Wie wir eine skeptische Welt mit Gott konfrontieren können

Wie wir eine skeptische Welt mit Gott konfrontieren können

Apostelgeschichte 17,16-34

Da stellte sich Paulus in die Mitte des Areopags und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr in allem sehr auf die Verehrung von Gottheiten bedacht seid! Denn als ich umherging und eure Heiligtümer besichtigte, fand ich auch einen Altar, auf dem geschrieben stand: ‚Dem unbekannten Gott‘. Nun verkündige ich euch den, welchen ihr verehrt, ohne ihn zu kennen. Der Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde ist, wohnt nicht in Tempeln, die von Händen gemacht sind; er lässt sich auch nicht von Menschenhänden bedienen, als ob er etwas benötigen würde, da er doch selbst allen Leben und Odem und alles gibt. Und er hat aus einem Blut jedes Volk der Menschheit gemacht, dass sie auf dem ganzen Erdboden wohnen sollen, und hat im Voraus verordnete Zeiten und die Grenzen ihres Wohnens bestimmt damit sie den Herrn suchen sollten, ob sie ihn wohl umhertastend wahrnehmen und finden möchten; und doch ist er ja jedem Einzelnen von uns nicht ferne; denn ‚in ihm leben, weben und sind wir‘, wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: ‚Denn auch wir sind von seinem Geschlecht.‘ Da wir nun von göttlichem Geschlecht sind, dürfen wir nicht meinen, die Gottheit sei dem Gold oder Silber oder Stein gleich, einem Gebilde menschlicher Kunst und Erfindung. Nun hat zwar Gott über die Zeiten der Unwissenheit hinweggesehen, jetzt aber gebietet er allen Menschen überall, Buße zu tun, weil er einen Tag festgesetzt hat, an dem er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat und den er für alle beglaubigte, indem er ihn aus den Toten auferweckt hat.

Apostelgeschichte 17,22-31

Skepsis gegenüber Jesus äußert sich unterschiedlich. Manche Menschen zucken die Schultern und wollen damit nichts zu tun haben. Andere springen darauf an, machen die Botschaft lächerlich und spotten. Und wieder andere sind offen feindlich: „Das, was du sagst, ist falsch, provokativ und gefährlich.“ Diese verschiedenen Reaktionen haben alle eins gemeinsam: Die Menschen sind skeptisch gegenüber Jesus.

Skepsis

In dieser Geschichte sehen wir, wie Paulus mit der Botschaft von Jesus auf solche skeptischen Menschen trifft. Seitdem sind 2000 Jahre vergangen. Die Kultur hat sich geändert, die technische Entwicklung ist vorangeschritten und die Weltanschauungen sind heute andere als damals. Aber eine Sache hat sich in den 2000 Jahren seitdem nicht geändert. Auch heute ist nach wie vor ein großer Teil unserer Gesellschaft skeptisch gegenüber Jesus – oder besser gesagt: Sie sind wieder skeptisch gegenüber Jesus. Deswegen bin ich überzeugt davon, dass diese Geschichte uns Prinzipien zeigt, wie wir auch heute eine skeptische Welt mit Gott konfrontieren können.

Athen

Als Paulus damals Athen betrat, war die griechische Metropole eine besondere Stadt. Für einige Jahrhunderte war Athen die politische Metropole des Mittelmeerraums gewesen. Aber diese Zeiten waren längst vorbei. Schon seit mehr als 200 Jahren war Athen Teil des römischen Reiches und damit politisch kaltgestellt.

Aber in einem anderen Sinn blieb Athen die Hauptstadt der Welt – nämlich die Hauptstadt der Philosophie und der Weltanschauungen. Jahrhundertealte Philosophien wurden in Athen gelehrt, Männer kamen aus dem gesamten Mittelmeerraum zusammen, um zu lernen und zu diskutieren. Athen war die Welthauptstadt der Ideen.

