Grußwort des Schriftleiters

Grußwort des Schriftleiters

Das Volk, das in der Finsternis wandelt, hat ein großes Licht gesehen; über den Bewohnern des Landes der Todesschatten ist ein Licht aufgeleuchtet.

Jesaja 9,1

In ihm (Jesus) war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen.

Johannes 1,4.5

Der 24. Juni letzten Jahres war für meine Frau und mich ein ganz besonderer Tag: Unser kleiner Josia erblickte das Licht der Welt.

Am Abend bekam ich dann mit, dass dieser Tag nicht nur für uns als Familie, sondern auch politisch ein außergewöhnlicher war. Sowohl in den USA als auch in Deutschland wurden an diesem Tag tiefgreifende Entscheidungen getroffen, die beide ebenfalls mit dem ungeborenen Leben zu tun haben.

Kultur des Todes und Kultur des Lebens

In den Vereinigten Staaten beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof mit dem Urteil Roe v. Wade aus dem Jahr 1973. Das Gericht hatte damals geurteilt, dass die US-Verfassung das Recht auf Abtreibung beinhalte. Diese Entscheidung wurde nun an diesem 24. Juni 2022 wieder aufgehoben.

Die Gegenrichtung schlug am selben Tag der Deutsche Bundestag ein: Er entschied mit den Stimmen der Ampel-Koalition und der Linkspartei, Paragraf 219a des Strafgesetzbuches zu streichen. Dieses Gesetz verbot bislang, für Abtreibungen zu werben. Die ursprüngliche Begründung für dieses Verbot war, dass Abtreibung in Deutschland nach wie vor strafrechtlich verboten ist (§ 218 StGB) und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt. Viele Beobachter – sowohl Befürworter als auch Gegner der Entscheidung – sehen in der Aufhebung des Werbeverbots nur einen ersten Schritt auf dem Weg zur tatsächlichen Legalisierung von Abtreibung in Deutschland.

Eine finstere Welt

Als ich unter dem Eindruck der Geburt meines eigenen Kindes an diesem Abend über die Entscheidung des Bundestags nachdachte, wurde mir wieder einmal die Dimension der Gottfeindlichkeit dieser Welt bewusst.

Aus diesem Grund beschreibt die Bibel die Welt immer wieder schonungslos als Finsternis (Jes 9,1; Joh 1,5). Diese Finsternis zeigt sich durch eine Kultur des Todes, die unbestreitbar in dieser Welt herrscht. Mit dem Begriff „Todesschatten“ verknüpft Jesaja das Bild der Finsternis und den Tod sehr eng miteinander.

Diese Kultur des Todes gibt es nicht erst, seitdem im Westen über Abtreibung diskutiert wird. Sie zieht sich seit dem Sündenfall durch alle Epochen, Königreiche und Ideologien der Weltgeschichte.

Jesus und die Kultur des Todes

So war es auch zu der Zeit, als Jesus in unsere Welt kam. Kurz nach seiner Geburt mussten seine Eltern mit ihm nach Ägypten fliehen (Mt 2,13). König Herodes hatte von den Weisen mitbekommen, dass ein anderer König in Bethlehem geboren sei. Aus Angst um seinen Thron richtete er ein furchtbares Massaker unter den Neugeborenen in und um Bethlehem an, um den Konkurrenten aus dem Weg zu schaffen (Mt 2,16-18).

Durch dieses Massaker zeigte die Welt ihr finsterstes Gesicht. Herodes opferte die Kinder seiner Untertanen auf dem Altar des eigenen Ichs. Matthäus beendet seinen kurzen Bericht über diesen Massenmord mit einem herzzerreißenden Zitat aus dem Propheten Jeremia:

Eine Stimme ist in Rama gehört worden, viel Jammern, Weinen und Klagen; Rahel beweint ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen, weil sie nicht mehr sind.

Mt 2,18; s.a. Jer 31,15

Wenn wir als Christen im Westen die Welt um uns herum betrachten, dann haben wir oft nicht auf dem Schirm, wie finster es wirklich um ihren Zustand bestellt ist. Bei all dem Schönen und Guten, was es in dieser Welt zweifellos gibt – geistlich gesehen liegt sie in völliger Finsternis. Aus geistlicher Perspektive sollten uns die guten Dinge viel mehr überraschen (wie zum Beispiel die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der USA), als die furchtbaren uns schockieren.

Die Welt braucht das Leben

Diese Welt brauchte ein Licht – damals vor 2000 Jahren, genauso wie sie es heute braucht. Denn sie lebt nicht nur in der Finsternis, sie merkt es nicht einmal (…hat es nicht begriffen Joh 1,5).

