„Und Adam gab seiner Frau den Namen Eva; denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen“ (1Mos. 3,20).
1. Eva – eine merkwürdige Namensgebung
Auf den ersten Blick erscheint die Kluft gigantisch, die sich auftut zwischen der Namensgebung Adams und dem, was Gott unmittelbar vorher verkündet hatte.
Gerade hatte Gott sein Gerichtsurteil über die Menschen gesprochen. Er hatte die Frau wissen lassen, dass ihre Schwangerschaft mit Mühen begleitet sein wird und dass ihr Gebären unter Schmerzen erfolgen wird (1Mos. 3,16). Gott hatte erklärt, dass er den Erdboden verflucht, sodass Adam sich von nun an nur mit großer Mühsal davon wird ernähren können (1Mos. 3,17.18). Alle diese Gerichtsworte mündeten in das Todesurteil: „Denn du bist Staub, und zum Staub wirst du wieder zurückkehren“ (1Mos. 3,19). Es war eine niederschmetternde, todeszentrierte Ankündigung.
Gleich darauf lesen wir, dass Adam seiner Frau den Namen Eva gab. Eva heißt übersetzt „Leben“ oder „Lebendige“ oder „Lebensspenderin“. Wie auch immer man den Namen übersetzen möchte, er ist auf jeden Fall das genaue Gegenteil dessen, was Gott unmittelbar davor über die Menschen verhängt hatte.
Hätte Adam von daher seine Frau nicht richtiger nennen müssen „Todgeweihte“ oder „Mutter allen Todes“? Warum gab Adam seiner Frau den Namen Eva?
Der Grund dafür war nicht Rebellion gegen das Urteil Gottes. Schon gar nicht war es ein Murren im Sinn von: „Ich weiß es besser als du, Gott!“ Die Namensgebung Eva war vielmehr dadurch veranlasst, dass Adam nicht nur die letzten Sätze gehört hatte, die Gott gesprochen hatte. Adam war auch Ohrenzeuge von dem geworden, was Gott der Schlange kundgemacht hatte. Gott hatte ihr mitgeteilt, er werde Feindschaft stiften zwischen der Schlange und der Frau und zwischen dem Samen der Schlange und dem Samen der Frau. Und letzterer werde der Schlange den Kopf eintreten (1Mos. 3,15).
Adam hatte das gehört, und er hatte verstanden, dass der Tod nicht das letzte Wort haben wird. Es wird einmal Rettung kommen. Auch wenn auf die Menschheit nun eine Lawine von Mühsal, quälenden Entbehrungen und aufreibenden Anstrengungen kommen wird, an deren Ende stets der Tod steht. Aber dies wird nicht endgültig sein. Es wird einmal jemand kommen, der dem schrecklichen Leid und der Tyrannis des Todes ein Ende bereiten wird. Das war der Grund, warum Adam seine Frau Eva nannte.
2. Eva – die zweite Namensgebung
Eva war der zweite Name, den Adam seiner Frau gab. Über die erste Namensgebung lesen wir im zweiten Kapitel des ersten Buches Mose. Die Heilige Schrift beginnt bekanntlich mit der Erschaffung der Welt. Die Welt ist nicht in Jahrmilliarden entstanden, sondern innerhalb von sechs Tagen. Im zweiten Kapitel wird uns dann die Erschaffung des ersten Menschenpaares detailliert geschildert.
Übrigens hat die ungläubige Welt den vom Geist Gottes inspirierten Bericht über die Entstehung der Welt und der ersten Menschen nie akzeptiert. Im Lauf der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung konstruierte sie eine Weltentstehungslehre aus gnostischen oder neuplatonischen Emanationen. Heute sucht sie alle möglichen Urknalltheorien als „wissenschaftlich gesicherte Forschungsergebnisse“ in die Hirne unserer Zeitgenossen zu hämmern.
Wenn man sich darauf einmal eingelassen hat, stößt das dritte Kapitel des ersten Buches Mose, in dem uns der Sündenfall der Menschen erzählt wird, auf Spott. Bestenfalls lässt man das hier Geschilderte als „Sinnbild“, als „Metapher“ oder als „Symbol“ gelten. Aber das Wort Gottes selbst will das hier Berichtete nicht irgendwie „chiffrenhaft“ oder „figurativ“ verstanden wissen, sondern als historischen Tatsachenbericht.