Und eines Tages betrat Paulus die Stadt. Er war alleine unterwegs. Und erstmal schien niemand von ihm Notiz genommen zu haben. Wie meistens ging er als erstes in die Synagoge (17,17). Aber schon bald fing er an, sich auf dem Marktplatz mit Nichtjuden zu unterhalten: Aber etliche der epikureischen und auch der stoischen Philosophen maßen sich mit ihm. Und manche sprachen: Was will dieser Schwätzer wohl sagen? Andere aber: Er scheint ein Verkündiger fremder Götter zu sein! Denn er verkündigte ihnen das Evangelium von Jesus und der Auferstehung (17,18).

Skepsis und Pluralismus

Das ist Skepsis pur. Und – wie bereits erwähnt – ich glaube diese Art der Reaktion begegnet uns auch heute andauernd. Selbstverständlich gibt es Unterschiede: Damals war Jesus der absolut Fremde und Neue. Heute ist Jesus der Alte, den wir aufgeklärten Europäer doch längst hinter uns gelassen haben.

Aber die Skepsis ist ganz ähnlich. Von Schulterzucken bis zu offener Aggression reichen die Reaktionen der allermeisten Menschen.

Und dazu kommt damals wie heute die Überzeugung, dass zumindest in vielen Punkten jeder seine eigene Wahrheit, seine eigene Weltanschauung haben sollte. Die Skepsis wird also durch den Pluralismus gefördert.

Es sind genau diese Skeptiker, die Paulus mit der Wahrheit des Evangeliums konfrontiert. Und ich bin davon überzeugt, dass wir sehr viel von ihm für heute lernen können.

Das Thema lautet: Wie wir eine skeptische Welt mit Gott konfrontieren können

  1. Verstehe die Feindschaft gegen Gott
  2. Verwende das Wissen über Gott
  3. Verdeutliche das Wesen Gottes
  4. Verkündige die Umkehr zu Gott

Wenn man heute nach christlichen Büchern sucht, die sich damit beschäftigen, wie man den skeptischen Deutschen von heute mit dem Evangelium erreichen kann, dann landen viele dieser Bücher ziemlich schnell bei dieser Begebenheit: Paulus in Athen.

Das hat seine Berechtigung. Die Gemeinsamkeiten zwischen den Athenern damals und den Deutschen heute sind wirklich erstaunlich, wie wir bereits gesehen haben.

Eine neutrale Diskussion?

Und doch übersehen viele dieser Bücher eine entscheidende Sache. Häufig stellen sie diese Geschichte so dar, als ob sich Paulus und die Athener zu einem „neutralen“ Austausch ihrer Ideen getroffen hätten. Es hört sich dann so an, als hätten wir hier eine Art antiken Stammtisch.

Die Botschaft ist dann oft: Wir sollten als Christen auf dem Markt der Weltanschauungen unsere Sache präsentieren. Und weil wir die besten Argumente haben, werden wir hier und da Menschen überzeugen.

Daran ist einiges richtig: Wir sollen selbstverständlich unseren Glauben freundlich und sanftmütig weitergeben und verteidigen. Aber diese Ansätze übersehen oft, dass das Christentum eben nicht einfach eine weitere Weltanschauung ist. Gerade weil das Christentum wahr ist und diesen Wahrheitsanspruch auch ganz klar vertritt, führt das zu einem offenen und deutlichen Gegensatz zu allen anderen Weltanschauungen. Denn: Die anderen Weltanschauungen sind nicht nur anders, sie sind nicht nur falsch, sie sind offene Feindschaft gegen Gott. Diese Feindschaft müssen wir begreifen, wenn wir eine skeptische Welt wirklich mit Gott konfrontieren wollen.

1. Verstehe die Feindschaft gegen Gott

Was wir hier in Athen sehen, ist keine Eskalation, wie sie Paulus kurz zuvor in Philippi oder Thessalonich erlebt hatte. Aber es ist eben auch kein netter Austausch über einige nebensächliche weltanschauliche Unterschiede.

Von Anfang an wird der tiefe Graben zwischen der Wahrheit des Evangeliums und der Lüge aller anderer Weltanschauungen deutlich – und zwar von beiden Seiten.