Diese Welt braucht ein Licht, das der Kultur des Todes eine Kultur des Lebens entgegensetzt. Deswegen wurde Gottes Sohn Mensch. In ihm war das Leben, schreibt Johannes über Jesus. Während Jesaja die enge Verbindung von Finsternis und Tod deutlich macht, zeigt uns Johannes die enge Verbindung von Licht und Leben. Später sagt Jesus über sich selbst sogar: „Ich bin das Licht“ (Joh 8,12) und „Ich bin das Leben“ (Joh 11,25; 14,6).

Während Matthäus berichtet, wie die Welt durch Herodes ihr finsterstes Gesicht zeigte, gibt uns Lukas einen ersten Vorgeschmack auf die Kultur des Lebens, die durch Jesus in diese Welt hineinbricht (Lk 1,39-45):

Maria hatte gerade von ihrer Schwangerschaft erfahren und besuchte ihre wesentlich ältere, eben-falls schwangere Verwandte Elisabeth. Beide waren nur durch ein Wunder schwanger geworden: Elisabeth war eigentlich zu alt (Lk 1,7), Maria war noch Jungfrau (Mt 1,18).

Die Kultur des Lebens

Der gesamte Bericht über diesen Besuch feiert das Leben: Maria grüßt Elisabeth (Lk 1,40), der noch ungeborene Johannes hüpft vor Freude in Elisabeths Bauch (Lk 1,41.44). Elisabeth wird mit Heiligem Geist erfüllt und segnet Maria (Lk 1,42-45). Prophetisch spricht sie davon, dass Maria die Mutter ihres Herrn ist (Lk 1,43). Lukas macht deutlich, dass die beiden Embryos auch bereits im Bauch wirkliche Menschen sind. Es war nicht Elisabeths Bauch, der vor Freude hüpfte, sondern das Kind in ihrem Bauch. Und es war nicht Marias Bauch, den Elisabeth als ihren Herrn bezeichnet, sondern das Kind in Marias Bauch.

Lukas zeigt uns zwei Frauen, die voller Freude sind über die Kinder, die in ihnen heranwachsen. Dabei hatten es beide nicht einfach: Die eine war als Jungfrau schwanger geworden (was ihr vermutlich nur die wenigsten glaubten), die andere hatte einen Mann, der vorübergehend nicht mehr reden konnte (Lk 1,20.22). Aber sie freuten sich beide über das Leben in ihrem Bauch: Der eine Sohn ist die Stimme, die dem Licht den Weg bereitet. Der andere ist das Licht der Welt selbst. Der eine würde die Kultur des Lebens ankündigen, der andere würde sie in diese Welt bringen.

Und die Mütter der beiden feiern das – trotz ihrer schwierigen Situation.

Der Kontrast der beiden Kulturen

Diese Welt und ihre Kultur des Todes lehnt das Leben ab. Sie liebt leider die Finsternis mehr als das Licht (Joh 3,19). Aber jeder, der durch Gottes Gnade zu Jesus kommt, darf wissen: Bei ihm finde ich neues Leben, denn er ist gekommen, um mir Leben zu geben, sogar Leben im Überfluss (Joh 10,10).

Die Kultur des Todes – ob zu Herodes‘ Zeiten oder bei den heutigen Abtreibungsbefürwortern – zeigt sich dadurch, dass Menschen andere Menschen opfern, um (vermeintlich) besser zu leben.

Die Kultur des Lebens zeigt sich dadurch, dass Jesus sich selbst geopfert hat, damit andere durch seinen Tod und seine Auferstehung das wirkliche Leben finden.

Vielen Dank!

Am Ende dieses Jahres möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich ganz herzlich bei allen Lesern und Unterstützern zu bedanken. Sie haben durch ihr Interesse, Ihre Gebete und Ihre finanzielle Unterstützung dazu beigetragen, dass auch 2023 wieder vier Ausgaben der Bekennenden Kirche herausgebracht werden konnten. Wir wissen, dass Ihr Engagement keinesfalls selbstverständlich ist. Haben Sie vielen Dank dafür!

Leider waren die Spendeneingänge in diesem Jahr im Vergleich zu den Vorjahren etwas rückläufig. Umso mehr würden wir uns darüber freuen, wenn Sie die Arbeit weiterhin unterstützen und vielleicht sogar weitere Leser und Spender für diesen Dienst gewinnen könnten. Unser Anliegen ist es, dass wir die Bekennende Kirche weiterhin auf Spendenbasis versenden und so Christen, Gemeinden und Gemeindegründungen unterstützen können.

An dieser Stelle möchte ich auch allen Mitarbeitern herzlich für ihren so wichtigen und treuen Dienst danken. Nach wie vor geschieht sämtliche Arbeit an der Zeitschrift ehrenamtlich. Vielen Dank an alle Korrekturleser, die Verantwortlichen in der Buchhaltung, die Organisatoren des Podcasts und nicht zuletzt die Autoren der Artikel.

Es ist mein Gebet, dass Sie sich in der Advents- und Weihnachtszeit wieder neu freuen können über den, der als das Leben selbst in dieses Land der Todesschatten hineinleuchtet.

Ihr

Jochen Klautke