In der letzten Ausgabe der Bekennenden Kirche begannen wir, uns aus evangelistischen und apologetischen Gründen mit dem Islam zu beschäftigen. Wir haben uns dabei von der Frage leiten lassen, warum wir als Christen den Islam ablehnen. Immerhin stellt er in der Logik vieler Muslime die konsequente Fortsetzung, Verbesserung und Vollendung des christlichen Glaubens dar.
Um diese Frage beantworten zu können, sahen wir uns die historischen Entstehungszusammenhänge von Christentum und Islam an. Wir stellten dabei fest, dass durch die Verkündigung Jesu das Christentum bereits von Anfang an eine Ausrichtung auf das Ewige und Unvergängliche aufweist. Demgegenüber war die Frühgeschichte des
Islam nicht zuletzt durch politische und persönliche Interessen Muhammads und seiner Nachfolger geprägt.
Ferner fiel bei unserem Vergleich auf, dass Jesus auf das Alte Testament zurückgreifen konnte, um seine Autorität als Messias und Sohn Gottes deutlich zu machen. Dem frühen Islam hingegen blieb lediglich die Behauptung, die Bibel sei verfälscht worden. Denn nur so konnte er dem Problem entgehen, dass Muhammad als Prophet kein heilsgeschichtliches Erbe antrat. Obwohl Sure 7,157 davon spricht, dass Muhammad in der Bibel erwähnt sei, weist keine einzige Bibelstelle auf Muhammad oder einen weiteren Gesandten Gottes nach Jesus hin.1 Den einzigen Ausweg, den der Islam für diese Unstimmigkeit fand, war die angebliche Bibelverfälschung.
In diesem Artikel geht es um die Unterschiede zwischen Christentum und Islam im Schriftverständnis und im Gottesverständnis. Auch dabei wollen wir das Ziel der Auseinandersetzung mit dem Islam nicht vergessen: Verkündigung des Evangeliums und Verteidigung (Apologetik) der biblischen Wahrheit.
Das Schriftverständnis des Islam
Wie das Christentum, so beruft sich auch der Islam auf ein Buch. Muslime sind davon überzeugt, dass der Quran das Wort Allahs ist, das an Muhammad offenbart wurde. Im Islam kommt dem Quran in besonderem Maße Verehrung zu: Man darf dieses Buch nicht mit ungewaschenen Händen berühren oder auf irgendeine Weise beschädigen. Der Quran gilt als das Wort Allahs, ungeschaffen und schon immer existent. So glauben auch viele Muslime, dass der Quran, der den Gläubigen auf Erden zugänglich ist, ein exaktes himmlisches Abbild besitzt, bzw. der irdische Quran das Abbild eines schon immer existierenden himmlischen Qurans ist.
Alle diese Vorstellungen über den Quran haben natürlich für die Muslime Folgen im praktischen Umgang mit ihrem heiligen Buch. Zum Beispiel kann der Quran nicht übersetzt werden. Jeder Versuch, den Quran in eine andere Sprache zu übertragen, darf nur als die „ungefähre Wiedergabe“ des Quran verstanden werden. Gleichzeitig sieht man in der sprachlichen Gestalt des Quran das reinste, schönste und hochwertigste Arabisch. Man lehrt, ein (mutmaßlicher) Analphabet wie Muhammad habe aus sich selbst heraus gar nicht so etwas produzieren können. Der Quran selbst wird daher als das Beglaubigungswunder des Prophetendienstes Muhammads verstanden.
Im Gegensatz zu Jesus, dessen messianischer Dienst durch Wunder bestätigt wurde (Lk. 7,18-23),2 beanspruchte Muhammad die prophetische Vollmacht auf Basis seiner Redefähigkeit. Somit entstand auch die islamische Vorstellung der Wunderhaftigkeit des Quran. Diese Lehre über den Quran wird i`jaz genannt. Noch heute führen muslimische Apologeten diese Wunderhaftigkeit als Argument für die Wahrheit des Islam an. Durch diese Apologeten werden dem Quran naturwissenschaftliche Inhalte oder numerische Wunder zugeschrieben, die Muhammad zu seiner Zeit noch gar nicht gekannt haben könne.
