Vor rund 130 Jahren herrschte an deutschen Universitäten die Philosophie des Neukantianismus. Eine der Grundkategorien dieses Gedankengebäudes war die Trennung zwischen so genannten Seinsaussagen und Wertaussagen. Diese Weltsicht könnte uns verhältnismäßig gleichgültig sein, wenn sie nicht bis heute einen großen Einfluss auf die deutschsprachige Theologie hätte. Denn diese Denkweise führte bei Theologen zu der Ansicht, man könne die Seinsaussagen der Bibel auf Wertaussagen verkürzen. Konkret: Es reiche aus, nach der „Bedeutung“ des Gesagten zu fragen. Von diesem Boden aus konnte vor ungefähr 65 Jahren ein Rudolf Bultmann von der Auferstehung Christi in den höchsten Tönen sprechen. Aber er wollte damit keineswegs zum Ausdruck bringen, dass Christus am dritten Tag das Grab verlassen hat und dass ihn, so wie es das Neue Testament bezeugt, viele erblickt hatten (siehe: 1Kor. 15,5—8). Derartiges, so Bultmann, sei dem modernen Menschen nicht zuzumuten. Die Auferstehung müsse stattdessen so verstanden werden, dass Christus „kerygmatisch“, das heißt „in der Verkündigung der Gemeinde“ auferstanden sei. In neukantianischen Kategorien: Die Auferstehung Jesu war für ihn nicht eine „Seinsaussage“, sondern eine „Wertaussage“. Oder wie man es damals auch gerne formulierte: eine „Glaubens“aussage. Dabei muss allerdings deutlich sein, dass hier „Glaube“ eine völlig andere Bedeutung erhielt, als er in der Bibel hat. Glaube wurde hier zu einer Art irrationalem Paradox.
Bis heute sind diese Denkkategorien nicht verschwunden. Im Gegenteil. Leider vertritt man sie inzwischen auch in konservativen christlichen Kreisen. Allerdings wird dort die Trennung zwischen Seins– und Wert– bzw. Bedeutungsaussagen nicht im Blick auf die Heilstatsachen Christi gemacht, wie Jungfrauengeburt, Auferstehung oder Himmelfahrt, sondern man vollzieht diese Trennung gegenwärtig gerne, wenn es um die Weltentstehung geht. Von neukantianischem Boden aus können diese Leute einerseits den Darwinismus oder eine ähnliche Evolutionstheorie mit ihren Jahrmilliarden als „wissenschaftlich gesichertes Forschungsergebnis“ verbreiten und gleichzeitig von der „Schöpfung“ sprechen. Das geht bei ihnen deswegen so vortrefflich, weil sie bei ihrem Reden, zum Beispiel über das erste Kapitel der Bibel, den Bericht über die Schöpfung auf eine von den dort gemachten Seinsaussagen losgelöste „Verkündigungsabsicht“ verkürzen.
In dem folgenden Beitrag besteht der Verfasser darauf, dass das Wort Gottes das, was und wie es über die Entstehung dieser Welt berichtet, auch meint.
Welcher Gott fehlte den Athenern, diesen Menschen, die wegen ihrer Weisheit sehr angesehen waren? Welcher Gott konnte überhaupt diesem weisesten Volk im ersten Jahrhundert fehlen? Paulus bezeichnete diesen Gott als den Gott, der alles gemacht hat, den Schöpfergott. Die Schöpfung und den, in dem alles geschaffen ist, Christus, hatten die Athener übersehen! Sie hatten geahnt, dass da etwas fehlen musste. Aber welcher Gott es war, war ihnen nicht klar. Paulus verkündete ihnen: Es ist der Gott, der alles gemacht hat (Apg. 17,23–28).
Wenn die Evangelische Kirche in Deutschland nunmehr verkündet, dass die Beschäftigung mit der Schöpfung dem Evangelium schade, beweist das einmal mehr, wie weit sie sich von Grundaussagen der Heiligen Schrift entfernt hat.
Im Zusammenhang mit dem Plan, einen Park zu eröffnen, in dem diese Welt als Schöpfung Gottes erklärt wird, äußerten sich führende Männer der EKD in einem Artikel in der Welt. Der württembergische Weltanschauungsbeauftragte Hansjörg Hemminger ließ verlautbaren: „Ein solches Projekt steht uns bei der Vermittlung des Glaubens nur im Weg“. Bischof Wolfgang Huber wusste: „Die Schöpfungslehre missbraucht die Bibel! Insbesondere die ersten drei Kapitel aus dem ersten Buch Mose“.1
Ganz anders dagegen haben die Apostel über die Schöpfung gedacht und gesprochen. Bei ihnen stand sie ganz am Anfang ihrer Verkündigung. Mit ihr begann die Botschaft des Evangeliums, durch das Menschen zum Glauben und zum Heil finden (Röm. 1,18ff.)! Von wegen Missbrauch!
In dem ersten uns nach Pfingsten überlieferten Gemeindegebet rufen die Christen in Jerusalem einmütig zu Gott: „Herr, du bist der Gott, der den Himmel und die Erde und das Meer gemacht hat und alles, was darinnen ist“ (Apg. 4,24).
Dass Gott alles geschaffen hat, ist Voraussetzung und Grundlage der Verkündigung der Apostel. Sie ist es deswegen, weil es ohne das Wissen darum, dass Gott diese Welt geschaffen hat, keinen rechten Glauben geben kann!
Die Schöpfung wird auch durchgehend im Alten Testament verkündet, so zum Beispiel in den Zehn Geboten. Hier haben wir ebenso wie im ersten Kapitel der Heiligen Schrift den eindeutigen Verweis darauf, dass Gott die Welt in sechs Tagen geschaffen hat und dann dem Menschen einen Tag zur Ruhe geschenkt hat! Diesen Rhythmus von Arbeit und Ruhe für den Menschen begründet Gott damit, dass er selbst diese Welt in sechs Tagen geschaffen hat und am siebten Tag ruhte (2Mos. 20,8–11). Ohne Schöpfung wird also auch das Gesetz ausgehöhlt. Man benötigt dann sehr abstrakte Gedankenkonstruktionen, um das Gesetz irgendwie in dieser Wirklichkeit zu verankern. Es ist kein Wunder, dass viele Christen im Leben straucheln, wenn ihnen die Basis entzogen wird.
Machen wir uns nichts vor: Einem schriftgemäßen Glauben kann die Lehre von der Schöpfung nicht im Wege stehen, nur einem Irrglauben! Dass Gott das, was ist, geschaffen hat, ist eine Wahrheit, die sowohl im Alten Testament als auch im Neuen Testament verankert ist.
Das Wissen, dass die uns umgebende Wirklichkeit nicht auf einen Urknall zurückzuführen ist, sondern auf das machtvolle, schöpferische Wort Gottes, so wie es uns im ersten Kapitel der Heiligen Schrift berichtet wird, führt dann in die Furcht Gottes. Die Erkenntnis der Schöpfung ist ein unverzichtbarer Halt für Menschen, gerade auch in der Anfechtung (siehe Hiob 38ff.). Sie verweist uns auf Gottes ewige Kraft und Gottheit, das heißt, auf sein unsichtbares Wesen (Röm. 1,20)! Dieser Schöpfer, so schreibt der Apostel, sei „hoch gelobt in Ewigkeit. Amen.“ (Röm. 1,25).
1) Siehe dazu den Artikel: www.welt.de/wissenschaft/article2046773/Kreationisten_wollen_Freizeitpark_in_Deutschland.html.