Dass es sich hier um Geschehnisse handelt, wird nicht zuletzt am Geschlechtsregister Jesu deutlich, das der Evangelist Lukas von Jesus bis zu Adam, ja bis zu Gott selbst zurückverfolgt (Luk. 3,27.28). Im Judasbrief lesen wir, dass Adam sieben Generationen vor Henoch lebte (Jud. 14). Der Apostel Paulus betont, dass Adam, der erste Mensch, ein lebendiges Wesen war (1Kor. 15,45). Er war also nicht ein literarisches Kunstprodukt. Im Alten Testament ist es zum Beispiel Hiob, der erwähnt, dass Adam seine Sünde bedeckt hatte (Hi. 31,33). Auch der Prophet Hosea erinnert an die Übertretung Adams als ein in Raum und Zeit geschehenes Ereignis (Hos. 6,7).
Als Gott dem Adam seine Frau brachte, rief er aus: „Das ist endlich Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch. Sie soll ‚Männin‘ (hebräisch: ischa) heißen, denn aus dem ‚Mann‘ (hebräisch: isch) ist sie genommen.“ (1Mos. 2,23)
Der erste Name, den Adam seiner Frau gab, war demnach ischa. Dieser Name war Ausdruck eines Hochzeitsgesangs. Adam verkündete auf diese Weise, dass sie, die ihm von Gott zugeführt worden war, Teil von ihm ist, dass sie mit ihm zusammengehört. Zuvor hatte Adam zahllose Tiere gesehen und ihnen Namen gegeben. Doch es war kein einziges Lebewesen darunter, das ihm entsprach. Nun aber hatte Gott dem Adam ein ihm entsprechendes Wesen zugeführt, sodass die beiden einander personal begegnen konnten. Adam freute sich. Er jubelte.
Doch nach diesem wunderschönen Anfang kam das, was in dieser Ehe zu einem tiefgreifenden Riss führte: Es kam die Sünde. Die Schlange trat an die Frau heran und lenkte das Gespräch auf den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen: „Ihr werdet keineswegs sterben. Vielmehr weiß Gott, dass durch das Essen von der Frucht des Baumes eure Augen geöffnet werden, und ihr sein werdet wie Gott und erkennen, was Gut und Böse ist“ (1Mos. 3,5). Die Frau begehrte „weise“ zu werden, und dadurch fiel sie von der Einfalt gegenüber dem ab, was Gott gesagt hatte (2Kor. 11,3). Sie wurde verführt (1Tim. 2,14), und sie verführte, indem sie ihrem Mann von der Frucht des Baumes gab.
Sobald die beiden davon gegessen hatten, wurden sie einander fremd. Die bis dahin bei ihnen herrschende Unmittelbarkeit und Harmonie löste sich schlagartig auf. Obwohl sie beide nackt waren, waren sie bis dahin nicht durch den Hauch einer Scham voneinander getrennt (1Mos. 2,25). Nun aber wurden „ihre Augen aufgetan„. Sie fertigten sich aus Feigenblättern Schurze, denn das Schamempfinden brach bei ihnen auf. Damit begann auch das Versteckspiel voreinander (1Mos. 3,7).
Aber nicht nur voreinander schotteten sie sich ab, sondern auch vor Gott suchten sie sich zu verbergen. Als Gott in den Garten Eden trat, versteckten sie sich. Gott rief: „Adam wo bist du?„
(1Mos. 3,9). Adams Antwort lautete: „Ich hörte deine Stimme im Garten und fürchtete mich, denn ich bin nackt, darum verbarg ich mich“ (1Mos. 3,10). Es war keineswegs nur die äußere Nacktheit, die die ersten beiden Menschen veranlasste, vor Gott wegzulaufen. Dass die beiden äußerlich nackt waren, war nicht der Grund, warum sie sich vor Gott verhüllten, sondern das Verstecken war die Folge ihrer inneren Blöße. Sie erfassten, dass nun eine Mauer zwischen ihnen und Gott war. Sie begriffen, dass Satan sie belogen hatte.
Aber anstatt auf ihr Angesicht zu fallen und Gott für ihr Misstrauen um Vergebung zu bitten, versteckten sie sich und strickten an ihren eigenen Selbstschutzmaßnahmen. Sie schoben ihre Schuld auf andere. Auf die Frage Gottes, wer ihnen ihre Nacktheit kundgetan habe, ob sie von dem verbotenen Baum gegessen hätten, verwies Adam auf seine Frau: „Sie gab mir von dem Baum“ (1Mos. 3,12). Im Grunde machte Adam sogar Gott selbst für seine Übertretung verantwortlich. Schließlich war es ja Gott gewesen, der ihm eine solche Frau gegeben hatte: „Die Frau, die du mir zur Seite gegeben hast, die gab mir von dem Baum, und ich aß“ (1Mos. 3,12).