Aus der Perspektive der Wahrheit wird das in Vers 16 deutlich: Während aber Paulus in Athen auf seine Begleiter wartete, ergrimmte sein Geist in ihm, da er die Stadt so voller Götzenbilder sah. Als erstes erfahren wir über Paulus in Athen, dass er richtig wütend wurde.All die Götzenbilder und Götzenaltäre waren der sichtbare Ausdruck der falschen Weltanschauungen, die in Athen zu Hause waren. Andere Weltanschauungen sind eben nicht einfach nur anders. Sie sind Götzendienst. Sie sind ein Verstoß gegen das erste Gebot.

Aus der Perspektive der anderen Weltanschauungen sehen wir die Spannung in Vers 19: Und sie [die Philosophen] ergriffen ihn und führten ihn zum Areopag und sprachen: Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die von dir vorgetragen wird?

Das Wort für ergreifen, wird an anderer Stelle in der Apostelgeschichte dafür verwendet, dass Paulus festgenommen wird (z.B. in Apg 21,33). Hier wurde er zwar nicht festgenommen, aber es wird doch deutlich: Von Anfang an bestand eine Spannung zwischen Paulus und den Athenern. Sie luden ihn nicht auf ein entspanntes Gespräch beim Bierchen ein. Sie zerrten und schoben ihn vielmehr auf diesen Hügel namens Areopag, wo normalerweise die wichtigen Fragen Athens diskutiert wurden.

Tatsächlich waren sie auch neugierig (17,20-21). Aber sie waren nicht neutral, sondern sie kamen feindselig, eben: skeptisch.

Ein tiefer Graben

Beide Seiten wissen, dass man sich hier nicht zum Kaffeekränzchen trifft. Es geht hier um wahr und falsch. Es geht hier um Freundschaft und Feindschaft gegenüber Gott. Es gibt hier einen tiefen Graben zwischen uns.

Dieser Graben erklärt, warum vielleicht einige deiner Freunde und Familienmitglieder es völlig in Ordnung finden würden, wenn du mit Yoga anfängst oder dir eine Buddhafigur in den Vorgarten stellst, während sie ein ernsthaftes Problem mit deinen christlichen Überzeugungen haben.

Dieser Graben erklärt, warum christliche Werte in unserem Land zunehmend mit Füßen getreten werden, während der Islam von so vielen auf Händen getragen wird. Diese Welt ist kein Markt der Weltanschauungen, wo derjenige mit den besten Argumenten automatisch gewinnt.

In dieser Welt gibt es die Wahrheit und lauter Lügen. Und dazwischen befindet sich ein tiefer Graben, den nur der Heilige Geist überwinden kann. Mach dir das klar, wenn du mit deinen Familienmitgliedern, Kommilitonen, Klassenkameraden, Nachbarn oder Freunden über Jesus redest. Sei nicht überrascht, wenn sie das nicht gut aufnehmen. Es ist normal.

Und es ist ebenso normal, wenn dich die Gottlosigkeit unserer Gesellschaft wütend macht. Es ist normal, wenn es dich aufwühlt, dass dein König lächerlich gemacht wird, dass seine Schöpfungsordnungen mit Füßen getreten werden oder dass Leute eher bereit sind, den größten Blödsinn zu glauben, als sich ihrem Schöpfer zu unterwerfen.

Ganz im Gegenteil: Wenn dich die Gottlosigkeit unserer Kultur kalt lässt, dann solltest du dir Gedanken machen. Gott ist ein eifersüchtiger Gott. Wenn wir dem offenen Götzendienst unserer Gesellschaft begegnen und nicht etwas von seiner Eifersucht widerspiegeln, stimmt etwas nicht.

Mit Sanftmut und Ehrerbietung

Es gibt so etwas wie einen berechtigen, sogar gebotenen Zorn. Aber es ist genauso wichtig, dass sich dieser Zorn nicht gegen die Menschen als solche richtet. Petrus ermahnt uns deshalb: Seid aber allezeit bereit zur Verantwortung gegenüber jedermann, der Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, [und zwar] mit Sanftmut und Ehrerbietung (1Pt 3,15).