Zum Beispiel soll das Wort für „Monat“ 12-mal im Quran vorkommen, ebenso soll das Wort für Tag 365-mal zu finden sein. Allerdings kommt das Wort für Tag (´al-yawm) im Quran ca. 475-mal vor. Nur wenn man bestimmte grammatische Formen dieses Wortes ausschließt, kann man zu der Zahl 365 gelangen. Gleichzeitig kennt das islamische Jahr nur 354 Tage, da es sich nach einem Mondkalender richtet, also nicht nach einem Sonnenkalender, wie dem westlichen Kalender. Nach welchem Kalender richtet sich denn Allah selbst? Man merkt schnell, wie diese angeblichen Wunder des Quran zustande kommen: durch Aussortieren der Befunde, die den muslimischen Apologeten nicht zweckdienlich erscheinen, durch Verallgemeinerungen und durch eine voreingenommene Auslegung des Qurantextes.3
Was aber glauben Muslime darüber, wie der Quran zu Muhammad gelangt sei? Die Antwort lautet: Das Buch des Islam wurde zu Muhammad herabgesandt, so dass der Prophet selbst keinerlei Anteil an Inhalt oder Stil des Qurans hatte. Auch steht nach islamischer Auffassung der Quran in keinem geschichtlichen Zusammenhang, in dem er verknüpft sein könnte. Vielmehr stammt er direkt aus dem Himmel.
Diese Vorstellung geht so weit, dass sogar eine Auslegung, die lediglich die sprachlichen Besonderheiten des Quran mit dem klassischen Arabisch des 7. Jahrhunderts nach Christus vergleichen möchte, nicht geduldet wird.
Wie genau die Herabsendung zu Muhammed erfolgt sein soll, ist nicht eindeutig bekannt. Jedoch wird nach muslimischer Auffassung der Inhalt der ersten Offenbarung des Engels Gabriel in Sure 96,1-4 berichtet: „Trag vor im Namen deines Herrn, der dich erschaffen hat, den Menschen aus einem Embryo erschaffen hat! Trag vor! Dein höchst edelmutiger Herr ist es ja, der den Gebrauch des Schreibrohrs gelehrt hat, den Menschen gelehrt hat, was er zuvor nicht wusste.“
Die islamische Tradition beschreibt den Offenbarungsvorgang an Muhammad auf unterschiedliche Weise. Muhammad selbst verglich die Übermittlung der Botschaft mit einem Glockenton: Der Heilige Geist soll Muhammad Inhalte offenbart und in sein Herz gegeben haben, der Engel Gabriel soll Muhammed erschienen sein, oder Allah selbst habe sich ihm offenbart.4 Die Offenbarungen erfolgten über die gesamte Lebenszeit Muhammads. Der Quran wurde also nicht in einem einzigen Stück herab gegeben, sondern in einzelnen Abschnitten.
Wie versteht der Quran sich selbst? Der Quran will als die Wort-für-Wort-Offenbarung (oder besser: Diktat?) Allahs an Muhammad aufgefasst werden. Er beansprucht verständlich zu sein und in allen Lebensfragen Wegweisung zu bieten. Er gilt als unverfälscht und wahr und richtet sich an alle Menschen von den Urzeiten bis zum Ende dieser Welt.
Aufgrund seines Schriftverständnisses hat der Islam interessanterweise so gut wie keinen Zugang zu einer Heilsgeschichte. Er kennt nicht eine Geschichte von Gottes Handeln mit seiner Schöpfung und im Speziellen mit den Menschen. Wenn wir uns noch einmal den islamischen Grundsatz der Ewigkeit und des Ungeschaffenseins des Quran vor Augen führen, wird klar, dass der Inhalt des Quran, der im Himmel fixiert ist, nicht an Lebensumstände Muhammads oder sonstige geschichtliche Umstände gebunden sein kann.
