In der Krise des mittleren Alters in der Gottesfurcht wachsen Wenn Ansprüche und Wirklichkeit auseinanderklaffen

In der Krise des mittleren Alters in der Gottesfurcht wachsen Wenn Ansprüche und Wirklichkeit auseinanderklaffen

Die Midlife-Krise sei out, sagen mir viele Jüngere. Sie hätten diese bereits Ende Zwanzig nach dem Einstieg in den Beruf durchgestanden. Gleichwohl fällt mir auf: Viele in meinem Alter (Mitte Vierzig) erleben einen „disruptiven”, das heißt einen alles durcheinanderwerfenden Umbruch.

Eingeleitet wird diese Phase oftmals durch ein expansives Verhalten. Man kauft sich zum Beispiel ein Ferienhaus. Die Ressourcen, die eigentlich knapper geworden sind, fließen in zusätzliche Projekte und mehr Besitz. Vielleicht, so die versteckte Hoffnung, kann doch noch ein kleines Paradies im Hier und Jetzt errichtet werden. Das Häuschen dient zum mutmaßlichen Ausgleich für den Frust und als Rückzugsort. Nachdem Zeit, Energie und Geld reichlich in solche Projekte geflossen sind, verschärft sich die innere Not und der vorhandene Mangel. Gerade die Zusatzinvestitionen bringen das Lebensschiff zum Kippen.

Manche halten so lange durch, bis die Kräfte für nichts mehr reichen. Eine brüske Umorientierung ist dann vorgezeichnet: Ehescheidung, neue Arbeit, neuer Wohnort. So zeigt sich die Krise des mittleren Alters. Die Schere zwischen Ansprüchen und Erwartungen ist auseinandergeklafft, der Abstand zwischen innerem Ideal und gelebter Wirklichkeit ist unüberbrückbar geworden. Träume zerschlagen sich, Vorhaben zerrinnen zwischen den Fingern. Die zweite Lebenshälfte kündigt unsere Endlichkeit unerbittlich an.

Mancher Weg erscheint dem Menschen richtig, aber sein Ende führt doch zum Tod (Spr. 16,25). Ihr [der Gottlosen] Trachten ist, dass ihre Häuser ewig bestehen sollen, ihre Wohnungen auf alle Geschlechter hin; sie nennen Ländereien nach ihrem Namen. Aber der Mensch in seiner Pracht bleibt nicht; er gleicht dem Vieh, das umgebracht wird (Ps. 49,12.13).

Wechseln wir nun die Perspektive. Die Bibel fordert uns auf, vom Ende her zu denken. Was heißt es, solche Phasen in Weisheit, das heißt im Bewusstsein vor dem Angesicht Gottes durchzustehen? Noch präziser ausgedrückt: Wie können wir in dieser Phase in der Gottesfurcht wachsen?

Hinweise zum Justieren der inneren Landschaft

David, der selbst durch große Krisen ging, fasst es so zusammen: Vertraue auf den Herrn und tue Gutes, wohne im Land und übe Treue; und habe deine Lust am Herrn, so wird er dir geben, was dein Herz begehrt! Befiehl dem Herrn deinen Weg, und vertraue auf ihn, so wird er es vollbringen (Ps. 37,3-5). Bedenken wir im Licht dieser biblischen Weisheit einige Prinzipien.

1. Träume im Sinne eigener Zielbilder sind nicht an sich verkehrt. In unserer Ich-zentrierten Zeit werden sie jedoch nur zu oft zu Götzen. David drückt es umgekehrt aus: Unser Verlangen nach dem Herrn sollte wachsen. Ich habe mir diese Bitte zum täglichen Gebet gemacht. Die stetige Umorientierung ist mit einer Verheißung verbunden. Der Herr wird uns geben, was unser Herz begehrt (weil wir ihn begehren).

2. Wen Gott liebt, den züchtigt er. An welchem Punkt ich auch immer stehe: Ich kann versichert sein, dass mich der dreieinige Gott souverän dorthin geführt hat. Engpässe dienen der Disziplinierung und Zurüstung. Alle Züchtigung aber scheint uns für den Augenblick nicht zur Freude, sondern zur Traurigkeit zu dienen; danach aber gibt sie eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind (Hebr. 12,11).

3. Unser Lebensdrehbuch bildet eine vom Schöpfer geschaffene Einheit. Als Erlöste sind wir in sein Lebensbuch eingezeichnet (vergleiche Ps. 69,29). Unseren Lebensfilm können wir nicht einfach löschen. Manche Zeitgenossen pflegen die Vorstellung, dass sie ihr Leben in verschiedene Etappen unterteilen könnten. Doch wir können nicht einfach „neu beginnen”. Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre; und worauf man stolz ist, das war Mühsal und Nichtigkeit, denn schnell enteilt es, und wir fliegen dahin (Ps. 90,10).

4. Der christliche Glaube beinhaltet die einzigartige Lehre, dass wir jederzeit vor Gott unsere Sünde und unseren Zerbruch eingestehen können. David betet seinen Bußpsalm nach seiner schrecklichen Verfehlung von Ehebruch, Mord und Verheimlichung: Verbirg dein Angesicht vor meinen Sünden und tilge alle meine Missetaten! Erschaffe mir, o Gott, ein reines Herz, und gib mir von Neuem einen festen Geist in meinem Innern! (Ps. 51,11.12).

