Das Ringen um die Lehre der Dreieinigkeit in der Alten Kirche

Das Ringen um die Lehre der Dreieinigkeit in der Alten Kirche

Warum nennst du denn drei: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wo doch Gott nur einer ist?“ Diese Frage stammt aus dem Heidelberger Katechismus. Was würden Sie auf die 25. Frage antworten?

Ist Ihnen beim Sprechen des Apostolischen Glaubensbekenntnis schon einmal die Frage gekommen, in welchem Verhältnis Gott der Vater, Gott der Sohn, und Gott der Heilige Geist zueinander stehen? Wären wir überhaupt in der Lage, Rechenschaft darüber abzulegen, was wir über Gott glauben (1Pet. 3,15)?

Es kann sogar sein, dass der eine oder der andere die Frage stellt: Ist es überhaupt von Belang, die Frage nach der Dreieinigkeit richtig zu beantworten? Hat diese Thematik überhaupt etwas mit meinem Glauben oder mit meiner Lebensführung zu tun?

Otto Thelemann, ein Pastor aus dem 19. Jahrhundert, schrieb in einem Kommentar zum Heidelberger Katechismus Folgendes: „Die Lehre von der heiligen Dreieinigkeit ist die Grundlegung des Christenglaubens. Sie ist nicht eine Erfindung für die ‚Gelehrten‛.“1 Wenn Thelemann im Blick auf die Dreieinigkeit Gottes von der „Grundlegung“ des christlichen Glaubens spricht, meint er, dass sie allen anderen Lehren den richtigen Platz und das rechte Gewicht zuordnet. Auch die Stellung der oben zitierten Frage im Heidelberger Katechismus verdeutlicht dies: Sie ist den Aussagen über die drei göttlichen Personen vorgeordnet.

Darüber hinaus ist die Lehre von der Dreieinigkeit ein höchst aktuelles Thema. Thomas Schirrmacher formuliert diese Einsicht folgendermaßen: „Die gegenwärtige Annäherung der großen monotheistischen Religionen, Christentum, Judentum und Islam, zum Beispiel in gemeinsamen Gebeten, […] ist nur möglich, weil die Lehre von der Dreieinigkeit und die damit verbundene Lehre von der Göttlichkeit Jesu in der christlichen Theologie und Mission nicht mehr an oberster Stelle der Tagesordnung stehen, wie dies etwa in der Alten Kirche oder bei den Reformatoren der Fall war.“2

Als Ursachen für diese Entwicklung verweist er auf die katastrophale Bedeutung des historisch-kritischen Umgangs mit der Heiligen Schrift und auch auf die Dogmenfeindlichkeit, die in der Gemeinde weitgehend um sich gegriffen hat. Beide Motive haben auch in konservativen christlichen Kreisen zu einer Sprachlosigkeit geführt, wenn es um das Thema der Dreieinigkeit Gottes geht. Es geht dabei nicht zuerst um Unglauben und Zweifel, sondern um den Bedeutungsverlust der Trinitätslehre für den gesamten christlichen Gottesdienst, – nicht nur aber auch am Sonntag. Außerdem ist die Bereitschaft, diese Lehre biblisch zu begründen, stark in den Hintergrund geraten.3

Aber gerade der Bekenntnischarakter des Glaubens (Röm. 10,9-11) verlangt auch von Christen des 21. Jahrhunderts, biblische Wahrheiten, wie diejenige von der Dreieinigkeit Gottes, formulieren zu können. Wir sollen in der Lage sein, das in Worte zu fassen, was wir glauben, und auch, was wir nicht glauben.

Die mit diesem Artikel eingeleitete Serie über den historisch-theologischen Verlauf des Ringens um die Dreieinigkeitslehre in der Alten Kirche will nicht nur auf die Notwendigkeit aufmerksam machen, sondern auch auf das Vorrecht, von dem Ringen der Kirchenväter in dieser Frage zu lernen. Es geht auch darum, erneut die Wichtigkeit der oben zitierten Aussage Thelemanns ins Bewusstsein zu rücken.

Eine herausfordernde Person: Wer ist Jesus Christus?

Das Auftreten Jesu Christi als fleischgewordenes Wort (Joh. 1,14) und als Offenbarer Gottes des Vaters (Joh. 1,18; vergleiche Mt. 11,27) wurde sehr bald zu einem Stein des Anstoßes: In welcher Beziehung steht Jesus zu Gott? Wer ist Gott? Was ist das Wesen Gottes?

Indem Jesus sich nicht nur als der prophezeite Messias vorstellte, sondern auch als Sohn Gottes (siehe Mt. 16,16; vergleiche 26,63f.; Mk. 14,61f.), räumt er der Frage nach seiner Göttlichkeit selbst höchste Priorität ein. In seiner gesamten Verkündigung ging es entscheidend um die Fragen: Ist Jesus genauso Gott wie der Vater, oder ist er es nicht? Wenn er es nicht ist, in welcher Beziehung steht er dann zu Gott? Wenn er es ist, glauben Christen dann an zwei Götter?