Muss es aber dann nicht irritieren, dass der Quran von Anspielungen auf Muhammads Lebensgeschichte nur so überquillt? Zum Beispiel liest man in Sure 42,24: „Oder sie [das heißt: die Ungläubigen] sagen: Er [das heißt: Muhammad] hat gegen Gott eine Lüge ausgeheckt.“ Diese Stelle berichtet von einer Opposition gegen Muhammad als dem Gesandten Allahs und seinem Anspruch, Prophet zu sein.
Ähnlich wie diese Stelle, so berichten viele Teile des Quran von Muhammads Beziehung zu seinen Freunden oder Feinden und über sein Leben generell. Der Quran ist also in vielerlei Hinsicht ein Buch, das die Lebensgeschichte Muhammads einbezieht. Wie aber kann das sein, wenn man den ewigen und ungeschaffenen Charakter des Quran annimmt? Ist Allahs Wort abhängig von der Lebensgeschichte Muhammads? Konnte die Botschaft erst „herabgesendet“ werden, als der richtige Zeitpunkt, nämlich Muhammads eigenes Leben, eingetreten war?
Noch viel problematischer wird diese Auffassung, wenn man bedenkt, dass der Islam annimmt, Allahs Botschaft sei bereits an andere Propheten wie Moses, David oder Abraham herabgesandt worden. Warum mussten diese Propheten sich mit einer Botschaft begnügen, die zu großen Teilen vom Leben eines Mannes handelt, der im 7. Jahrhundert in Arabien lebte und somit fast 2000 Jahre Abstand zu beispielsweise Moses Lebenszeit aufweist?
Noch fragwürdiger wird es, wenn man über die Änderung der Gebetsrichtung, die innerhalb des Qurans vollzogen wird, nachdenkt. Während die ersten Muslime in Richtung Jerusalem beteten, änderte Muhammad die Gebetsrichtung (qibla) in Richtung Mekka. Laut Sure 2,142-150 geschah diese Änderung zur Probe der Gläubigen. Ist auch diese Änderung der Gebetsrichtung schon ewiglich im Quran fixiert? Oder änderte Allah seine Meinung, um die Gläubigen auf die Probe zu stellen?
Eine späte Veränderung des Qurantextes bzw. im Quran offenbarter Wahrheiten ist nicht ungewöhnlich und wird als „Abrogation“ bezeichnet. So genannte aufgehobene und aufhebende Verse des Quran finden sich häufig, jedoch fehlen bis jetzt von muslimischer Seite ausreichende Erklärungen für diesen Umstand. Gleichwohl kratzt diese Beobachtung am muslimischen Schriftverständnis, gemäß dem der Quran ausschließlich Gotteswort sein soll.
Aus dieser Perspektive wird klar, warum die Person Muhammad im Islam so hervorgehoben ist: Die 22 Jahre seiner Prophetenschaft gelten als die Epoche des Handelns Allahs mit den Menschen. Diese 22 Jahre sind die Heilsgeschichte des Islam. Sie wurden im Himmel fixiert und an den Propheten des Islam herabgesandt.
Sonst hat der Quran kaum ein Interesse an der Geschichte. So kann in Sure 19,16-28 Maria, die Mutter Jesu, als Aarons Schwester (und somit auch als die Schwester des Mose) gelten. Personen aus der Geschichte Israels werden durcheinander gewürfelt oder miteinander verwechselt. Tatsächlich ist außerhalb der Lebensgeschichte Muhammads die Geschichte unerheblich.
Dieses Merkmal des Quran kann auch an Jesus veranschaulicht werden. Während in den Evangelien Jesus in seinem geschichtlichen, jüdischen Umfeld geschildert wird, ist er im Quran lediglich eine literarische Figur. Er soll vor allem auf Muhammad vorbereiten und fungiert als „Vorläufer“ für Muhammads Prophetenschaft.