Paulus ist hier dafür das beste Beispiel. Er ist wirklich zornig über den Götzendienst. Und die Athener sind zornig auf ihn und zerren ihn recht rabiat auf den Areopag. Und wie beginnt Paulus seine Rede? Da stellte sich Paulus in die Mitte des Areopags und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr in allem sehr auf die Verehrung von Gottheiten bedacht seid! (17,22)

Das ist ungefähr das Freundlichste, was Paulus in der Situation sagen konnte. Keine Frage: Der Apostel kommt jetzt sehr deutlich auf die Unterschiede zwischen der Wahrheit und der Lüge zu sprechen. Der ganze Paulus mit seinem Denken und seinen Emotionen hatte diesen Graben voll und ganz erfasst. Und trotzdem begegnete er den Menschen maximal freundlich.

Das ist genau die große Herausforderung, vor der du in dieser Welt immer wieder stehst. Einerseits geht es darum, feste Überzeugungen zu haben und diese klar und unmissverständlich rüberzubringen. Und gleichzeitig ist es wichtig, den Menschen freundlich zu begegnen mit aller Sanftmut und Ehrerbietung, wie Petrus es fordert.

Paulus kommt jedoch den Athenern nicht nur mit seiner freundlichen Ansprache entgegen. Auch während seiner Predigt knüpft er immer wieder an die Überzeugungen seiner Zuhörer an.

2. Verwende das Wissen über Gott

Zwischen unseren christlichen Überzeugungen und allen anderen Weltanschauungen gibt es einen tiefen Graben. Und trotzdem ist nicht alles an anderen Weltanschauungen falsch. Andere Philosophien oder Religionen sehen oft viele Bereiche falsch, dafür aber eben andere richtig. Das zeigt dann auf der einen Seite den deutlichen Graben zum Christentum. Es bedeutet aber, dass es für uns Christen immer Punkte bei der Überzeugung unseres Gegenübers gibt, an die wir anknüpfen können.

Genau das tut Paulus hier: Denn als ich umherging und eure Heiligtümer besichtigte, fand ich auch einen Altar, auf dem geschrieben stand: ‚Dem unbekannten Gott‘. Nun verkündige ich euch den, welchen ihr verehrt, ohne ihn zu kennen (17,23). Die Athener haben zwar die falschen Götter angebetet. Aber immerhin haben sie überhaupt angebetet.

Geeignete Anknüpfungspunkte

Sie wussten durch ihr Nachdenken, dass es mehr geben muss als ihre zahlreichen Götter. Deswegen errichteten sie diesen Altar nach dem Motto: „Da muss es noch mindestens einen Gott mehr geben, den wir nicht kennen. Also bauen wir ihm sicherheitshalber einen Altar.“

Und später in seiner Predigt zitiert Paulus zwei Mal griechische Dichter: denn (Zitat 1): ‚in ihm (Gott) leben, weben und sind wir‘, wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben (Zitat 2): ‚Denn auch wir sind von seinem (Gottes) Geschlecht.‘

Das waren jahrhundertealte Zitate von bekannten griechischen Dichtern. Die meisten Zuhörer werden sie gekannt haben. Diese griechischen Dichter dichteten diese Dinge über Zeus, den höchsten griechischen Gott.

Und Paulus knüpft daran an. Er sagt im Prinzip: „Der Gott, über den eure Dichter das gesagt haben, den gibt es nicht. Dafür ist aber diese Aussage wahr über den wahren Gott – über den Gott, den ich euch predige.“

Wir sehen also, wie Paulus an das Wissen und das Weltbild der Athener anknüpft. Und es anschließend von da aus auf den Kopf stellt.

Wieso funktioniert das? Wir haben doch eben von der Feindschaft der Weltanschauungen gehört. Entweder Wahrheit oder Lüge.

Es funktioniert natürlich nur deswegen, weil der Heilige Geist wirkt. Aber es gibt noch eine weitere Antwort: Die Anknüpfungspunkte können eine Brücke sein, weil jeder Mensch, auch wenn er gegen Gott rebelliert, immer noch Spuren des Ursprünglichen in sich trägt. Jeder Mensch ist als Bild Gottes geschaffen. Dieses Bild ist in Menschen, die Gott nicht kennen, zwar ruiniert. Aber genau wie so eine Burgruine uns immer noch erahnen lässt, wie die prächtige Burg einmal ausgesehen hat, genauso hat jeder Mensch eine Ahnung und ein Wissen über Gott, auch wenn er gegen Gott rebelliert.