Aber all dieses Gerede sagt mehr über Adam aus als über die von ihm Bezichtigte. Offensichtlich fehlte bei ihm jede Bereitschaft, für seine Frau da zu sein, sie zu schützen. Auf diese Weise wurde deutlich, wie schnell Adam sich in die eigene Verlogenheit verstrickte, wie völlig verderbt er geworden war und wie abgrundtief er gegen Gott eingestellt war – er, der sehr gut aus der Hand Gottes hervorgegangen war und noch kurz zuvor über seine vollkommene ‚Männin‚ [ischa] gejauchzt hatte.
3. Eva – ein Bekenntnis zum Glauben an Gottes Kriegserklärung
Gott ging auf die Ausflüchte der Menschen überhaupt nicht ein. Vielmehr wandte er sich an die Schlange. Er stellte ihr keine Fragen. Vielmehr eröffnete er ihr eine Nachricht. Es war eine Botschaft von unversöhnlicher Feindseligkeit zwischen einerseits der Frau mit ihrer Nachkommenschaft und andererseits der Schlange mit ihrer Brut: „Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Er wird dir den Kopf zermalmen und du wirst ihm die Ferse zermalmen.“ (1Mos. 3,15)
Mit dieser Erklärung sprach Gott der Herr die Schlange an. Aber das, was er sagte, war in erster Linie für Adam und seine Frau bestimmt, ja insgesamt für die Menschheit. Und diese Botschaft war für sie herrliches Evangelium.
Es ist nicht leicht, das hebräische Wort, das wir eben gerade zweimal mit „zermalmen“ übersetzen haben, angemessen ins Deutsche zu übertragen. In den meisten Bibelausgaben wird das Wort unterschiedlich wiedergegeben, beim ersten Mal mit „zermalmen“ und beim zweiten Mal mit „stechen„. Aber im Hebräischen haben wir es beide Male mit demselben Wortstamm zu tun. Es ist möglich, dieses Wort auch zu übersetzen mit „überwältigen“ oder mit „feindlich angreifen“ (vergleiche Hi. 9,17). Auf jeden Fall ist deutlich, dass es hier um einen Kampf geht.
In dem, was Gott hier verkündete, geht es natürlich nicht um eine Erklärung darüber, warum Frauen Angst vor Schlangen haben. Zweifellos gibt es eine natürliche menschliche Abneigung gegenüber Schlangen. (Als ich kürzlich bei einem Spaziergang am Rhein ein solches Kriechtier unvermittelt erblickte, erschrak ich sehr.) Aber hier steht hinter der Schlange der Teufel (vergleiche Offb. 12,9).
Gott spricht hier faktisch zu Satan: Du hast zwar die, die ich in meinem Bild zu meinen Freunden geschaffen habe, zu meinen Feinden gemacht, und sie sind nun in deinen Herrschaftsbereich übergegangen. Aber wenn du dir einbildest, dass ich sie dir kampflos überlasse, dann irrst du. Ich werde sie für mich zurückgewinnen. Dazu werde ich eine Mauer errichten zwischen dir sowie deiner Nachkommenschaft und andererseits der Frau mit ihrer Nachkommenschaft. Und einmal wird aus dem Schoß der Frau jemand kommen, der dich besiegen wird, und dann wird er mir Menschen zurückgewinnen.
Was Gott hier sagte, ist atemberaubend. Es wäre zu erwarten gewesen, dass Gott sich von Adam und seiner Frau abgekehrt hätte, dass er sein angekündigtes Gerichtsurteil unverzüglich umgesetzt hätte: „An dem Tag, da du von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen isst, musst du gewisslich sterben“ (1Mos. 2,17). Aber das Überraschende ist, Gott kehrte sich von diesen Rebellen nicht ab. Er ließ nicht die Axt der Verdammnis über sie unverzüglich niedersausen. Stattdessen kam er zu den Menschen, und er verkündete ihnen in dem Dekret an die Schlange Rettung.
Das tat Gott, als die beiden noch in radikaler Feindschaft gegen ihren Schöpfer verharrten. Zu jenem Zeitpunkt waren sie noch keineswegs einsichtig oder gar bußfertig, vielmehr böse und nichtswürdig, verstrickt in ihren eigenen Lebenslügen und in jeder Weise gegenüber Gott arglistig eingestellt.
Aber trotzdem sprach Gott sein machtvolles Heilswort. Auf diese Weise offenbarte Gott sich als souveräner Retter-Gott. Jahrtausende später wird der Apostel Paulus Gott so nennen: „Retter-Gott“ (Tit. 1,3.4; 2,10; 3,4). Das ist sein Wesen und sein Name.