Doch was lehrt der Quran eigentlich? Rein vom Umfang her ist der Koran etwa so lang wie das Neue Testament. Er wird in so genannte Suren eingeteilt. Jede Sure gliedert sich wiederum in Aya´s, die formal mit den Versen der Bibel vergleichbar sind. Die Suren sind meist ohne Zusammenhang angeordnet. Systematische Abhandlungen zu bestimmten Lehrsätzen gibt es so gut wie gar nicht. Das macht es schwierig, die „großen Themen“ des Islam zu fassen. Es sind aber im Koran ungefähr folgende vier Kernbereiche erkennbar:5 erstens die Glaubensartikel (zum Beispiel der Glaube an den einen Gott); zweitens die religiösen Pflichten (zum Beispiel die „fünf Säulen“); drittens die ethischen Vorschriften (zum Beispiel die Pflicht, Verträge zu erfüllen); viertens Vorschriften für die Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen (zum Beispiel die Eltern zu ehren).
Der erste Kernbereich, die Glaubensartikel, gliedert sich seinerseits in fünf verbindliche muslimische Glaubenssätze. Diese sind:6 erstens der Glaube an die Einsheit Gottes; zweitens der Glaube an das Prophetentum Muhammads; drittens der Glaube an das Leben nach dem Tod und die Verantwortung des Menschen im Jüngsten Gericht; viertens der Glaube an die Engel; fünftens der Glaube an die heiligen Bücher der Offenbarung.
Im Folgenden soll das islamische Schriftverständnis mit dem christlichen bzw. biblischen Schriftverständnis kurz verglichen werden.
Das christliche Schriftverständnis
Da im Rahmen dieses Artikels der Platz nicht ausreicht, den christlichen Lehrsatz über die Inspiration und das Verständnis der Bibel ausführlich zu erörtern, konzentriere ich mich auf die Hauptunterschiede zwischen dem islamischen Schriftverständnis und dem christlichen.
Genau wie der Islam so beruft sich auch das Christentum auf ein Buch, das beide als von Gott eingegeben, inspiriert verstehen. Während der Islam den Quran als Herabsendung auffasst, sind gemäß der Bibel die Worte der Heiligen Schrift nicht allein durch Gottes Autorschaft entstanden, sondern die menschlichen Schreiber nahmen an der Abfassung Anteil. Gott inspirierte seine Boten, um seine Worte zu verfassen und niederzuschreiben. Die Inspiration war eine direktive Leitung der menschlichen Gedanken durch den Geist Gottes. Der Geist Gottes gab den Menschen das ein, was sie aufschreiben sollten. Allerdings wurden bei diesen Mitteilungen die jeweiligen Persönlichkeiten der Schreiber nicht ausgeschaltet. Die Schreiber verwendeten ihre eigene Sprache. Sie vermittelten die Worte Gottes in der gleichen Weise, in der sie auch sonst sprachen und schrieben. Von daher können die biblischen Schreiber beim Abfassen der Schriften ihnen geläufige Bilder oder Sprichworte verwenden. Auch Metaphern oder feststehende Ausdrücke bestimmter Kulturkreise begegnen uns in der Bibel. Die Heilige Schrift ist eben nicht in einem geschichtsleeren Raum entstanden. Vielmehr wurde sie von Menschen geschrieben, die Teil dieser Welt und ihrer Geschichte waren. Gleichzeitig aber ist sie in jedem Wort das Wort Gottes.
Dazu kommt, dass die Bibel nicht in einem Zeitraum von nur 22 Jahren entstand, sondern in einer zeitlichen Spanne von mindestens 1500 Jahren. Dabei bediente sich Gott verschiedener Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und mit andersartigen Sprachen. Es lassen sich in der Bibel auch unterschiedliche Literaturgattungen finden wie zum Beispiel: Geschichtsschreibungen, Poesie, Apokalyptik, Prophetie, Briefe, Predigten, Weisheitsliteratur sowie Gesetzestexte.
Die verschiedenen Zeiten, Autoren und Gattungen sind Teil der biblischen Heilsgeschichte, in der vor allem Licht auf die Geschichte des erwählten Volkes Israel und der apostolischen Kirche fällt als der Geschichte Gottes mit den Menschen.
