„Denn was sagt die Schrift?“ (Römer 4,3)

„Denn was sagt die Schrift?“ (Römer 4,3)

Die Heilige Schrift als Quelle und Norm

Als Paulus das Thema behandelte, wie Werke und Gnade zusammenhängen, konzentrierte er sich auf eine einzige Beweisführung. Er stellte die Frage: „Was sagt die Schrift?“ – Es ist nicht leicht zu beantworten, wie Gnade und Werke zusammenhängen. Aber gerade deshalb hat allein die Heilige Schrift als Beweis herzuhalten. Sonst nichts! Es ist allein das Wort Gottes, das zählt.

Anstatt aber diese Einsicht einfach umzusetzen, wurde in allen Zeiten versucht, das, was geschrieben steht, zu relativieren und irgendetwas Anderes als das Wort Gottes als Beweis für das, was in der Gemeinde zu gelten hat, zuzulassen:

  • Eingebungen (mit dem Anspruch, sie stammten vom Heiligen Geist)
  • Spiritistische Einflüsse (Gnosis, Esoterik)
  • Verstand (intellektuelle Konstruktionen)
  • Kirchenzugehörigkeit
  • Ein Weltethos oder andere menschliche Moralvorstellungen.

Zumeist waren es gerade die Theologen, die – fasziniert von einem dieser Punkte – solche Nebeneinflüsse kultivierten. Die Reformatoren des 16. Jahrhunderts griffen nicht nur die handfesten Fehler der Kirche frontal an, sondern sie bestanden auch darauf, dass allein die Heilige Schrift als Beleg und Beweis für das, was in der Gemeinde zu gelten hat, zuzulassen ist: Keine Kirche, keine Tradition, kein Mensch, selbst wenn er als geistlicher Brückenbauer auftritt, darf letzte Autorität haben.

Wenn wir uns noch einmal auf Römer 4,3 besinnen, dann ist die Sachlage eindeutig: Nur die Heilige Schrift selbst darf als Beweis Geltung beanspruchen. Verstand, Logik, Erfahrung, Tradition sind demgegenüber zweitrangig.

Mit dieser Überzeugung befindet sich der Apostel in guter Gesellschaft: Auch Petrus lässt keinen Beweis neben der Heiligen Schrift zu (1Petr. 2,6), und auch Jakobus lehrt nichts Anderes (Jak. 2,23).

Petrus, der einmal darauf hinweist, dass er Augenzeuge der herrlichen Größe Christi war (2Petr. 1,16), verweist, wenn er die Frage beantwortet, aus welcher Quelle wir Wahrheit schöpfen, auf die Heilige Schrift (2Petr. 1,17–19).

Aus dieser Einsicht heraus bemühten sich die Kirchenväter und dann später auch die Reformatoren, den Menschen das Wort Gottes zu verkündigen. Den Reformatoren war es wichtig, die Menschen zum Lesen der Bibel zu bewegen. Gerade deswegen drängten sie auf die Einrichtung von Schulen. Die Bibel wurde aus den Grundsprachen (Hebräisch und Griechisch) in die jeweilige Landessprache, also zum Beispiel ins Deutsche übersetzt.

Später wurden dann Missionare ausgesandt, um das Wort Gottes in den einzelnen Ländern zu den Menschen zu bringen. Jeder Mensch sollte sich auf das Wort Gottes gründen können und nicht mehr abhängig von anderen Instanzen (nicht zuletzt Priestern) sein.

Nachdem im vergangenen Jahrhundert die Schriftkritik auch vor den Toren des Evangelikalismus nicht halt gemacht hatte, trafen sich in den siebziger Jahren Männer und betonten erneut die Unverzichtbarkeit der Heiligen Schrift als uneingeschränkte Grundlage für eine gesunde Gemeinde. Dazu formulierten sie die bekannte Chicago-Erklärung zur Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift (1978). Es ist ein Dokument, das bis heute seine Wichtigkeit nicht verloren hat.

Das Ziel der Reformatoren sollte auch unsere Sehnsucht sein. Wir wollen das Lesen der Bibel fördern. In Fragen der Lehre lassen wir nur Beweise zu, die die Heilige Schrift liefert. Ich meine tatsächlich „liefert“. Auf keinen Fall darf eine persönliche Meinung durch geschicktes Aussortieren von Bibelversen als „Schriftbeweis“ gelten!

Eine praktische Konsequenz davon ist, dass man in der Gemeinde die Wichtigkeit, unsere Kinder im Wort Gottes zu unterweisen, gar nicht überschätzen kann. Das Geschultsein in der Heiligen Schrift war und ist unabdingbare Voraussetzung für den Dienst in der Gemeinde. Denn andernfalls kann man das Wort Gottes nicht an andere weitergeben (siehe 2Tim. 3,14–4,2)!

Ich bin davon überzeugt, dass unsere Jugendlichen mehr Zeit mit dem Lesen und dem Studieren der Bibel verbringen könnten. Wenn ich einen Vorschlag machen darf: Ein Jugendlicher sollte mindestens genau so viel Zeit in das Bibelstudium investieren, wie er mit elektronischen Medien (Fernsehen, Computer, MP3–Player) verbringt. Wenn er es dann noch schaffen würde, die Zeit mit Gebet in etwa anzugleichen, würde sich sicher einiges in unserer Gemeinde und auch in unseren Jugendkreisen ändern!