Das Todesurteil gegenüber den Menschen wird damit nicht aufgehoben. Von nun sind alle Menschen dem Tod verfallen. Es ist auch keineswegs so, dass dem Menschen von nun an die Sünde oder der Tod einfach lediglich anhaftet. Vielmehr steht er von nun an unter dem Gesetz der Sünde und des Todes (Röm. 8,2): Die Sünde und der Tod üben Herrschaft über ihn aus.
Bei Adam kam der Sterbeprozess erst nach 930 Jahren zum Abschluss (1Mos. 5,5). Auch Adams unmittelbare Nachfahren hatten zunächst noch eine nach unserem Empfinden verhältnismäßig lange Lebenserwartung (1Mos. 5). Erst nach der Sintflut kürzte Gott die Lebenszeit der Menschen ab, obwohl sie noch immer deutlich länger war, als bei uns heute (1Mos. 11,10-26). Jakob, der selbst 147 Jahre alt wurde (1Mos. 47,28), also älter als jeder heute lebende Mensch, war sich darüber im Klaren, dass seine Vorfahren noch kräftiger waren und noch wesentlich älter wurden (1Mos. 47,9).
Aber wie lange die Lebenszeit auch immer währt: Seit dem Sündenfall führt in dieser Welt der Tod seine grausame Despotie. Durch den Fall Adams herrscht der Tod unerbittlich über die gesamte Menschheit (Röm. 5,12.21; 1Kor. 15,21.22). Die gesamte Schöpfung ist der Nichtigkeit, dem Zerfall preisgegeben (Röm. 8,20). Alles Leben ist von nun an ein Sterben auf Raten geworden.
Angesichts dessen wie sich Adam und Eva während und unmittelbar nach dem Essen der verbotenen Frucht verhalten hatten, könnte man sich vorstellen, dass die beiden weiterhin gegenüber dem, was Gott gesagt hatte, im Unglauben verharren würden. Es war ja noch nicht so lange her, dass die ersten Menschen Gott für einen Lügner gehalten hatten.
Es wäre auch möglich gewesen, dass Adam nur auf die an ihn direkt gerichteten Worte Gottes geachtet hätte, um dann resignierend festzustellen: Es ist ja sowieso alles verloren, denn auf uns lauern nur noch Elend, Tod und Verdammnis.
Man könnte sich auch vorstellen, dass Adam angefangen hätte, sich nun in einen Aktivismus zu stürzen, also zum Beispiel sich erst einmal einen ganzen Vorrat von Feigenblätter-Schurzen zu basteln, um irgendwie sich selbst durch eigene Werke aus dem Elend herauszuwühlen, etwa nach der Devise des Philosophen Kant: Du kannst, denn du sollst. Oder auch im Sinn der Überlegungen eines Aristoteles oder eines Erasmus: Wenn der Mensch zu Lastern fähig ist, dann gebietet es die Vernunft, dass er auch zu Tugenden fähig ist.
Schließlich läge es auch nicht allzu fern zu vermuten, dass Adam wiederum sämtliche Schuld auf seine Frau geschoben hätte: Du warst es schließlich, die mich verführte und uns den ganzen Schlamassel eingebrockt hat …
Aber das alles tat Adam nicht. Vielmehr sprach nun ein Mann, dem vor Augen stand, was er angerichtet hatte. Er log seine eigene Schuld, seine Verlorenheit und seine innere Verderbtheit nicht weg. Er machte sich über seinen eigenen Bankrott keine Illusionen mehr. Anstatt zu verleugnen und schönzureden klammerte er sich an die Verheißung, die Gott gegeben hatte.
Der Kontrast zu dem, wie sich Adam kurze Zeit vorher verhalten hatte, ist offensichtlich. Als Adam und Eva noch in der ungetrübten Gemeinschaft mit Gott gelebt hatten, hatten die beiden Gott misstraut und dem Satan geglaubt. Nun, angesichts des Gerichts mit dem auf sie zurollenden Tod, glaubten sie nicht mehr dem Teufel, sondern der Rettungs-Verheißung. Es war die Gnade Gottes, die sie zur Umkehr führte: „Weißt du nicht, dass Gottes Güte dich zur Buße leitet?“ (Röm. 2,4).