Dieser Umstand macht es unverzichtbar, dass die Bibel ausgelegt werden muss, wobei ihre sprachlichen, historischen und kulturellen Besonderheiten zu beachten und zu erforschen sind. Was wäre zum Beispiel die Botschaft des Propheten Jeremia ohne Berücksichtigung des geschichtlichen Hintergrunds, also des Gerichts und des jüdischen Exils? Die Botschaften Jeremias sind Gottes Botschaften an die damalige Gemeinde. Sie sind nicht auszulegen als präexistente, auf himmlische Tafeln geschriebene Diktate Gottes. Gott spricht hinein in die konkreten Lebensumstände der jeweiligen Menschen. Sein Wort ist an Menschen in bestimmten historischen Umständen gerichtet. Dabei hören Christen auf die Bibel, das Wort Gottes, um durch sie im Glauben zu wachsen und in das Bild Christi verändert zu werden.
Das islamische Gottesverständnis im Unterschied zum biblischen
Im zweiten Teil dieses Artikels wollen wir uns mit den Unterschieden im Gottesverständnis zwischen Christentum und Islam beschäftigen. Dieser Teil wird in einigen Abschnitten philosophische Überlegungen mitteilen. Das mag bei dem ein oder dem anderen Leser den Eindruck vermitteln, als ob gerade der Abschnitt über Gott von rein akademischer Bedeutung ist.
Das aber ist ganz und gar nicht der Fall. Vielmehr stellt oftmals gerade die christliche Lehre über die Dreieinigkeit eine der größten Gräben zwischen Christentum und Islam dar. Nicht selten werfen Muslime den Christen Vielgötterei vor.
In diesem Abschnitt über die Gottesbilder geht es vor allem darum, Argumente dafür vorzubringen, dass das christliche Zeugnis von Gott schlüssiger ist als die islamische Auffassung.
Da diese Thematik aber insgesamt viel zu umfangreich wäre, um sie in der ganzen Breite hier besprechen zu können, konzentriere ich mich auf zwei wesentliche Punkte. Es sind die Punkte im islamischen Gottesverständnis, die in starkem Kontrast zum christlichen Gottesverständnis stehen: Erstens ist es die Transzendenz oder die „Jenseitigkeit“ Allahs und zweitens die „Einsheit“ Allahs. Was meine ich damit, wenn ich von der Transzendenz oder der Jenseitigkeit Allahs spreche?
Gemäß der Sure 112 besteht einer der wichtigsten Grundsätze des Islam darin, dass Allah mit nichts innerhalb der Schöpfung verglichen werden kann. Allah ist völlig andersartig als alles, was uns aus dieser Welt bekannt ist. Seine Jenseitigkeit heißt, dass er für den Menschen unerreichbar und transzendent ist.
Diese Auffassung schlägt sich nieder in der Art und Weise, in der über Allah gesprochen wird. Wenn die islamische Theologie über das Wesen Allahs redet, kann sie Allah nicht einfach mit Adjektiven wie „groß“ oder „mächtig“ beschreiben. Der Grund liegt darin, dass „groß“ eine Kategorie ist, die nur innerhalb der Schöpfung, also für Geschaffenes verwendet werden kann. Da Allah aber außerhalb der Schöpfung steht und als Gott und Schöpfer unvergleichlich ist, kann von ihm nicht mit diesem Adjektiv gesprochen werden.
Um das Problem zu lösen, hat die islamische Theologie die so genannten Namen Allahs gewählt. Sie sind ein Weg, um Allah ausreichend zu benennen. Es ist der muslimischen Theologie möglich, Allah zum Beispiel als den „Barmherzigen“ zu bezeichnen, ohne ihm deswegen diese Eigenschaft zuzuschreiben. Der Name „der Barmherzige“ ist ein gängiger Titel Allahs im Quran, zumal die Suren mit der Einleitung beginnen: „Im Namen Allahs, des Barmherzigen und Gnädigen“.
Aber die Namen Allahs nehmen nicht die Andersartigkeit Allahs weg. Die Andersartigkeit Allahs heißt für die Muslime, dass Allah unnahbar ist. Folglich kann der Muslim keinerlei Beziehung zu Allah haben.