Eine Ahnung des Wahren

Wie sieht diese Ahnung aus?

In Römer 1 erklärt Paulus, dass jeder Mensch von der Existenz Gottes weiß. Das bedeutet: Menschen, die Gott leugnen, unterdrücken dieses Wissen (1,18-20). Anschließend zeigt Paulus im selben Kapitel, dass jeder Mensch ein Anbeter ist. Wenn jemand also nicht den wahren Gott anbetet, betet er irgendetwas anderes an (1,21-25). In Römer 2 führt Paulus schließlich aus, dass jeder Mensch durch sein Gewissen zumindest grundsätzlich weiß, was richtig und was falsch ist (2,14-15). Gott hat sein Gesetz, zumindest in Grundzügen, auf das Herz eines jeden Menschen geschrieben.

Dazu kommt, dass jeder Mensch in Gottes Welt lebt, die Gott nach seinen Schöpfungsordnungen gemacht hat. Gegen diese Welt kann man zwar rebellieren, aber man kann ihre Grundsätze nicht ändern oder abschaffen. Deswegen ist es logisch, dass das neue Selbstbestimmungsgesetz[1] Ausnahmen oder Einschränkungen erhält, wo dann doch wieder das biologische Geschlecht ausschlaggebend ist. Man kann versuchen, gegen Gottes Schöpfungsordnungen zu rebellieren, aber man wird ziemlich schnell an die Grenzen stoßen.

Jeder weiß etwas

Jeder Mensch weiß also grundlegende Dinge über Gott – dass Gott existiert, dass man ihn anbetet, was vor ihm richtig und falsch ist. Und an dieses Wissen können und sollen wir anknüpfen.

Wir sehen das hier bei Paulus, der den Athenern zeigt: „Ihr und eure Dichter, ihr habt irgendeine Ahnung von Gott. Der Inhalt eures Gottesbildes ist zwar falsch, aber die Ahnung ist richtig.“ Und er knüpft an dieser Ahnung an, um ihnen die gute Nachricht von Jesus Christus zu bringen.

Anknüpfen heute

Wie kann das heute aussehen, dass wir das Wissen über Gott in unserem Gegenüber berücksichtigen?

Vielleicht ist jemand in deinem Bekanntenkreis, der eine tiefe Sehnsucht hat. Er versucht, diese Sehnsucht auf ungesunde Weise zu stillen. Du zeigst ihm liebevoll, dass das Problem nicht die Sehnsucht, sondern der Ort ist, wo wir oft hingehen, um unsere Sehnsüchte zu stillen. Denn nur beim wahren Gott kommt dein Herz wirklich zur Ruhe. Hier wird die Sehnsucht zum Anknüpfungspunkt, wie es Augustinus auf den Punkt gebracht hat: „Zu dir, Herr, hast du uns geschaffen und ruhelos ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.“

Oder du lernst jemanden kennen, der in der Esoterik drin ist. Und du machst deutlich: „Ich glaube auch, dass es viel mehr gibt als diese sichtbare, materielle Welt.“ Das ist der Anknüpfungspunkt. Und von da aus gehst du dann weiter und zeigst die Wahrheit und die Schönheit der unsichtbaren Welt auf – aber einer Welt, in der Jesus der König ist.

Identität und Zugehörigkeit

Ein drittes Beispiel stammt aus dem Heidelberger Katechismus. Das ist auf den ersten Blick irritierend oder überraschend: Wie kann ein fast 500 Jahre altes Dokument uns dabei helfen, den Menschen von heute mit dem Evangelium zu erreichen?“

Die bekannte erste Frage des Katechismus lautet: „Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?“ Antwort: „Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir selbst, sondern meinem treuen Heiland Jesus Christus gehöre.“

In dieser ersten Frage und ihrer Antwort geht es um ‚Identität‘ und ‚Zugehörigkeit‘. Zwei ganz zentrale Themen der heutigen westlichen Kultur. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir in einer so ahistorischen Zeit leben, dass wir manchmal glauben, die Menschen heute hätten ganz andere Sehnsüchte als die Menschen vor fast 500 Jahren. Schon damals war der Mensch das gleiche Ebenbild Gottes und deshalb auf der Suche nach Antworten auf dieselben Fragen: „Wer bin ich?“ Und: „Wo gehöre ich ultimativ hin?