Während die erste Namensgebung ein jubilierendes Liebeslied an seine Frau war, war die zweite Namensgebung Ausdruck von Adams Glauben. Sie war gegründet in der Gerichtsbotschaft an die Schlange. Bei aller von nun an über Adam und seine Nachkommenschaft verhängten Not, dem Verdruss und den Todesgerichten, hatte Adam der Kriegserklärung Gottes zugehört. Er warf sich auf das, was Gott gesagt hatte. Adam glaubte dem Wort Gottes.
Als Jahrtausende später Abraham in einer ganz anderen Situation ebenfalls dem glaubte, was Gott gesagt hatte, heißt es, dass Gott ihm diesen Glauben zur Gerechtigkeit rechnete (1Mos. 15,6; Röm. 4,17-22).
Auch bei Adam war dieser Glaube eine Überzeugung von Dingen, die er nicht sah (Hebr. 11,2). Die Namensgebung erfolgte zu einem Zeitpunkt, als Eva noch kein einziges Kind geboren hatte. Noch war sie nicht Mutter. Aber Adam glaubte Gott und nannte sie deswegen Eva: Leben.
4. Eva – ein Bekenntnis zur Hoffnung auf das Kommen des Retters
Aber Adam gab seiner Frau den Namen Eva nicht nur, weil er Gott jetzt für voll nahm, sondern weil Gott konkret von dem Samen der Frau gesprochen hatte, der der Schlange den Kopf zermalmen würde. Dies war Adams ganze Hoffnung. Durch dieses Wort aus dem Mund Gottes hatte Adam einen festen Grund für die Erwartung, dass einmal jemand kommen wird, der die Menschheit aus dem Machtbereich des Satans befreien wird.
Adam hatte verstanden: An dem von Gott festgelegten Rettungsweg wird ein Mann nicht beteiligt sein. Gott hatte von dem Samen der Frau gesprochen. Das war zweifellos ein mysteriöser Ausdruck, denn bekanntlich hat eine Frau keinen Samen. Ob Adam verstand, wie Gott die Rettung bewerkstelligen würde, können wir offenlassen. Vermutlich aber erahnte er die Richtung des Heilshandelns Gottes: Aus einer Frau, ohne Beteiligung eines Mannes, wird jemand kommen, der dem Satan und seiner gesamten Brut den Garaus machen wird.
Diese Zusage Gottes war offensichtlich nicht nur für Adam eine große Hoffnung, sondern auch für Eva. Das sehen wir daran, dass sie bei der Geburt ihres ersten Sohn ausrief: „Ich habe einen Mann erworben, den Jahwe“ (1Mos. 4,1). Viele Übersetzer haben nicht gewagt, hier wörtlich zu übersetzen. Sie übersetzen „… mit Hilfe Jahwes“ oder „… durch den Herrn„. Aber hier ist eindeutig der Akkusativ verwendet: den Jahwe.
Der, der dann geboren wurde, Kain, war für seine Eltern eine riesige Enttäuschung. Der Versuchung zur Sünde, die ihm hinterlistig auflauerte, hielt auch er nicht stand (1Mos, 4,7.8). Er ermordete seinen jüngeren Bruder. Diesen zweiten Sohn hatten die Eltern schon wesentlich vorsichtiger „Abel“ genannt, das heißt: Hauch, Nichtigkeit, Eitelkeit (1Mos. 4,1).
Nachdem die ersten Eltern ihre beiden Söhne verloren hatten, nannten sie ihren dritten Sohn Seth, zu Deutsch
„Ersatz“, „Stellvertreter“. Er erschien ihnen als ein „anderer Same“ (1Mos. 4,25.26).
Es ist deutlich: Eva legte ihre Schwangerschaften in die Hand des Herrn. Damit setzte sie ihre Hoffnung auf den Retter, der einmal aus der Frau kommen wird. Aber aus Eva kam der Retter nicht. Es vergingen noch Jahrtausende. Viele Frauen stellten sich die Frage: Bin ich es vielleicht, die den Retter gebären wird?
Denken wir zum Beispiel an Hanna. Sie litt unter ihrer Kinderlosigkeit sehr. Aber wenn wir dann ihr Lobgebet lesen, hat auch sie das Kommen des Gesalbten [Messias] im Blick (1Sam. 2,10). Von daher ist es wenig verwunderlich, dass Maria für ihr Magnificat stark auf Formulierungen Hannas zurückgriff (Luk. 1,46-55).
