ewigkeit her der Sohn Gottes. Es ist der Sohn Gottes, der der Gesalbte ist, und es ist der Gesalbte, der der Sohn Gottes ist. In unserem Abschnitt lesen wir:
„und eine Stimme ertönte aus dem Himmel: ‚Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen!‘„
(Luk. 3,22). Gott der Vater, der Jesus mit seinem Geist gesalbt hat, bezeugt Jesus als seinen geliebten Sohn.
Jesus ist der Gesalbte, der Messias, aber er ist auch Gottes Sohn. Für die Juden, namentlich für die Schriftgelehrten, war es unbegreiflich, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Dass er der Sohn Davids war, das konnten sie fassen. Aber dass Christus auch der Sohn Gottes ist, war für sie unmöglich nachzuvollziehen. Sie urteilten, dass diese Behauptung einer Gotteslästerung gleichkomme. Aber Gott der Vater machte bei seiner Taufe und bei seiner Salbung genau diese Aussage über Jesus: „Du bist mein geliebter Sohn, an Dir habe ich Wohlgefallen.“
Es ist nicht so, als ob Gott der Vater hier Jesus als seinen Sohn anerkannte, so als ob Jesus vorher nicht sein Sohn gewesen wäre. Die Heilige Schrift bezeugt klar, dass Jesus Christus von Ewigkeit her wahrer Gott von wahrem Gott ist, dass er gezeugt, nicht geschaffen ist, und dass er eines Wesens mit dem Vater ist.
Die moderne Theologie liegt also falsch, wenn sie behauptet, Gott der Vater habe Jesus bei der Taufe zu seinem Sohn angenommen, ähnlich wie wir zu Kindern Gottes angenommen werden. Jesus Christus ist seinem Wesen nach der Sohn Gottes. So lesen wir es auch im Johannesevangelium: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (Joh. 1,14). Etwas später heißt es: „Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.„
(Joh 1,18). Jesus Christus ist der eingeborene Sohn vom Vater. Im Unterschied zu ihm sind wir aus Gnade um Christi willen zu Kindern Gottes gemacht worden.
Die Taufe Jesu im Jordan ist ein Anschauungsunterricht, der uns sowohl die messianische Sendung als auch die Gottheit Jesu lehrt. Jesus Christus wurde von seinem Vater in diese Welt gesandt und mit dem Geist Gottes gesalbt, damit er sein Volk von ihren Sünden erlöst.
Zudem zeigt uns dieses Geschehen, dass es im Heilswerk Gottes eine Ordnung gibt, ja dass es in Gott selbst eine Ordnung des Handelns gibt. Die Taufe Jesu im Jordan lehrt uns die Dreieinigkeit Gottes. Innerhalb des einen Gottes handeln die drei zu unterscheidenden Personen in verschiedener Weise: Gott der Vater hat sein Volk in Christus von Ewigkeit her erwählt, und er sandte seinen Sohn in diese Welt. Gott der Sohn hat sich von Ewigkeit her dem Vater freiwillig zum Mittler und Bürgen für sein Volk zur Verfügung gestellt, und er kam in diese Welt, um unser Heil zu vollbringen. Gott der Heilige Geist wirkt in den Kindern Gottes die Aneignung der Seligkeit, die sie in Jesus, dem Gesalbten Gottes, empfangen haben. In seiner Person verbürgt sich Christus für die Seligkeit seines Volkes. Durch seinen Geist schenkt er seinem Volk Glauben an ihn und durch den Glauben die Aneignung der Versöhnung mit Gott. Dabei sei noch einmal betont: Die drei Personen, Vater, Sohn und Heiliger Geist, ist der eine, wahre und ewige Gott.
Nachdem Jesus getauft worden war, öffnete sich der Himmel und der Heilige Geist fuhr auf ihn hernieder, und die Stimme des Vaters kam aus dem Himmel zur Bestätigung und Anerkennung der messianischen Sendung seines ewigen Sohnes. Denn in keinem anderen ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir selig werden sollen als in Jesus Christus, unserem von Gott geschenkten und offenbarten Erlöser.
Da Gott der Vater Jesus Christus anerkannt hat, folgt daraus, dass auch wir ihn anerkennen. Wir erkennen und beten ihn an als den Sohn Gottes, der gekommen ist, uns durch sein Leiden und seinen Tod selig zu machen.
Die Salbung Christi dient nicht nur zur Befähigung und Bestätigung seines dreifachen Amtes, sondern sie betrifft auch uns. Durch den Glauben sind wir Glieder Christi geworden und haben an seiner Salbung Anteil. Insofern haben auch wir ein dreifaches Amt empfangen. Wir haben den Heiligen Geist erhalten, damit wir erstens Propheten sind und den Namen Christi mitten in dieser Welt bekennen. Zweitens sind wir Priester und geben uns Christus zu einem lebendigen Dankopfer hin. Wir leisten Fürbitte für unsere Geschwister und für die Welt und verlangen danach, zum Segen zu sein. Und drittens sind wir Könige, denn wir streiten gegen die Sünde und den Teufel und werden hernach in Ewigkeit mit Christus über alle Geschöpfe herrschen.
Danken und loben wir Gott für diese herrliche, unverdiente Berufung!
Amen.
1) Die folgende Predigt wurde in der Evangelisch Reformierten Kirche (Westminster Bekenntnis) in Neuhofen (Österreich) gehalten. Bitte lesen Sie die Verse vorher in einer guten Bibelübersetzung.