Wie wichtig die Beantwortung dieser Frage ist, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass Jesus das ewige Heil ausschließlich an seine Person bindet (siehe Joh. 14,6). Die Frage nach dem Zueinander von Einheit und Dreiheit in der Gottheit sowie das Verhältnis von Vater und Sohn, entwickelte sich bald zu einem Ringen um klare begriffliche Formulierungen. Dabei ging es darum, dass die Aussagen einerseits biblisch verankert blieben, andererseits war es wichtig, dass man sie inhaltlich nicht missverstand oder falsch deutete.

Nur ein Mensch voll göttlicher Kraft?

Die Wurzeln verschiedener Aussagen über Christus und über die Trinität reichen bis in aus dem Judentum stammende quasi-christliche Gruppierungen zurück. Hier ist namentlich an die Ebioniten zu denken. Diese Richtung hielt an jüdischen Vorschriften fest und lehrte über Jesus, dass er den alttestamentlichen Propheten entspreche. Die Ebioniten glaubten also, Jesus Christus sei „allein Mensch“. Sohn Gottes sei Jesus erst durch eine Art Adoption von Seiten Gottes des Vaters geworden. Diese sei bei seiner Taufe oder bei seiner Auferstehung erfolgt. Die Ebioniten leugneten praktisch alle im eigentlichen Sinn göttlichen Attribute Christi.4

Diese Auffassung wurde später wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. Man lehrte, Jesus sei von einer Jungfrau geboren und moralisch gerecht, aber sein göttliches Wesen sowie seine Präexistenz wurden ihm abgesprochen. Diese Irrlehre ist bekannt unter dem Namen Dynamismus. Dieses Wort ist von dem griechischen Wort für Kraft (dynamis) abgeleitet: Der Mensch Jesus wurde in seiner Taufe durch den Heiligen Geist gesalbt und mit Kraft ausgerüstet. Weil er von Gott als Sohn adoptiert worden sein soll, bezeichnete man diese Auffassung auch als Adoptianismus.

Nur eine Maske Gottes?

Eine andere Irrlehre bezüglich der Beziehung von Vater und Sohn (und Heiligem Geist) wurde nach dem lateinischen modus (Erscheinungsform) Modalismus genannt. Diese Theologen betonten die Einheit und die Einzigkeit Gottes, weil sie die Gefahr einer „Dreigottheitslehre“ sahen. Indem sie die Alleinherrschaft (griechisch: monarchia) Gottes hervorhoben, verstanden sie den Menschen Jesu Christus nur als Erscheinungsform des einen „Sohn-Vater“ Gottes. Aber wenn Jesus Christus lediglich eine „Erscheinungsform“, gewissermaßen eine Maske Gottes wäre, dann wäre die personale Eigenständigkeit des Sohnes und auch des Heiligen Geistes gegenüber dem Vater zu wenig beachtet. Es würde damit die Gefahr drohen, dass das Menschsein Jesu zu einem bloßen Schein verkommt, gewissermaßen zu einer (Theater-)Rolle.5 Das Leiden und das Sterben Christi hätte man dann nur noch als eine Art Scheintod verstanden. Tatsächlich gab es in der Frühen Kirche solche irrigen Auffassungen. Man bezeichnet sie als „Doketismus“. Dieses Wort ist vom griechischen Wort für „Schein“ (dokesis) abgeleitet.

Jesus Christus ist Gottes ewiges, herrliches Wort

Wenn hier mit der Vorstellung von zwei Irrlehren begonnen wird, geschieht dies aufgrund einer geordneten Darstellung. Historisch gesehen war und ist die Abwehr außerbiblischer Ideen stets verwoben mit dem Ringen um eine schriftgemäße Auslegung der Bibel. Die Dogmen der Kirche existierten damals wie heute nicht nur als Ablehnung von Häresien, sondern man prüfte die Lehrsätze im Licht der Heiligen Schrift. Insofern waren sie geeignet, um die zeitlose, biblische Wahrheit präziser in Worte zu fassen und so den Menschen zugänglicher zu machen.

Als der christliche Glaube in die antike, griechische Welt eindrang, machten sich ab Mitte des 2. Jahrhunderts die so genannten Apologeten6 darüber Gedanken, wie sie ihren Zeitgenossen die Beziehung zwischen Gott dem Vater und Gott dem Sohn verständlich machen könnten. Sie nahmen dabei den griechischen Begriff des Logos auf. In diesem Wort sind zahlreiche Bedeutungsaspekte enthalten. In der Bibel wird Logos mit „Wort“ übersetzt (siehe Joh. 1,1). In der damaligen Philosophie verstand man unter Logos vor allem die Vernunft. Diese wurde häufig in einem pantheistischen Sinn als eine allen Menschen innewohnende Weltvernunft aufgefasst. Logos konnte aber auch das aus der Vernunft hervorgehende Wort meinen. Indem die Apologeten diese griechische Idee aufnahmen und sie modifizierten, suchten sie die biblische Wahrheit, dass Gott durch sein Wort die Welt geschaffen und erlöst hat, nachvollziehbar zu machen (siehe dazu 1Mos. 1,1-3; Ps. 33,6; Joh. 1,1.3.10.14). Die göttliche Vernunft, die ewig bei Gott war, ging als sein eigenes Wort aus dem Wesen Gottes heraus, um die Welt zu erschaffen und zu erlösen.7