Als der Engel des Herrn zur Jungfrau Maria kam und ihr bekanntmachte, dass sie die unter den Frauen Gesegnete ist (Luk. 1,28), da war das nicht darin begründet, dass Maria frei von der Erbsünde war. Sie war auch nicht „voller Gnade“ [„plena gratia„], wie dieser Vers in der römisch-katholischen Bibelübersetzung bis zum heutigen Tag falsch wiedergegeben ist. Maria war nicht die Sündlose, und schon gar nicht war oder ist sie die „Gnadenspenderin“. Vielmehr war sie die Begnadigte (Luk. 1,28).
Sie durfte ihren Retter gebären (Luk. 1,47). Keineswegs war Maria die „Schlangenzertreterin“.1
Aber es war eben eine Frau, die Gott erwählte, den zur Welt zu bringen, der der Schlange den Kopf eintreten wird. Ohne Frage hätte Gott auch auf eine andere Weise den Heiland in diese Welt schicken können. Aber als die Zeit erfüllt war, kam der Sohn Gottes, geboren von einer Frau (Gal. 4,4). Aus dieser Perspektive ist die Namensgebung Eva das erste Bekenntnis zu der Erwartung auf das Kommen des Retters.
5. Eva – ein Bekenntnis zur ehelichen Liebe und zur Familie
Adams Namensgebung war aber nicht nur Ausdruck seines Glaubens und seiner Hoffnung, sondern auch seiner Liebe zu seiner Frau. Nachdem er Gott zugehört hatte, kam – unter den Bedingungen nach dem Sündenfall – seine Beziehung zu seiner Frau wieder in Ordnung.
Bei ihrer Erschaffung hatte Gott die Menschen gesegnet, und er hatte ihnen den Auftrag gegeben: „Seid fruchtbar und mehrt euch, und füllt die Erde…“ (1Mos. 1,28).
Es wäre denkbar, dass Adam und seine Frau aufgrund all des Leids und des Todes, die von nun an auf die Menschheit zurollen werden, erklärt hätten, in diese jammervolle und erbärmliche Welt wollten sie keine Kinder setzen. Aber nicht zuletzt angesichts dessen, was Gott auch gesagt hatte, ging ihr Denken in eine völlig andere Richtung. Es kamen nicht nur von nun an keinerlei Schuldzuweisungen an Eva über Adams Lippen, sondern beide ergriffen den mit der Ehe verbundenen Segen Gottes. Sie nahmen den Auftrag Gottes, Kinder zu zeugen und zu gebären, an. Sie sagten Ja zur Familie. Wenn man Adam und Eva über Schwangerschaftsverhütung oder gar Abtreibung interviewt hätte, ihre Antworten wären unzweideutig negativ ausgefallen.
Dies gilt bis zum heutigen Tag. Dass eine Frau ihre schöpfungsgemäße Erfüllung in der Mutterschaft findet, kommt in der Bibel bei einer Begebenheit eindrucksvoll zum Ausdruck. Es kamen einmal zwei Prostituierte zu Salomo. Beide hatten ein Kind geboren. Aber nach wenigen Tagen lebte nur noch eines der beiden Kinder. Welche Frau war die Mutter des noch lebenden Kindes? Salomo machte den Vorschlag, dann eben auch das noch lebendige Kind zu töten. Die Reaktion einer der Prostituierten machte offenbar, welche die Mutter war. Es war die, die ihr Kind um jeden Preis am Leben erhalten wollte (1Kön. 3,16-28).
Der Apostel Paulus betont, dass der Auftrag an die Frau, Kinder zu gebären, auch weiterhin gültig ist (1Tim. 2,15). Er ist also keineswegs mit der Geburt des Retters Jesus Christus zum Abschluss gekommen.
„Denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen“ (1Mos. 3,20). So geht der Satz weiter. Damit ist nicht nur gesagt, dass es keinen Menschen gibt, der nicht von Adams Frau abstammt. Es gibt keine so genannten Präadamiten. Adams Namensgebung ist ein uneingeschränktes Ja zur Elternschaft. Weil für Adam „Frau“ und „Lebensspenderin“ sinngleich sind, nannte er sie Eva.
6. Eva – ein Bekenntnis zu dem von Gott verordneten Heilsweg
Indem Adam seiner Frau den Namen Eva gab, setzte er sein Vertrauen nicht auf sie. Er glaubte nicht an seine Frau. Vielmehr vertraute er dem, was Gott gesagt hatte, namentlich der herrlichen Verheißung, die Gott der Herr gegeben hatte.