An dieser Stelle wird der Unterschied zwischen dem christlichen und dem muslimischen Gottesverständnis wohl am deutlichsten.
Nehmen wir als Beispiel die „Liebe Gottes“. Auch wenn Allah jedem Menschen „näher ist als seine Halsschlagader“ (Sure 50,16), so hat er dennoch keine Brücke zu den Menschen geschlagen. Es gibt keine Beziehung zwischen Allah und dem Menschen. Die so genannte Liebe Allahs ist nicht Ausdruck einer Beziehung, sondern lediglich Allahs Gunsterweisung und Barmherzigkeit. Diese Gunsterweisung und Barmherzigkeit ist jedoch nur unter der Bedingung möglich, dass der Mensch, dem Allah seine Gunst zuwendet, bereits frommer Muslim ist und somit Allah gefällt. Die Liebe Allahs ist also mehr ein Gut, das der Mensch in einer Form von Tauschhandel erhält, als eine wirkliche Zuneigung und Fürsorge für den Menschen.
Dem steht das christliche Verständnis über die Liebe Gottes gegenüber. Diese wird vor allem am Kreuz Christi deutlich. Die Liebe Gottes, die nicht nur ein bloßes Gefühl oder eine Emotion ist, sondern das Wesen Gottes charakterisiert (1Joh. 4,8), ist eine aufopfernde und gnädige Zuneigung zu dem Menschen. Deshalb heißt es in Römer 5,8: „Gott aber beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ Die Liebe Gottes, wie sie in der Bibel offenbart ist, ist bedingungslos. Sie offenbart sich am klarsten in der Menschwerdung und im Tod Christi.
Der unnahbare Allah kann in seiner Transzendenz und in seiner Andersartigkeit keinerlei Beziehung zu einem Menschen haben. Folglich kommt im Islam die Auffassung, man könne in einer persönlichen Freundschaft zu Gott stehen, einer Gotteslästerung gleich.
Jesus begab sich dagegen auf eine Ebene mit den Menschen und erlöste sie aus reiner Gnade. Der Gott der Bibel ist nicht unnahbar! Von Anbeginn suchte er die Beziehung zu den Menschen. Denken wir an den Garten Eden. Erst durch die Handlung der Menschen vollzog sich eine Trennung. Das Werk Christi auf Golgatha zeigt, dass es nicht die Menschen sind, die eine Brücke zu Gott geschlagen haben, sondern dass es Gott ist, der eine Brücke zu den Menschen geschlagen hat. Im Islam ist ein Kommen Gottes in diese Welt, und zwar so, dass Gott menschliche Natur annimmt, völlig undenkbar.
Auch die Offenbarung Allahs wird durch diese Andersartigkeit eingeschränkt: Allah offenbart im Quran nicht sein Wesen, sondern lediglich seinen Willen. Die islamische Theologie unterscheidet seit jeher zwischen dem Wesen und dem Willen Allahs.
Während der Wille des Gottes der Bibel seinem Wesen entspricht (3Mos. 19,2), ist Allahs Wille nicht an sein Wesen gebunden. Allah ist listig, er ist sogar der beste „Listenschmied“ (Sure 3,54). Wenn man hier weiterdenkt, führt das zu der Schlussfolgerung, dass die gesamte Offenbarung Allahs eine List sein könnte. Im Unterschied dazu offenbart sich der Gott der Bibel selbst und zwar ohne zu lügen. Es entspricht nämlich nicht seinem Wesen zu lügen. Deshalb ist es auch sein Wille, dass die Menschen nicht lügen sollen (2Mos. 20,16).
Der zweite wichtige Unterschied zwischen dem Gottesverständnis des Islam und der Offenbarung Gottes in der Bibel betrifft das Wesen Gottes. Beide Religionen glauben an einen einzigen Gott, der allmächtig, allwissend und allgegenwärtig ist. Dieser Gott ist der Schöpfer und der Erhalter der Welt und gleichzeitig auch der Richter im Endgericht. Sie sind beide monotheistisch.