5. Gerade die Lebensgeschichte Davids lehrt uns, dass trotz Vergebung Konsequenzen lebenslang bleiben können. Die gesamte zweite Hälfte des zweiten Samuel-Buches, ab Kapitel 12, ist dieser Thematik gewidmet. Die Umkehr entbindet uns nicht von schmerzhaften Lernprozessen und dem Bilden von neuen Gewohnheiten.

6. Sünde wirkt sich immer auf unser Umfeld aus. Ich denke, dass dies die Aussage von 2.Mose 34,7 ist: … aber keineswegs ungestraft lässt, sondern die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern bis in das dritte und vierte Glied! Denken wir beispielsweise an die generationenübergreifenden Auswirkungen von Alkoholismus innerhalb einer Familie.

7. Die Ehe ist ein unverbrüchlicher Bund vor Gott. Dies zeigt der Begriff „Ehe-Bruch“. Die vor Gott eingegangenen Bindungen mit einem Ehepartner und von Kindern, die daraus hervorgegangen sind, bleiben bestehen, selbst wenn örtliche und rechtliche Trennungen stattgefunden haben.

8. Gott ist souverän und führt dich und mich bis ans Ende. Der Reformator Johannes Calvin schreibt in seinen Ausführungen zur göttlichen Vorsehung (Institutio I,17,7): „Denn es ist der Herr, der uns Gnade gibt, nicht nur bei denen, die uns wohlgesinnt sind, sondern auch in den Augen der Ägypter (2Mos. 3,21); die Frechheit unserer Feinde aber weiß er auf mancherlei Weise zu brechen. Zuweilen nimmt er ihnen den Verstand, damit sie nichts Kluges und Besonnenes unternehmen können. So sendet er den Satan, um zur Täuschung des Ahab den Mund aller Propheten mit Lüge zu erfüllen (1Kön. 22,22). Oder er führt den Rehabeam durch den Rat der Jungen in die Irre, damit er durch seine Torheit der Herrschaft verlustig ginge (1Kön. 12,10.15). Manchmal lässt er ihnen den Verstand, versetzt sie aber derart in Schrecken und Betäubung, dass sie nicht mehr wollen oder vollbringen, was sie sich vorgenommen haben. Mitunter auch gestattet er ihnen zu versuchen, was ihnen Lust und Wut eingegeben haben, und hemmt dann doch zur rechten Zeit ihr Ungestüm, lässt sie nicht zum Ziele führen, was sie geplant haben! So machte er den Rat des Ahitophel, der dem David hätte verderblich werden können, vor der Zeit zunichte (2Sam. 17,7.14). So ist es seine Sorge, alle Geschöpfe den Seinen zugute und zum Heil zu leiten, und wir sehen, wie selbst der Teufel ohne seine Erlaubnis oder Anordnung nicht wagte, den Hiob zu versuchen (Hi. 1,12).“

Welche Reaktion sollte dies bei uns hervorrufen? Nochmals Calvin (ebd.; Hervorhebung von mir): „Wer das erkennt, bei dem wird sich notwendig herzliche Dankbarkeit bei glücklichem Erfolg, Geduld im Leiden und eine unglaubliche Gewissheit für die Zukunft einstellen.“

9. Manche nehmen Lebenskrisen als Anlass, sich fortan nur noch um sich selbst zu drehen. Sie ziehen sich auch von der christlichen Gemeinde zurück. Dies ist jedoch keine gesunde Entwicklung. Eine übermäßige Beschäftigung mit sich selbst ist Götzendienst und zerstört die Lust am Herrn. Richten wir uns darum nicht nur gegen innen, sondern überlegen wir von Tag zu Tag, wie wir anderen mit unserer Geschichte dienen (und sie trösten) können(vergleiche 2Kor. 1,3-5).

10. Der vor Gott eingerichtete Rhythmus von Tag und Nacht gilt auch für unseren konkreten Lebenshorizont (vergleiche Mt. 6,25-34). Richten wir uns also täglich nach dem aus, vor dem wir jeden Moment leben.

Auf dem Weg in die himmlische Stadt

Was wird bleiben, wenn wir eines Tages Gott Rechenschaft ablegen? Konzentrieren wir uns auf die wesentlichen Dinge! Beten und ringen wir darum. Lösen wir uns mit seiner Hilfe von unseren Götzen. Sie können uns nicht helfen, sondern sie zerstören uns.

Eine große Hilfe für mich ist die im 17. Jahrhundert von John Bunyan verfasste „Pilgerreise“.[1] Die Hindernisse von Christ (der Hauptfigur) waren zahlreich. Er kämpfte gegen Entmutigung, Zweifel und Trägheit. Sein dunkelster Moment war der Fluss des Todes vor der Zielankunft im himmlischen Jerusalem. Stolpern wir also der himmlischen Stadt entgegen. Er hilft uns immer wieder auf: Befiehl dem Herrn deinen Weg, und vertraue auf ihn, so wird er es vollbringen (Ps. 37,5).


[1]) Der deutsche Text steht online zur Verfügung, zum Beispiel hier: http://www.glaubensstimme.de/doku.php?id=autoren:b:bunyan:pilgerreise:start