Auch daran können wir anknüpfen. Denn unsere heutige Kultur sagt: „Du findest deine Identität und dein Zugehörigkeitsgefühl durch Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung.“ In diesem Punkt wird unsere postmoderne und skeptische Kultur plötzlich sehr bestimmend und absolut. Und darauf kannst du antworten mit der Antwort auf die erste Frage des Katechismus, indem du sagst: „Es ist normal und richtig, dass du Fragen nach Identität und Zugehörigkeit stellst. Das sind Fragen, die Menschen zu jeder Zeit und an jedem Ort stellen. Aber du findest deine Identität und deine Zugehörigkeit nicht durch Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung, sondern durch Selbstverleugnung.“ Der einzige (!) Trost für uns Menschen ist, dass wir eben nicht uns selbst, sondern unserem Schöpfer und Erlöser gehören.

Grenzen des Anknüpfens

Es gibt unzählige Möglichkeiten, das Wissen über Gott in deinem Gegenüber zu gebrauchen – selbst wenn er dem Christentum total skeptisch gegenüber ist. Wir sollen sie unbedingt gebrauchen, aber wir dürfen sie auch nicht überschätzen.

Diese Dinge sind nämlich nur das: Anknüpfungspunkte, um von dort zum Eigentlichen zu kommen. Und beim Eigentlichen geht es dann plötzlich um die tatsächlichen Unterschiede der Weltanschauungen – ganz besonders um das Gottesbild.

3. Verdeutliche das Wesen Gottes

Der Hauptteil der Predigt, die Paulus auf dem Areopag hält, handelt von Gott und seinem Verhältnis zu uns Menschen. Der Apostel beleuchtet dabei zwei ‚Seiten‘ von Gott.

Die Stoiker und die Erhabenheit Gottes

Einerseits verkündet er den von dieser Welt unabhängigen Gott, den allmächtigen, unsichtbaren, erhabenen Gott. Theologen sprechen in diesem Zusammenhang von der Transzendenz Gottes: Er ist der Herr des Himmels und der Erde und wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind (17,24). Er lässt sich nicht von Menschenhänden bedienen, als ob er etwas benötigen würde (17,25). Er regiert über Orte und Zeiten dieser Welt und bestimmt den Lebensraum des Menschen (17,26). Er besteht nicht aus Gold, oder Silber oder Stein, er ist kein Gebilde menschlicher Erfindung. Im Gegenteil: Er hat sich den Menschen ausgedacht und ihn gemacht (17,29).

Paulus stellt hier so eindrücklich die Größe, Erhabenheit und Unabhängigkeit Gottes dar, weil viele Athener Stoiker waren (17,18). Die Stoiker glaubten, dass es eine Art göttliche Weltseele gibt, die in uns allen und in der ganzen Welt ist. Von daher sei irgendwie alles göttlich. Es bestehe kein wirklicher Unterschied zwischen Gott und der Schöpfung.

Solche Weltanschauungen nennt man pantheistisch. Heute gibt es zwar vermutlich keine Stoiker mehr, aber es gibt nach wie vor pantheistische Weltanschauungen. Buddhismus und Hinduismus funktionieren nach diesem Muster. Auch die grüne Ideologie, die von ‚Mutter Erde‘ oder ‚Mutter Natur‘ ausgeht und die hinter der Klimapolitik des Westens steht, ist pantheistisch.

Und gegen den Grundsatz ‚die-Welt-ist-göttlich‘ betont Paulus: Gott ist der allmächtige Schöpfer, der erhaben und unabhängig über dieser Schöpfung steht. Das richtete sich damals einerseits gegen die Stoiker, andererseits aber eben auch gegen alle, die diese Götzenstatuen aufgestellt hatten und glaubten, man könne Gott in ein Bild oder eine Statue pressen.

Die Epikureer und die Nähe Gottes

Paulus betont aber andererseits auch die zweite ‚Seite‘ Gottes: seine persönliche Nähe, seine Immanenz. Denn es gab in Athen nicht nur die Stoiker, sondern auch die Epikureer (17,18).