Der große Unterschied liegt aber im Verständnis dieses Monotheismus. Die erste Hälfte des islamischen Glaubensbekenntnis lautet: „Ich glaube, dass kein Gott ist außer Allah.“ Diese Aussage nimmt im Islam eine fundamental wichtige Stellung ein. In der Frühgeschichte des Islam war der Glaube an den einen Gott vor allem durch die Auseinandersetzung mit der Vielgötterei der Araber bestimmt. Somit wurde innerhalb der islamischen Theologie die Vorstellung von der Einzigartigkeit Allahs zu einer Art „Einsheit“ Allahs gemacht. Das heißt: Weil Allah ganz und gar eins ist, sind innerhalb seines Wesens keinerlei Unterscheidungen möglich (Sure 112). Es ist undenkbar, Allah ein bestimmtes Attribut oder eine bestimmte Eigenschaft zuzuordnen. Wenn man beispielsweise sagen würde, Allah ist gnädig, so würde man innerhalb des Wesens Allahs differenzieren. Denn Allah ist zwar gnädig, aber sein Wesen ist nicht ausschließlich Gnade. Da aber Differenzierungen innerhalb des Wesens Allahs nicht möglich sind, können die Eigenschaften Allahs, die sich in seinen Namen widerspiegeln, nicht Teil seines Wesens sein, sondern entsprechen lediglich seinem Willen.
Diese Einsheit Allahs wird in der islamischen Theologie tauhid genannt und steht in etwa dem christlichen Dreieinigkeitsverständnis gegenüber. Während also der christliche Glaube an den einen Gott im Bekenntnis zur Dreieinigkeit bekannt wird, wird der islamische Glaube an den einen Gott im tauhid definiert.
Muslime verstehen bekanntlich die Dreieinigkeit Gottes als Vielgötterei und damit als Ausdruck des Heidentums. Im Islam ist der Polytheismus die größte Sünde. Deshalb wird oftmals von muslimischen Apologeten die Überlegenheit des islamischen Gottesbildes gegenüber dem christlichen betont. Aber trifft das wirklich zu?
Auf jeden Fall wirft der tauhid einige Probleme auf. Ein Problem betrifft den ewigen Charakter des Quran. Wenn der Quran ungeschaffen ist und bereits ewig existiert hat, so existiert er als eine ewige Größe neben Gott. Da aber nichts mit Allah verglichen werden kann, darf das eigentlich nicht sein. Eine mögliche Lösung des Problems wäre, dass der Quran nicht neben Allah existiert, sondern als sein Wort, als ein Teil von ihm. Das strenge Verständnis der Einsheit Allahs macht jedoch auch diesen Ausweg unmöglich. Tatsächlich stellt das Verhältnis zwischen Allah und dem Quran für das muslimische Gottesbild ein Problem dar.
Ein zweites großes Problem betrifft die Namen Allahs. Einige dieser Namen beschreiben Eigenschaften einer Beziehung. Zum Beispiel wird Allah als „der Liebende“ oder als „der Barmherzige“ bezeichnet. Wie aber kann Allah der Liebende sein, wenn seine Liebe kein Gegenüber findet? Wie kann er der Barmherzige sein, wenn er niemandem gegenüber Barmherzigkeit erweisen kann?
Denken wir uns nur einmal das Wesen Allahs unabhängig von der Schöpfung. Kann Allah „der Liebende“ oder „der Barmherzige“ sein, ohne dass Allah ein Gegenüber ins Dasein rief? Sind diese Eigenschaften Allahs etwa abhängig von der Schöpfung? Würde Allah sich selbst lieben, so gäbe es innerhalb des Wesens Allahs wieder einen Liebenden und einen Geliebten. Das aber verbietet die Vorstellung der Einsheit Allahs. Das Problem wird noch größer: Verändert sich Allahs Wesen dadurch, dass ein Gegenüber auftritt, also dadurch, dass Allah die Schöpfung ins Dasein rief? Immerhin hatte seine Liebe zunächst kein Gegenüber, den sie dann allerdings durch die Schöpfung erhielt. Verändert sich also Allah, weil er diesen Gegenpol vorher nicht hatte? Auch das ist in der islamischen Theologie undenkbar.