Auf diese Weise konnten die Apologeten einerseits die Eigenständigkeit des Sohnes Gottes bekennen, andererseits aber die Einheit und Einzigkeit Gottes betonen.8 Auf diese Weise hatte man einen Weg gefunden, um das, was die Heilige Schrift über Gott den Vater und Gott den Sohn aussagt, zusammenzufassen.

Natürlich bestand bei aller Bemühung um eine biblische Grundlegung die Gefahr darin, dass durch die Verwendung von Begrifflichkeiten, die durch die griechische Geistesgeschichte gefüllt waren, außerbiblische Denkmuster in die Lehre über die Dreieinigkeit eindringen konnten.

Diese Gefahr trat auch tatsächlich auf. So sprach man zwar von der Gottheit des Logos, fasste aber den Logos gleichzeitig als dem Vater untergeordnet („subordiniert„) auf. Auch dachte man an einen innerzeitlichen Anfang des Logos. Die Apologeten sprachen im Blick auf Jesus Christus vom „zweiten Platz“ und von einem „anderen Gott und Herrn“.9 Obgleich sie solches nicht beabsichtigten, blieben dies Ansatzpunkte für die oben genannten Lehren, also den Dynamismus und den Modalismus.

Der Heidelberger Katechismus gibt auf die eingangs gestellte Frage folgende Antwort: Gott hat sich in seinem Wort so offenbart, dass diese drei Personen unterschieden und doch der eine, wahre und ewige Gott sind.“10
Eine derart knappe Zusammenfassung der Wahrheit über den dreieinigen Gott könnte den Leser zu der Schlussfolgerung verleiten, es sei nur eine unbedeutende Idee aus der Theologiegeschichte. Das aber ist keineswegs der Fall. Die Alte Kirche beschäftigte sich über einen Zeitraum von mehr als 250 Jahren mit dieser Frage.

Andererseits wollten die Menschen damals genauso wenig Irrlehrer sein oder Irrlehren glauben wie wir heute. Allein „unterm Wort“ konnten und können Menschen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft an den glauben und den erwarten, der von sich selbst als dem A und O, dem Anfang und Ende spricht (Offb. 21,6; 22,13). Er ist, um abschließend ein neutestamentliches Bild für das Verhältnis der Dreieinigkeit zu verwenden, das Lamm, die Leuchte der Herrlichkeit Gottes (Offb. 21,23).11


1) Thelemann, Otto, Handreichung zum Heidelberger Katechismus für Prediger, Lehrer und Gemeindeglieder. Detmold [Verlag von G. Schenk] 1892, 2. Auflage, S. 102.
2) Schirrmacher, Thomas, Christus im Alten Testament. Hamburg [Reformatorischer Verlag Beese] 2001, S. 12.
3) A.a.O., S. 12-14.
4) Der schwedische Theologe Bengt Hägglund spricht in diesem Zusammenhang von einer „adoptianischen Christologie“. Siehe dazu: Hägglund, Bengt, Geschichte der Theologie. Ein Abriß. Berlin [Evangelische Verlagsanstalt] 1983, S. 25.
5) Hauschild, Wolf-Dieter, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte. Band 1. Alte Kirche und Mittelalter. Gütersloh [Gütersloher Verlagshaus] 2007. 3. Auflage, S. 14.
6) Die Bezeichnung rührt von ihren Schriften her, die u.a. der Verteidigung der christlichen Lehre dienten (Apologien).
7) Daneben nutzten die Theologen des zweiten Jahrhunderts noch andere Bilder, um dieses Verhältnis von Gott, dem Vater zu Christus auszudrücken. Zum Beispiel sprachen sie von dem Heraustreten eines Lichtstrahles aus einer Lichtquelle. Dabei bleibt Gott einer und wird nicht geringer. Siehe dazu: Hägglund, Bengt, a.a.O., S. 22.
8) Siehe dazu: Leonhardt, Rochus, Grundinformation Dogmatik. Ein Lehr- und Arbeitsbuch für das Studium der Theologie. Göttingen [Vandenhoeck & Ruprecht] 2009, 4. Auflage, S. 223.
9) Hauschild, Wolf-Dieter, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte. Band 1. Alte Kirche und Mittelalter. Gütersloh [Gütersloher Verlagshaus] 2007. 3. Auflage, S. 10.
10) Heidelberger Katechismus, Sonntag 8, Antwort 25.
11) Es ist ohnehin sehr lohnenswert, einmal das Buch der Offenbarung aus dem Blickwinkel der Trinität zu lesen.