Auch die Größe einer Gemeinde hängt damit zusammen. Zum Beispiel weist Apostelgeschichte 6,7 darauf hin, dass die Zahl der Jünger zunahm, als das Wort Gottes unter ihnen „wuchs“, also in der Gemeinde einen immer größeren Raum einnahm.

Der Sinn der Heiligen Schrift

Warum sollen wir eigentlich die Bibel lesen? Worum geht es in der Heiligen Schrift? Was ist ihr Zweck?

Die erste Antwort, die ich darauf geben möchte, lautet: Bibellesen hat keinen Selbstzweck. Man liest die Bibel also nicht, um das beruhigende Gefühl zu bekommen, sie gelesen zu haben. Man macht es weder aus Zeitvertreib, noch um irgendeine Vorschrift einzuhalten. Wenn ich meine Bibel aufschlage, sie lese, kein Wort verstehe, dann wieder zumache und damit meine Stille Zeit für beendet erkläre, ist das ein sinnloses Unterfangen. Es hat mir nichts gebracht, und auch Gott habe ich damit keinen Dienst erwiesen.

Was aber ist der Zweck? Ein Psalmist hat das Suchen nach dem Sinn des Lesens der Bibel einmal folgendermaßen formuliert: „Meine Augen schmachten nach deinem Heil und nach dem Wort deiner Gerechtigkeit“ (Ps. 119,123). Was steht hier? Meine Augen schmachten nach deinem Heil! Sie lechzen nach deiner Rettung!

Was muss der Sünder eigentlich entdecken, wenn er das Wort Gottes liest, damit er Gottes Heil, damit er diese Rettung findet? Die Antwort finden wir in der Bibel. Jesus setzt sich einmal mit Menschen auseinander, die mit großem Fleiß und mit viel Mühe mit der Bibel umgingen. Sie kämpften sich mit riesigem Aufwand durch die Schriften, lernten sie auswendig und leiteten daraus alle möglichen Lebensregeln ab. Zweifellos war ihr Einsatz hoch. Sie wollten das Wort Gottes immer besser kennenlernen. Sie wollten Gott besser gefallen (… und bei der Gelegenheit auch gleichzeitig von Menschen anerkannt werden).

Sie übersahen allerdings den Kerninhalt des Wortes Gottes, nämlich Christus! Stattdessen erträumten sie sich als Retter, der ihr Volk befreien sollte, einen weltlichen Herrscher. Sie waren so sehr auf die Gegenwart und auf das Suchen nach Anerkennung durch die Menschen, die um sie herum lebten, fixiert, dass alle Antennen zum Erkennen des Heilands eingefahren waren. Anerkennung und Ehre der Menschen untereinander beherrschten sie.

Hören wir einmal, wie Jesus ihr Problem beschreibt: „Ihr erforscht die Schriften, weil ihr meint, darin das ewige Leben zu haben; und sie sind es, die von mir zeugen. Und doch wollt ihr nicht zu mir kommen, um das Leben zu empfangen“ (Joh. 5,39.40).

Der Herr legt damit seinen Finger in die Wunde studierter Schriftgelehrter: Sie hatten Jesus in den Schriften nicht entdeckt und folglich kamen sie auch nicht zu ihm. Die Pharisäer wollten Mose. Aber sie lehnten Jesus ab. Für sie hatten diese beiden nichts miteinander zu tun! Sie meinten, sie würden die ihnen durch Moses übermittelten Schriften verstehen. Aber sie erkannten Jesus nicht. Doch genau von ihm geben die Schriften des Mose Zeugnis! So wird es beim Bibelstudium im Kern um Christus gehen. Das Zentrum der Schriften ist nicht das Gesetz, sondern Christus. Mose weist auf Christus hin.

Als Hermann Friedrich Kohlbrügge einmal seinen Vater fragte, wie man Christus entdecken könne, bekam er folgende Antwort: „Lies die fünf Bücher Mose!“ Da steht alles drin! Eine verwunderliche Antwort, … und eine große Weisheit!

Tatsächlich haben bereits die Propheten das Kommen Christi angekündigt (Apg. 3,24; siehe auch Mt. 13,17). Auf ihm ist die ganze Kirche gegründet. Und zu guter Letzt hat Jesus selbst den Menschen erklärt, dass die gesamte Schrift auf ihn hinweist (Luk. 24,25–27).

Ganz praktisch heißt dies, dass der Inhalt unseres Bibelstudiums Christus ist. Mose sagt uns: Du bist ein Sünder, und du kannst das Gesetz nicht halten. Christus sagt uns: Das stimmt, du bist ein Sünder und kannst das Gesetz nicht halten. Aber ich habe es gehalten und habe den Preis für deine Verstöße gegen das Gesetz bezahlt, indem ich mich selbst geopfert habe. Ich bin gestorben, damit du leben kannst. In mir hast du Rettung und Heil!

Wenn wir also einen Bibelabschnitt studieren, dann wollen wir die Frage stellen: Was sagt er über Christus? Wo erkenne ich mich selbst als ein Sünder, der Rettung benötigt? Wo ist etwas von Gottes Gnade und seinen Verheißungen, die alle in Christus verankert sind, zu entdecken? Wie tröstet mich Gott durch das Werk von Christus?

Auf diese Weise wird unser Bibellesen zum Gewinn.