Dagegen zeugt die Dreieinigkeit von einem einzigen Gott in drei Personen. Innerhalb dieser Dreieinigkeit herrschte seit jeher Liebe, so dass Gottes Liebe nicht erst durch die Schöpfung ein Gegenüber erfuhr, sondern dieses schon immer hatte. Der Vater liebte den Sohn und der Sohn den Vater usw. Das Wesen des dreieinigen Gottes ist Beziehung. Dies braucht uns auch nicht weiter zu verwundern, da wir als Menschen diesen Beziehungsaspekt Gottes in unserer Ebenbildlichkeit widerspiegeln. Wir Menschen befinden uns in der Spannung zwischen unserer Beziehung zu uns selbst und zu anderen. Diese Spannung entspricht in gewissem Sinn der Dreieinigkeit.
Der Glaube an einen dreieinigen Gott, der eins ist und der auch ein Gott der Handlungen und der Beziehungen ist, und dessen Offenbarung und Wille aus seinem Wesen resultieren, ist also keineswegs unsinnig.
Wie bereits erwähnt, lehnen Muslime die Dreieinigkeit ab. Dabei missverstehen sie dieses Gottesbild als Vielgötterei. Es muss daher unsere Aufgabe als Christen sein, den Muslimen von vornherein klar zu machen, dass auch wir an einen einzigen Gott glauben (5Mos. 6,4). Muslime verstehen die Dreieinigkeit oft falsch, und bevor man sich auf Gespräche über dieses Thema einlässt, sollte man selbst die christliche Lehre über Gott gut kennen.
Wir wollen auch nicht vergessen, dass die Auseinandersetzung mit den Glaubenssätzen des Islam nicht der Rechthaberei dienen soll. Es geht dabei um Menschen, die oftmals Antworten auf ihre Fragen bezüglich des christlichen Glaubens suchen, und die Jesus als ihren Erlöser benötigen. Diese Wahrheit muss man sich bei allem Argumentieren und Apologetik-Betreiben immer wieder vor Augen führen: Es geht um das Reich Gottes, das durch die Verkündigung des Evangeliums ausgebreitet wird.
In der nächsten Ausgabe der Bekennenden Kirche sollen dann abschließend die Unterschiede im Menschen- und Errettungsverständnis sowie die Unterschiede im Blick auf die Person Christi beleuchtet werden.
1) Einige muslimische Gelehrte versuchen dennoch immer wieder Bibelstellen so zu deuten, als würden sie auf Muhammad hinweisen. Diese Versuche sind in den meisten Fällen bereits aus sprachlichen und historischen Gründen nicht haltbar. Bei den wenigen Stellen, in denen eine gewisse Möglichkeit einer Vorankündigung Muhammads bestehen könnte, sind andere Auslegungen wesentlich naheliegender und plausibler.
2) In der arabischen Gesellschaft war die Kunst der Rhetorik hoch angesehen. Muhammads Anspruch auf Prophetenschaft durch sprachliche Geschicklichkeit zu legitimieren traf den Zeitgeist der Araber, die dem gesprochenen Wort besondere Macht zumaßen. Zu Muhammads größten Feinden gehörten deshalb auch zunächst die Dichter und Wahrsager, gegen die er früh mit militärischer Gewalt vorging. Vergleiche: Krämer, Gudrun, Geschichte des Islam. München 2011, S. 25.
3) Siehe dazu auch: http://www.answering-islam.org/authors/masihiyyen/numerical_miracles_309.html (Zugriff am 15.11.2013).
4) Schirrmacher, Christine, Der Islam. Band 1, Holzgerlingen 2003. S. 38.
5) Schirrmacher, Christine, Der Islam. Band 1. Holzgerlingen 2003. S. 112.
6) Schirrmacher, Christine, Der Islam. Band 1. Holzgerlingen 2003. S. 140.