Für die Stoiker war Gott Teil dieser Welt, für die Epikureer hingegen waren die Götter so weit weg, dass wir mit ihnen nichts zu tun haben und sie sich nicht für uns interessieren. Die Epikureer waren keine Pantheisten, sondern faktisch Atheisten.

Während die Stoiker in unserer heutigen Zeit Parallelen mit fernöstlichen Religionen und auch mit der ‚Öko- und Klimareligion‘ hier im Westen haben, ähneln die Epikureer eher dem durchschnittlichen Menschen von heute, der sich selbst nicht für besonders religiös hält.

Die ‚Epikureer‘ von heute sagen sich: „Vielleicht gibt es einen Gott, aber mit dem habe ich nicht viel zu tun. Nach dem Tod ist wahrscheinlich alles aus. Deswegen versuche ich das Maximum an Spaß und Erfüllung aus diesem Leben hier herauszuholen.“

Gegen diese Weltanschauung verkündigt Paulus die Nähe Gottes: Wir haben es mit einem Gott zu tun, der die Menschen nicht nur gemacht hat, sondern der sich um die Menschen kümmert (17,26). Diesem Gott gegenüber sind die Menschen verantwortlich: Sie sollen ihn suchen, weil er nicht unerreichbar weit weg, sondern nah ist (17,27). Den Epikureern damals wie heute predigt Paulus also den Gott, der uns trotz seiner Größe nahekommt, der sich für uns interessiert und dem wir verantwortlich sind.

Konfrontation mit dem Gottesbild

Paulus spricht hier über das Wesen Gottes und die Beziehung dieses Gottes zu uns Menschen. Und er stellt damit die Weltanschauung von all den verschiedenen Philosophien auf den Kopf. Wo es um die Größe und Ferne Gottes ging, schüttelten die Stoiker vermutlich heftig den Kopf und die Epikureer waren zumindest nicht entschieden dagegen. Bei der Nähe Gottes war es wahrscheinlich genau andersherum.

Der wahre Gott ist ein Gott, der souverän und allmächtig alles unter seiner Kontrolle hat und über dieser Schöpfung steht. Und er ist gleichzeitig der Gott, der sich nicht zu schade war, Staub in die Hände zu nehmen, um uns Menschen daraus zu formen – ein Gott, der sich nicht zu schade ist, dich und mich auf seinen Armen zu tragen und sich zu um uns kümmern – ein Gott, der sich nicht zu schade war, selbst Mensch zu werden, um uns zurück in die Gemeinschaft mit sich selbst zu bringen.

Das Fass läuft über

Die Athener mit ihren völlig unterschiedlichen Gottesbildern hören sich das alles halbwegs geduldig an, bis Paulus plötzlich das Fass zum Überlaufen bringt. Denn an einer Stelle in seiner Predigt fängt er an, über die Auferstehung von Jesus zu reden (17,31). Und das geht gar nicht.

Denn: Die verschiedenen griechischen Philosophien sind zwar völlig unterschiedlich, aber eine körperliche Auferstehung haben sie alle abgelehnt – und zwar aus völlig unterschiedlichen Gründen: Die Stoiker glaubten an Reinkarnation, also an eine ständige Wiedergeburt. Für die Epikureer wartete das große Nichts nach dem Tod. Und für wieder andere war der Tod die Erlösung von ihrem Körper. Eine Auferstehung wäre für sie so etwas wie ein Rückfall in „schlimme Zeiten“ gewesen, als man noch in seinem Körper gefangen war.

Die Auferstehung hat sie plötzlich alle provoziert – egal welcher philosophischen Strömung sie angehörten. Zum ersten Mal in der Apostelgeschichte lesen wir davon, dass ein Apostel seine Predigt nicht zu Ende predigen kann (17,33). Auch hier sehen wir wieder diese Feindschaft.

Es ist eben kein netter Austausch über unterschiedliche Meinungen. Die Reaktionen sind so lautstark, dass Paulus nicht weiterredet, sondern einfach weggeht (V. 33) Es geht um Wahrheit und Lüge. Es geht sogar um Leben und Tod. Denn der allmächtige und doch persönliche Gott, dieser souveräne und doch fürsorgliche Gott wird eines Tages alle Menschen zum Gericht zusammenrufen. Und dann wird sich jeder Mensch vor ihm verantworten müssen.