Dass die Frau nicht die Heilsbringerin sein wird, wird gleich im Folgenden daran ersichtlich, dass Gott die beiden ersten Menschen mit Tierfellen bedeckte (1Mos. 3,21). Mit dieser Tat brachte Gott nicht nur zum Ausdruck, dass Nacktheit (Nudismus) nach dem Sündenfall keine akzeptable Lebensform ist. Es ist heutzutage moralisch nicht mehr möglich, hinter die Zeit vor den Sündenfall zurückzugehen. Die Sünde und damit auch das Wissen um unsere Unvollkommenheit ist und bleibt jetzt bestimmende Realität in unserem Leben. Aber das ahnten Adam und Eva wohl auch selbst, als sie sich Schurze aus Feigenblättern anfertigten.
Mit den Tierfellen bestärkte Gott das Erfordernis zur Bedeckung der menschlichen Nacktheit. Aber als Gott die Feigenblätterschurze gegen Tierfelle auswechselte, ging es ihm nicht nur um die bessere Haltbarkeit der Tierfelle. Vielmehr zeigte Gott damit an, dass für die wahre Bedeckung des Sünders Blut fließen muss.
Die Initiative zur Schlachtung der Tiere, mit deren Fellen die Menschen bedeckt wurden, lag bei Gott. Die Menschen hatten noch nicht einmal darum gebeten. Es war Gott, der hier tötete. Damit sahen Adam und seine Frau zum ersten Mal, was Tod eigentlich ist. Sie mussten erleben, dass hier Wesen umgebracht wurden, die für die von ihnen angezettelte Rebellion gegen Gott nichts konnten. Die Tiere waren am Sündenfall unschuldig. Trotzdem, so weist Paulus einmal darauf hin, wurde durch den Fall der Menschen die gesamte Schöpfung in die Vergänglichkeit hineingerissen (Röm. 8,20b). Aber der Apostel fügt hinzu, dass diese Dahingabe der gesamten Schöpfung „auf Hoffnung hin“ erfolgte (Röm. 8,20c).
Durch das Opfern der Tiere brachte Gott zum Ausdruck, dass Schuld nur durch Blutvergießen bedeckt werden kann (Hebr. 9,22). Insofern war die Bedeckung mit Tierfellen für Adam und Eva ein Lehrstück, um auf den zu harren, der einmal als unschuldiges Lamm, also ohne eigene Sünde, die Sünde der Welt hinwegnehmen wird (Jes. 53,5-7; Joh. 1,29; 2Kor. 5,21; Hebr. 4,15).
An diesem von Gott verordneten Heilsweg festzuhalten und keine Abkürzung vorzunehmen, war auch der Grund dafür, warum Adam und Eva nicht im Garten Eden bleiben konnten. Zunächst weist Gott darauf hin, dass „der Mensch nun geworden ist wie wir, indem er erkennt, was Gut und Böse ist„
(1Mos. 3,22). Mit dieser Feststellung verkannte Gott nicht den Unterschied zwischen dem Kennen von Gut und Böse bei Gott und dem Kennen bei den Menschen. Während der allwissende Gott das Gute und auch das Böse außerhalb von sich kennt, ist der Mensch nun jemand, der das Böse an und in sich selbst erfährt, und zwar mit allen dazugehörigen Konsequenzen bis hin zum Tod.
Für Adam und Eva wäre es sehr naheliegend gewesen, nun wenigstens die Folgen ihrer bösen Tat zu beseitigen, also vom Baum des Lebens zu essen. Aber dieser Schritt hätte sich in Wahrheit verhängnisvoll, ja katastrophal ausgewirkt. Denn auf diese Weise wäre zwar die Folge des Bruchs mit Gott, der Tod, abgefedert worden. Aber die Ursache, die Sünde selbst, wäre nicht getilgt worden.
Aus diesem Grund wies Gott Adam und Eva aus dem Garten Eden, und er stellte einen Cherub davor: „damit der Mensch nicht seine Hand ausstreckt und von dem Baum des Lebens nimmt und isst und ewig lebt“ (1Mos. 3,22).
Möglicherweise meinen auch wir, dass es gar nicht eine so schlechte Idee gewesen wäre, durch den Baum des Lebens den Tod gewissermaßen in sich zu neutralisieren. Aber eben: Dann würden wir endlos leben, aber als gefallene Sünder, als von Gott Getrennte. Ein solches Existieren wäre kein Segen für uns, die wir im Bild Gottes geschaffen sind. Vielmehr wäre es die Hölle, leben zu müssen, ohne in die Gemeinschaft mit Gott zu gelangen. Anders gesagt: Es wäre dann unser Menschsein aufgehoben. Adam wäre damit zurückgetreten in die Reihe der verantwortungslosen Kreaturen. Aber wir sind nun einmal geschaffen zu Gott hin.