Deswegen geht es bei unserer Botschaft auch nicht nur darum, dass wir den Menschen sagen, wie Gott ist. Vielmehr müssen wir sie konkret auffordern, von ihrem falschen Weg umzukehren, bevor es zu spät ist.

4. Verkündige die Umkehr zu Gott

Jetzt aber gebietet er allen Menschen überall, Buße zu tun, weil er einen Tag festgesetzt hat, an dem er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat und den er für alle beglaubigte, indem er ihn aus den Toten auferweckt hat (17,30-31).

An diesem Tag entscheidet sich, wo du, wo jeder Mensch die gesamte Ewigkeit verbringen wird. Aber die eigentliche Entscheidung fällt schon lange vorher.

Denn entweder du folgst irgendwelchen menschlichen Philosophien und Ideologien – egal ob sie stoisch, epikureisch, grün, esoterisch oder sonstwie sind – oder du kehrst um zu dem lebendigen Gott. Du bekennst ihm deine Sünden und vertraust ihm mit deinem ganzen Leben. Du kehrst um zu Jesus Christus, der für Sünder gestorben ist, aber der vor allem – und das zeigt Paulus hier – wieder auferstanden ist. Dann (und nur dann) wirst du nach deinem Tod ebenfalls auferstehen, so wie er auferstanden ist.

Wie reagierst du?

Dieser Aufruf zur Umkehr gilt für dich persönlich. Und er gilt, wenn du die Botschaft weitergibst. Es muss jedem Menschen klar werden, dass es nur zwei mögliche Reaktionen gibt: Ablehnung oder Umkehr.

Die Ablehnung kann verschiedene Formen annehmen. Viele spotteten, andere wollten zumindest mehr darüber hören (17,32). Die erste Gruppe ist ziemlich deutlich verloren, die zweite Gruppe ist zumindest auf einem guten Weg.

Aber klar ist auch: Interessiert zu sein, reicht nicht. Es geht darum, dass du ganze Sache mit Jesus Christus machst: Einige Männer aber schlossen sich ihm an und wurden gläubig, unter ihnen auch Dionysius, der ein Mitglied des Areopags war, und eine Frau namens Damaris, und andere mit ihnen (17,34).

Diese Menschen haben verstanden: Was dieser Paulus bringt, ist nicht einfach eine weitere philosophische Strömung oder Meinung. Es ist die Wahrheit.

Was bleibt?

Wenn man heute nach Athen fährt, wird man keine Stoiker oder Epikureer mehr treffen. Dafür gibt es in der Stadt 300 bis 400 christliche Kirchengebäude.

Keine Frage, vieles an der Theologie dieser Kirchen ist sehr problematisch. Und ein großer Teil der Gesellschaft hat auch im Alltag nichts mehr mit der Kirche zu tun. Wie so viele Menschen im Westen haben sich auch die Griechen andere Weltanschauungen gesucht. Und trotzdem sind die Kirchengebäude in Athen 2000 Jahre nach dem Besuch von Paulus ein Zeugnis dafür, welche durchschlagende Kraft die Botschaft des Evangeliums hat.

Während die griechischen Philosophien längst weitgehend untergegangen sind, ist das Christentum immer noch da. Der Graben der Skepsis gegenüber Jesus in unserer Gesellschaft ist tief –mindestens so tief, wie er damals in Athen war.

Aber wir dürfen wissen: Die Ideologien dieser Welt kommen und gehen. Die Wahrheit von Jesus Christus bleibt für immer. Amen.

Jochen Klautke ist Pastor der Bekennenden Evangelisch-Reformierten Gemeinde in Gießen und Dozent für Systematische und Historische Theologie an der Akademie für Reformatorische Theologie. Er ist verheiratet mit Natalie und Vater von drei Kindern.


[1] Siehe dazu: Strauß, Lukas: Selbstbestimmung oder Fremdbestimmung? Das Selbstbestimmungsgesetz im Licht der Bibel, in Bekennende Kirche 99 (Dezember 2024), S. 32-41.