Dieses Menschsein des Menschen ist unzerstörbar. Dieses unser Menschsein ist der Vergänglichkeit vorgeordnet. Darum ist es Lehre der Bibel, ob wir das nun wahrhaben wollen oder nicht, dass auf uns Menschen entweder eine ewige Herrlichkeit in der Gemeinschaft mit Gott wartet oder eine ewige Verdammnis in der Trennung von Gott.
Adam und seine Nachkommenschaft werden zwar nun ein sehr beschwerliches Leben vor sich haben mit wenig Trost und viel Todesleid. Aber diese Erfahrung der eigenen Vergänglichkeit kann Sehnsucht nach dem ewigen Gott und damit Glauben und Hoffnung wecken (vergleiche 1Mos. 5,29).
Aus diesem Grund war es Gnade, dass Gott den Menschen den Weg zum Baum des Lebens verwehrte und ihnen stattdessen die Verheißung mit auf den Weg in ihr Elend gab, dass einmal jemand in den Riss treten wird, der die Schuld durch sein Blut sühnen wird und die Gemeinschaft mit Gott wiederherstellen wird.
Wenn wir im Glauben zu ihm geeilt sind, dann wird allerdings der Weg zum Baum des Lebens wieder frei sein (Offb. 22,2.14). Insofern ist der Name Eva auch das Ja Adams zu dem von Gott verordneten Heilsweg.
7. Eva – die herrliche Erfüllung der Namensgebung in ihrem Samen
Was Adam und seine Frau in dem Dekret Gottes an die Schlange hörten, ist die Verheißung schlechthin. Im Alten Bund konzentrierte sich die Verheißung bald auf Abraham und seinen Samen (1Mos. 17,7; 22,17.18). Dann endlich nach Jahrtausenden kam die Erfüllung der Verheißung in Christus (Gal. 3,16-18; Apg. 2,39; 13,39; 26.6). In Christus wurde die Verheißung erfüllt, die Gott, der nicht lügen kann, vor ewigen Zeiten gegeben hatte (Tit. 1,2).
Nachdem Christus durch Kreuz und Auferstehung die Schlange zertrat und über den Satan triumphierte (1Kor. 2,6-10; Kol. 2,15), ist das einst über Adam und über uns verhängte Verdammungsurteil weggenommen (Röm. 5,16-21; 8,1). Indem Christus in unsere Nacht und in unsere Finsternis trat, ist es Licht geworden für uns, die wir glauben. Das Leben ist zu uns gekommen (Joh. 1,4; 10,28.29; 11,25; 14,6; 1Joh. 1,2; 2,25; 5,20; 2Tim. 1,1).
Nun verfügt niemand anders als Christus allein über den Schlüssel des Todes, und er gibt ihn nie wieder ab. Die Tür zur Gemeinschaft mit Gott steht offen. Der Schlangenzertreter wird „Samen sehen“ (Jes. 53,10-12). Der Böse ist gebunden (Mt. 12,29). Damit ist der Sieg auch unser, auch wenn es noch bis zum zweiten Kommen Christi dauern wird, bis Satans Macht endgültig vernichtet ist und er dann auch unter unseren Füßen zertreten ist (Röm. 16,20).
Dass Adams Namensgebung sich inzwischen in dem Kommen des Samens Evas, in Christus erfüllt hat, ist mehr als Grund genug, vor Gott auf die Knie zu sinken und ihn für sein wunderbares Heilswerk zu loben und zu preisen.
1) In der von Hieronymus abgefassten Vulgata, der autoritativen römisch-katholischen Bibelübersetzung ist 1Mose 3,15 falsch wiedergegeben: „Sie [die Frau] selbst wird dein Haupt zermalmen, und du wirst nach ihrer Ferse trachten“ (ipsa conteret caput tuum et tu insidiaberis calcaneo eius). Diese Übersetzung, die die Botschaft vermittelt, es sei die Frau, die einmal der Schlange den Kopf zertreten werde, ist vom hebräischen Grundtext ausgeschlossen.
Man müsste dazu das maskuline Prädikat in ein Femininum vertauschen.Auch die Septuaginta, die griechische Übersetzung des Alten Testamentes, übersetzt hier richtig. Selbst Hieronymus weiß, dass die altlateinische Übersetzung, also die Übersetzung, die vor der Vulgata verfasst worden war, „er selbst“ [ipse, nicht: ipsa] hat. Siehe dazu die Ausführungen des römisch-katholischen Theologen Morant, Peter, Die Anfänge der Menschheit. Luzern [Räber-Verlag] 1962, S. 179-192. Dort auch weitere Literatur.